Einer Vollstreckungsgegenklage kann das Rechtsschutzbedürfnis fehlen, wenn der Gläubiger vor Erhebung der Klage den (Teil-)Verzicht auf Vollstreckung titulierter Zinsen wegen eingetretener Verjährung erklärt und kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich ist, dass sich der Gläubiger hieran nicht halten wird. Die Herausgabe des Titels ist ausnahmsweise nicht erforderlich, weil der Gläubiger durch den erklärten Teilverzicht ansonsten gezwungen wäre, bei sich jährlich ändernden Zinsen jedes Jahr einen neuen Titel auf eigene Kosten zu beschaffen.

Der Zwangsvollstreckungsgegenklage fehlt das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Insoweit ist die Klage als unzulässig abzuweisen. Selbst wenn von einem Rechtsschutzinteresse der Kläger (Schuldner) auszugehen sein könnte, wäre die Klage unbegründet, weil sich die Rechtsverfolgung der Kläger als rechtsmissbräuchlich darstellt.
Das Rechtsschutzbedürfnis der Kläger fehlt, weil die Beklagte (Gläubigerin) im vorliegenden Fall in dem der Erhebung der Zwangsvollstreckung vorgeschalteten Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren für die Kläger vorgetragen hatte, dass sie auf die bereits verjährten dinglichen Zinsen verzichte. Für die Kläger gab es keinen hinreichenden sachlichen Grund, diesem Verzicht zu misstrauen. Insbesondere lag in dem vorangegangenen Vorgehen der Beklagten im Zwangsversteigerungsverfahren kein Verhalten, das objektiv für die Kläger und aus deren Sicht berechtigten Anlass zu Zweifeln hätte geben können, dass die Beklagte sich an den erklärten Verzicht künftig halten werde.
Denn die Beklagte hat zwar im Zwangsversteigerungsverfahren zunächst auch verjährte Zinsen geltend gemacht. Es kann offen bleiben, ob dies entsprechend der Erklärung der Beklagten zunächst auf einem Versehen beruhte oder nicht. Selbst wenn kein Versehen der Beklagten insoweit vorlag, war nämlich die Geltendmachung materiell-rechtlich verjährter Zinsen nicht rechtswidrig, weil die Verjährung dem Anspruch nur die Durchsetzbarkeit nimmt und gemäß § 214 Abs. 1 BGB nur nach erhobener Einrede des Schuldners berücksichtigt wird. Dass die Kläger bereits zu dem Zeitpunkt, zu dem die Beklagte noch das Zwangsversteigerungsverfahren auch wegen der verjährten Zinsen betrieb, bereits die Einrede der Verjährung erhoben hatten, ist nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich. Als dagegen die Kläger am 1.03.2012 ein Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren für die zu erhebende Vollstreckungsgegenklage unter Vorlage des Entwurfs der Vollstreckungsgegenklage mit der in diesem Entwurf ausdrücklich erhobenen Verjährungseinrede eingeleitet hatten, hat die Beklagte im Rahmen ihrer Anhörung in diesem Prozesskostenhilfeverfahren sofort den Verzicht erklärt und ihren Antrag im Zwangsversteigerungsverfahren zurückgenommen. Nach Prozesskostenhilfebewilligung zugunsten der Kläger hat ihnen die nunmehr anwaltlich vertretene Beklagte bereits in der Klageerwiderung ausdrücklich nochmals verbindlich erklärt, dass diese eine Zwangsvollstreckung wegen rückständiger Zinsen nicht betreibe, soweit Verjährung eingetreten ist. Die Beklagte hat damit auch in Anbetracht ihres vorangegangenen Verhaltens einen ausdrücklichen Verzicht erklärt. Das Rechtsschutzinteresse der Kläger kann nicht schon wegen gegenüber der Eindeutigkeit und/oder Glaubhaftigkeit dieses Verzichtes bestehender Zweifel bejaht werden.
Hierbei wird nicht verkannt, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs1 bei einem Verzicht des Gläubigers auf die Zwangsvollstreckung das Rechtsschutzinteresse für eine Klage aus § 767 ZPO grundsätzlich nicht beseitigt ist, solange der Gläubiger noch den Titel in Händen hält. Hier ergibt sich nur die Besonderheit, dass die Beklagte nicht auf die Vollstreckbarkeit des Titels in seiner Gesamtheit, sondern nur in Teilen davon verzichtet hat, wobei diese Teile auch noch sich jährlich ändernde Nebenansprüche, nämlich Zinsen betreffen. Würde man den von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Grundsatz, dass das Rechtsschutzinteresse für die Vollstreckungsgegenklage auch bei einem Teilverzicht nur dann und erst dann entfällt, wenn auch der Titel herausgegeben wird, auch auf diese Fälle übertragen, wäre der Gläubiger praktisch gezwungen, bei sich jährlich ändernden Zinsen jedes Jahr auf seine Kosten einen neuen Titel zu beschaffen. Dieses Ergebnis wäre nicht sachgerecht. Der Bundesgerichtshof hat in der Entscheidung NJW 1984, 2826, 2827 für eine Fallgestaltung, bei der von einer titulierten Unterhaltsrente einerseits ein Teil durch Erfüllung „verbraucht“ war, andererseits der Gläubiger den Titel noch für die Vollstreckung zukünftig fällig werdender Ansprüche benötigte, anerkannt, dass der Gläubiger den Titel nur wegen des nicht mehr benötigten Teils nicht herausgeben oder umschreiben lassen müsse, weil der bloße Umstand, dass aus dem Titel ein Teil verbraucht sei, nicht schon allein die Besorgnis rechtfertige, dass der Gläubiger den Titel auch wegen des erledigten Teils zur unrechtmäßigen Vollstreckung insoweit missbrauche.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Celle sind diese auch schon vom Bundesgerichtshof für den Bereich der Unterhaltsleistungen entwickelten einschränkenden Grundsätze zu den Anforderungen des Rechtsschutzbedürfnisses auch auf den vorliegenden Fall eines Teilverzichts zu übertragen. Denn die Beklagte hat, wie vorstehend dargelegt wurde, den Klägern gegenüber auch bisher keinen Anlass zu Misstrauen gegeben, sich insbesondere im bisherigen Vollstreckungsverfahren entgegen der Ansicht des Landgerichts im angefochtenen Urteil nicht selbst widersprüchlich verhalten. Es kommt hinzu, dass die Beklagte mit Schreiben vom 20.09.2012 an die Prozessbevollmächtigten der Kläger noch ausdrücklich angeboten hat, den Titel bei Kostenübernahme durch die Kläger beschränken zu lassen. Hierbei mag zwar zutreffen, dass die Kosten der Umschreibung des Titels grundsätzlich von der Beklagten als Gläubigerin zu tragen sind. Ihre im Schreiben vom 20.09.2012 erklärte Bereitschaft ist aber ein zusätzliches Anzeichen dafür, dass auch aus Sicht der Kläger mit einer rechtsmissbräuchlichen Verwendung des bei der Beklagten unverändert verbleibenden Titels nicht zu rechnen ist.
Letztlich kann aber auch dann, wenn ein Rechtschutzbedürfnis für die Kläger zu bejahen sein sollte, ihre Vollstreckungsgegenklage auch in dem vom Landgericht zugesprochenen Umfang deshalb keinen Erfolg haben, weil sich die Rechtsverfolgung der Kläger insoweit als rechtsmissbräuchlich, nämlich treuwidrig darstellt.
Denn der in zweiter Instanz für die Beklagten gehaltene Sachvortrag, wonach die Zwangsversteigerung des Grundstücks insgesamt für die Beklagte und die zweite Gläubigerin (D.-Bank) ohnehin aller Voraussicht nach nicht zu Verwertungserlösen führen werde, die auch nur annähernd zu einer Befriedigung beider Gläubiger ausreichen könnten, ist unstreitig geblieben. Unstreitig geblieben ist auch, dass eine Zwangsvollstreckung in das sonstige Vermögen der Kläger derzeit keinen Erfolg haben wird, weil die Kläger schon vor Beantragung von Prozesskostenhilfe in der vorliegenden Sache mit Antrag vom 01.03.2012 am 1.02.2012 die eidesstattliche Versicherung abgegeben, dies allerdings selbst nicht vorgetragen hatten. Aus diesem unstreitig gebliebenen Sachvortrag der Beklagten zweiter Instanz ergibt sich, dass die Kläger mit der Zwangsvollstreckungsgegenklage im vom Landgericht zugesprochenen Umfang ein Rechtschutzziel verfolgen, das ihnen unter keinem tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkt noch irgendeinen Nutzen bringen kann, weil die Zwangsvollstreckung, deren Unzulässigkeit festgestellt werden soll, ohnehin nicht nur von der Beklagten nicht mehr betrieben wird, sondern auch dann, wenn sie noch betrieben würde, zu keinem Vollstreckungserfolg führen könnte. Soweit die Kläger auf S. 3 unten der Berufungserwiderung vom 10.12.2012 dem entgegen halten, es sei „nicht auszuschließen, dass sämtliche Gläubiger der Kläger befriedigt“ würden, ist dies eine vor dem Hintergrund der abgegebenen eidesstattlichen Versicherung zumindest derzeit eine allenfalls theoretische Möglichkeit ohne Tatsachengrundlage. Dieser Vortrag ändert jedenfalls nichts daran, dass nach dem unstreitig gebliebenen Tatsachenvortrag der Beklagten (zwei Vollstreckungsgläubiger; eidesstattliche Versicherung beider Kläger schon vom 01.02.2012) alles dafür spricht, dass weder die Beklagte noch die D.-Bank aus ihren Titeln wegen ihrer rückständigen Zinsforderungen jedenfalls gegenwärtig und in absehbarer Zukunft Befriedigung erlangen können. Die Durchführung einer Zwangsvollstreckungsgegenklage, obwohl die Zwangsvollstreckung wenn auch vielleicht nicht sicher, so aber doch aller Wahrscheinlichkeit nach zu keinem Erfolg führen wird, erscheint aus diesem Grunde auch mutwillig. Deshalb wäre die Klage, wenn ihr für den hier streitgegenständlichen Teil nicht das Rechtsschutzbedürfnis fehlen würde, jedenfalls als unbegründet abzuweisen.
Oberlandesgericht Celle, Urteil vom 20. Februar 2013 – 4 U 122/12
- BGH NJW 1974, 147; NJW 1984, 2826, 2827[↩]