Gewährt ein Gesellschafter seiner Gesellschaft fortlaufend zur Vorfinanzierung der von ihr abzuführenden Sozialversicherungsbeiträge Kredite, die in der Art eines Kontokorrentkredits jeweils vor Erhalt des Nachfolgedarlehens mit Hilfe öffentlicher Beihilfen abgelöst werden, ist die Anfechtung wie bei einem Kontokorrentkredit auf die Verringerung des Schuldsaldos im Anfechtungszeitraum beschränkt.

Nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar ist auch die Tilgung kurzfristiger Überbrückungskredite, die ein Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin (der GmbH) gewährt hat. Der Gesetzgeber hat mit § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO in der Fassung von Art. 9 Nr. 5 des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23.10.20081 bewusst auf das Merkmal kapitalersetzend verzichtet und verweist jedes Gesellschafterdarlehen bei Eintritt der Gesellschaftsinsolvenz in den Nachrang2.
Dasselbe gilt nach Maßgabe von Art. 9 Nr. 8 MoMiG für die Neufassung von § 135 InsO. Rückzahlungen auf Gesellschafterdarlehen sind innerhalb der Jahresfrist des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO nF stets anfechtbar3. Die Anfechtung beschränkt sich nicht mehr auf solche Fälle, in denen zurückgezahlte Gesellschafterdarlehen eigenkapitalersetzend waren und die Befriedigung der Gesellschafter ihrer Finanzierungsfolgenverantwortung widersprach. Dieses Gesetzesverständnis ist eindeutig und – soweit ersichtlich – auch unumstritten4.
In einem echten Kontokorrent mit vereinbarter Kreditobergrenze scheidet eine Gläubigerbenachteiligung durch einzelne Kreditrückführungen aus, weil ohne sie die Kreditmittel, die der Schuldner danach tatsächlich noch erhalten hat, ihm nicht mehr zugeflossen wären. Nach der Kreditabrede stehen dort die Leistungen des Schuldners an den Gläubiger in einem unmittelbaren rechtlichen Zusammenhang mit der dem Schuldner eingeräumten Möglichkeit, einen neuen Kredit zu ziehen. Anfechtbar sind solche Kreditrückführungen daher nicht in ihrer Summe, sondern nur bis zur eingeräumten Kreditobergrenze5. Mehr als die ausgeschöpften Mittel der Kreditlinie war im Schuldnervermögen nie vorhanden und für die Gläubigerbefriedigung einsetzbar.
Dieser Grundsatz ist hier einschlägig, weil die der Schuldnerin (GmbH) von der Gesellschafterin fortlaufend gewährten Kredite durch ihre gleich bleibenden Bedingungen, ihre kurze Dauer, den mit ihrer Ausreichung verfolgten Zweck und das zwischen den Vertragspartnern bestehende Gesellschaftsverhältnis nach der Art eines Kontokorrentkredits miteinander verbunden sind. Wegen des Gebots, den wirtschaftlichen Vorgang vollständig und richtig zu erfassen, darf die einheitlich angelegte Vermögenszuwendung nicht mangels formaler Führung einer laufenden Rechnung und einer dauernden Kreditlinie sinnwidrig in voneinander unabhängige Einzeldarlehen zerlegt werden. Sonst würde der Masse mehr zurückgewährt, als die Schuldnerin jemals hatte.
Bei der rechtlichen Würdigung des Streitgegenstandes fällt entscheidend ins Gewicht, dass die Handhabung des Kreditverhältnisses in der Art eines Kontokorrents durch wechselseitige Aus- und Rückzahlungen innerhalb einer Kreditobergrenze verlief und der von der Gesellschafterin verfolgte Zweck, der Schuldnerin fortwährend nur die zur Abführung der monatlich anfallenden Sozialversicherungsbeiträge benötigten Mittel vorzuschießen, allein im Wege der hier monatlich gewährten Kredite verwirklicht werden konnte. War das tatsächliche Ziel einer auf die Vorfinanzierung bestimmter öffentlicher Beihilfen beschränkten Kreditierung ohne zusätzliche Wirkungen nur durch die wiederholte Gewährung von Darlehen umsetzbar, ist es bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise sachgerecht, den Vorgang anfechtungsrechtlich wie einen Kontokorrentkredit zu behandeln. Der Vorbehalt der Gesellschafterin, jeden Anschlusskredit neu zu bewilligen und keine dauernde Kreditlinie zu eröffnen, begrenzte ihr Kredit- und Insolvenzrisiko. Sie darf deshalb auch anfechtungsrechtlich nicht schlechter als bei einer jederzeit kündbaren unbefristeten Kreditlinie stehen.
Der Schuldnerin wurden die in ihrer Eigenschaft als Beschäftigungsgesellschaft für ihre Arbeitnehmer monatlich zu entrichtenden Sozialversicherungsbeiträge jeweils kurze Zeit nach Fälligkeit durch öffentliche Beihilfen erstattet. Die Darlehensgewährung durch die Beklagte als Alleingesellschafterin der Schuldnerin diente lediglich dem Zweck, der Schuldnerin diese öffentlichen Beihilfen monatlich kurzfristig vorzufinanzieren, um ihr die pünktliche Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge zu ermöglichen. Die Beihilfen wurden von der Schuldnerin nach Erhalt jeweils vereinbarungsgemäß zur Rückführung der Darlehen eingesetzt. Damit standen Darlehen und Beihilfen in engem sachlichen Zusammenhang mit der Tilgung der Sozialversicherungsbeiträge. Darlehenshingabe und Darlehensrückzahlung wiederholten sich in der geschilderten Art, weil die Schuldnerin dauerhaft nicht im Stande war, die Sozialversicherungsbeiträge vor Erhalt der Beihilfe aus eigenen Mitteln aufzubringen, und deshalb ständig gegenüber der Gesellschafterin als ihrer Gesellschafterin zweitweise Kredit in Anspruch nahm. Infolge der jeweils nur vorübergehend benötigten Liquidität und des engen zeitlichen Zusammenhangs von Zahlung und Rückzahlung erfolgte die Abwicklung der nacheinander abgelösten Darlehen absprachegemäß in der Art eines Kontokorrentkredits. Der Schuldnerin wurde im Wege des Staffelkredits nicht ein Darlehensbetrag in der Summe der jeweiligen Einzeldarlehen, sondern infolge der jeweils vor erneuter Ausreichung bewirkten Rückführungen ebenso wie bei einem Kontokorrentkredit lediglich im Umfang des sich daraus ergebenden Saldos gewährt. Schon diese Umstände legen nahe, den durch einen sich fortlaufend erneuernden vorübergehenden Liquiditätsbedarf und entsprechende Erstattungszahlungen geprägten Vorgang der Gewährung eines Staffelkredits einer einheitlichen Bewertung im Sinne einer Kreditgewährung in laufender Rechnung zu unterziehen.
Ferner kommt die Besonderheit hinzu, dass die Beklagte mit der Kreditgewährung lediglich den Zweck verfolgte, der Schuldnerin in der Art eines Kontokorrentkredits monatlich die zur Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge benötigten Mittel vorzufinanzieren, aber nicht bereit war, ihr wie eine Bank eine allgemeine, ihrer freien Verwendung überlassene Kreditlinie zu eröffnen. Da sich der Zweck der Darlehensbeteiligten, der Schuldnerin die rechtzeitige Abführung der Sozialversicherungsbeiträge für ihre Arbeitnehmer zu ermöglichen, ohne Einrichtung eines Kontokorrents vorzugsweise durch laufende, nacheinander abgelöste Staffelkredite verwirklichen ließ, entspricht das Geschäft wirtschaftlich betrachtet der Eröffnung einer Kreditlinie.
Zwar hätte sich die Beklagte dazu entschließen können, der Schuldnerin anstelle von Staffelkrediten eine dauernde Kreditlinie einzuräumen. Dann hätte jedoch die Gefahr bestanden, dass die Schuldnerin die Mittel nicht nur zur Begleichung der Sozialversicherungsbeiträge, sondern auch zur Deckung ihres sonstigen Geldbedarfs einsetzte. Bei Ausschöpfung einer solchen Kreditlinie für andere Zwecke hätten die Mittel dann nicht mehr zur Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge verwendet werden können. Die verwirklichte Zweckbindung konnte die Beklagte – ohne nähere Erwägung möglicherweise bestehender banktechnischer Alternativen – am ehesten sicherstellen, indem die Gelder monatlich jeweils unmittelbar vor Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge an die Beklagte überwiesen wurden und diese sie anschließend an die Einzugsstelle weiterleitete. Die Staffeldarlehen gingen wirtschaftlich daher nicht weiter als eine der Schuldnerin zweckgebunden für die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge eingeräumte Kreditlinie, wobei die Darlehensmittel durch die nachfolgenden öffentlichen Beihilfen zurückgeführt wurden. Konnte dieser Zahlungserfolg ohne Hilfe eines Kontokorrents durch Vergabe von in gleicher Weise wie ein Kontokorrentkredit zurückgeführte Staffeldarlehen verwirklicht werden, so ist der Gesamtvorgang der Darlehensgewährung und Kredittilgung anfechtungsrechtlich wie die Eröffnung einer Kreditlinie zu beurteilen. Die Staffelung der nacheinander abgelösten Darlehen entspricht der Eröffnung eines Kontokorrentkredits, weil nur auf diese Weise ein jeweils aus gleichem Grund kurzfristig wiederkehrender Liquiditätsbedarf fortlaufend befriedigt werden konnte.
In diesen Erwägungen liegt nicht – wie die Revisionserwiderung im Anschluss an das Berufungsgericht meint – eine in der Insolvenzanfechtung unstatthafte hypothetische Betrachtungsweise, die eine Gläubigerbenachteiligung weder begründen noch ausschließen kann6. Maßgebend ist vielmehr der reale Zusammenhang zwischen den wechselseitigen Rechtshandlungen von Schuldnerin und Beklagter, wie er sich in der Kreditpraxis insbesondere bei Kontokorrentkrediten findet. Hierbei sind jedoch im Verhältnis von Gesellschaft und Gesellschafterin die laufende Rechnung und die Eröffnung einer dauernden Kreditlinie nicht die anfechtungsrechtlich entscheidenden Gesichtspunkte.
Die anfechtungsrechtliche Gleichstellung der Finanzierungshilfe der Gesellschafterin mit einem Kontokorrentkredit folgt aus dem weiteren Umstand, dass die Staffelkredite durch das zwischen der Schuldnerin und der Gesellschafterin bestehende Gesellschaftsverhältnis miteinander verbunden wurden.
Ein Gesellschafterdarlehen kommt grundsätzlich mit Rücksicht auf das gesellschaftliche Band zwischen dem Gesellschafter und seiner Gesellschaft zustande und dient dem Zweck, die Belange der Gesellschaft zu fördern. Die neben dem Kreditverhältnis bestehende gesellschaftliche Treuepflicht kann einem Gesellschafter verbieten, gegenüber seiner GmbH einen Anspruch auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens durchzusetzen, wenn die Gesellschaft dadurch in eine Krise geriete7. Fordert der Gesellschafter das seiner GmbH gewährte Darlehen zurück, kann er wegen einer möglichen Verletzung der Treuepflicht ihm drohende, mindestens auf Fortsetzung der Kredithilfe gerichtete Schadensersatzansprüche nicht ausschließen. Deshalb hatte die Beklagte bereits bei der Rückzahlung des ersten Darlehens auf die absehbare Liquiditätslage der Schuldnerin Bedacht zu nehmen. Erneuert der Gesellschafter zur Vermeidung einer etwaigen Haftung das ihm zurückerstattete Darlehen, sind die Vorgänge untrennbar miteinander verknüpft, weil das Erstdarlehen bei gleichem Ausfallrisiko durch das Zweitdarlehen ersetzt wird (§ 249 Abs. 1 BGB). Entsprechendes gilt für Folgedarlehen. Mithin werden nach Begleichung der vorherigen Kredite ausgereichte Staffeldarlehen durch die Treuepflicht zu einem einheitlichen Kreditverhältnis zwischen Gesellschafter und Gesellschaft verbunden, so dass sich Tilgungsleistungen als Rückführung einer Kreditlinie darstellen.
Die aus § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO herzuleitende Klageforderung beschränkt sich auf die Verringerung des Schuldsaldos im Anfechtungszeitraum.
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat noch unter der Geltung des Eigenkapitalersatzrechts angenommen, dass das ständige Stehenlassen von fälligen Forderungen einem fortlaufend bestehenbleibenden Kredit zwar nicht in Höhe der jeweiligen Einzelforderung, wohl aber in Höhe der Gesamtdurchschnittsforderung gleichsteht8. Dieser Wertung kann in Anwendung des anfechtungsrechtlich ausgestalteten § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO nicht uneingeschränkt gefolgt werden9. Denn es kommt nicht mehr darauf an, in welcher Höhe die wiederkehrenden Darlehen der Gesellschafterin an die Schuldnerin Eigenkapital ersetzend waren. Deshalb bestimmt sich der begründete Teil der Klageforderung auch nicht mehr nach dem durchschnittlich offenen Darlehensbetrag. Bankguthaben oder Zahlungsmittel sind der Masse vielmehr im Umfang des höchsten zurückgeführten Darlehensstandes entzogen worden, was dem von der Gesellschafterin übernommenen Insolvenzrisiko entspricht.
In diesem Umfang kommt das Bargeschäft gemäß § 142 InsO von vornherein nicht in Frage. Denn es handelt sich bei der Rückführung dieser Darlehen um eine einseitige Deckungshandlung der Schuldnerin, der keinerlei ausgleichende Leistung der Gesellschafterin gegenüberstand10.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 7. März 2013 – IX ZR 7/12
- BGBl I S.2026[↩]
- Begründung zum Regierungsentwurf BT-Drucks. 16/6140 S. 56[↩]
- BT-Drucks. 16/6140 S. 57[↩]
- wie hier etwa HmbKomm-InsO/Schröder, 4. Aufl., § 135 Rn. 18; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, § 135 Rn. 4; GrafSchlicker/Neußner, InsO, 3. Aufl., § 39 Rn. 16; Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, 20. Aufl., § 30 Anh. Rn. 30; vgl. auch OLG Naumburg, ZIP 2011, 677, 679; zweifelnd Gottwald/Haas/Hossfeld, Insolvenzrechtshandbuch, 4. Aufl., § 92 Rn. 428[↩]
- MünchKomm-InsO/Kirchhof, 2. Aufl., § 129 Rn. 174a[↩]
- BGH, Urteil vom 14.05.2009 – IX ZR 63/08, BGHZ 181, 132 Rn. 28; vom 19.04.2007 – IX ZR 199/03, WM 2007, 1133 Rn.19[↩]
- RG, JW 1937, 1986; OLG Koblenz, ZIP 1984, 1352, 1354 f; Ulmer/Raiser, GmbHG, § 14 Rn. 88; vgl. auch § 64 Satz 3 GmbHG[↩]
- BGH, Urteil vom 28.11.1994 – II ZR 77/93, ZIP 1995, 23, 24 f; vom 11.10.2011 – II ZR 18/10, WM 2011, 2235 Rn. 10; vgl. auch OLG Hamburg, GmbHR 2006, 813, 814[↩]
- HmbKomm-InsO/Schröder, 4. Aufl., § 135 Rn. 33a; Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, 20. Aufl., Anh. § 30 Rn. 63a; aA Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl., §§ 32a/b Rn. 43[↩]
- vgl. OLG Celle, ZInsO 2012, 2050, 2051 unter 2.[↩]