Das Grundbuchamt hat die Wirksamkeit einer Vollmacht und deren Umfang selbständig zu prüfen, auch wenn der Notar die Vollmacht für ausreichend erachtet hat. Ist die Vollmacht ihrem Inhalt nach nicht eindeutig, ist sie nach den allgemeinen Regeln für Grundbucherklärungen auszulegen. Führt dies zu keinem eindeutigen Ergebnis, so gilt der Grundsatz, dass der geringere Umfang der Vollmacht anzunehmen ist, wenn sich der Größere nicht nachweisen lässt1.

Was die Fortdauer der Vollmacht über den Tod des Vollmachtgebers hinaus angeht, ist gemäß § 168 BGB das der Vollmachtserteilung zugrunde liegende Rechtsverhältnis zu beachten. Im Fall nachgewiesener Geschäftsbesorgung gilt die Auslegungsregel des § 672 BGB, so dass im Grundsatz vom Fortbestand auszugehen ist, wenn nicht die konkrete Vertragsauslegung ergibt, dass die Besorgung des Geschäfts nur für den noch lebenden Auftraggeber bedeutsam ist. Ist dies der Fall, muss das Grundbuchamt neben dem Erbennachweis gemäß § 35 GBO auch die Bewilligung der Erben für das Geschäft nach § 19 GBO verlangen2.
Rechtsprechung und Schrifttum haben für die Beurteilung der Frage, ob von einer über den Tod hinausgehenden Vollmacht auszugehen ist, Auslegungsregeln aufgestellt. Diese lassen sich dahin zusammenfassen, dass je mehr der Auftragsgegenstand auf die Person und die persönlichen Verhältnisse und nicht nur auf das Vermögen des Auftraggebers ausgerichtet ist, desto eher das Erlöschen des Auftrags mit dem Tode des Auftraggebers anzunehmen ist3. Für Vorsorgevollmachten wird zum Teil als Leitlinie genannt, dass diese „in der Regel“ mit dem Tod des Vollmachtgebers erlösche4.
Legt man diese Grundsätze zugrunde, ist im vorliegenden Einzelfall von einem Fortbestand der Vollmacht über den Tod des vollmachterteilenden Ehemannes hinaus auszugehen, ohne dass es der abschließenden Klärung bedarf, ob bei Vorsorgevollmachten ein Regel-Ausnahme-Verhältnis zugunsten des Erlöschens gemäß der überwiegend vertretenen Auffassung besteht.
Allerdings streitet für die Auffassung des Grundbuchamts, dass die Vollmacht mit der Überschrift „Vorsorgevollmacht“ versehen worden ist und in ihr (auch) höchstpersönliche Angelegenheiten der beiden Vollmachtgeber angesprochen sind, namentlich die Gesundheitsvorsorge. Ferner spricht für dessen Beurteilung, dass die Vollmacht – wie die in § 7 getroffene Regelung zeigt – ersichtlich auch dazu diente, die Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung für einen der Vollmachtgeber zu vermeiden; insoweit liegt ein der Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm5 vergleichbarer Sachverhalt vor. Den Schwerpunkt der Vollmachtserteilung bildet jedoch – wie schon die ausführliche und an den Beginn der Vollmacht gestellte beispielhafte Aufzählung in § 2 der Vollmacht zeigt – die Bevollmächtigung für Vermögensgeschäfte. Es kommt hinzu, dass die Befugnis, von der Vollmacht Gebrauch zu machen, nach ihrem Wortlaut weder im Außen- noch im Innenverhältnis von bestimmten Voraussetzungen abhängig gemacht worden ist, insbesondere nicht davon, dass eine Unfähigkeit des Vollmachtgebers medizinisch festgestellt wird, seine eigenen Angelegenheiten zu besorgen. Die in § 7 der Vollmacht vorgenommene Klarstellung, dass die Vollmacht „auch im Falle der Geschäftsunfähigkeit“ gültig bleiben solle, zeigt vielmehr, dass die vollmachtgebenden Eheleute gerade nicht (nur) für den Fall der Geschäftsunfähigkeit eine Regelung treffen wollten.
Bei der Auslegung kann zudem nicht außer Betracht bleiben, dass § 9 der Vollmacht den Hinweis der Vollmachtgeber enthält, dass ihnen der Bestand der Vollmacht über den Tod hinaus verdeutlicht worden sei. Zwar ist dem Grundbuchamt darin zuzustimmen, dass damit keine ausdrückliche Erteilung einer transmortalen Vollmacht zu sehen ist. Eine solche ist aber – wenn sie auch empfehlenswert sein mag6 – auch nicht erforderlich. Der Hinweis ist ein bei der Auslegung zu beachtendes – deutlich für eine transmortale Vollmacht sprechendes – Indiz.
Hätten die Vollmachtgeber nicht gewollt, dass die wechselseitig erteilten Vollmachten auch über den Tod der anderen Partei hinaus gelten, wäre zu erwarten gewesen, dass sie diesen Hinweis im Rahmen der Prüfung eines ihnen vorgelegten Vollmachtsentwurfs ansprechen; dies hätte dann – falls der Hinweis versehentlich etwa auf der Grundlage eines Musters aufgenommen worden ist – zu einer Korrektur des Entwurfs geführt. Die für den Hinweis gewählte Formulierung ist auch nicht so gestaltet, dass für ihr Verständnis besondere Rechtskenntnisse erforderlich waren, die von den Urkundsbeteiligten nicht ohne weiteres erwartet werden konnten.
Das Grundbuchamt weist zu Recht darauf hin, dass weitere in § 9 der Vollmacht verwendete Formulierungen die Annahme stützen könnten, dass ohne hinreichende redaktionelle Prüfung ein Vollmachtsmuster verwendet worden ist; so werden bei Unterschriftsbeglaubigungen keine „Ausfertigungen“ erteilt; auch ist eine auf den Inhalt bezogene Belehrung durch den Notar nicht vorgesehen (vgl. die eingeschränkten Prüfungsbefugnisse bei Unterschriftsbeglaubigungen, § 40 Absatz 2 BeurkG). Dabei handelt es sich aber – anders als bei dem soeben besprochenen Umstand – um Unterschiede zwischen beurkundeten und unterschriftsbeglaubigten Erklärungen, die einem juristischen Laien nicht ohne weiteres bewusst sein werden.
Soweit das Grundbuchamt mit dem Nichtabhilfebeschluss darauf hinweist, dass notarielle Urkunden nicht auslegungsbedürftig sein, sondern den Willen der Beteiligten „ohne Weiteres klar zum Ausdruck bringen“ sollten, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Im Streitfall liegt keine beurkundete, sondern (lediglich) eine unterschriftsbeglaubigte Vollmacht vor. Auch wenn man die notarielle Pflicht zur klaren und eindeutigen Wiedergabe der Erklärungen (§ 17 Absatz 1 Satz 1 BeurkG) auf einen vom Notar gefertigten Entwurf zur Unterschriftsbeglaubigung vorgesehener Urkunden übertragt, ändert dies nichts daran, dass auch formbedürftige Erklärungen der Auslegung zugänglich sind7.
Auch die vom Grundbuchamt geäußerten Zweifel daran, dass der Bevollmächtigung ein über den Tod hinaus fortdauerndes Rechtsverhältnis zugrunde liegt, führen zu keinem anderen Ergebnis. Für die Annahme, dass die Parteien ein – im Umfang mit der Vollmacht identisches – Grundverhältnis zugrunde gelegt haben, spricht der Umstand, dass sie sich in § 10 der Vollmacht veranlasst gesehen haben, eine Vergütungspflicht auszuschließen; das wäre bei einer isolierten Vollmacht nicht erforderlich gewesen.
Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluss vom 17. August 2023 – 19 W 60/23 (Wx)
- OLG München ZEV 2014, 615 m. w. N.[↩]
- OLG München a. a. O., m. w. N.[↩]
- vgl. etwa OLG Hamm, Beschluss vom 17.09.2002 – 15 W 338/02 13; OLG München ZEV 2014, 615; MünchKomm-BGB/Schubert, 9. Aufl.2021, BGB § 168 Rn. 43[↩]
- MünchKomm-BGB/Schubert, 9. Aufl.2021, BGB § 168 Rn. 44; Staudinger/Schilken [2019] BGB § 168, Rn. 26; Weinland in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl, § 168 BGB Rn. 11; kritisch Zimmer ZEV 2014, 617[↩]
- OLG Hamm, a. a. O.[↩]
- BeckOGK/Huber, 1.11.2021, BGB § 168 Rn. 73.1; Dietz in: Beck’sches Notarhandbuch, 7. Auflage 2019, § 17 Rn. 357[↩]
- vgl. etwa BeckOGK/Möslein, 1.10.2020, BGB § 133 Rn. 82 ff.[↩]