Einen Überbau seines Grundstücks mit einer Außendämmung muss ein Nachbar nicht dulden, wenn ohne Inanspruchnahme des Nachbargrundstücks eine vergleichbare Dämmwirkung in vertretbarer Weise erreicht werden kann.

So hat das Bayerische Oberste Landesgericht in dem hier vorliegenden Fall entschieden und die Revision des Klägers zurückgewiesen. Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke im Freistaat Bayern. Der Kläger möchte nachträglich an der Fassade seines Hauses außen eine Wärmedämmung mit einer Stärke von 18 cm anbringen und dafür das benachbarte Grundstück überbauen. Die Fassade steht unmittelbar an der Grenze zum Grundstück der Beklagten. Der Kläger hat behauptet, eine vergleichbare Wärmedämmung sei auf andere Weise, nämlich durch Innendämmung, nicht – schon gar nicht mit vertretbarem Aufwand – zu erreichen.
Vom zuständigen Amtsgericht ist die Klage erstinstanzlich teilweise stattgegeben worden. Die beklagte Partei ist verurteilt worden, die Anbringung einer Außendämmung von 5 cm Stärke zu dulden. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Landgericht Würzburg hat auf die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers zu den nach der Energieeinsparverordnung (EnEV) erforderlichen Dämmmaßnahmen ein Sachverständigengutachten eingeholt und daraufhin – unter Zurückweisung der Anschlussberufung des Klägers – die Klage insgesamt abgewiesen1. Es hat die Revision zum Bayerischen Obersten Landesgericht zugelassen.
In seiner Urteilsbegründung hat das Bayerische Oberste Landesgericht ausgeführt, dass nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts die Voraussetzungen einer Duldungspflicht des Nachbarn gemäß Art. 46a Abs. 1 des Gesetzes zur Ausführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs (AGBGB) nicht vorliegen.
Nach Art. 46a AGBGB hat der Eigentümer eines Grundstücks das Übergreifen einer Wärmedämmung, die auf der grenzseitigen Außenwand des Nachbarhauses angebracht werden soll, zu dulden, sofern die unter Art. 46a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 AGBGB genannten Voraussetzungen gegeben sind. Eine Duldungspflicht besteht insbesondere nur, soweit und solange eine vergleichbare Wärmedämmung auf andere Weise als durch eine Außendämmung mit vertretbarem Aufwand nicht vorgenommen werden kann. Dies zu beurteilen, ist eine Tatsachenfrage des jeweiligen Einzelfalls. Dabei sind in den Vergleich zwischen Aufwand für eine Außendämmung und eine Wärmedämmung auf andere Art und Weise nicht lediglich die Kosten der jeweiligen Baumaßnahme einzustellen.
Auch die Möglichkeit einer Innendämmung ist in Betracht zu ziehen. Ein grundsätzlicher Vorrang der Außendämmung ist der landesgesetzlichen Regelung nicht zu entnehmen. Ziele europäischer Richtlinien zur Energieeffizienz und das in Art. 20a GG verankerte Staatsziel des Umweltschutzes gebieten einen grundsätzlichen Vorrang der Außendämmung nicht, wenn ohne Inanspruchnahme des Nachbargrundstücks eine vergleichbare Dämmwirkung in vertretbarer Weise erreicht werden kann.
Im konkreten Fall können nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts die Grenzwerte der EnEV mit einer Innendämmung eingehalten werden. Das Berufungsgericht hat berücksichtigt, dass dabei besondere Maßnahmen zur Vermeidung bauphysikalischer Nachteile zu ergreifen sind. Den im Gesetz verwendeten Begriff des vertretbaren Aufwands hat das Berufungsgericht nicht verkannt.
Ob Art. 46a AGBGB verfassungsgemäß ist, hat das Bayerische Oberste Landesgericht nicht entschieden.
Bayerisches Oberstes Landesgericht, Urteil vom 1. Oktober 2019 – 1 ZRR 4/19
- LG Würzburg, Urteil vom 14.11.2018 – 42 S 1669/17[↩]
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