Werbung für umstrittene kinesiologische Behandlungen

Gesundheitsbezogene Werbeaussagen müssen wissenschaftlich gesicherten Erkenntnissen entsprechen. Gibt es diese nicht, ist es unzulässig, wenn mit einer fachlich umstrittenen Meinung geworben wird, ohne die Gegenmeinung zu erwähnen. Das ist der Fall bei einer Internetwerbung über kinesiologische Behandlungsverfahren, in der auf die die Wirksamkeit der Kinesiologie infrage stellende wissenschaftliche Gegenmeinung nicht hingewiesen wird.

Werbung für umstrittene kinesiologische Behandlungen

So hat das Oberlandesgericht Hamm in dem hier vorliegenden Fall einer Unterlassungsklage eines Wettbewerbsverein aus Berlin entschieden und eine irreführende und damit unzulässige Heilmittelwerbung untersagt. Gleichzeitig ist das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Münster bestätigt worden. Die Beklagte aus dem westlichen Münsterland bietet sog. „begleitende Kinesiologie“ und „Edu-Kinestetik-BrainGym®“ an. Ihre Angebote bewarb sie im Internet in Bezug auf das Behandlungsverfahren „Kinesiologie“ u.a. mit den Äußerungen:

„Auf sanfte Art werden die Selbstheilungskräfte aktiviert; …

Unterstützung oder Beschleunigung des Genesungsprozesses; … Linderung bei körperlichen Beschwerden; …

Hilfe bei Allergien, Unverträglichkeiten und toxischen Belastungen; …

mit dem Anwendungsgebiet … Narbenstörungen, … Migräne, … Rückenschmerzen, … Verdauungsprobleme, … Menstruationsschmerzen, … Entgiftung, … Burnout, … Schlafstörungen, … Nervosität, … Depressionen, …

mit sanftem Druck wird der Muskeltonus, zum Beispiel am Arm, getestet. So erfahren wir, wo und wie der natürliche Energiefluss im Körper beeinträchtigt wird … Kinesiologische Balancen bauen Stress ab und regen die Selbsthe ilungskräfte an…“

Das kinesiologische Verfahren „Edu-Kinestetik-BrainGym®“ beschrieb sie u.a. mit

„Auflösung von Energieblockaden zwischen beiden Gehirnhälften“

Der klagende Wettbewerbsverein aus Berlin hat gemeint, die Werbeaussagen der Beklagten stellten eine irreführende Heilmittelwerbung dar. Die Kinesiologie und ihre Varianten seien zu Diagnosezwecken ungeeignet und in ihrer therapeutischen Wirksamkeit nicht belegt. Von der Beklagten hat er die Unterlassung der Werbung begehrt.

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In seiner Urteilsbegründung hat das Oberlandesgericht Hamm ausgeführt, auch wenn die Beklagte mit den Äußerungen keine Heilung von Krankheiten allein durch die Anwendung der (begleitenden) Kinesiologie in Aussicht stelle, suggerierten die Aussagen, dass die angebotenen Leistungen als Ergänzung bzw. Unterstützung einer medizinischen/therapeutischen Behandlung zur Linderung von Krankheiten, Leiden bzw. krankhaften Beschwerden beitragen könnten.

Nach dem Heilmittelwerbegesetz unterlägen gesundheitsbezogene Werbeaussagen strengen Anforderungen. Sie müssten wissenschaftlich gesicherten Erkenntnissen entsprechen. Gebe es diese nicht, sei es unter anderem unzulässig, wenn mit einer fachlich umstrittenen Meinung geworben werde, ohne die Gegenmeinung zu erwähnen. Die Wirkungsmöglichkeiten kinesiologischer Behandlungen seien wissenschaftlich umstritten. Da die Beklagte bei ihrer Internetwerbung auf die die Wirksamkeit der Kinesiologie infrage stellende wissenschaftliche Gegenmeinung nicht hingewiesen habe, müsse sie beweisen, dass ihre Werbeaussagen richtig seien und gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entsprächen. Diesen Nachweis habe sie nicht geführt. Deswegen sei ihre Werbung unzulässig.

Das Oberlandesgericht Hamm hat der Beklagten die streitgegenständliche Internetwerbung als irreführende und damit unzulässige Heilmittelwerbung untersagt.

Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 20. Mai 2014 – 4 U 57/13