Bei Eheleuten sind regelmäßig keine zwei Widerrufsbelehrungen notwendig.

Dass in dem hier vom Oberlandesgericht Stuttgart entschiedenen Fall die Bank den Ehegatten als Darlehensnehmern nur ein Exemplar einer Widerrufsbelehrung übersandt hat, begründet keinen Fehler in der Widerrufsbelehrung. Die Aushändigung einer zweifachen Widerrufsbelehrung ist nicht erforderlich.
§ 355 BGB a.F. enthielt hierzu folgende Regelung: „Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem dem Verbraucher eine deutlich gestaltete Belehrung über sein Widerrufsrecht, die ihm entsprechend den Erfordernissen des eingesetzten Kommunikationsmittels seine Rechte deutlich macht, in Textform mitgeteilt worden ist …“ Da die Belehrung dem Verbraucher sonach „mitzuteilen“ ist, muss sie ihm im Sinne des § 130 BGB zugehen1. Zugegangen ist die an beide Darlehensnehmer gerichtete Widerrufsbelehrung, wenn sie so in deren Bereich gelangt ist, dass diese unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit haben; vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen2. Dies war hier ausweislich der Empfangsbestätigung des Ehemanns der Fall. Mit dem Erhalt ist die Widerrufsbelehrung beiden Eheleuten somit i.S.d. § 355 BGB mitgeteilt worden.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Sinn und Zweck der Widerrufsbelehrung. Das Ziel der Aushändigung der Widerrufsbelehrung liegt darin, dass der Verbraucher nach Vertragsschluss Zugriff auf ein nicht veränderliches Exemplar der Widerrufsbelehrung hat. Das ist bei lebensnaher Betrachtung gewährleistet, wenn zwei Verbraucher einen Darlehensvertrag abschließen, die – wie im vorliegenden Fall – in häuslicher Gemeinschaft leben und Mitbesitz an der Widerrufsbelehrung erlangen3. Das Risiko, dass das Schriftstück nach Erhalt im häuslichen Bereich verloren geht bzw. der Empfänger keinen Zugriff mehr darauf hat, trägt hierbei – wie auch sonst nach erfolgtem Zugang – der Empfänger.
Soweit Knops/Martens unter Verweis auf das Schrifttum in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts die Ansicht vertreten, dass jedem Mitdarlehensnehmer ein eigenes Exemplar der Widerrufsbelehrung ausgehändigt werden müsse4, folgt dem das Oberlandesgericht nicht.
Es ist nicht richtig, dass jeder Darlehensnehmer nur durch eine individuelle Informationserteilung unabhängig von den übrigen Darlehensnehmern über das Bestehen seines Widerrufsrechts sowie über dessen Frist- und Ausübungsvoraussetzungen informiert werden könnte. Dem Erfordernis einer gesonderten Belehrung ist bereits bei einer Widerrufsbelehrung in der von allen Verbrauchern unterschriebenen Vertragsurkunde genüge getan5.
Es ist nicht richtig, dass jeder Darlehensnehmer nur durch eine individuelle Informationserteilung unabhängig von den übrigen Darlehensnehmern über das Bestehen seines Widerrufsrechts sowie über dessen Frist- und Ausübungsvoraussetzungen informiert werden könnte. Dem Erfordernis einer gesonderten Belehrung ist bereits bei einer Widerrufsbelehrung in der von allen Verbrauchern unterschriebenen Vertragsurkunde genüge getan5.
Ebenso wenig überzeugt das Argument, dass ein erneutes Lesen der Widerrufsinformationen durch das Vorhandensein nur einer Urkunde erheblich erschwert werde, da der widerrufswillige Verbraucher, der selbst nicht Verwahrer der Urkunde sei, auf die Mithilfe der übrigen, nicht widerrufswilligen Verbraucher angewiesen wäre. Bei in häuslicher Gemeinschaft lebenden Mitdarlehensnehmern wird im Regelfall ohnehin eine gemeinsame Verwahrung der Vertragsunterlagen stattfinden, so dass der Zugriff auf die Widerrufsbelehrung unabhängig davon, ob bei den Vertragsunterlagen eine oder zwei Abschriften der Widerrufsbelehrung vorhanden sind, in gleicher Weise möglich ist.
Auch der Hinweis von Knops/Martens auf die aktuelle Regelung in § 356b BGB führt jedenfalls für die streitgegenständliche Fallgestaltung mit Abschluss des Darlehensvertrags im Jahr 2006 zu keinem anderen Ergebnis. Die Regelung, dass die Widerrufsfrist erst beginnt, wenn dem Darlehensnehmer eine Vertragsurkunde, sein schriftlicher Antrag oder eine Abschrift hiervon zur Verfügung gestellt wurde, die die Pflichtangaben des § 492 Abs. 2 BGB enthalten, was auch die Information über das Widerrufsrecht gem. Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB mit einschließe, galt zum Zeitpunkt des Abschlusses des streitgegenständlichen Darlehensvertrags nicht. Insbesondere sah § 355 Abs. 2 BGB in der Fassung vom 02.12.2004 nicht vor, dass die Widerrufsbelehrung zwingend Teil der Vertragsurkunde sein muss.
Nicht weiterführend ist die Argumentation von Knops/Martens zu § 1357 BGB, denn es geht nicht um eine Frage der Stellvertretung oder Empfangsermächtigung, sondern allein um die Frage, ob jeder Darlehensnehmer für eine wirksame Mitteilung auch ein eigenes Exemplar der Widerrufsbelehrung erhalten muss.
Die Widerrufsbelehrung ist nicht deshalb undeutlich, weil sie nahelegen würde, dass nur beide Darlehensnehmer gemeinsam den Widerruf erklären könnten.
Schließen mehrere Verbraucher als Darlehensnehmer mit einem Unternehmer als Darlehensgeber einen Verbraucherdarlehensvertrag, kann jeder von ihnen seine auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung selbständig widerrufen6.
Einen gegenteiligen Eindruck vermittelt die streitgegenständliche Widerrufsbelehrung nicht. Die Formulierung „Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen … widerrufen“ legt nicht den Schluss nahe, die Eheleute könnten ihr Widerrufsrecht nur gemeinsam ausüben. Da die Eheleute zwei Vertragserklärungen abgegeben haben, lässt der Singular beim Wort „Vertragserklärung“ zwanglos darauf schließen, dass mit der Formulierung zu Beginn der Widerrufsbelehrung („Sie können … widerrufen“) jeder der Darlehensnehmer einzeln angesprochen wird. Die Annahme, das „Sie“ sei eine Pluralform und stehe daher in Widerspruch zur „Vertragserklärung“ im Singular, findet im vorliegenden Fall im Text der Widerrufsbelehrung keine Stütze. Gegen die Lesart, dass beide Darlehensnehmer gemeinsam angesprochen werden, spricht zudem der Umstand, dass unmittelbar im Anschluss an die Widerrufsbelehrung der Satz folgt „Ein Exemplar der Widerrufsbelehrung und der Vertragsurkunde habe ich erhalten.“ Würde sich die Widerrufsbelehrung an beide Darlehensnehmer gemeinsam richten, müsste es an dieser Stelle heißen „… haben wir erhalten.“ Wird zum Schluss der Widerrufsbelehrung mithin jeder Darlehensnehmer einzeln angesprochen, so ist kein Grund für die Annahme ersichtlich, dass sich dies für den vorangegangenen Text der Widerrufsbelehrung anders verhält. Hieran ändert der Umstand, dass an anderen Stellen des Vertragstexts beide Darlehensnehmer ausdrücklich zusammen angesprochen werden, nichts, denn diese Stellen stehen – anders als der oben zitierte Satz – nicht in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang mit der Widerrufsbelehrung. Auch der Umstand, dass vorformulierte Widerrufsbelehrungen Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 BGB darstellen, führt angesichts des klaren Wortlauts zu keiner anderen Bewertung.
Eine darüber hinausgehende Belehrung darüber, dass beide Darlehensnehmer ihr Widerrufsrecht grundsätzlich auch separat ausüben können, wird vom Deutlichkeitsgebot des § 355 Abs. 2 BGB a.F. nicht gefordert. Eine Notwendigkeit, jeden Darlehensnehmer darüber zu informieren, dass er seine auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung ohne Rücksicht auf das Schicksal der Vertragserklärung des anderen Darlehensnehmers widerrufen könne, bestand nicht7.
Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 31. Januar 2017 – 6 U 55/16
- Staudinger/Dagmar Kaiser [2012], BGB, § 355 Rn. 58; OLG Stuttgart, Beschluss v. 04.02.2008, 2 U 71/08 24[↩]
- Palandt-Ellenberger, BGB, 76. Aufl.2017, § 130 Rn. 5[↩]
- OLG Hamm, 21.10.2015, 31 U 56/15 95 ff[↩]
- Knops/Martens, WM 2015, 2015, 2028[↩]
- Staudinger/Kaiser [2012], BGB, § 355 Rn. 55[↩][↩]
- BGH, Urteil vom 11.10.2016, XI ZR 482/15, Rn. 13 ff[↩]
- BGH, Urteil vom 11.10.2016, XI ZR 482/15, Rn. 13[↩]
Bildnachweis:
- Landgericht Hamburg: Juliette Kober