Die Wiederaufnahme abgebrochener Verhandlungen führt nicht zu einer auf den Beginn der Verhandlungen rückwirkenden Hemmung der Verjährung.

Soweit die Parteien in Unkenntnis der Verjährung verhandelt haben, sind diese Verhandlungen verjährungsrechtlich unerheblich1. Mit der Wiederaufnahme der Verhandlungen wirkt die Hemmung nicht auf den Beginn der (früheren) Verhandlungen zurück.
In Literatur2 und Rechtsprechung3 wird erwogen, dass dann, wenn über einen Anspruch mehrfach verhandelt wird, die dazwischen liegenden Zeiträume insgesamt als hemmend zu behandeln sind. Voraussetzung ist, dass entweder bei wertender Betrachtungsweise die späteren Verhandlungen letztlich nur die früheren fortführen oder dass zwischen den einzelnen Verhandlungsabschnitten ein enger zeitlicher Zusammenhang besteht. Als Beispielsfall wird genannt, dass frühere Verhandlungen eingeschlafen sind und mit Verspätung wiederaufgenommen werden. Andere stellen sich auf den Standpunkt, neue Verhandlungen setzten stets eine neue Hemmung in Gang4.
Werden beidseits nicht fortgesetzte und deswegen als abgebrochen anzusehende Verhandlungen wieder aufgenommen, kommt eine rückwirkende Hemmung durch die neuen Verhandlungen auf den Zeitpunkt der ersten Verhandlung nicht in Betracht. Für eine Rückwirkung der Hemmung unter wertenden Gesichtspunkten oder bei einem engen zeitlichen Zusammenhang besteht schon kein Bedarf, weil bei Vorliegen besonderer Umstände auch bei längeren Zeiträumen zwischen den Kontakten zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten nicht von einem das Verhandlungsende bewirkenden Einschlafen auszugehen ist5. Im Übrigen muss die Frage, wie die Zeiträume zwischen beendeten und wiederaufgenommenen Verhandlungen verjährungsrechtlich zu bewerten sind, in beiden Fällen des Verhandlungsendes aus systematischen Gründen gleich beantwortet werden, also sowohl in dem Fall, dass Verhandlungen endgültig abgelehnt werden, als auch in dem Fall, dass sie einschlafen. Ein nachvollziehbarer Grund, eingeschlafene und ausdrücklich abgebrochene Verhandlungen bei der Bewertung ihrer Wiederaufnahme unterschiedlich zu behandeln, ist nicht ersichtlich. Der Gesetzgeber wollte eingeschlafene und abgelehnte Vergleichsverhandlungen im Rahmen des § 203 BGB gleichbehandeln. Dies ergibt sich aus dem Gesetzgebungsverfahren6. Hat aber der Verpflichtete die Fortsetzung der Verhandlungen ausdrücklich abgelehnt, würde es ihn unzumutbar belasten, wenn die Hemmung nur deshalb zurückwirkte, weil er später wieder gesprächsbereit ist7. Entsprechendes gilt aber auch, wenn der Berechtigte die Verhandlungen einschlafen lässt.
Auch ist eine Rückwirkung der Hemmung mit Sinn und Zweck der Verjährungsvorschriften, innerhalb angemessener Fristen für Rechtssicherheit und Rechtsfrieden zu sorgen, nicht zu vereinbaren. Wollte man nämlich eine solche annehmen, könnte die Frage der Begründetheit des Anspruchs auf unabsehbare Zeit in der Schwebe gelassen werden, indem die Verhandlungen zunächst nicht weitergeführt und zwischendurch immer wieder aufgenommen werden8.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 15. Dezember 2016 – IX ZR 58/16
- vgl. jurisPK-BGB/Lakkis, 7. Aufl., § 203 Rn.19[↩]
- Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, 2014, § 203 Rn. 12; MünchKomm-BGB/Grothe, 7. Aufl., § 203 Rn. 8; BeckOGK-BGB/Meller-Hannich, 2016, § 203 Rn. 54; BeckOK-BGB/Spindler, 2016, § 203 Rn. 5[↩]
- OLG Köln, Beschluss vom 01.07.2013 – 5 U 44/13, nv[↩]
- BGH, Urteil vom 28.03.1985 – III ZR 20/84, VersR 1985, 642, 644; Erman/Schmidt-Räntsch, BGB, 14. Aufl., § 203 Rn. 6; jurisPK-BGB/Lakkis, 7. Aufl., § 203 Rn. 17; vgl. BGH, Urteil vom 05.11.2002 – VI ZR 416/01, BGHZ 152, 298, 302 aE; OLG Hamm, VersR 1997, 1112; OLG Frankfurt, MDR 2010, 326[↩]
- vgl. BeckOGK-BGB/Meller-Hannich, 2016, § 203 Rn. 54[↩]
- vgl. BT-Drs. 14/6857 S. 43; BGH, Urteil vom 06.11.2008 – IX ZR 158/07, NJW 2009, 1806 Rn. 12[↩]
- vgl. OLG Köln, Beschluss vom 01.07.2013 – 5 U 44/13, nv; Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, 2014, § 203 Rn. 12; BeckOGK-BGB/Meller-Hannich, 2016, § 203 Rn. 56[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 06.11.2008 – IX ZR 158/07, aaO[↩]