Wiedereinsetzung, Fristenkontrolle und die Wichtigkeit der Vorfrist

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nach § 233 ZPO zu gewähren, wenn der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert war, die Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde einzuhalten. Das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten ist dem Beschwerdeführer zuzurechnen (§ 85 Abs. 2 ZPO). Die die Wiedereinsetzung begehrende Partei hat die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist glaubhaft zu machen (§ 236 Abs. 2 ZPO)1. Sie hat dabei ein für die Fristversäumung ursächliches eigenes Verschulden oder das ihr nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnende Verschulden auszuräumen. Verbleibt die Möglichkeit, dass die Einhaltung der Frist durch ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Partei versäumt worden ist, ist der Antrag auf Wiedereinsetzung unbegründet2.

Wiedereinsetzung, Fristenkontrolle und die Wichtigkeit der Vorfrist

Der Beschwerdeführer hat nicht hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht, dass die Versäumnis der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde nicht auf einem Fehler seines Prozessbevollmächtigten bei der Bearbeitung der Sache oder auf einem Organisationsmangel in dessen Kanzlei zurückzuführen ist.

Grundsätzlich ist ein Rechtsanwalt verpflichtet, durch entsprechende Organisation seines Büros und die notwendigen Einzelanweisungen das Möglichste zu tun, um Fehlerquellen bei der Behandlung von Fristsachen auszuschließen3. Hierzu gehört nach feststehender Rechtsprechung die allgemeine Anordnung, dass jedenfalls bei solchen Prozesshandlungen, deren Vornahme ihrer Art nach mehr als nur einen geringen Aufwand an Zeit und Mühe erfordert, wie dies regelmäßig bei Rechtsmittelbegründungen der Fall ist, außer dem Datum des Fristablaufs auch noch eine Vorfrist zu notieren ist4. Sie soll bewirken, dass dem Rechtsanwalt durch rechtzeitige Vorlage der Akten auch für den Fall von Unregelmäßigkeiten und Zwischenfällen noch eine ausreichende Überprüfungs- und Bearbeitungszeit verbleibt5. Es ist sicherzustellen, dass die Sache bei Ablauf einer Vorfrist stets einem Anwalt vorgelegt wird6.

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Im vorliegend vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall kann nach Ansicht des Bundesgerichtshofs nicht ausgeschlossen werden, dass ein Bearbeitungsfehler des Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers, die mangelnde Notierung einer Vorfrist oder andere organisatorische Mängel in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers für die Fristversäumung jedenfalls mitursächlich geworden sind.

Der Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs lässt sich nicht entnehmen, dass in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten in der vorliegenden Sache eine Vorfrist notiert und die Sache bei Ablauf der Vorfrist dem Anwalt vorgelegt worden ist. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass dies geschehen ist. Wäre eine Vorfrist notiert und bei ihrem Ablauf die Sache dem Anwalt vorgelegt worden, so kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Versehen der Büroangestellten am 13.02.2013 folgenlos geblieben wäre, weil die Akte bereits zuvor dem Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers vorlag und dieser daraufhin – angesichts der darin notierten Frist7 und unabhängig von der täglichen Kontrolle des Fristenkalenders durch seine Büroangestellte – die Beschwerdebegründung rechtzeitig diktiert beziehungsweise erstellt, unterschrieben und an die zuständige Bürokraft zwecks Einreichung der Beschwerdebegründung bei Gericht weitergeleitet hätte.

Der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung der Büroangestellten und den vorgelegten Kopien lässt sich entnehmen, dass auch im Büro des Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers allgemein Vorfristen notiert werden. Dafür, dass dies auch vorliegend so gehandhabt wurde – was allerdings nicht vorgetragen worden ist , könnte sprechen, dass die Beschwerdebegründung bereits auf den 6.02.2013, das heißt eine Woche vor Ablauf der Begründungsfrist, datiert ist.

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Sollte der Schriftsatz bereits am 6.02.2013 gefertigt und dem Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers zur Unterschrift vorgelegt worden sein, so wäre jedenfalls ein dem Beschwerdeführer zuzurechnendes anwaltliches Verschulden nicht ausgeräumt. Dieses läge gegebenenfalls darin begründet, dass der – rechtzeitig abgefasste – Schriftsatz aufgrund eines Fehlers des Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers oder von Organisationsmängeln in dessen Kanzlei „liegen geblieben“ ist mit der Folge, dass er bis zum Ablauf der Begründungsfrist am 13.02.2013 bei Gericht nicht eingereicht worden ist. Insoweit hat der Beschwerdeführer weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht, was nach rechtzeitiger Fertigung der Beschwerdebegründung am 6.02.2013 veranlasst worden ist, um ihre fristwahrende Einreichung bei Gericht sicherzustellen.

Nach alledem ist nicht glaubhaft gemacht, dass der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert war, die Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

  1. vgl. BGH, Beschluss vom 08.12.2010 – XII ZB 334/10, NJW-RR 2011, 568 Rn. 7[]
  2. vgl. BGH, Beschluss vom 03.11.2010 – XII ZB 177/10, NJW-RR 2011, 385 Rn. 12 f mwN[]
  3. vgl. BGH, Beschlüsse vom 04.10.1988 – VI ZB 12/88, BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 8 und vom 19.11.1997 – VIII ZB 33/97, BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 59[]
  4. BGH, Beschluss vom 19.03.2008 – III ZB 81/07, BeckRS 2008, 06348 Rn. 5; BGH, Beschlüsse vom 09.06.1994 – I ZB 5/94, NJW 1994, 2831; vom 06.07.1994 – VIII ZB 26/94, NJW 1994, 2551, 2552; und vom 25.09.2003 – V ZB 17/03, FamRZ 2004, 100; MünchKomm-ZPO/Gehrlein, 4. Aufl., § 233 Rn. 64[]
  5. BGH, Beschlüsse vom 06.07.1994 aaO und vom 25.09.2003 aaO; MünchKomm-ZPO/Gehrlein aaO[]
  6. MünchKomm-ZPO/Gehrlein aaO mwN[]
  7. zur Fristennotierung in den Handakten vgl. Zöller/Greger, ZPO, 29.. Aufl., § 233 Rn. 23 „Fristenbehandlung“ mwN[]
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