Wohnfläche – und der Balkon

Der Begriff der „Wohnfläche“ ist im Wohnraummietrecht auch bei frei finanziertem Wohnraum grundsätzlich anhand der für den preisgebundenen Wohnraum im Zeitpunkt des Mietvertragsschlusses geltenden Bestimmungen auszulegen1.

Wohnfläche – und der Balkon

Eine hiervon abweichende Berechnung erfolgt unter anderem dann, wenn ein anderer Berechnungsmodus örtlich üblich ist. Eine solche maßgebende Verkehrssitte setzt voraus, dass abweichend von den sonst anwendbaren Bestimmungen vorliegend der Wohnflächenverordnung ein anderes Regelwerk, mithin die II. Berechnungsverordnung, die DIN 283 oder die DIN 277 insgesamt angewendet wird2.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beinhaltet die in einem Wohnraummietvertrag angegebene Wohnfläche, auch bei einer „ca.“Angabe, im Allgemeinen zugleich eine dahingehende vertragliche Festlegung der Sollbeschaffenheit der Mietsache im Sinne einer Beschaffenheitsvereinbarung3. Danach war hier eine Wohnfläche von 94, 48 m2 vereinbart.

Ein zur Minderung der Miete führender Mangel der Wohnung im Sinne des § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB infolge Überschreitung der Erheblichkeitsschwelle (§ 536 Abs. 1 Satz 3 BGB) liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor, wenn die tatsächliche Wohnfläche um mehr als 10 % unter der im Mietvertrag angegebenen Wohnfläche liegt4.

Nach der ständigen Bundesgerichtshofsrechtsprechung ist der Begriff der „Wohnfläche“ im Wohnraummietrecht auch bei frei finanziertem Wohnraum grundsätzlich anhand der für den preisgebundenen Wohnraum geltenden Bestimmungen auszulegen und vorliegend aufgrund der im Zeitpunkt des Mietvertragsschlusses5 geltenden Wohnflächenverordnung (WoFlV) zu ermitteln. Etwas anderes gilt dann, wenn die Parteien dem Begriff der Wohnfläche im Einzelfall eine abweichende Bedeutung beimessen oder ein anderer Berechnungsmodus örtlich üblich oder nach der Art der Wohnung naheliegender ist6.

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Mit dem Begriff des ortsüblichen Berechnungsmodus ist eine bestehende örtliche Verkehrssitte zur Wohnflächenberechnung gemeint. Eine solche maßgebliche Verkehrssitte als eine die beteiligten Verkehrskreise untereinander verpflichtende Regel verlangt, dass sie auf einer gleichmäßigen, einheitlichen und freiwilligen tatsächlichen Übung beruht, die sich innerhalb eines angemessenen Zeitraums für vergleichbare Geschäftsvorfälle gebildet hat und der eine einheitliche Auffassung sämtlicher beteiligten Kreise an dem betreffenden, gegebenenfalls räumlich beschränkten Geschäftsverkehr zu Grunde liegt7. Erforderlich ist somit, dass die Vorgehensweise bei Mietern und Vermietern Zustimmung gefunden hat8.

Im hier entschiedenen Fall hat das Landgericht Berlin in der Berufungsinstanz (letztlich) zu Recht darauf abgestellt, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs9 ein abweichender örtlich üblicher Berechnungsmodus als Grundlage der Wohnflächenermittlung nur dann in Betracht kommt, wenn sich eine Verkehrssitte zur Anwendung eines anderen Regelwerkes gebildet hat10. Denn die Ermittlung der Wohnfläche kann sinnvollerweise nur aufgrund eines einheitlichen, in sich geschlossenen Regelwerks vorgenommen werden, weil anderenfalls Wertungswidersprüche zumindest möglich und sachgerechte Ergebnisse nicht sichergestellt sind.

Deshalb reicht es nicht aus, dass ein erheblicher oder auch überwiegender Teil der Marktteilnehmer ein Regelwerk unzutreffend anwendet oder verschiedene Regelwerke miteinander vermischt. Ebenso wenig kommt es entgegen der Auffassung der Revision darauf an, ob sich bezüglich der Berechnung einer Teilfläche eine bestimmte Übung der Mehrheit der Marktteilnehmer herausgebildet hat oder ob das zu dieser Frage eingeholte Gutachten nicht auf einer ausreichend repräsentativen Marktbefragung beruhte oder in den Fragebögen auf einen unzutreffenden Zeitraum abgestellt worden war.

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In den vorstehend genannten Fällen besteht vielmehr kein Anlass, von dem Grundsatz abzuweichen, dass (sofern die Parteien dem Begriff der Wohnfläche nicht im Einzelfall eine andere Bedeutung beigemessen haben) das Regelwerk insgesamt für die Berechnung der Wohnfläche maßgeblich ist, das im Zeitpunkt des Vertragsschlusses für den preisgebundenen Wohnraum anzuwenden war, hier mithin die Wohnflächenverordnung.

Damit ist das Landgericht Berlin11 hier zutreffend von der Anwendbarkeit der Wohnflächenverordnung ausgegangen und hat die Fläche des straßenseitigen Balkons zu einem Viertel berücksichtigt.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 17. April 2019 – VIII ZR 33/18

  1. Bestätigung von BGH, Urteile vom 24.03.2004 – VIII ZR 44/03, NJW 2004, 2230 unter – II 1 b aa; vom 23.05.2007 – VIII ZR 231/06, NJW 2007, 2624 Rn. 17; vom 22.04.2009 – VIII ZR 86/08, NJW 2009, 2295 Rn.19[]
  2. im Anschluss an BGH, Urteil vom 23.05.2007 – VIII ZR 231/06, NJW 2007, 2624[]
  3. vgl. BGH, Urteile vom 24.03.2004 – VIII ZR 133/03, WuM 2004, 268 unter II; vom 24.03.2004 – VIII ZR 295/03, NJW 2004, 1947 unter – II 2 a; vom 10.03.2010 – VIII ZR 144/09, aaO Rn. 8; vom 18.11.2015 – VIII ZR 266/14, aaO Rn. 9 mwN[]
  4. vgl. BGH, Urteile vom 24.03.2004 – VIII ZR 295/03, aaO unter – II 2 c; vom 10.11.2010 – VIII ZR 306/09, NJW 2011, 220 Rn. 14; vom 18.11.2015 – VIII ZR 266/14, aaO; vom 30.05.2018 – VIII ZR 220/17, NJW 2018, 2317 Rn. 16[]
  5. vgl. hierzu BGH, Urteil vom 23.05.2007 – VIII ZR 231/06, NJW 2007, 2624 Rn. 17[]
  6. vgl. BGH, Urteile vom 24.03.2004 – VIII ZR 44/03, NJW 2004, 2230 unter – II 1 b aa; vom 23.05.2007 – VIII ZR 231/06, aaO Rn. 13; vom 22.04.2009 – VIII ZR 86/08, NJW 2009, 2295 Rn.19[]
  7. vgl. BGH, Urteile vom 30.03.1990 – V ZR 113/89, BGHZ 111, 110, 112; vom 11.05.2001 – V ZR 492/99, NJW 2001, 2464 unter – II 1 c; vom 30.09.2009 – VIII ZR 238/08, NJW 2010, 1135 Rn. 11[]
  8. vgl. BGH, Urteile vom 12.12 1953 – VI ZR 242/52, LM Nr. 1 zu § 157 [B] BeckRS 1953, 31197869; vom 30.03.1990 – V ZR 113/89, aaO[]
  9. vgl. BGH, Urteil vom 23.05.2007 – VIII ZR 231/06, aaO Rn. 15[]
  10. LG Berlin, Urteil vom 17.01.2018 18 S 308/13, ZMR 2018, 503[]
  11. LG Berlin, ZMR 2018, 503[]
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