Wohngeldschulden für die geerbte Eigentumswohnung

Nach dem Erbfall fällig werdende oder durch Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft begründete Wohngeldschulden sind (jedenfalls auch) Eigenverbindlichkeiten des Erben, wenn ihm das Halten der Wohnung als ein Handeln bei der Verwaltung des Nachlasses zugerechnet werden kann. Hiervon ist in der Regel spätestens dann auszugehen, wenn er die Erbschaft angenommen hat oder die Ausschlagungsfrist abgelaufen ist und ihm faktisch die Möglichkeit zusteht, die Wohnung zu nutzen.

Wohngeldschulden für die geerbte Eigentumswohnung

Nach § 1967 Abs. 1 BGB haftet der Erbe für die Nachlassverbindlichkeiten grundsätzlich unbeschränkt, d.h. nicht nur mit dem Nachlass, sondern auch mit seinem eigenen Vermögen. Er kann seine Haftung aber auf den Nachlass beschränken (§ 1975 ff. BGB). Nach § 780 Abs. 1 ZPO kann er die Beschränkung seiner Haftung nur dann im Vollstreckungsverfahren geltend machen, wenn sie ihm im Urteil vorbehalten ist. Voraussetzung für einen Vorbehalt ist, dass der Erbe als Prozesspartei wegen einer (reinen) Nachlassverbindlichkeit (§ 1967 BGB) in Anspruch genommen wird1. Handelt es sich dagegen (auch) um eine Eigenverbindlichkeit des Erben, kommt ein Vorbehalt einer beschränkten Erbenhaftung nach § 780 Abs. 1 ZPO nicht in Betracht.

Ob es sich bei Wohngeldschulden für eine im Wege der Erbfolge erworbene Eigentumswohnung, die auf die Zeit nach dem Erbfall entfallen, um Nachlassverbindlichkeiten oder (auch) um Eigenverbindlichkeiten des Erben handelt, ist umstritten.

Nach einer Auffassung stellen sie reine Nachlassverbindlichkeiten dar. Die Beitragsverpflichtung beruhe nicht auf dem freien Entschluss des Erben, eine Verbindlichkeit neu zu begründen, sondern auf dem Entschluss des Erblassers, Wohnungseigentum zu erwerben und Mitglied einer Wohnungseigentümergemeinschaft zu werden, und auf der auf § 1922 BGB beruhenden Eigentümerstellung des Erben2. Überwiegend wird diese Ansicht allerdings dahingehend modifiziert, dass dann, wenn der Erbe zu erkennen gebe, dass er die Wohnung für sich behalten wolle, eine Eigenverbindlichkeit des Erben entstehe, für die er mit seinem eigenen Vermögen hafte3.

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Andere differenzieren danach, ob die Hausgeldschuld ihre Grundlage in einem bereits vor dem Erbfall gefassten Beschluss der Wohnungseigentümer hat oder auf einem erst danach gefassten Beschluss beruht.

Für nach dem Erbfall fällig werdende Wohngeldschulden, die auf einem vor dem Erbfall gefassten Beschluss beruhen, wird überwiegend angenommen, dass es sich um eine reine Nachlassverbindlichkeit handelt, da der Beschluss noch unter der Mitwirkung oder zumindest Mitwirkungsmöglichkeit des Erblassers zustande gekommen sei4.

Gründeten sich die Hausgeldschulden hingegen auf einen nach dem Erbfall gefassten Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft, seien sie jedenfalls auch Eigenverbindlichkeiten des Erben mit der Folge, dass eine Beschränkung der Haftung auf den Nachlass nicht möglich sei. Zum Teil wird dies damit begründet, dass die Beschlussfassung über das Hausgeld unter der Möglichkeit der Beteiligung des stimmberechtigten Erben erfolge. Daher handle es sich bei der Begründung einer solchen Hausgeldschuld um ein dem Erben zuzurechnendes Rechtsgeschäft5. Andere verweisen darauf, dass der Erbe für Wohngeldverbindlichkeiten primär aufgrund seiner Stellung als Wohnungseigentümer und nicht als Erbe hafte6.

Der Bundesgerichtshof entscheidet die Streitfrage dahin, dass nach dem Erbfall fällig werdende oder durch Beschluss neu begründete Wohngeldschulden bei einer Verwaltung des Nachlasses durch den Erben im Regelfall (jedenfalls auch) Eigenverbindlichkeiten des Erben sind und er seine Haftung daher nicht auf den Nachlass beschränken kann7.

Zu den Nachlassverbindlichkeiten zählen gemäß § 1967 Abs. 2 BGB die „vom Erblasser herrührenden Schulden“, also im Zeitpunkt des Erbfalls in der Person des Erblassers bereits begründete Verpflichtungen, sowie „die den Erben als solchen treffenden Verbindlichkeiten“, also Schulden, die erst nach und aus Anlass des Erbfalls entstehen. Zu Letzterem können auch Verpflichtungen gehören, die nach dem Erbfall im Rahmen der Verwaltung des Nachlasses entstehen. Das wird angenommen für Verbindlichkeiten aus Rechtshandlungen des Nachlassverwalters und des Nachlassinsolvenzverwalters8. Für den Testamentsvollstrecker ergibt es sich ausdrücklich aus § 2206 BGB. Nach dessen Abs. 1 ist er im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung berechtigt, Verbindlichkeiten für den Nachlass einzugehen; nach Abs. 2 ist der Erbe zur Einwilligung in derartige Verbindlichkeiten verpflichtet, kann die Haftung aber auf den Nachlass beschränken.

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Anders werden hingegen allgemein Verbindlichkeiten beurteilt, die der Erbe selbst im Rahmen der „eigenhändigen“ Verwaltung des Nachlasses eingeht. Solche Rechtshandlungen des Erben begründen persönliche Eigenverbindlichkeiten des Erben9; sie können daneben zugleich Nachlassverbindlichkeiten sein, soweit sie auf ordnungsgemäßer Verwaltung des Nachlasses beruhen (sog. Nachlasserbenschulden10). Durch ein Handeln des Erben bei der Verwaltung des Nachlasses – sei es durch ein rechtsgeschäftliches Handeln, sei es durch eine sonstige Verwaltungsmaßnahme11 – entsteht eine Eigenschuld oder Nachlasserbenschuld des Erben, für die er mit seinem Vermögen und nicht nur beschränkt auf den Nachlass haftet. Entscheidend ist stets, ob ein eigenes Verhalten des Erben Haftungsgrundlage ist. Für Verbindlichkeiten aus der Verwaltung des Nachlasses, die ohne sein Zutun entstehen, haftet der Erbe demgegenüber nur als Träger des Nachlasses12.

Diese Grundsätze gelten auch für die laufenden Kosten einer in den Nachlass fallenden Eigentumswohnung. Bei ihnen besteht allerdings die Besonderheit, dass sie in aller Regel ohne Zutun des Erben aufgrund von (Mehrheits-)Beschlüssen der Wohnungseigentümer anfallen. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass den Kosten Leistungen gegenüberstehen (z.B. Treppenhausreinigung, Aufzugswartung, Reparaturen), die der Erbe bei einem zum Nachlass gehörenden Haus nur über den Abschluss oder die Fortführung von Verträgen und damit unter Begründung einer Eigenschuld erhalten würde. Richtigerweise ist deshalb nicht darauf abzustellen, ob die Begründung der Hausgeldschulden auf einem Verhalten des Erben beruht, sondern ob ihm das Halten der Wohnung als ein Handeln bei der Verwaltung des Nachlasses zugerechnet werden kann. Ist dies der Fall, haftet er für die damit verbundenen Verbindlichkeiten, zu denen das laufende Hausgeld gehört, (auch) mit seinem eigenen Vermögen.

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Ein Handeln des Erben bei der Verwaltung einer in den Nachlass fallenden Eigentumswohnung liegt nicht erst dann vor, wenn er eine nach außen wahrnehmbare Tätigkeit entfaltet, etwa indem er die Mieten einzieht, Handwerker beauftragt oder an Beschlüssen der Wohnungseigentümergemeinschaft mitwirkt. Vielmehr ist von einem Verwaltungshandeln des Erben in der Regel spätestens dann auszugehen, wenn er die Erbschaft angenommen hat oder die Ausschlagungsfrist abgelaufen ist und ihm faktisch die Möglichkeit zusteht, die Wohnung zu nutzen. Ab diesem Zeitpunkt beruht es allein auf seiner als Verwaltungsmaßnahme zu qualifizierenden Entscheidung, wie er mit der Wohnung verfährt, ob er sie selbst nutzt, vermietet bzw. vermietet lässt, verkauft oder in sonstiger Weise aus ihr Nutzen zieht. Auch wenn er die Wohnung leer stehen lässt, stellt dies eine Maßnahme der Verwaltung der Wohnung durch den Erben dar. Denn einer solchen Vorgehensweise liegt ebenfalls eine Entscheidung des Erben zugrunde. Diese kann von vielfältigen Erwägungen getragen sein, wie etwa der, dass im Falle eines Verkaufes für eine unvermietete Wohnung ein höherer Erlös zu erzielen ist13. Nur in – von dem Erben darzulegenden und zu beweisenden – Ausnahmefällen ist ein passives Verhalten des Erben im Hinblick auf eine zum Nachlass gehörende Eigentumswohnung nicht als Maßnahme ihrer Verwaltung zu qualifizieren. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Erbe aufgrund einer Belastung der Wohnung mit einem Wohnrecht für einen Dritten keine Handlungsoptionen im Hinblick auf die Nutzung der Wohnung hat und er zudem keine Nutzungen aus ihr zieht und auch nicht ziehen kann14; sobald er aber an Beschlüssen der Eigentümerversammlung mitwirkt, liegt auch in diesen Konstellationen ein Verwaltungshandeln des Erben vor.

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Gegen eine Haftung des Erben für laufendes Wohngeld (auch) mit seinem eigenen Vermögen spricht nicht, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft damit bei Unzulänglichkeit des Nachlasses besser gestellt wird als bei Durchführung eines Nachlassverwaltungs- oder Nachlassinsolvenzverfahrens15. Denn eine etwaige Besserstellung der Wohnungseigentümergemeinschaft beruht nicht auf den Besonderheiten des Wohngelds, sondern allgemein auf der unterschiedlichen Behandlung von Rechtshandlungen des Nachlass((insolvenz))verwalters einerseits und dem Eigenhandeln des Erben bei dürftigem Nachlass andererseits. So etwa lassen notwendige Erhaltungsmaßnahmen an einem zum Nachlass gehörenden Einfamilienhaus bei den amtlichen Verfahren zur Nachlasssonderung eine reine Nachlassverbindlichkeit entstehen, bei dürftigem Nachlass (also beim Handeln des Erben) hingegen auch eine Eigenschuld des Erben. Diese unterschiedliche Behandlung liegt darin begründet, dass bei der Eigenverwaltung der Rechtsverkehr grundsätzlich davon ausgehen kann, dass für Verbindlichkeiten das Vermögen des Erben als Vollstreckungsobjekt zur Verfügung steht. Tritt hingegen ein Nachlass(-insolvenz-)verwalter auf, wird der Rechtsverkehr diese Erwartung nicht haben.

Die Haftung des Erben für Wohngeldschulden mit seinem Eigenvermögen im Falle der Eigenverwaltung des Nachlasses ist nicht unbillig. Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass das Gesetz dem Erben ausreichend Möglichkeiten zur Verfügung stellt, die persönliche Haftung auszuschließen16. Er kann die Erbschaft binnen sechs Wochen seit Kenntnis des Erbfalls ausschlagen (§ 1944 BGB); dieser Zeitraum reicht in der Regel aus, um die Überschuldung des Nachlasses festzustellen. Hat er die Überschuldung des Nachlasses nicht erkannt, kann er unter bestimmten Voraussetzungen die Annahme anfechten17. Will er sich der persönlichen Haftung für künftige Wohngeldschulden entziehen, steht es ihm frei, die Wohnung zu veräußern oder gem. § 175 ZVG die Zwangsversteigerung zu beantragen.

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Bundesgerichtshof, Urteil vom 5. Juli 2013 – V ZR 81/12

  1. MünchKomm-ZPO/Schmidt/Brinkmann, 4. Aufl., § 780 Rn. 5; Musielak, ZPO, 10 Aufl., § 780 Rn. 3[]
  2. Staudinger/Bub, BGB [2005], § 28 WEG Rn. 174; im Ergebnis auch BayObLG, NJW-RR 2000, 306 und OLG Hamburg, NJW-RR 1986, 177; letzteres behandelt Wohngeldschulden aus Billigkeitsgründen wie reine Nachlassverbindlichkeiten[]
  3. OLG Köln, NJW-RR 1992, 460, 461; Köhler, ZWE 2007, 186, 187; Hügel, ZWE 2006, 174, 180; Niedenführ, NZM 2000, 641; ders. in Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 10. Aufl., § 16 WEG, Rn. 166; Bub, Finanz- und Rechnungswesen, 2. Aufl., S. 142; wohl auch OLG Hamburg, aaO[]
  4. Bonifacio, MDR 2006, 244; Dötsch, ZMR 2006, 902, 906; Joachim, Die Haftung des Erben für Nachlassverbindlichkeiten, 3. Aufl., Rn. 101; offen gelassen bei Siegmann, NZM 2000, 995, 997; für Eigenverbindlichkeit Marotzke, ZEV 2000, 151, 154[]
  5. MünchKomm-BGB/Küpper, 5. Aufl., § 1967 Rn.20; Becker in Bärmann, WEG, 11. Aufl., § 16 Rn. 168; Rieke/Schmid/Elzer, WEG, 3. Aufl., § 16 Rn.199; ders. ZMR 2012, 212; Dötsch, ZMR 2006, 902, 905; Bonifacio, MDR 2006, 244, 245; Siegmann, NZM 2000, 995, 996[]
  6. Marotzke, ZEV 2000, 151, 154, der allerdings ein Haftungsbeschränkungsrecht des Erben entsprechend § 139 Abs. 4 HGB annimmt; Rebmann, Der Eintritt des Erben in pflichtbelastete Rechtspositionen, S.202, 248; Joachim, Die Haftung des Erben für Nachlassverbindlichkeiten, 3. Aufl., Rn. 101[]
  7. bei Testamentsvollstreckung vgl. BGH, Urteil vom 04.11.2011 – V ZR 82/11, NJW 2012, 316, 317[]
  8. RGZ 132, 138, 144; Joachim, Die Haftung des Erben für Nachlassverbindlichkeiten, 3. Aufl., Rn. 116; Muscheler, Erbrecht, Rn. 3396, ebenso für den Nachlasspfleger[]
  9. vgl. BGH, Urteil vom 31.01.1990 – IV ZR 326/88, BGHZ 110, 176, 179; RGZ 146, 343, 346[]
  10. vgl. BGH, Urteil vom 23.01.2013 – VIII ZR 68/12, NJW 2013, 933, 934 Rn. 16; Urteil vom 10.02.1960 – V ZR 39/58, BGHZ 32, 60, 64 f.; Muscheler, Erbrecht, Rn. 3397[]
  11. etwa durch Unterlassen einer möglichen Kündigung, vgl. Soergel/Stein, BGB, 13. Aufl., § 1967 Rn. 2[]
  12. vgl. MünchKomm-BGB/Küpper, 5. Aufl., § 1967 Rn. 21[]
  13. vgl. Siegmann, NZM 2000, 995, 996[]
  14. zu einer solchen Fallgestaltung vgl. AG Düsseldorf, ZMR 2012, 583[]
  15. so aber Staudinger/Bub, BGB [2005], § 28 WEG Rn. 174[]
  16. vgl. Siegmann, NZM 2000, 995, 997[]
  17. vgl. BGH, Urteil vom 08.02.1989 – IVa ZR 98/87, BGHZ 106, 359, 363[]
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