Wohnungseigentum – und die Auslegung der Gemeinschaftsordnung

Die Gemeinschaftsordnung ist Bestandteil der Grundbucheintragung. Maßgebend für ihre Auslegung sind ihr Wortlaut und Sinn, wie er sich aus unbefangener Sicht als nächstliegende Bedeutung der Eintragung ergibt, weil sie auch die Sonderrechtsnachfolger der Wohnungseigentümer bindet. Umstände außerhalb der Eintragung dürfen nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne weiteres erkennbar sind1.

Wohnungseigentum – und die Auslegung der Gemeinschaftsordnung

Dabei müssen Abweichungen von der gesetzlichen Verteilung der Aufgaben, Kompetenzen und Kosten klar und eindeutig aus der Gemeinschaftsordnung hervorgehen2.

Nach diesem Maßstab konnte der Bundesgerichtshof in dem hier entschiedenen Fall dem Landgericht Koblenz3 schon nicht in der Auffassung folgen, auf die Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung der Mehrfachparker in der Tiefgarage der Anlage seien die Regelungen in § 7 Abs. 2 Satz 2 und § 13 Abs. 2 Satz 4 GO nebeneinander anzuwenden. Es gilt vielmehr allein die Regelung in § 13 Abs. 2 Satz 4 GO; die Regelung in § 7 Abs. 2 Satz 2 GO betrifft Sondernutzungsrechte an Stellplätzen in Mehrfachparkern nicht.

Nach dem Wortsinn der Vorschriften könnten zu den in § 7 Abs. 2 Satz 2 GO genannten, einem Sondernutzungsrecht unterliegenden „Flächen“ auch einzelnen Wohnungseigentümern zugewiesene Sondernutzungsrechte an Stellplätzen in Mehrfachparkern gehören. Bei der gebotenen nächstliegenden Auslegung spricht die Gemeinschaftsordnung in § 7 Abs. 2 Satz 2 aber nur die in § 1 Abs. 4 der Teilungserklärung an einzelne Wohnungseigentümer vergebenen Sondernutzungsrechte an Terrassen und Gartenflächen, nicht jedoch die Stellplätze auf den Mehrfachparkern an.

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Dies ergibt sich aus dem erkennbaren Zweck der Regelung. § 7 Abs. 2 Satz 2 GO bestimmt eine Ausnahme von der gesetzlichen Aufgabenverteilung in § 21 Abs. 1 und Abs. 5 Nr. 2 WEG, wonach die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums gemeinschaftliche Aufgabe aller Wohnungseigentümer ist. Diese Aufgabe soll für „Räumlichkeiten bzw. Flächen“, an denen Sondernutzungsrechte bestehen, auf die Wohnungseigentümer verlagert werden, deren Sondereigentum Sondernutzungsrechte zugeordnet sind. Diese sollen allein für die Instandhaltung und Instandsetzung verantwortlich sein, d.h. sie sollen sich selbst und allein darum kümmern, dass die zur Instandhaltung und Instandsetzung erforderlichen Maßnahmen veranlasst werden, und selbstverständlich auch die Kosten dafür tragen.

Dieses Ziel lässt sich bei Mehrfachparkern ganz offensichtlich nicht erreichen. Erfasste die Regelung in § 7 Abs. 2 Satz 2 GO auch die einem Sondernutzungsrecht unterliegenden Stellplätze auf Mehrfachparkern, führte das nämlich zu einer geteilten Verantwortung für die Instandhaltung und Instandsetzung. Für die Instandhaltung und Instandsetzung von Bauteilen des Mehrfachparkers, die sich dem einzelnen Stellplatz zuordnen lassen, wäre der Wohnungseigentümer verantwortlich, dessen Wohnungseigentum das Sondernutzungsrecht an dem Stellplatz zugeordnet ist. Im Übrigen, also etwa für tragende Teile, den Motor usw., bliebe es hingegen bei der Instandhaltungsund Instandsetzungsverantwortung der Gemeinschaft. Schon die Abgrenzung der den einzelnen Stellplätzen zuzuordnenden Bauteile von den übrigen Bauteilen bereitet erhebliche Schwierigkeiten, weil Mehrfachparker in sich geschlossene Einheiten bilden, deren Bauteile aufeinander abgestimmt sind und in ihrer Gesamtheit für das bestimmungsgemäße Funktionieren der Anlage benötigt werden. Zudem müssten die einzelnen Sondernutzungsberechtigten für die ihnen zugeordneten Bauteile jeweils gesonderte Instandhaltungsund Instandsetzungsaufträge erteilen oder ihre Auftragserteilung jeweils mit der Auftragsvergabe durch die Gemeinschaft koordinieren. Dass und aus welchem Grund § 7 Abs. 2 Satz 2 GO statt der augenscheinlich angestrebten Entlastung bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums ausgerechnet bei den Mehrfachparkern in der Tiefgarage mit einer geteilten Instandhaltungsund Instandsetzungsverantwortung eine besonders komplizierte Regelung vorsehen soll, erschließt sich nicht und entspricht nicht der nächstliegenden Auslegung dieser Vorschrift.

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Zudem trifft § 13 Abs. 2 Satz 4 GO ersichtlich für die Verteilung der für die Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums anfallenden Kosten eine Sonderregelung hinsichtlich der Kosten für die Instandhaltung und Instandsetzung von Mehrfachparkern. Diese Sonderregelung ginge als speziellere der allgemeinen Regelung in § 7 Abs. 2 GO, die Mehrfachparker nicht ausdrücklich erwähnt und nach dem zuvor Gesagten nicht erfasst , ohnehin vor. Auch der Umstand, dass die Kostenregelung für Mehrfachparker in § 13 Abs. 2 Satz 4 GO keinerlei Einschränkungen enthält, die bei der Anwendung von § 7 Abs. 2 GO auch auf Sondernutzungsrechte an Stellplätzen in diesen Anlagen aber zu erwarten gewesen wären, spricht dafür, dass die letztgenannte Regelung für Mehrfachparker nicht gelten soll. Bei nächstliegender Auslegung ergibt sich daher schon aus der Struktur der Gemeinschaftsordnung, dass für Mehrfachparker keine von der gesetzlichen Regelung abweichende Instandhaltungund Instandsetzungspflicht, sondern „nur“ eine abweichende Kostenregelung vorgesehen werden sollte.

Nach der Regelung in § 13 Abs. 2 Satz 4 GO sind „die“ Kosten der Unterhaltung der einzelnen Doppelbzw. Vierfachparker in der Tiefgarage von den jeweiligen „Eigentümern“ eines Doppelbzw. Vierfachparkers zu tragen. Mit „Eigentümern“ sind ersichtlich die Wohnungseigentümer gemeint, deren Sondereigentum Sondernutzungsrechte an Stellplätzen in den Doppelund Vierfachparkern zugeordnet ist. Die Regelung differenziert nicht nach Bauteilen. Vielmehr sollen alle Kosten der Unterhaltung von den Wohnungseigentümern getragen werden, denen Sondernutzungsrechte an den Stellplätzen auf den jeweiligen Mehrfachparkern zugeordnet sind. Das Berufungsgericht geht insoweit zutreffend davon aus, dass der Begriff der Unterhaltung in dieser Regelung als Oberbegriff für die Instandhaltung und Instandsetzung verwendet wird und somit auch die Kosten der Reparatur erfasst, um die es hier geht. Diese Kosten sind folglich in der Jahresabrechnung 2016 zu Recht auf die jeweiligen Sondernutzungsberechtigten an den Stellplätzen in den Mehrfachparkern nach Köpfen umgelegt worden.

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Bundesgerichtshof, Urteil vom 22. März 2019 – V ZR 145/18

  1. st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 20.11.2015 – V ZR 284/14, BGHZ 208, 29 Rn. 9; Urteil vom 10.11.2017 – V ZR 184/16, NJW 2018, 1309 Rn. 14[]
  2. vgl. BGH, Urteil vom 23.06.2017 – V ZR 102/16, ZWE 2017, 367 Rn. 14; Urteil vom 10.11.2017 – V ZR 184/16, aaO[]
  3. LG Koblenz, Urteil vom 28.05.2018 2 S 64/17 WEG[]

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