Beim Ein- bzw. Aussteigen aus einem Fahrzeug muss das Vorrecht des fließenden Verkehrs in beiden Richtungen mit höchster Vorsicht beachtet werden. Dabei kann nicht darauf vertraut werden, dass der Vorbeifahrende einen ausreichenden Sicherheitsabstand einhält. Kommt es beim Vorbeifahren an einem haltenden Fahrzeug mit einem deutlich zu geringen Seitenabstand von lediglich 30–35 cm zu einer Kollision, liegt ein Mitverschulden des Vorbeifahrenden vor.

Mit dieser Begründung hat das Amtsgericht Frankenthal in dem hier vorliegenden Fall einem Fahrer wegen eines zu geringen Abstandes an einem stehenden Fahrzeug ein Mitverschulden in Höhe von 1/3 des Gesamtschadens zugesprochen. Der Kläger und Türöffner des parkenden Fahrzeugs haftet dagegen zu 2/3, da er entgegen der besonderen Sorgfaltspflicht des § 14 Abs. 1 StVO die Gefahrensituation erst heraufbeschworen hat und es bei regelkonformem Verhalten gar nicht zum Unfall hätte kommen können. Nach einem Verkehrsunfall stritten die Parteien um Schadensersatzansprüche. Im Januar 2019 befuhr der Beklagte gegen 17.45 Uhr mit seinem Kfz die Wormser Straße in Frankenthal in Richtung Innenstadt. Am rechten Fahrbahnrand der Wormser Straße war das klägerische Kfz abgestellt. Als der Fahrer die Fahrertür des Klägerfahrzeugs öffnete, kam es zur Kollision mit dem in diesem Moment vorbeifahrenden Beklagtenfahrzeug. Dabei entstand am klägerischen Pkw ein Reparaturschaden in Höhe von 4.521,50 € (netto). Zuzüglich angefallener Gutachterkosten von 815,03 € und einer Auslagenpauschale von 25.00 € beläuft sich der Gesamtschaden des Klägers auf 5.361,53 €. Die Frage des Schadensersatzes war zwischen den Parteien streitig.
In seiner Urteilsbegründung hat das Amtsgericht Frankenthal ausgeführt, dass sich nach 14 Abs. 1 StVO jeder Verkehrsteilnehmer beim Ein- oder Aussteigen aus dem Fahrzeug so verhalten muss, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Der Ein- bzw. Aussteigende muss dabei insbesondere das Vorrecht des fließenden Verkehrs in beiden Richtungen mit höchster Vorsicht beachten, weshalb er den Verkehr durch die Rückspiegel und erforderlichenfalls durch die Fenster genau beobachten muss und die Wagentür nur öffnen darf, wenn er sicher sein kann, dass er keinen von rückwärts oder von vorn Kommenden gefährdet. Diesen Anforderungen wurde das Verhalten des Fahrers nach Auffassung des Amtsgerichts Frankenthal nicht gerecht.
Allerdings hat nach Meinung des Amtsgerichts Frankenthal der Beklagte den Unfall mitverursacht, indem er an dem Klägerfahrzeug unter Verstoß gegen § 1 Abs. 2, § 5 Abs. 4 Satz 2 StVO ohne ausreichenden Seitenabstand vorbeigefahren ist und damit nicht nur völlig untergeordnet zur Entstehung des Zusammenpralls beigetragen hat. Nach der zitierten Regelung des § 5 Abs. 4 Satz 2 StVO darf nur überholt werden, wenn ein ausreichender Seitenabstand zu anderen Verkehrsteilnehmern (§ 5 Abs. 4 Satz 2 StVO) einzuhalten und eine Behinderung (§ 5 Abs. 4 Satz 4 StVO), Gefährdung oder gar Schädigung (§ 1 Abs. 2 StVO) des Überholten vermieden werden kann. F für das Vorbeifahren an haltenden Fahrzeugen gilt das Gleiche. Nach Auffassung des Amtsgerichts Frankenthal hat der Beklagte hiergegen verstoßen, indem er den klägerischen Pkw mit einem deutlich zu geringen Seitenabstand von lediglich 30–35 Zentimetern passiert hat.
Aus diesen Gründen haben zwar somit beide Fahrer, von deren Fahrzeugen eine vergleichbare Betriebsgefahr ausgeht, den Unfall schuldhaft herbeigeführt. Der Verstoß des Fahrers des klägerischen Kfz wiegt jedoch schwerer, da er entgegen der besonderen Sorgfaltspflicht des § 14 Abs. 1 StVO die Gefahrensituation erst heraufbeschworen hat und es bei regelkonformem Verhalten gar nicht zum Unfall hätte kommen können. Der Beklagte hat demgegenüber lediglich das Fehlverhalten des Fahrzeugführers nicht in angemessener Weise antizipiert und einen zu geringen Sicherheitsabstand eingehalten. Nach Auffassung des Amtsgerichts Frankenthal rechtfertigt das im Ergebnis eine Haftungsverteilung im Verhältnis 1/3 : 2/3 zu Lasten des Klägers.
Amtsgericht Frankenthal, Urteil vom 26. Juni 2020 – 3 c C 61/19
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