Für eine Zwangsverwaltung ist bei einem bestehenden Nießbrauchsrecht ein originärern Duldungstitel gegen den Nießbraucher erforderlich.

Dieser Duldungstitel kann nicht dadurch erwirkt werden, dass die Vollstreckungsunterwerfung aus der vom Eigentümer beurkundeten Grundschuldbestellungsurkunde auf den Nießbrauchsberechtigten gem. § 727 ZPO umgeschrieben wird.
Die Nießbraucherin ist nicht Rechtsnachfolgerin der Grundstückseigentümerin (Schuldnerin) i.S. des § 727 ZPO. Die, zumal unbeschränkte, Vollstreckung im Wege der Zwangsverwaltung eines Grundstücks, an welchem ein Nießbrauch besteht, erfordert einen gegen den Nießbraucher gerichteten, nicht nur umgeschriebenen Duldungstitel1.
Dies gilt unabhängig davon, dass das Nießbrauchsrecht der Nießbraucherin vorliegend später als die Grundschuld für die Gläubigerin in das Grundbuch eingetragen ist und somit gem. § 879 BGB ein Vorrangsverhältnis bestünde. Denn das Vorliegen des Erfordernisses eines Titels gegen den Nießbraucher besteht unabhängig von der zeitlichen Reihenfolge der Grundbucheintragungen insbesondere auch im Falle eines nachrangig eingetragenen Nießbrauchsrechts2. Das in dem vom BGH entschiedenen Fall eingetragene Nießbrauchsrecht war nach der Reihenfolge der Eintragungen zunächst vorrangig, hatte jedoch durch Rangrücktrittserklärung ausdrücklich Nachrang erhalten. Dass die Zwangsverwaltung auch gegen die Schuldnerin und Grundstückseigentümerin betrieben wird, von deren Eigentum das Nießbrauchsrecht in gewisser Weise abgeleitet ist, ändert daran nichts. Gemäß BGH IXa ZB 45/03 , Tz 11, erfordert eine solche Konstellation das Vorliegen eines Duldungstitels nicht allein gegen den Eigentümer , sondern auch gegen den Nießbraucher. Es findet in einem solchen Fall u.a. eine Erweiterung der Anzahl der Vollstreckungsschuldner statt und nicht eine normale Rechtsnachfolge. Die Position des hinzutretenden, besitzwilligen Nießbrauchers ist dabei eigenständig. Ihr Zurücktreten bedarf der Feststellung im Titelverfahren, nicht lediglich im Klauselverfahren. Der Nießbraucher ist auch nicht Rechtsnachfolger im Eigentum gemäß § 800 ZPO, so dass dahinstehen kann, welche Anforderungen an die Eintragung einer entsprechenden Vollstreckbarkeit im Grundbuch zu stellen sind.
Nach vorstehend angeführter Auffassung darf die unbeschränkt angeordnete Zwangsverwaltung wegen der Beeinträchtigung der Rechtsposition der Nießbraucherin nicht fortgesetzt werden. Diese Auffassung knüpft gesondert an die besitzrechtliche Position des Nießbrauchsberechtigten an, der die bloße Umschreibung eines Titels gem. § 727 ZPO nicht gerecht wird. Soweit die Gläubigerin bei ihrem Einwand geblieben sein sollte, dass die Nießbraucherin den von ihr unzweifelhaft ausgeübten unmittelbaren Besitz nicht aufgrund des Nießbrauchs ausübe, ist nicht ersichtlich, woran sie insoweit anknüpft. Die Beschwerden weisen zutreffend darauf hin, dass die Nießbraucherin sich bereits in dem Rechtsstreit 16 O 143/09 LG Kiel auf ihr Nießbrauchsrecht berufen habe. Dessen ungeachtet muss, dem Sinn der vorbezeichneten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gerecht werdend, in jedem Fall ohnehin daran angeknüpft werden, ob bzw. dass der Nießbrauchsberechtigte jedenfalls für die Zukunft den Willen zum unmittelbaren Besitz bekundet und nicht erkennbar wird, dass er, aus welchem Grunde auch immer, diesen Besitzwillen ausschließlich auf Rechte aus einem auch vorliegenden schuldrechtlichen Verhältnis stützen will.
Darauf, dass grundsätzlich i.S. des § 325 ZPO für die Frage der zeitlichen Reihenfolge innegehabter Rechtspositionen in den vorliegend in Rede stehenden Fällen an die Zeitpunkte der Errichtung von notariellen Urkunden angeknüpft werden kann, wenn ein Erkenntnisverfahren nicht zugrunde liegt, kann die Gläubigerin für sich nichts herleiten.
§ 325 ZPO knüpft an eine echte Rechtsnachfolge und nicht an eine Nachfolge in einen Rechtsausschnitt an, um die es sich bei der Begründung eines Nießbrauchsrechtes im Verhältnis zum Eigentumsrecht allenfalls handelt.
Dass beide Nutzungsrechte vorliegend in einer Person zusammenfallen, kann vorbehaltlich eines für den Zeitpunkt der Begründung des Nießbrauchs ersichtlichen Rechtsmissbrauchs nicht entscheidend sein. Letztlich kann deswegen auch die Zwangsversteigerung eines Grundstücks ohne Duldungstitel gegen den Nießbraucher nur deswegen angeordnet werden, weil sie dessen Nutzungsrecht nicht schmälert3. Dass vorliegend, anders als in § 737 ZPO, der Nießbrauch nicht an einem Vermögen, sondern an einem einzelnen Vermögensgegenstand bestellt ist, kann somit für das Erfordernis eines Duldungstitels keinen Unterschied machen. Vielmehr liegt ein Fall abgeleiteten Besitzrechts vor, der für den Fall der Besitzbeeinträchtigung durch Vollstreckung, etwa ähnlich der Situation bei Räumung von Wohnraum, einen originären Titel erfordert.
Landgericht Kiel, Beschluss vom 4. September 2013 – 13 T 124/11 – 13 T 125/11 – 13 T 202/11 – 13 T 203/11
UPDATE: Aufgehoben durch BGH, Beschluss vom 26. März 2014 – V ZB 140/13
- vgl. BGH, Beschluss vom 14.03.2003 – IXa ZB 45/03; IX ZR 119/06 = NJW 08, 1599; OLG Saarbrücken RPflG 93, 80 f; Wolfsteiner in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2009, § 1124 Rdnr. 21[↩]
- BGH, Beschluss vom 14.03.2003 – IXa ZB 45/03[↩]
- vgl. Zöller-Stöber, ZPO, 29. Aufl. § 737 m.N. auf BGH NJW 2003, 2164, 2165 und Stöber, ZVG § 15 Rdnr. 26[↩]