Beruft sich der unmittelbare Besitzer eines unter Verwaltung gestellten Grundstücks erst nach Beginn der Zwangsverwaltung auf das Bestehen dinglicher Rechte, hat der Zwangsverwalter das Vollstreckungsgericht unverzüglich hierüber zu unterrichten.

Die Nichteinlegung der Erinnerung gegen die Anordnung der unbeschränkten Zwangsverwaltung durch Inhaber dinglicher Rechte kann deren Mitverschulden an dem ihnen durch die Zwangsverwaltung entstehenden Schaden begründen; dasselbe gilt, wenn sie diese Rechte nicht unverzüglich gegenüber dem Zwangsverwalter geltend machen.
Der Zwangsverwalter ist verpflichtet, das Vollstreckungsgericht über wesentliche Umstände der Zwangsverwaltung unaufgefordert zu unterrichten. Unterlässt er dies schuldhaft, so kann hierin zugleich eine Verletzung der ihm gegenüber den Beteiligten des Verfahrens obliegenden verwalterspezifischen Pflichten liegen. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn das Vollstreckungsgericht aufgrund der vom Verwalter mitzuteilenden Umstände zu einer Prüfung von Amts wegen veranlasst wäre, ob die Zwangsverwaltung zugunsten der Dritten zu beschränken oder aufzuheben ist.
Hinsichtlich wesentlicher Umstände der Zwangsverwaltung ergibt sich die Informationspflicht des Zwangsverwalters aus der Aufsichtsfunktion des Vollstreckungsgerichts. Der Verwalter führt zwar die Verwaltung selbstständig und wirtschaftlich nach eigenem Ermessen, ist jedoch an die vom Gericht erteilten Weisungen gebunden (§ 1 Abs. 1 Zwangsverwalterverordnung vom 19.12 2003 – nachfolgend: ZwVwV , BGBl. I 2804). Seine Geschäftsführung wird von dem Vollstreckungsgericht beaufsichtigt (§ 153 Abs. 1 ZVG); es kann konkrete Anweisungen erteilen und deren Befolgung mittels des Einsatzes von Zwangsmitteln gegen den Verwalter sicherstellen; notfalls kann es ihn entlassen (§ 153 Abs. 2 Satz 1 ZVG). Detaillierte Berichtspflichten bestehen hinsichtlich des Erstberichts nach Inbesitznahme des Objekts (§ 3 ZwVwV); daneben besteht eine allgemeine Auskunftspflicht gegenüber dem Vollstreckungsgericht gemäß § 16 ZwVwV. Der Verwalter ist danach verpflichtet, dem Vollstreckungsgericht jederzeit alle erforderlichen Unterlagen vorzulegen und weitere Auskünfte im Zusammenhang mit seiner Verwaltung zu erteilen. Auch dem Gläubiger und dem Schuldner gegenüber hat er auf deren Antrag Auskunft über den Sachstand zu erteilen (§ 13 Abs. 4 ZwVwV).
Subjektivdingliche Rechte eines unmittelbar besitzenden Dritten stellen wesentliche Umstände dar, die das Vollstreckungsgericht zu einer Prüfung und einem Tätigwerden von Amts wegen veranlassen.
Bestehen zugunsten eines Dritten dingliche Rechte an einem Grundstück, die diesen zum Besitz berechtigen, muss nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch bei gegenüber dem Recht des Gläubigers nachrangigen Rechten des Dritten bereits vor Beginn der Zwangsverwaltung ein gegen den Rechtsinhaber gerichteter Duldungstitel oder dessen Zustimmungserklärung vorliegen1. Der im Schrifttum zum Teil vertretenen Auffassung, wonach die Zwangsverwaltung stets zunächst unbeschränkt angeordnet werden dürfe und erst auf eine Erinnerung des Drittrechtsinhabers hin nachträglich beschränkt werden müsse2, ist der Bundesgerichtshof nicht gefolgt. Hat das Vollstreckungsgericht trotzdem, etwa in Unkenntnis der dinglichen Rechte des Dritten, die unbeschränkte Zwangsverwaltung angeordnet, so sind die Rechte des Nießbrauchers und Wohnungsrechtsinhabers gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1, § 161 Abs. 4 ZVG zu wahren. Kann der Gläubiger innerhalb einer vom Vollstreckungsgericht zu setzenden Frist keinen Duldungstitel gegen den Inhaber des dinglichen Rechts beibringen, wird eine Beschränkung der Zwangsverwaltung angeordnet3.
Nachdem die Nießbraucherin ein Recht zum Besitz aufgrund der für sie bestehenden Nießbrauchs- und Wohnungsrechte geltend machte, war der Zwangsverwalter verpflichtet, dies dem Vollstreckungsgericht mitzuteilen.
Beruft sich der unmittelbare Besitzer eines unter Verwaltung gestellten Grundstücks erst nach Erlangung des mittelbaren Besitzes durch den Zwangsverwalter und Ausübung der Zwangsverwaltung durch diesen auf das Bestehen dinglicher Rechte, so handelt es sich um eine wesentliche Veränderung der für die Zwangsverwaltung bestimmenden Umstände. Der Zwangsverwalter ist veranlasst, über eine solche Behauptung das Vollstreckungsgericht unverzüglich zu unterrichten, damit dieses von Amts wegen prüfen kann, ob die Zwangsverwaltung einstweilen einzustellen und gegebenenfalls zu beschränken ist. Er ist gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 ZwVwV verpflichtet, dem Gericht von allen wesentlichen Umständen Mitteilung zu machen, die während der Dauer der Zwangsverwaltung in Abweichung von den im Inbesitznahmeprotokoll genannten Rahmendaten eintreten4. Auch die Auskunftspflicht aus § 16 ZwVwV bezieht sich sowohl auf den Sachstand und die Geschäftsführung als auch auf bestimmte konkrete Ereignisse oder Handlungen5.
Eine Verpflichtung des Zwangsverwalters zur Information des Vollstreckungsgerichts über erst später eingetretene wesentliche Hindernisse ergibt sich auch aus seiner eingeschränkten Befugnis, selbst Rechtsstreitigkeiten mit dem Ziel zu führen, den unmittelbaren Besitz an dem Objekt zu erlangen. Zwar ist er gegenüber einem Mieter zur Räumungsklage und Räumungsvollstreckung berechtigt6. Eine vergleichbare Befugnis besteht nicht, wenn sich das Grundstück bei der Inbesitznahme im unmittelbaren Besitz eines nicht herausgabebereiten Dritten befindet. Hat ein Dritter Eigenbesitz an dem Grundstück inne, kann ihn der Zwangsverwalter im Rahmen der Zwangsverwaltung nicht aus dem Besitz drängen. Finden der Verwalter oder der Gerichtsvollzieher einen anderen als den Schuldner im Besitz des Grundstücks vor, darf die Vollstreckungshandlung nicht ausgeführt werden. Der Gläubiger muss sich dann erst einen Titel gegen den Eigenbesitzer verschaffen7.
Die Pflicht zur Unterrichtung des Vollstreckungsgerichts besteht auch dann, wenn die Anordnung einer unbeschränkten Zwangsverwaltung von dem Dritten nicht angefochten worden ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind zwar Vollstreckungsakte des Vollstreckungsgerichts grundsätzlich wirksam, auch wenn sie bei richtiger Handhabung hätten unterbleiben müssen. Ihre Fehlerhaftigkeit führt lediglich dazu, dass sie auf entsprechenden Rechtsbehelf oder von Amts wegen wieder aufzuheben sind. Solange dies nicht geschieht, ist die betreffende Maßnahme gültig8. Dies führt allerdings lediglich dazu, dass in einem laufenden Räumungsrechtsstreit der Rechteinhaber seine dinglichen Rechte dem Besitzverschaffungsanspruch des Zwangsverwalters solange nicht erfolgreich entgegenhalten kann, wie er nicht zugleich auch gegen die Anordnung der unbeschränkten Zwangsverwaltung vorgeht. Hiervon zu trennen ist jedoch die Frage, ob der Zwangsverwalter verpflichtet ist, über diesen Umstand das Vollstreckungsgericht zu informieren. Eine solche Handlungspflicht des Verwalters ist nach dem Vorgenannten aber zu bejahen, weil das Vollstreckungsgericht gemäß §§ 28, 161 Abs. 4 ZVG von Amts wegen jederzeit zu einer einstweiligen Einstellung der Zwangsverwaltung und gegebenenfalls deren Beschränkung veranlasst ist und nicht nur auf Antrag oder gar nur aufgrund eines Rechtsbehelfs des Dritten tätig werden darf.
Der Zwangsverwalter handelte bezüglich der Verletzung dieser Pflicht auch schuldhaft in Form von Fahrlässigkeit. Der Verwalter hat bei der Verletzung von Pflichten gemäß § 154 Satz 1 ZVG für jede Form von Fahrlässigkeit und Vorsatz einzustehen, § 276 BGB9. Von dem Beklagten konnte erwartet werden, dass er die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Erfordernis des Vorliegens eines Duldungstitels oder einer Zustimmung des Inhabers auch nachrangiger dinglicher Rechte an dem Zwangsverwaltungsobjekt10 kannte oder sich entsprechende Kenntnisse hierzu verschaffte. Er konnte angesichts der Aufsichtsfunktion des Vollstreckungsgerichts und seiner beschränkten Befugnisse zur Verschaffung des unmittelbaren Besitzes auch nicht davon ausgehen, dass es sich um einen unwesentlichen Umstand handelte, über den er keinen Bericht abzugeben hatte.
Für die Frage, ob und welcher Schaden aus einem Pflichtverstoß entstanden ist, kommt es darauf an, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Verhalten des Verwalters genommen und welche Auswirkungen dieses pflichtgemäße Verhalten auf die Vermögenslage des Geschädigten entfaltet hätte. Hängt dies, wie im Streitfall, davon ab, wie die Entscheidung eines Gerichts ausgefallen wäre, so ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht darauf abzustellen, wie dieses Gericht tatsächlich entschieden haben würde, sondern darauf, wie es nach Ansicht des über den Schadensersatzanspruch Gerichts richtigerweise hätte befinden müssen11.
Bei pflichtgemäßer Unterrichtung hätte das Vollstreckungsgericht die Zwangsverwaltung gegen die Nießbraucher zunächst einstweilen eingestellt und nach erfolgloser Fristsetzung für die Beibringung eines Duldungstitels in dem Umfang, wie es tatsächlich geschehen ist, beschränkt.
Dem Anspruch der Nießbraucher auf Zahlung von Schadensersatz steht hier jedoch eine Verletzung eigener Obliegenheiten bei der Schadensentstehung (§ 254 Abs. 2 Satz 1 Variante 2 BGB) entgegen, durch welche ihr Anspruch ausgeschlossen ist.
Prozessual ist der Einwand des Mitverschuldens keine Einrede, sondern eine von Amts wegen zu beachtende Einwendung. Die Frage des mitwirkenden Verschuldens ist daher von Amts wegen zu prüfen12. Ein eigenes Verschulden der Beteiligten, das bei der Entstehung des Schadens mitgewirkt hat, kann die Verpflichtung zum Schadensersatz aus § 154 Satz 1 ZVG mindern oder ganz ausschließen, hierbei findet § 254 BGB Anwendung13.
Die Verpflichtung zum Schadensersatz und dessen Umfang hängen von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Dabei kann der schuldhafte Nichtgebrauch von zulässigen Rechtsmitteln dazu führen, dass der Ersatz von Schaden für solche Nachteile verwehrt werden kann, den er durch den Gebrauch des Rechtsmittels hätte abwenden können14.
Vor diesem Hintergrund begründet die Nichteinlegung einer Erinnerung (§ 766 Abs. 1 Satz 1 ZPO) gegen die Anordnung der unbeschränkten Zwangsverwaltung ein Mitverschulden der Nießbraucher, welches bei einer gebotenen Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände gegenüber dem Verschulden des Zwangsverwalters so schwer wiegt, dass der Anspruch vollständig ausgeschlossen ist. Ihr Versäumnis liegt darin, ein aussichtsreiches und kostengünstiges Rechtsmittel nicht eingelegt zu haben. Außerdem haben sie den Zwangsverwalter in dem längeren Zeitraum seit der Anordnung der Zwangsverwaltung nicht auf ihre dinglichen Rechte hingewiesen und damit keine Veranlassung gegeben, an ihrer ausschließlich schuldrechtlich begründeten Berechtigung zum Besitz zu zweifeln.
Ansprüche des Nießbrauchers auf Zahlung von Schadensersatz gegen den Zwangsverwalter aus einer sonstigen Pflichtverletzung im Sinne von § 154 Satz 1 ZVG kommen wegen seines weit überwiegenden Mitverschuldens auch sonst nicht in Betracht.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 15. Oktober 2015 – IX ZR 44/15
- BGH, Beschluss vom 14.03.2003 – IXa ZB 45/03, NJW 2003, 2164 ff; Lemke in: Ring/Grziwotz/Keukenschrijver, BGB, 3. Aufl., § 1030 Rn. 79; Staudinger/Frank; BGB, Neubearbeitung 2009, Vorbem. zu §§ 1030 ff Rn. 86 f; Stöber, ZVG, 20. Aufl., § 146 Rn. 11.2 f; Böttcher/Keller, ZVG, 5. Aufl., § 146 Rn. 49; Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, Zwangsverwaltung, 5. Aufl., § 146 Rn. 12; Depré, ZVG, § 146 Rn. 15; Löhnig/Bäuerle, ZVG, § 146 Rn. 11; Sievers in Kindl/Meller-Hannich/Wolf, ZVG, 2. Aufl., § 146 Rn. 10 und § 150 Rn. 33[↩]
- RGRK/Rothe, BGB, 12. Aufl., § 1030 Rn. 11; Soergel/Stürner, BGB, 13. Aufl. Vor § 1030 Rn.20; Bamberger/Roth/Wegmann, BGB, 3. Aufl., § 1030 Rn. 44; Palandt/Bassenge, BGB, 74. Aufl., Einführung vor § 1030 Rn. 7[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 14.03.2003, aaO S. 2165; Stöber, aaO § 146 Rn. 11.9; Staudinger/Frank, aaO Vorbem. zu §§ 1030 ff Rn. 87; Böttcher/Keller, aaO § 146 Rn. 49; Löhnig/Bäuerle, aaO § 146 Rn. 37; Depré, aaO § 146 Rn. 37; für nachträgliche Beschränkung aufgrund eines Rechtsmittels des Rechtsinhabers: Bamberger/Roth/Wegmann, aaO; Lemke in: Ring/Grziwotz/Keukenschrijver, aaO § 1030 Rn. 79; Soergel/Stürner, aaO Vor § 1030 Rn.20[↩]
- Haarmeyer/Hintzen, Handbuch der Zwangsverwaltung, 3. Aufl., Rn. 18[↩]
- Hintzen in: Hintzen/Wolf, Zwangsvollstreckung, Zwangsverwaltung, Zwangsversteigerung, Rn. 13.209[↩]
- vgl. Sievers in: Kindl/Meller-Hannich/Wolf, ZVG, 2. Aufl., § 152 Rn. 35[↩]
- BGH, Beschluss vom 19.03.2004 – IXa ZB 190/03, WM 2004, 1042, 1043 f; vgl. auch Beschluss vom 09.12 2010 – VII ZB 67/09, WM 2011, 465, Rn. 9 ff[↩]
- BGH, Urteil vom 10.06.1959 – V ZR 204/57, BGHZ 30, 173, 175 mwN; Engels in: Hintzen/Engels/Rellermeyer, ZVG, 14. Aufl., § 146 Rn. 12[↩]
- vgl. Böttcher/Keller, ZVG, 5. Aufl., § 154 Rn. 3; Stöber, ZVG, 20. Aufl., § 154 Rn.02.2; Depré, ZVG, § 154 Rn. 4; Löhnig/Blümle, ZVG, § 154 Rn. 7[↩]
- BGH, Beschluss vom 14.03.2003 – IXa ZB 45/03, WM 2003, 845; vom 26.03.2014 – V ZB 140/13, NJW 2014, 1740, Rn. 10[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 13.06.1996 – IX ZR 233/95, BGHZ 133, 110; vom 16.06.2005 – IX ZR 27/04, BGHZ 163, 223; vom 25.10.2012 – IX ZR 207/11, NJW 2013, 540, Rn. 13, jeweils für die Anwaltshaftung[↩]
- BGH, Urteil vom 15.04.2010 – IX ZR 189/09, WM 2010, 993, Rn. 13[↩]
- Stöber, ZVG, 20. Aufl., § 154 Rn.02.2; Engels in: Hintzen/Engels/Rellermeyer, ZVG, 14. Aufl., § 154 Rn, 3; Löhnig/Blümle, ZVG, § 154 Rn. 7; Böttcher/Keller, ZVG, 5. Aufl., § 154 Rn. 3; Mohrbutter/Drischler/Radtke/Tiedemann, aaO, 7. Aufl., Band 2, S. 893[↩]
- st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 26.01.1984 – III ZR 216/82, BGHZ 90, 17, 31 ff; vom 12.03.1990 – II ZR 179/89, BGHZ 110, 323, 329 ff; vom 15.04.2010 – IX ZR 189/09, WM 2010, 993 Rn. 16 ff; MünchKomm-BGB/Oetker, 6. Aufl., § 254 Rn. 96 mwN[↩]
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