Die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Bananenmarktordnung ist nach Auffassung des Bundesfinanzhofs kein in Deutschland ungültiger ausbrechender Rechtsakt, auch wenn diese gegen das GATT verstoßen sollte.

Die Europäische Gemeinschaft hatte Mitte der 90iger Jahre entsprechende Vorschriften erlassen, welche die Einfuhr von Bananen aus Nicht-AKP-Staaten (vor allem sog. „Dollarbananen aus Mittel- und Südamerika) außerhalb festgesetzter Kontingente, über welche die streitenden Importeure nicht verfügten, unterbinden sollten. Die Unvereinbarkeit dieser Vorschriften mit dem GATT, dem unter anderem sowohl die Europäische Gemeinschaft wie auch Deutschland beigetreten sind, ist von den Streitschlichtungsgremien der Welthandelsorganisation zwar mehrfach festgestellt worden. Jedoch hatten Klagen von Importeuren und Mitgliedstaaten, die sich deshalb auf die Nichtigkeit jener Gemeinschaftsvorschriften berufen hatten, vor dem Europäischen Gerichtshof keinen Erfolg.
In den nun vom Bundesfinanzhof entschiedenen Verfahren ging es um umfangreiche Bananeneinfuhren aus Ecuador im Jahr 1995, für welche zum Schutz der Bananenproduktion insbesondere in den sog. AKP-Staaten sowie in der Gemeinschaft selbst hohe, konfiskatorische Zölle verhängt worden waren. Die Kläger hatten, offenbar im Vertrauen darauf, dass die betreffenden Vorschriften aufgrund ihrer Unvereinbarkeit mit dem GATT von den Gerichten als nichtig angesehen werden würden, gleichwohl die Bananen eingeführt. In den Genuss des geringeren Zollsatzes wären sie nur gekommen, wenn sie eine der von der Gemeinschaft dafür in beschränktem Umfang verteilten Einfuhrlizenzen besessen hätten. Für diese Einfuhren hatten die Zollbehörden von den Bananenimporteuren Einfuhrabgaben von rund 800 ECU/t, mithin in einzelnen Fällen von über 5 Mio. €, verlangt.
In seinen Urteilen hat nun der Bundesfinanzhof die festgesetzten Einfuhrabgaben bestätigt und entschieden, dass Importeure südamerikanischer Bananen, die keine für einen Zollsatz von 75 ECU/t erforderliche Einfuhrlizenz besitzen, den von der EG festgesetzten Zollsatz von 822 ECU/t entrichten müssen. Die Importeure könnten sich gegenüber dieser hohen Zollbelastung nicht darauf berufen, dass die sog. Bananenmarktordnung der Gemeinschaft, die diesen Zollsatz ehemals vorsah, mit dem Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (General Agreement on Tariffs and Trade – GATT) nicht vereinbar sei, selbst wenn dies bereits mehrfach von den Streitschlichtungsgremien der Welthandelsorganisation (World Trade Organization – WTO) in entsprechenden Verfahren festgestellt worden ist. Die Importeure können sich nach den aktuellen Urteilen des Bundesfinanzhofs zur Abwehr dieser Zollforderungen ebenso wenig auf das Grundgesetz berufen.
Später von Importeuren, aber auch von Mitgliedstaaten gegen die Gemeinschaft erhobene Klagen, mit denen die GATT-Rechtswidrigkeit jener Gemeinschaftsvorschriften geltend gemacht wurde, hatten vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschften keinen Erfolg. Der EuGH entschied vielmehr, dass der Einzelne sich ebenso wenig wie ein Mitgliedstaat auf die Unvereinbarkeit der Bananenmarktordnung mit dem GATT und die dazu ergangenen WTO-Entscheidungen berufen könne.
Die Importeure sehen nun in ihren Klageverfahren vor den deutschen Finanzgerichten diese Rechtsprechung als Verweigerung von Rechtsschutz an und sehen hierin ausbrechende Rechtsakte eines Organs der EU, der nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Deutschland keine Geltung beanspruchen könnten. Um einen solchen ausbrechenden Rechtsakt handele es sich sowohl bei der Bananenmarktordnung als auch insbesondere der dazu ergangenen Rechtsprechung des EuGH.
Der Bundesfinanzhof ist dem jedoch nicht gefolgt. Wie immer die Rechtsprechung des BVerfG zum ausbrechenden Rechtsakt im Einzelnen genau zu verstehen sei, so der Bundesfinanzhof: die Rechtsprechung des EuGH sei jedenfalls kein ausbrechender Rechtsakt, sondern zumindest nachvollziehbar. Sie entspreche der Rechtsauffassung zahlreicher Mitglied- und Drittstaaten und trage dem Umstand Rechnung, dass die Vertragspartner des GATT der WTO keine Rechtsprechungsgewalt abgetreten, sondern uneingeschränkte souveräne Hoheitsgewalt behalten haben. Die Rechtseinheit der Union, der die Errichtung eines europäischen Gerichtshofs mit unbedingter Rechtsprechungsgewalt dienen solle, werde aufgelöst, wenn die Entscheidungen von den Gerichten der Mitgliedstaaten überprüft und am Maßstab der nationalen Verfassungen gemessen würden.
Die VO (EWG) Nr. 404/93 mit der Beschränkung der Einfuhr von Bananen außerhalb festgesetzter Kontingente ist unbeschadet ihrer von der Welthandelsorganisation (WTO) festgestellten Unvereinbarkeit mit dem GATT weder nichtig noch wegen Anwendungsvorrangs des GATT unanwendbar. Das gilt unbeschadet dessen, dass die betreffenden Vorschriften der Gemeinschaft inzwischen außer Kraft getreten sind .
Die Rechtsprechung des EuGH, dass sich ein Zollbeteiligter auf die Bestimmungen des GATT und die dazu ergangenen Entscheidungen der Streitschlichtungsgremien der WTO über die zum GATT in Widerspruch stehende Bananenmarktordnung der Gemeinschaft nicht berufen kann, stellt unbeschadet der gegen sie erhobenen Einwände keinen ausbrechenden Rechtsakt im Sinne der diesbezüglichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dar. Sie gibt der deutschen Gerichtsbarkeit auch keinen Anlass, die betreffenden gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften am Maßstab des Grundgesetzes zu messen. Denn sie gestattet es nicht, in Zweifel zu ziehen, dass der Gerichtshof der Europäischen Union den unaufgebbaren und durch die Zustimmungsgesetze zu den Gemeinschaftsverträgen nicht aufgegebenen, dem Rechtsstaatsgebot genügenden Rechtsschutz gewährleistet.
Auf ihre Einfuhren ist daher der für Bananen geltende Drittlandszollsatz anzuwenden; denn die diesbezüglichen Regelungen der VO Nr. 404/93 weder nichtig noch wegen eines Anwendungsvorrangs des GATT unanwendbar, selbst wenn sie mit diesem unvereinbar sein mögen, noch steht ihrer Anwendung deutsches Verfassungsrecht entgegen.
Verstoß gegen das GATT
Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union1 ist den Gemeinschaftsorganen, die für das Aushandeln und den Abschluss eines Abkommens wie des GATT 1994 zuständig waren, nach den Grundsätzen des Völkerrechts unbenommen gewesen, mit den betroffenen Drittstaaten zu vereinbaren, welche Wirkungen die Bestimmungen dieses Abkommens in der internen Rechtsordnung der Vertragsparteien haben sollen. Ist diese Frage in dem Abkommen nicht ausdrücklich geregelt, habe der EuGH über diese Frage ebenso wie über jede andere Auslegungsfrage im Zusammenhang mit der Anwendung des Abkommens in der Gemeinschaft zu entscheiden2 und festzustellen, ob dem Gemeinschaftsrecht unterliegende Personen berechtigt sind, vor Gericht unter Berufung auf ein solches Abkommen die Gültigkeit einer Gemeinschaftshandlung in Frage zu stellen3, wie es die Klägerin für sich in Anspruch nimmt.
Die Gültigkeit einer Gemeinschaftsregelung sei nur dann an einem völkerrechtlichen Vertrag zu messen, wenn dessen Art und Struktur dem nicht entgegenstehen und seine Bestimmungen außerdem inhaltlich unbedingt und hinreichend genau erscheinen4. WTO-Übereinkünfte wie das GATT 1994 gehörten wegen ihrer Natur und ihrer Systematik grundsätzlich nicht zu den Normen, an denen die Rechtmäßigkeit der Handlungen der Gemeinschaftsorgane zu messen ist5. Nur wenn die Gemeinschaft eine bestimmte im Rahmen der WTO übernommene Verpflichtung hätte erfüllen wollen6 oder wenn die Gemeinschaftshandlung ausdrücklich auf spezielle Bestimmungen der WTO-Übereinkünfte verweise, sei die Rechtmäßigkeit der fraglichen Gemeinschaftshandlung an den WTO-Regeln zu messen7.
Dass die durch die VO Nr. 404/93 geschaffene, später geänderte gemeinsame Marktorganisation für Bananen nicht sicherstellen soll, dass eine bestimmte, von der Gemeinschaft im Rahmen des GATT übernommene Verpflichtung in der Rechtsordnung der Gemeinschaft umgesetzt wird, und dass sie auch nicht ausdrücklich auf spezielle Bestimmungen des GATT verweist, hat der EuGH bereits ausdrücklich festgestellt8. Insbesondere zur –hier ohnehin noch nicht unmittelbar anwendbaren– VO Nr. 1637/989 und den zu ihrer Durchführung erlassenen Verordnungen hat er in dem Urteil Van Parys ausgeführt, dass diese nicht ausdrücklich auf spezielle Bestimmungen der WTO-Übereinkünfte verwiesen. Die Gemeinschaft habe, selbst indem sie sich nach Erlass der Entscheidung des DSB vom 25. September 1997 verpflichtete, den WTO-Regeln, insbesondere den Art. I Abs. 1 und XIII des GATT 1994 nachzukommen, keine besondere Verpflichtung im Rahmen der WTO übernehmen wollen, die eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass eine Berufung auf die WTO-Regeln vor dem Gemeinschaftsrichter nicht möglich ist, rechtfertigte und es diesem ermöglichen könnte, die Rechtmäßigkeit der VO Nr. 1637/98 und der zu ihrer Durchführung erlassenen Verordnungen anhand dieser Regeln nachzuprüfen. Das muss für die VO Nr. 404/93 in der hier anzuwendenden Fassung erst recht gelten.
Im Übrigen ist zwischen einer unmittelbaren Wirkung der WTO-Regeln, die den Vertragspartnern materielle Verpflichtungen auferlegen, und der Wirkung einer Entscheidung des DSB in diesem Zusammenhang nach der Rechtsprechung des EuGH nicht zu unterscheiden. Nach dem Urteil des EuGH in Sachen FIAMM und Fedon kann eine Entscheidung des DSB, mit der darüber befunden wird, ob das Verhalten eines WTO-Mitglieds im Einklang mit den Verpflichtungen steht, die dieses Mitglied in diesem Rahmen eingegangen ist, grundsätzlich nicht von den materiellen Regeln unterschieden werden, in denen diese Verpflichtungen normiert sind und anhand derer eine solche Prüfung erfolgt; dies gelte zumindest dann, wenn es um die Feststellung geht, ob eine Nichtbeachtung dieser Regeln oder dieser Entscheidung vor dem Gemeinschaftsrichter geltend gemacht werden kann, um die Rechtmäßigkeit des Verhaltens der Gemeinschaftsorgane zu prüfen. Eine Prüfung eines Rechtsakts der Gemeinschaft anhand einer Entscheidung des DSB hat mithin nicht zu erfolgen.
Diese Rechtsprechung ist klar und eindeutig und, wenn nicht überzeugend, so doch allemal nachvollziehbar begründet. Neue Gesichtspunkte, von denen eine Änderung dieser Rechtsprechung erwartet werden könnte, sind für den Bundesfinanzhof nicht erkennbar. Der Bundesfinanzhfo hat daher keinen Anlass, die eben erörterten Fragen dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV (erneut) zur Entscheidung vorzulegen.
Die Auffassung, die eben dargestellte Rechtsprechung des EuGH sei nicht auf den hier zu entscheidenden Fall der Berufung auf die ursprüngliche Nichtigkeit eines Gemeinschaftsrechtsakts wegen Verstoßes gegen WTO-Recht nach Außerkrafttreten des betreffenden Rechtsakts zu übertragen, ist unzutreffend. In der Rechtsprechung des EuGH fehlt es an jedem wortwörtlichen oder gedanklichen Ansatzpunkt für eine solche Differenzierung der Prüfungsmaßstäbe einerseits bei noch geltenden und andererseits bei außer Kraft getretenen Gemeinschaftsrechtsakten. Dass eine solche Differenzierung nicht geboten und auch nicht zulässig ist, ergibt sich zudem aus dem EuGH-Urteil in Sachen FIAMM und Fedon, das eine Klage betrifft, mit der nach (ungenutztem) Ablauf der der Gemeinschaft vom DSB gesetzten Umsetzungsfrist von einem Marktbürger Ersatz des durch den Gemeinschaftsrechtsakt erlittenen Schadens begehrt wurde. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat dazu im Wesentlichen Folgendes erkannt:
Es sei nicht danach zu unterscheiden, ob die Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Gemeinschaftshandlung aufgrund einer Nichtigkeitsklage oder zur Entscheidung über eine Schadensersatzklage erfolge. Die gesetzgebende Gewalt sei nämlich durch die Möglichkeit von Schadensersatzklagen in der Ausübung ihrer Tätigkeit behindert, sobald sie Anlass hat, im Allgemeininteresse Rechtsnormen zu erlassen, die die Interessen der Einzelnen berühren können. Zum anderen sei jede Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Gemeinschaftshandlung durch ein Gemeinschaftsgericht, selbst wenn sie nicht aufgrund der Befugnis dieses Gerichts zur Nichtigerklärung nach Art. 230 EG (jetzt Art. 263 AEUV) erfolgt, ihrem Wesen nach geeignet, sich auf die Haltung auszuwirken, die das Organ, von dem die fragliche Maßnahme stammt, einzunehmen hat. Stelle nämlich der EuGH im Rahmen eines Verfahrens nach Art. 234 EG (jetzt Art. 267 AEUV) die Ungültigkeit einer von einer Gemeinschaftsbehörde erlassenen Maßnahme fest, habe seine Entscheidung insbesondere die Rechtsfolge, dass die zuständigen Organe der Gemeinschaft verpflichtet sind, die erforderlichen Maßnahmen zu erlassen, um der festgestellten Rechtswidrigkeit abzuhelfen; die in Art. 233 EG (jetzt Art. 266 AEUV) für den Fall eines Nichtigkeitsurteils festgelegte Pflicht gelte entsprechend.
Ein Anlass, dem EuGH erneut die Frage der Berufungsfähigkeit des WTO-Rechts vorzulegen, ergibt sich auch nicht aus den Urteilen des Gerichts der Europäischen Union in Sachen Yusuf und Kadi. Denn abgesehen davon, dass diese Urteile inzwischen durch Urteil des EuGH10 aufgehoben worden sind, ging es in diesen Verfahren nicht –wie hier– um einen Konflikt zwischen den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Gemeinschaft und ihrer innergemeinschaftlich wirkenden Gesetzgebung, sondern um die getreue Umsetzung völkerrechtlich verpflichtender Beschlüsse der Vereinten Nationen in der innergemeinschaftlichen Gesetzgebung. Wie die Revision aus dem Begründungszusammenhang dieser Urteile des EuG herleiten will, in dem umgekehrten Fall der unterbleibenden innergemeinschaftlichen Umsetzung einer völkerrechtlichen Verpflichtung wie einer aus dem GATT folgenden, seien die Rechtsakte der Gemeinschaft stets (also unabhängig von den insofern getroffenen völkerrechtlichen Vereinbarungen, auf die der EuGH in diesem Zusammenhang überzeugend abstellt) nichtig oder unanwendbar, erschließt sich nicht. Im Übrigen hat der EuGH in seiner eben bezeichneten Rechtsmittelentscheidung gerade die Autonomie des Rechtssystems der Gemeinschaft gegenüber völkerrechtlichen Abkommen und auf diesen beruhenden Maßnahmen wie den Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen bekräftigt. Die Verfahren Yusuf und Kadi geben daher keinen Anlass zu einem Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, sondern lassen im Gegenteil deutlich erkennen, dass der EuGH an der bereits in dem Urteil International Fruit Company vorgenommenen Bestimmung des Verhältnisses von Gemeinschaftsrecht und WTO-Verpflichtungen festhält11.
Was den angeblichen Anwendungsvorrang des GATT gemäß Art. 307 EG (jetzt Art. 351 AEUV) angeht, wonach Pflichten der Mitgliedstaaten aus Übereinkünften, die vor dem 1. Januar 1958 von ihnen mit dritten Ländern geschlossen wurden, durch den EG-Vertrag nicht berührt werden, genügt, so der Bundesfinanzhof, der Hinweis auf das Urteil des EuGH in Sachen T. Port12, in dem der EuGH mit Recht darauf hingewiesen hat, dass eine Bestimmung des Gemeinschaftsrechts gegenüber einer völkerrechtlichen Übereinkunft nur dann nach vorgenannter Vorschrift zurückzutreten hat, wenn das fragliche Drittland daraus Rechte herleiten und deren Beachtung von dem betreffenden Mitgliedstaat verlangen kann, dass jedoch Ecuador, woher die hier streitigen Waren eingeführt worden sind, im Jahre 1947 keine Vertragspartei des GATT war, sondern dies erst 1996 geworden ist und folglich das GATT 1947 und 1994 nicht gemäß Art. 307 EG der Anwendung der hier strittigen Marktordnungsregelung entgegenstehen kann.
Soweit sich die Revision auf Art. 300 Abs. 7 EG (vgl. jetzt Art. 216 Abs. 2 AEUV) beruft, wonach von der Gemeinschaft (Union) abgeschlossene völkerrechtliche Abkommen für die Organe der Gemeinschaft (Union) und die Mitgliedstaaten verbindlich sind, und sie daraus die innergemeinschaftliche Wirkung jedenfalls des GATT 1994 und der Entscheidungen des DSB herleiten will, verkennt sie, dass sich aus dieser Vorschrift nicht ohne weiteres ableiten lässt, dass die völkerrechtlichen Verpflichtungen der Gemeinschaft (Union) ungeachtet des Inhalts der betreffenden einzelnen Abkommen und Übereinkommen in im Binnenraum der Gemeinschaft (Union) wirksame gemeinschaftsrechtliche Rechte und Pflichten transformiert werden sollten (so aber offenbar Sauer, Jurisdiktionskonflikte in Mehrebenensystemen, 2008, S. 258 passim). Eine dahin gehende Annahme widerspräche der von der Rechtsprechung des EuGH mit Recht betonten Eigenart solcher Vereinbarungen, und es ist auch schwerlich erkennbar, dass sich die Gemeinschaft mit Art. 300 Abs. 7 EG in einem solchen umfassenden Umfang ihrer internen Rechtsgewalt hat begeben –oder sogar der Jurisdiktionsgewalt des DSB hat unterwerfen– wollen, was nicht nur im Hinblick auf das GATT 1994, sondern jegliche völkerrechtliche Vereinbarungen weitreichende Auswirkungen haben müsste.
Kein Verstoß gegen deutsches Verfassungsrecht – Kein ausbrechender Rechtsakt
Der Anwendung der VO Nr. 404/93 steht nach Ansicht des Bundesfinanzhofs auch nicht deutsches Verfassungsrecht entgegen.
Nach dem Maastricht-Urteil des Bundesverfassungsgerichts13 steht allerdings die Anwendung des Gemeinschaftsrechts, das Vorrang vor dem Recht der Mitgliedstaaten beansprucht, in Deutschland unter dem Vorbehalt, dass wesentliche Änderungen des im EG-Vertrag angelegten Integrationsprogramms und seiner Handlungsermächtigungen von dem Zustimmungsgesetz zu diesem Vertrag gedeckt sein müssen. Es sei daher zu prüfen, ob die Rechtsakte der europäischen Einrichtungen und Organe sich in den Grenzen der diesen eingeräumten Hoheitsrechte halten oder ob sie aus ihnen „ausbrechen“ (sog. Doktrin des ausbrechenden Rechtsakts).
Im Streitfall liegt indes ein ausbrechender Rechtsakt zweifelsfrei nicht vor; eine diesbezügliche Vorlage gemäß Art. 100 GG kommt daher ebenso wenig in Betracht wie die Einholung einer Vorabentscheidung gemäß Art. 267 AEUV14.
Es bedarf für die Entscheidung des Streitfalls keiner grundsätzlichen und umfassenden Auseinandersetzung des erkennenden Senats mit den durch die vorgenannte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aufgeworfenen Fragen. Der Bundesfinanzhof kann insbesondere unerörtert lassen, ob es mit den durch das deutsche Zustimmungsgesetz zum EG-Vertrag in das deutsche Recht inkorporierten Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts über die Zuständigkeit des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Entscheidung über die Gültigkeit und Auslegung des Gemeinschaftsrechts, welche Zuständigkeit die Zuständigkeit der nationalen Gerichte –einschließlich der des BVerfG15– verdrängt, vereinbar wäre, die –vom EuGH in der eingangs angeführten Rechtsprechung inzident bejahte– Wahrung der vertraglichen Kompetenzschranken der europäischen Institutionen im Zusammenhang mit der Bananenmarktordnung in diesem Verfahren zu überprüfen, oder ob die Doktrin des ausbrechenden Rechtsakts nicht allenfalls die Prüfung gestattete, ob für einen Rechtsakt der Gemeinschaft eine entsprechende vertragliche Ermächtigung klar und eindeutig und in diesem Sinne offensichtlich fehlt; ob die Prüfungsbefugnis des nationalen Gerichts nicht also mit anderen Worten –ähnlich wie bei der Prüfung, ob Rechtsakte der Gemeinschaft Grundrechte verletzen– ruht, sofern und solange die Rechtsprechung des EuGH eine wirksame kompetenzielle Kontrolle gewährleistet, wie das Bundesverfassungsgericht anzudeuten scheint, wenn es nur „wesentlichen“ Änderungen des Integrationsprogramms16 bzw. „ersichtlichen Grenzüberschreitungen“17 die innerstaatliche Wirksamkeit abzusprechen androht18. Denn selbst wenn der erkennende Senat eine diesbezügliche uneingeschränkte Prüfung vornehmen müsste, ginge sie nicht zu Gunsten des Klagebegehrens aus; denn weder die VO Nr. 404/93 noch die Rechtsprechung des EuGH, dass diese VO ungeachtet entgegenstehender GATT-Regelungen bzw. dazu ergangener Entscheidungen des Streitschlichtungsgremiums der WTO in der Gemeinschaft anzuwenden sei, stellen ausbrechende Rechtsakte dar, mit denen der Rat bzw. der EuGH die Grenzen der ihnen eingeräumten Hoheitsrechte überschritten hätten.
An der Kompetenz der Gemeinschaft, die Einfuhr von Bananen durch zoll- bzw. marktordnungsrechtliche Regelungen zu reglementieren und dabei ggf. –wie in der VO Nr. 404/93 geschehen– alle erdenklichen Differenzierungen zwischen unterschiedlichen Herkunftsländern und unterschiedlichen Gruppen von Importeuren anzuwenden, kann offenbar auch nach Auffassung der Revision nicht ernstlich ein Zweifel bestehen. Ob die VO Nr. 404/93 Grundrechte der Marktbürger oder mit dem GATT 1994 von der Gemeinschaft eingegangene völkerrechtliche Verpflichtungen verletzt, ist keine Frage der Kompetenz der Gemeinschaft. Ein Rechtsakt bricht nicht deshalb aus dem Integrationsprogramm des EG-Vertrags und seinen gegenständlich definierten Handlungsermächtigungen aus, weil bei deren Wahrnehmung höherrangiges Recht verletzt wird bzw. völkerrechtliche Verpflichtungen missachtet werden, wenn anders nicht die Doktrin des ausbrechenden Rechtsakts zu einer allemal offenkundig vertragswidrigen Usurpation der dem EuGH übertragenen Rechtsprechungsgewalt umgefälscht werden soll.
Die eingangs angeführte Rechtsprechung des EuGH lässt sich nach Ansicht des Bundesfinanzhofs ebenso wenig als ausbrechender Rechtsakt verstehen.
Die Mitgliedstaaten haben sich unbeschadet ihrer Souveränität den Entscheidungen einer auf der Grundlage des EG-Vertrags errichteten eigenständigen und unabhängigen gemeinschaftlichen Rechtsprechungsgewalt (auch) hinsichtlich der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Handlungen der Gemeinschaft unterworfen. Darin unterscheidet sich die Gemeinschaft (Union) von herkömmlichen internationalen Organisationen und erhält das ihr eigentümliche Gepräge einer Rechtsgemeinschaft, was nicht nur auf eine Gemeinschaft im gesetzten Recht, sondern auch in der Auslegung und Anwendung dieses Rechts verweist. Die Errichtung des EuGH und die Übertragung unabhängiger Rechtsprechungsgewalt an ihn sind von dem vom GG gewollten Integrationsauftrag offensichtlich umfasst. Nicht ein nationales Gericht, sondern der EuGH ist infolgedessen, wie erwähnt, zur Letztentscheidung über die Gültigkeit und die Auslegung von Verordnungen der Gemeinschaft (Union) berufen; dies schließt notwendigerweise seine Befugnis ein zu entscheiden, ob solchen Verordnungen von der Gemeinschaft abgeschlossene völkerrechtliche Vereinbarungen mit der Folge entgegenstehen, dass die Verordnungen nichtig sind, und ob sich darauf ggf. jeder Zollbeteiligte gegenüber den Rechtsbefehlen dieser Verordnungen berufen kann.
Wenn der EuGH dies hinsichtlich der VO Nr. 404/93 verneint hat, hat er damit weder zu Gegenständen Recht gesprochen, auf die sich seine Zuständigkeit nicht erstreckt, noch sonst seine Kompetenzen überschritten. Das gilt unbeschadet dessen, dass die Entscheidungen des EuGH im Ergebnis dazu führen mögen, dass die deutschen Behörden verpflichtet sind, in Vollzug des Gemeinschaftsrechts Maßnahmen zu ergreifen, die den auch von Deutschland als Vertragsstaat des GATT 1994 getroffenen völkerrechtlichen Vereinbarungen widersprechen. Denn die Doktrin des ausbrechenden Rechtsakts hebt den Grundsatz der Wirksamkeit der Gemeinschaftsrechtsakte in den Mitgliedstaaten –auch solcher, die nach nationalem Recht zu beanstanden wären– nicht auf, welchen vielmehr auch die diesbezügliche Rechtsprechung des BVerfG ausdrücklich anerkannt hat19.
Was die Revision in diesem Zusammenhang bezweifelt, ist in Wahrheit nicht die Entscheidungskompetenz des EuGH, sondern dass das deutsche Verfassungsrecht gegen eine (vermeintlich) klar und eindeutig und gleichsam grob rechtswidrige Regelung der Gemeinschaft bzw. eine (vermeintlich) ebenso klar und eindeutig (gegenüber dem GATT) rechtsblinde Rechtsprechung des EuGH keine Handhabe und keinen Schutz bieten soll. Die Revision scheint also mit anderen Worten zu verlangen, dass solchen ihrer Meinung nach qualifiziert fehlerhaften Rechtsakten eines Organs der Gemeinschaft von Verfassungs wegen die Gefolgschaft versagt wird.
Das verlangt die Doktrin des ausbrechenden Rechtsakts indes nicht und es ist auch anderweit nicht geboten oder zulässig. Es würde vielmehr die Rechtseinheit der Gemeinschaft auflösen, die jedoch ein wesentliches Ziel des EG-Vertrags und insbesondere auch der Errichtung eines europäischen Gerichtshofs mit unbedingter (d.h. von dem Beifall des betroffenen Mitgliedstaats unabhängiger) Jurisdiktionsgewalt ist und eine unabdingbare Voraussetzung für das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes.
Etwas anderes könnte nur gelten und eine Entscheidung des EuGH als ausbrechenden Rechtsakt erscheinen lassen, wenn mit einer solchen Entscheidung nur vorgeblich „Recht gesprochen“, in Wahrheit jedoch im Mantel der Gerichtsentscheidung ein –von dem Integrationsprogramm des EG-Vertrags nicht umfasster– konstitutiver Rechtsakt erlassen würde, die betreffende Entscheidung also mit anderen Worten mit den Mitteln juristischer Argumentation, insbesondere den anzuerkennenden Methoden der Gesetzesauslegung, ggf. auch der Lückenfüllung und richterrechtlichen Rechtsfortbildung, nicht mehr zu rechtfertigen wäre, welche Methoden allerdings dem EuGH nicht weniger als nationalen Fach- und Verfassungsgerichten umfassend zu Gebote stehen, wie auch das Bundesverfassungsgericht bereits in seinem „Kloppenburg“-Beschluss20 zugestanden hat.
Von einer solchen Überschreitung der Grenzen einem Gericht zustehender Rechtsfindung kann indes bei der Rechtsprechung des EuGH zur Bananenmarktordnung, die im Kern auf einer durchaus nachvollziehbaren Auslegung des GATT 1994 beruht, keine Rede sein, wie die nachfolgenden Ausführungen noch verdeutlichen werden.
Die Verbindlichkeit der Entscheidungen des EuGH kann schon um der Bewahrung vorgenannter Ziele des EG-Vertrags willen auch nicht etwa deshalb angezweifelt werden, weil der EuGH einen dem unaufgebbaren und durch die Zustimmungsgesetze zu den Gemeinschaftsverträgen auch nicht aufgegebenen Rechtsstaatsgebot genügenden Rechtsschutz nicht gewährleistete und keinen Schutz von Grundrechten des Bürgers böte, wie sie auch Bestandteil des (ungeschriebenen) Gemeinschaftsrechts sind. Es liegen deshalb nicht die Voraussetzungen vor, unter denen das BVerfG in Betracht gezogen hat, dass die Jurisdiktionsgewalt deutscher Gerichte nicht länger hinter die des EuGH zurücktreten dürfe.
Das ergibt sich schon aus dem –gerade auch unter Berücksichtigung des gemeinschaftsrechtlichen Einfuhrregimes für Bananen ergangenen– Beschluss des BVerfG in BVerfGE 102, 147. Auch die weitere europäische Rechtsentwicklung, insbesondere etwa die eingangs angeführte Entscheidung des EuGH FIAMM und Fedon, geben keinen Anlass, dies in Frage zu stellen und ernstlich anzunehmen, mangels ausreichenden Rechtsschutzes durch den EuGH seien die deutschen Gerichte aufgerufen, das Rechtsstaatsprinzip und die Grundrechte gegen die Gesetzgebung der Gemeinschaft (Union) zu verteidigen. Es kann ersichtlich keine Rede davon sein, dass die Bananenmarktordnung oder die Rechtsprechung des EuGH zum Fehlen einer innergemeinschaftlichen „Berufungsfähigkeit“ des GATT 1994 die in Art. 79 Abs. 3 GG für unantastbar erklärten Grundsätze der Art. 1 und Art. 20 GG verletzen und damit zur Wahrung des unantastbaren Kerngehalts der Verfassungsidentität des GG eine „Identitätskontrolle“ eingefordert werden könnte, wie sie das BVerfG sich vorbehalten hat21.
Im Übrigen dürfte es für eine –hier folglich nicht gebotene– nach Maßgabe der Rechtsprechung des BVerfG durchgeführte grundrechtliche Prüfung der Bananenmarktordnung sowohl hinsichtlich des Art. 12 Abs. 1 GG –die Berufsbezogenheit des durch die Bananenmarktordnung bewirkten Eingriffs in die Rechtsstellung der Klägerin unterstellt– ebenso wie hinsichtlich deren Eigentumsrechts gemäß Art. 14 Abs. 1 GG daran fehlen, dass die Erwerbschancen der Klägerin, die durch die VO Nr. 404/93 zunichte gemacht worden sein mögen, nicht den Schutz des GG genießen.
Die Argumentation der Revision, die durch die Rechtsprechung des EuGH das Rechtsstaatsprinzip missachtet sieht, verkennt, dass nicht das Rechtsstaatsprinzip materielle Rechte gewährt –wie etwa auf Umsetzung völkerrechtlicher Verpflichtungen in der innerstaatlichen bzw. gemeinschaftlichen Rechtsordnung–; vielmehr setzt es solche Rechte voraus und garantiert lediglich deren Wahrung und Verteidigung, wenn und insoweit sie bestehen. Wenn also vorgenanntes (Individual-)Recht auf Umsetzung des GATT in der Gemeinschaftsrechtsordnung nicht besteht, wie dies der EuGH für das GATT 1994 bzw. das Gemeinschaftsrecht entschieden hat, können das von der Revision mit Nachdruck eingeforderte Rechtsstaatsprinzip und dessen Rechtsschutzgewährleistungsgarantie von vornherein nicht erfolgversprechend bemüht werden, um eine defizitäre Rechtsschutzgewährung durch den EuGH darzutun.
Es kann auch nicht als Rechtsverweigerung gebrandmarkt werden, dass der EuGH dem Zollbeteiligten die Berufung auf durch Welthandelsrecht angeblich begründete (Individual-)Rechte verwehrt. Es ist nicht willkürlich, wenn der EuGH durch den Beitritt zum GATT 1994 die innergemeinschaftliche Rechtsordnung nicht dahin gestaltet sieht, dass dem Einzelnen (oder auch nur den Mitgliedstaaten) eine rechtsschutzfähige Position eingeräumt werden sollte, sich ggf. auf die Unvereinbarkeit des Gemeinschaftsrechts mit GATT-Bestimmungen oder auf die Beurteilung von Gemeinschaftsrecht durch das DSB als GATT-rechtswidrig berufen zu können. Denn diese Rechtsprechung hat im Schrifttum zwar viel Widerspruch, aber auch Zustimmung erfahren22. Sie entspricht der Rechtsauffassung zahlreicher Mitglied- und Drittstaaten. Sie entbehrt vor allem nicht einer nachvollziehbaren Begründung insbesondere in dem Gedanken, dass auch das GATT 1994 keine der Gemeinschaft übergeordnete Rechtsgemeinschaft begründet hat, sondern nur zwischenstaatlich wirksame (unbeschadet fortgeschrittener „Verrechtlichung“ zudem in gewissem Umfang „flexible“) Vertragspflichten, zu denen es im Übrigen nicht gehört, dem Einzelnen gegenüber den Rechtsakten der souveränen nationalen Hoheitsgewalt bzw. der insofern abgeleiteten souveränen Gewalt der Gemeinschaft die Berufung auf deren völkerrechtliche Pflichten zu gestatten.
Von diesem Ausgangspunkt her liegen alle Argumente der Revision neben der Sache, mit welchen gegen den angefochtenen Zollbescheid vorgebracht wird, die Gemeinschaft komme ihren völkerrechtlich begründeten Verpflichtungen nicht nach, missachte das Völkerrecht absichtlich und nachhaltig, verstoße gegen den Grundsatz von Treu und Glauben und verletzte den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dadurch, dass sie (bis 2006) keine zur Erlangung einer mit dem GATT vereinbaren Bananenmarktordnung geeigneten Regelungen getroffen habe. Es ist überdies rechtslogisch nicht nachvollziehbar, weshalb, wie die Revision vorträgt, aus als völkerrechtswidrig festgestellten Regelungen, zumal wenn sie inzwischen außer Kraft getreten sind, keine Rechte wie Zollforderungen sollen hergeleitet werden dürfen, ebenso wenig, weshalb die Verpflichtung auch Deutschlands durch das GATT 1994 dem angefochtenen Bescheid entgegengehalten werden könnte, nachdem das GATT, wie dargelegt, der Klägerin keine rechtsschutzfähigen Rechte einräumt und die Rechtmäßigkeit jenes Bescheids überdies anhand des Gemeinschaftsrechts zu beurteilen ist, das Anwendungsvorrang vor etwaigen entgegenstehenden Berechtigungen genießt, die sich aus dem Recht eines Mitgliedstaats ergeben mögen.
Denn die im Rahmen der WTO vereinbarten Rechtsregeln lassen sich, anders als die Revision offenbar meint, nicht als im Verhältnis zum Gemeinschaftsrecht „höherrangiges“ Recht charakterisieren. Dies setzte nämlich voraus, dass die WTO Hoheitsrechte gegenüber der Gemeinschaft in Anspruch nehmen kann, während sie in Wahrheit lediglich den institutionellen Rahmen für vertragliche Vereinbarungen ihrer Mitglieder bereitstellt. Auch die Revision hat jedenfalls nicht darzulegen vermocht, durch welchen Rechtsakt oder welche im Rahmen der WTO getroffene Vereinbarung von den Vertragsstaaten Hoheitsrechte –in ähnlicher Weise wie von den Mitgliedstaaten auf die Europäischen Gemeinschaften– auf die WTO übertragen worden sein sollen. Deshalb kommt es für die innergemeinschaftliche Verbindlichkeit der dort vereinbarten Handelsregeln und die Wirkung der Entscheidungen des DSB nicht entscheidend darauf an, ob diese den betroffenen Staaten noch Handlungsspielräume offenlassen; selbst wenn das nicht oder nach Ablauf der Umsetzungsfrist nicht mehr der Fall ist, ändert es nichts an der uneingeschränkten Rechtsmacht des betroffenen Staats, die Entscheidung umzusetzen oder dies (vertragswidrig) zu unterlassen.
Dass sich die Klägerin auf das GATT auch nicht deshalb berufen kann, weil ihr in diesem von den Vertragsparteien nach Art eines Vertrags zu Gunsten Dritter Rechte eingeräumt worden sind, die sie gegenüber der Gemeinschaft geltend machen könnte, bedarf nach den vorgenannten Entscheidungen des EuGH hier keiner Wiederholung.
Bundesfinanzhof, Urteile vom 23. Februar 2010 – VII R 8/08, VII R 9/08, VII R 12/08 und VII R 13/08
- zuletzt EuGH, Urteil vom 09.09.2008 – C-120/06 P und C-121/06 P (FIAMM und Fedon), ABlEU Nr. C-285/3, ZfZ 2009, 75[↩]
- vgl. u.a. auch EuGH, Urteile vom 26.10.1982 – 104/81 (Kupferberg), Slg. 1982, 3641; und vom 23.11.1999 – C-149/96 (Portugal/Rat), Slg. 1999, I-8395[↩]
- vgl. schon EuGH, Urteil vom 12.12.1972 – 21/72 bis 24/72 (International Fruit Company), Slg. 1972, 1219[↩]
- vgl. u.a. EuGH, Urteil vom 03.06.2008 – C-308/06 (Intertanko), Slg. 2008, I-4057, EuZW 2008, 439[↩]
- vgl. u.a. EuGH, Urteil Portugal/Rat, Rz 47; und EuGH, Urteile vom 30.09.2003 – C-93/02 P (Biret), Slg. 2003, I-10497; und vom 01.03.2005 – C-377/02 (Van Parys), Slg. 2005, I-1465[↩]
- vgl. EuGH, Urteil vom 07.05.1991 – C-69/89 (Nakajima), Slg. 1991, I-2069[↩]
- vgl. EuGH, Urteil Biret, Rz 53[↩]
- EuGH, Beschluss vom 02.05.2001 – C-307/99 (OGT Fruchthandelsgesellschaft), Slg. 2001, I-3159, Rz 28[↩]
- Verordnung (EG) Nr. 1637/98 des Rates vom 20. Juli 1998 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 404/93 über die Gemeinsame Marktorganisation für Bananen, ABlEG Nr. L 210/28[↩]
- EuGH, Urteil vom 03.09.2008 – C-402/05 P und C-415/05 P (Yusuf und Kadi), ABlEU Nr. C 285/2, EuR 2009, 80[↩]
- vgl. dazu auch Kämmerer, Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs im Fall „Kadi“; Ein Triumph der Rechtsstaatlichkeit? EuR 2009, 114[↩]
- EuGH, Urteil vom 10.03.1998 – C-364/95 (T. Port), Slg. 1998, I-1023[↩]
- BVerfG, Urteil vom 12.10.1993 – 2 BvR 2134, 2 BvR 2159/92, BVerfGE 89, 155[↩]
- zu den verfahrensrechtlichen Folgen bei Annahme eines ausbrechenden Rechtsakts vgl. BVerfG, Entscheidungen vom 08.04.1987 – 2 BvR 687/85 (Kloppenburg), BVerfGE 75, 223; und vom 30.06.2009 – 2 BvE 2/08 u.a. (Lissabon), BVerfGE 123, 267; vgl. auch Sauer, Kompetenz- und Identitätskontrolle von Europarecht nach dem Lissabon-Urteil, ZRP 2009, 195[↩]
- vgl. statt aller Classen in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 5. Aufl., Art. 24 Rz 52, mit zahlreichen Nachweisen[↩]
- BVerfGE 89, 155 – Maastricht[↩]
- BVerfGE 123, 267 – Lissabon[↩]
- vgl. Ehlers in Schulze/Zuleeg, Europarecht, § 11 Rz 17, m.w.N.[↩]
- vgl. BVerfG, Entscheidungen vom 17.02.2000 – 2 BvR 1210/98, NJW 2000, 2015; und in BVerfGE 123, 267 – Lissabon[↩]
- in BVerfGE 75, 223[↩]
- vgl. zuletzt BVerfGE 123, 267 – Lissabon[↩]
- vgl. Cottier, The Judge in International Economic Relations, in: Festschrift für Carl Baudenbacher, 2007, Seite 99, 115 f.; Kuijper/Bronckers, Common Market Law Review 42 (2005), 1313; Hilpold, WTO-Recht und EU-Recht – neueste Entwicklungen in einem komplexen Rechtsverhältnis, RiW 2008, 817, 818[↩]