Das Bundesverfassungsgericht hat eine von 9.393 Beschwerdeführern eingereichte Verfassungsbeschwerde gegen die Zustimmung der Bundesregierung zum Abschluss des Abkommens zwischen der Europäischen Union und Japan über eine Wirtschaftspartnerschaft (WAP bzw. JEFTA: “ Agreement between the European Union and Japan for an Economic Partnership“)) nicht zur Entscheidung angenommen.

Abschluss des Wirtschaftspartnerschaftsabkommens
Am 29.11.2012 ermächtigte der Rat der Europäischen Union die Europäische Kommission zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit Japan. Die Verhandlungen wurden am 25.03.2013 offiziell eröffnet. Auf dem 24. EU-Japan-Gipfel am 6.07.2017 erzielten die Europäische Union und Japan eine politische Grundsatzeinigung, wobei das Freihandelsabkommen in „Wirtschaftspartnerschaftsabkommen“ umbenannt wurde. Den Abschluss der Verhandlungen verkündeten der Präsident der Europäischen Kommission und der Premierminister von Japan am 8.12.2017. Nachdem der Rat der Handelsminister das Verhandlungsergebnis am 22.05.2018 im Grundsatz gebilligt hatte, unterzeichneten die Präsidenten der Europäischen Kommission und des Rates sowie der Premierminister von Japan am 17.07.2018 das Abkommen. Das Europäische Parlament stimmte dem Wirtschaftspartnerschaftsabkommen am 12.12.2018 zu, der Rat der Europäischen Union am 20.12.2018. Das Abkommen trat am 1.02.2019 in Kraft.
Die Europäische Union hat das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen als sogenanntes „EU-only“-Abkommen allein abgeschlossen. Sie geht davon aus, dass alle vom Wirtschaftspartnerschaftsabkommen erfassten Bereiche in ihre Zuständigkeit fallen, und stützt sich hier auf das Gutachten des Gerichtshofs der Europäischen Union zum Freihandelsabkommen mit Singapur vom 16.05.20171. Darin kam der Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass die Europäische Union in allen von dem geplanten Abkommen erfassten Bereichen die ausschließliche Zuständigkeit besitze; ausgenommen seien lediglich andere Investitionen als Direktinvestitionen und die Beilegung von Streitigkeiten zwischen Investor und Staat mit den Mitgliedstaaten als Beklagten. Diese Bereiche fielen in die geteilte Zuständigkeit von Europäischer Union und Mitgliedstaaten.
Die Europäische Union hat darauf hingewiesen, dass das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen weder Normen für den Investitionsschutz noch Bestimmungen zur Streitbeilegung in diesem Bereich enthalte. Insoweit sei der Abschluss eines eigenen bilateralen Investitionsabkommens mit Japan beabsichtigt.
Die Verfassungsbeschwerde
Die Beschwerdeführer erheben eine Vielzahl von Rügen gegen das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen als Freihandelsabkommen „neuer Generation“. Sie tragen unter anderem umfänglich zu einer fortschreitenden Klimakatastrophe, zum Pariser Übereinkommen zum Klimaschutz und dessen angeblicher Blockierung durch das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen vor. Diesen Vortrag haben die Beschwerdeführer mit nachgereichtem Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 05.12 2019 ergänzt und dabei ihre Kritik am Gutachten 1/17 des Europäischen Gerichtshofs vom 30.04.20192 zum Freihandelsabkommen CETA wiederholt.
Im rechtlichen Kern ihrer Ausführungen machen die Beschwerdeführer geltend, der Beschluss des Rates der Europäischen Union über den Abschluss des Wirtschaftspartnerschaftsabkommens verletze sie in ihrem Recht auf Demokratie aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1, Art.20 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG. Das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen sei ein Ultra-vires-Akt, weil es auch nach dem Gutachten 2/15 als gemischtes Abkommen hätte abgeschlossen werden müssen. Mit der Behandlung als „EU-only“-Abkommen missachte die Europäische Union mitgliedstaatliche Kompetenzen und nehme ausschließliche Zuständigkeiten für Bereiche in Anspruch, die zu den geteilten Zuständigkeiten gehörten.
Die Beschwerdeführer rügen zudem eine Verletzung des von Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Kerns des Demokratieprinzips durch das im Wirtschaftspartnerschaftsabkommen vorgesehene Ausschusswesen. Insbesondere könne der Gemischte Ausschuss in zahlreichen im Abkommen spezifizierten Fällen Entscheidungen bis hin zu Vertragsänderungen treffen, die die Vertragsparteien bänden. Damit könne die Gestaltungsfreiheit des deutschen Gesetzgebers erheblich eingeschränkt werden.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen (§ 93a Abs. 2 BVerfGG), weil sie unzulässig ist. Der Vortrag der Beschwerdeführer zur Möglichkeit einer Verletzung von Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art.20 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG genügt – auch unter Berücksichtigung des nachgereichten Schriftsatzes vom 05.12 2019 – nicht den sich aus § 23 Abs. 1 Satz 2 und § 92 BVerfGG ergebenden Substantiierungsanforderungen.
In der Begründung einer Verfassungsbeschwerde haben die Beschwerdeführer darzulegen, mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die angegriffene Maßnahme kollidieren soll. Sie müssen dazu insbesondere aufzeigen, inwieweit die Maßnahme die bezeichneten Grundrechte verletzen soll3. Liegt zu den mit der Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen Verfassungsfragen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vor, so ist der behauptete Grundrechtsverstoß in Auseinandersetzung mit den darin entwickelten Maßstäben zu begründen4.
Hieran gemessen haben die Beschwerdeführer die Möglichkeit einer Verletzung von Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art.20 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG durch die Mitwirkung der Bundesregierung am Beschluss des Rates der Europäischen Union über den Abschluss des Wirtschaftspartnerschaftsabkommens nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Sie erheben zwar zahlreiche Rügen gegen das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen, allerdings weitgehend ohne konkreten Bezug zu den verfassungsrechtlichen Maßstäben.
Auch soweit sie im rechtlichen Kern ihrer Ausführungen geltend machen, dass die Mitwirkung der Bundesregierung am Beschluss des Rates über den Abschluss des Wirtschaftspartnerschaftsabkommens sie in ihrem Recht auf Demokratie aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art.20 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG verletze, weil das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen ultra vires ergangen sei, ist ihr Vortrag unzureichend. Es fehlt insoweit insbesondere an einer näheren Auseinandersetzung mit dem Gutachten 2/15 des Gerichtshofs und der dort entfalteten Argumentation. Ohne eine solche Auseinandersetzung kann eine offensichtliche und strukturell bedeutsame Kompetenzüberschreitung5 jedoch nicht dargetan werden.
In Bezug auf die Identitätsrüge fehlt es an einer an den verfassungsrechtlichen Maßstäben6 orientierten substantiierten Darlegung, inwiefern das als „EU-only“-Abkommen konzipierte Wirtschaftspartnerschaftsabkommen das Demokratieprinzip des Grundgesetzes berührt.
Soweit sich die Beschwerdeführer schließlich auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Freihandelsabkommen CETA7 berufen, gehen sie nicht ansatzweise darauf ein, ob das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen als „EU-only“-Abkommen mit CETA als gemischtem Abkommen8 vergleichbar und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu CETA insoweit übertragbar ist.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 23. Januar 2020 – 2 BvR 183/19
- EuGH, Gutachten vom 16.05.2017 – 2/15, EU:C:2017:376[↩]
- EuGH, Gutachten vom 30.04.2019 – 1/17, ECLI:EU:C:2019:341[↩]
- vgl. BVerfGE 99, 84, 87; 108, 370, 386 f.; 120, 274, 298; 140, 229, 232 Rn. 9; 142, 234, 251 Rn. 28; BVerfG, Beschluss vom 24.07.2018 – 2 BvR 1961/09, Rn. 23[↩]
- vgl. BVerfGE 140, 229, 232 Rn. 9; 142, 234, 251 Rn. 28; BVerfG, Beschluss vom 24.07.2018 – 2 BvR 1961/09, Rn. 23[↩]
- vgl. BVerfGE 123, 267, 353 f.; 126, 286, 302 ff.; 134, 366, 382 ff. Rn. 23 ff.; 142, 123, 200 ff. Rn. 146 ff.; 146, 216, 252 f. Rn. 52 f.; BVerfG, Urteil vom 30.07.2019 – 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14, Rn. 150 ff.[↩]
- vgl. BVerfGE 123, 267, 344, 353 f.; 126, 286, 302; 134, 366, 384 ff. Rn. 27 ff.; 140, 317, 337 Rn. 43; 142, 123, 195 f. Rn. 137 ff.; 146, 216, 253 f. Rn. 54 f.; BVerfG, Urteil vom 30.07.2019 – 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14, Rn. 120, 204 f.[↩]
- BVerfGE 143, 65[↩]
- vgl. BVerfGE 143, 65, 80 f. Rn. 15, 88 Rn. 38[↩]