Die Versagung der Bestimmung als „Zollflugplatz“ stellt für den Flughafenbetreiber einen Eingriff in seine Berufsausübungsfreiheit dar, entschied jetzt das Bundesverfassungsgericht im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde.

In dieser Verfassungsbeschwerde hatte die Beschwerdeführerin im April 2001 beantragt, den von ihr betriebenen Flughafen L. in die Liste der Zollflugplätze nach § 2 Abs. 2 ZollVG aufzunehmen. Das Bundesministerium der Finanzen ermächtigte daraufhin die zuständige Oberfinanzdirektion, der Beschwerdeführerin für die Dauer von einem Jahr Einzelabfertigungen gemäß § 5 Abs. 4 ZollV für gewerbliche Drittlandsflüge zu genehmigen (Probebetrieb). Noch vor Ablauf des Jahres stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Verlängerung des Probebetriebs. Das Bundesministerium der Finanzen lehnte sowohl den Antrag auf Bestimmung als Zollflugplatz als auch die Verlängerung der Ermächtigung zu Einzelabfertigungen ab.
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte vor dem Finanzgericht Erfolg, welches das Bundesministerium der Finanzen zur Neubescheidung des Antrags der Beschwerdeführerin verpflichtete. Auf die Revision des Bundesministeriums der Finanzen hob der Bundesfinanzhof mit dem jetzt vor dem Bundesverfassugnsgericht angegriffenen Urteil die Entscheidung des Finanzgerichts auf und wies die Klage ab1.
Die im Streitfall heranzuziehenden Rechtsvorschriften gäben, so der Bundesfinanzhof zur Begründung seines Revisionsurteils, dem Betreiber eines Flugplatzes keinen Anspruch darauf, dass auf oder an seinem Flugplatz eine Zollabfertigungsstelle eingerichtet und der Flugplatz in die Liste der Zollflugplätze aufgenommen werde. Die einschlägigen Vorschriften dienten, so der Bundesfinanzhof, ausschließlich der Überwachung des grenzüberschreitenden Warenverkehrs und begründeten weder Rechte von Flugplatzbetreibern auf Aufnahme in die Liste der Zollflugplätze noch verpflichteten sie die Zollverwaltung, bei der Bestimmung von Zollflugplätzen wirtschaftliche Interessen der Flugplatzbetreiber zu berücksichtigen. Die Zollverwaltung treffe ihre Entscheidung, welcher Flugplatz als Zollflugplatz ausgewiesen werde, grundsätzlich nach dem Gesichtspunkt einer effektiven zollamtlichen Überwachung des Warenverkehrs sowie nach verwaltungsorganisatorischen, verwaltungsökonomischen, haushaltsrechtlichen und gegebenenfalls sicherheitspolitischen Gesichtspunkten. Aufgrund des bewilligten Probebetriebs und in Anbetracht des in diesem Zeitraum nur sehr geringen Frachtverkehrs mit nur drei Ausfuhrabfertigungen habe die Beschwerdeführerin kein schützenswertes Vertrauen darauf entwickeln können, dass der Flugplatz als Zollflugplatz bestimmt werde. Die Beschwerdeführerin werde durch die Entscheidung des Bundesministeriums der Finanzen auch nicht in ihrer durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Freiheit der Berufsausübung verletzt, weil diese keine berufsregelnde Tendenz erkennen lasse.
Das Bundesverfassungsgericht hat jetzt der gegen dieses Revisionsurteil des Bundesfinanzhofs erhobenen Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin, die die Verletzung ihrer von Art. 12 GG geschützten Berufsfreiheit rügt, stattgegeben, die Entscheidung des Bundesfinanzhofs aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Gericht zurückverwiesen. Der Bundesfinanzhof hat, so das Bundesverfassungsgericht, die Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit der Beschwerdeführerin durch die Ablehnung der Bestimmung als Zollflugplatz bei seiner Entscheidung völlig ausgeblendet und die erforderliche Auslegung und Anwendung der einschlägigen zollrechtlichen Bestimmungen im Licht des Art. 12 Abs. 1 GG nicht vorgenommen.
Die Entscheidung über die Bestimmung eines Flughafens zum Zollflugplatz stellt eine jedenfalls eingriffsgleiche Regelung der Berufsausübung der Beschwerdeführerin dar, denn sie verändert die Rahmenbedingungen des Flughafenbetriebs und weist eine berufsregelnde Tendenz auf. Die Qualifikation eines Flughafens als Zollflugplatz führt nicht allein zu günstigen tatsächlichen Rahmenbedingungen für den Betreiber, sondern hat darüber hinaus Art und Umfang des rechtlich zulässigen Flughafenbetriebs zum Gegenstand. Sie ist rechtliche Voraussetzung dafür, dass außereuropäischer Frachtverkehr regelmäßig auf dem jeweiligen Flughafen abgewickelt werden kann. Die Zulassung als Zollflugplatz eröffnet dem begünstigten Flughafenbetreiber mithin erweiterte rechtliche Handlungsmöglichkeiten.
Die von der Verfassungsbeschwerde in diesem Zusammenhang aufgeworfene Frage, ob die normativen Grundlagen im Zollverwaltungsgesetz und in der Zollverordnung den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen, die das Grundgesetz an eine Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit stellt, wurde bisher vom Bundesfinanzhof noch nicht geklärt. Ob die einschlägigen zollrechtlichen Bestimmungen, insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt der erforderlichen Normenbestimmtheit, mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar sind, hängt zunächst von ihrer einfachrechtlichen – wenn auch von dem Grundrecht der Berufsfreiheit geleiteten – Interpretation ab, die in der bisherigen Entscheidung noch nicht geleistet wurde.
Grundsätzlich bedürfen Eingriffe in die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG einer gesetzlichen Regelung. Allerdings können Beschränkungen der Berufsfreiheit auch durch richterliche Auslegung eines bestehenden Gesetzes hinreichende Konturen erhalten. Selbst das Fehlen einer ausdrücklichen und bestimmten normativen Regelung bedeutet noch nicht, dass eine die Berufsausübung einschränkende Gerichtsentscheidung den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG widersprechen müsste. Auch aus einer Gesamtregelung kann sich unter Berücksichtigung ihrer Auslegung in Rechtsprechung und Schrifttum eine hinreichend erkennbare und bestimmte, den Anforderungen des Gesetzesvorbehalts genügende Regelung der Berufsausübung ergeben. Anhand dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben wird der Bundesfinanzhof das Begehren der Beschwerdeführerin unter Berücksichtigung der genannten Maßstäbe erneut zu prüfen haben.
Da sich gegenwärtig nicht feststellen lässt, dass eine tragfähige normative Grundlage für die vom Bundesministerium der Finanzen getroffene Entscheidung nicht existiert und eine für die Beschwerdeführerin günstige Entscheidung zumindest nicht ausgeschlossen ist, war die Sache an den Bundesfinanzhof zurückzuverweisen. Bei einer erneuten Entscheidung wird dieser auch zu berücksichtigen haben, dass die Maßnahme lediglich mittelbar in die Berufsausübung des Flugplatzbetreibers eingreift und so dem Gesetzgeber – auch im Hinblick auf die erforderliche Dichte des gesetzlichen Regelungsprogramms – bei der Ausgestaltung der normativen Vorgaben ein erheblicher Spielraum zukommt. Hierbei ist es ihm auch nicht verwehrt, strukturpolitische Folgen etwa für die Raumordnung mit in den Blick zu nehmen. Hinsichtlich der spezifischen Belange der Beschwerdeführerin wird in den Blick zu nehmen sein, dass ein nachhaltiger konkreter Bedarf für die Abwicklung von Frachtverkehr mit Drittländern bisher noch nicht zu Tage getreten ist, sich angesichts der rechtlichen Einschränkungen aber auch nicht ohne weiteres entfalten konnte.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 31. August 2009 – 1 BvR 3275/07
- Bundesfinanzhof, Urteil vom 10.10.2007 – VII R 36/06[↩]