Ein Betriebsübergang oder Betriebsteilübergang iSv. § 613a Abs. 1 BGB und im Sinne der Richtlinie 2001/23/EG liegt vor, wenn ein neuer Rechtsträger eine bestehende wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität fortführt [1].

Dabei muss es um eine auf Dauer angelegte Einheit gehen, deren Tätigkeit nicht auf die Ausführung eines bestimmten Vorhabens beschränkt ist. Um eine solche Einheit handelt es sich bei jeder hinreichend strukturierten und selbständigen Gesamtheit von Personen und/oder Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigenem Zweck [2].
Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgebenden Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- oder Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu [3]. Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit ihre Identität bewahrt, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören namentlich die Art des Unternehmens oder Betriebs, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeiten. Diese Umstände sind jedoch nur Teilaspekte der vorzunehmenden Gesamtbewertung und dürfen deshalb nicht isoliert betrachtet werden [4].
Kommt es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft an, kann eine strukturierte Gesamtheit von Arbeitnehmern trotz des Fehlens nennenswerter materieller oder immaterieller Vermögenswerte eine wirtschaftliche Einheit darstellen. Wenn eine Einheit ohne nennenswerte Vermögenswerte funktioniert, kann die Wahrung ihrer Identität nach ihrer Übernahme nicht von der Übernahme derartiger Vermögenswerte abhängen. Die Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit ist in diesem Fall anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt [5].
Kommt es im Wesentlichen auf die Betriebsmittel wie etwa das Inventar an, dann kann ein Übergang einer ihre Identität bewahrenden Einheit auch ohne Übernahme von Personal vorliegen [6]. Ohne Bedeutung ist, ob das Eigentum an den eingesetzten Betriebsmitteln übertragen worden ist [7]. Der Begriff „durch Rechtsgeschäft“ des § 613a BGB ist wie der Begriff „durch vertragliche Übertragung“ in Art. 1 Abs. 1a der Richtlinie 2001/23/EG [8] weit auszulegen, um dem Zweck der Richtlinie – dem Schutz der Arbeitnehmer bei einer Übertragung ihres Unternehmens – gerecht zu werden. So ist es nicht erforderlich, dass zwischen Veräußerer und Erwerber unmittelbar vertragliche Beziehungen bestehen; die Übertragung kann auch unter Einschaltung eines Dritten, wie zB des Eigentümers oder des Verpächters, erfolgen [9].
Dem Übergang eines gesamten Betriebs steht, soweit die Voraussetzungen des § 613a BGB erfüllt sind, der Übergang eines Betriebsteils gleich. Dies ist unabhängig davon, ob die übergegangene wirtschaftliche Einheit ihre Selbständigkeit innerhalb der Struktur des Erwerbers bewahrt oder nicht [10]; es genügt, wenn die funktionelle Verknüpfung zwischen den übertragenen Produktionsfaktoren beibehalten und es dem Erwerber derart ermöglicht wird, diese Faktoren zu nutzen, um derselben oder einer gleichartigen wirtschaftlichen Tätigkeit nachzugehen [11].
Hingegen stellt die bloße Fortführung der Tätigkeit durch einen anderen (Funktionsnachfolge) ebenso wenig einen Betriebsübergang dar wie die reine Auftragsnachfolge [12].
Die Bewertung der maßgeblichen Tatsachen ist nach Unionsrecht Sache der nationalen Gerichte [13] und im deutschen Arbeitsrecht Sache der Tatsacheninstanzen, die dabei einen Beurteilungsspielraum haben [14].
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21. August 2014 – 8 AZR 648/13
- vgl. nur EuGH 6.03.2014 – C‑458/12 – [Amatori ua.] Rn. 30 mwN; BAG 20.03.2014 – 8 AZR 1/13, Rn. 17 mwN; 15.12 2011 – 8 AZR 197/11, Rn. 39[↩]
- EuGH 6.03.2014 – C‑458/12 – [Amatori ua.] Rn. 31 f. mwN[↩]
- näher EuGH 15.12 2005 – C‑232/04 und – C‑233/04 – [Güney-Görres und Demir] Rn. 35 mwN, Slg. 2005, I‑11237; BAG 22.08.2013 – 8 AZR 521/12, Rn. 40 ff. mwN[↩]
- vgl. ua. EuGH 20.01.2011 – C‑463/09 – [CLECE] Rn. 34 mwN, Slg. 2011, I‑95; BAG 23.05.2013 – 8 AZR 207/12, Rn. 22; 15.12 2011 – 8 AZR 197/11, Rn. 39[↩]
- EuGH 6.09.2011 – C‑108/10 – [Scattolon] Rn. 49 ff., Slg. 2011, I‑7491; BAG 22.08.2013 – 8 AZR 521/12, Rn. 41[↩]
- vgl. EuGH 20.11.2003 – C‑340/01 – [Abler] Rn. 36 f., Slg. 2003, I‑14023; BAG 22.08.2013 – 8 AZR 521/12, Rn. 42[↩]
- vgl. EuGH 20.11.2003 – C‑340/01 – [Abler] Rn. 41 mwN, aaO; BAG 11.12 1997 – 8 AZR 426/94, BAGE 87, 296[↩]
- dazu ua. EuGH 7.03.1996 – C‑171/94 – [Merckx und Neuhuys] Rn. 28, Slg. 1996, I‑1253; 6.09.2011 – C‑108/10 – [Scattolon] Rn. 63, Slg. 2011, I‑7491[↩]
- ua. EuGH 20.11.2003 – C‑340/01 – [Abler] Rn. 39 mwN, aaO[↩]
- vgl. EuGH 6.03.2014 – C‑458/12 – [Amatori ua.] Rn. 30 f. mwN; 12.02.2009 – C‑466/07 – [Klarenberg] Rn. 50, Slg. 2009, I‑803; BAG 20.03.2014 – 8 AZR 1/13, Rn. 18; 22.05.2014 – 8 AZR 1069/12, Rn. 26[↩]
- EuGH 12.02.2009 – C‑466/07 – [Klarenberg] Rn. 53, aaO; BAG 7.04.2011 – 8 AZR 730/09, Rn. 16[↩]
- vgl. EuGH 20.01.2011 – C‑463/09 – [CLECE] Rn. 41, Slg. 2011, I‑95; BAG 23.09.2010 – 8 AZR 567/09, Rn. 30[↩]
- ua. EuGH 15.12 2005 – C‑232/04 und – C‑233/04 – [Güney-Görres und Demir] Rn. 35, Slg. 2005, I‑11237[↩]
- vgl. ua. BAG 18.08.2011 – 8 AZR 312/10, Rn. 21, BAGE 139, 52[↩]