Der Arbeitnehmer begeht keinen Vertragsbruch, wenn er seine Arbeitsleistung ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist einem anderen Arbeitgeber zur Verfügung stellt, weil es zu einem Betriebsübergang im Sinne von § 613a BGB gekommen ist, denn die Arbeitspflicht besteht seit dem Betriebsübergang gegenüber dem neuen Arbeitgeber. Dies gilt auch dann, wenn der Betriebsübergang in Zusammenhang mit einer Auftragsnachfolge steht und der Betriebsübergang gegen den Willen des Altarbeitgebers durch ein Zusammenwirken der Belegschaft, des Auftragsnachfolgers und des Auftraggebers möglicherweise sogar wettbewerbswidrig herbeigeführt wurde.

Dem Altarbeitgeber steht kein Schadensersatz wegen entgangenen Gewinns (§ 252 BGB) zu, wenn durch den auch von der Belegschaft mit provozierten Betriebsübergang eine aussichtsreiche Verhandlungsposition des Altarbeitgebers bezüglich der Freigabe seines Personals gegenüber dem Auftraggeber und dem Auftragsnachfolger zunichte gemacht wird.
Nach § 613a Absatz 1 BGB gehen die Arbeitsverhältnisse im Falle der Übertragung des Betriebes von dem bisherigen Arbeitgeber auf einen neuen Arbeitgeber per Gesetz automatisch über (Betriebsübergang). Ein Betriebsübergang kann nicht nur durch einen förmlichen Verkauf eines Betriebes bewirkt werden, sondern auch durch alle anderen denkbaren Rechtsgeschäfte, die dazu führen, dass der neue Inhaber des Betriebes im Ergebnis tatsächlich und rechtlich in der Lage ist, diesen zu führen [1]. Das Tatbestandsmerkmal „durch Rechtsgeschäft“ aus § 613a BGB wird heute also sehr weit ausgelegt und es dient eigentlich nur noch dazu, hoheitliche Übertragungsakte und Fälle der Gesamtrechtsnachfolge aus dem Anwendungsbereich von § 613a BGB auszuschließen [2].
Insbesondere ist es anerkannt, dass § 613a BGB nicht notwendig ein Rechtsgeschäft zwischen dem Betriebsveräußerer und dem Betriebserwerber voraussetzt [3]. Dies ist beispielsweise in der Rechtsprechung bereits anerkannt für den Fall, dass der Betriebserwerber mit dem Verpächter des Betriebes einen Pachtvertrag abschließt und damit den bisherigen Pächter aus der Rolle als Inhaber des Betriebes verdrängt [4]. In diesem Sinne kann es bei bestimmten Betrieben, den sog. betriebsmittelarmen Betrieben, für einen Betriebsübergang auch ausreichen, wenn der neue Arbeitgeber den nach Anzahl und Sachkunde wesentlichen Teil der Belegschaft durch Abschluss neuer Arbeitsverträge übernimmt [5].
Andererseits stellt die bloße Auftragsnachfolge für sich genommen noch keinen Betriebsübergang dar [6]. Entscheidend wird vielmehr heute darauf abgestellt, ob eine „wirtschaftliche Einheit“ den Inhaber gewechselt hat und der Neuinhaber diese Einheit in gleicher Weise oder zumindest in vergleichbarer Weise wie der Altinhaber für seine wirtschaftlichen Zwecke nutzt, die wirtschaftliche Einheit also ihre Identität, ihren Wiedererkennungswert, wahrt. Entscheidend ist demnach, ob durch die Übernahme des wesentlichen Personals gleichzeitig auch die Arbeitsorganisation und die Betriebsmethoden übernommen werden [7].
Ein danach gegebener Betriebsübergang kann nicht dadurch ausgeschlossen sein, dass der Betriebsübergang von der Belegschaft durch ihr eigenes Verhalten mit provoziert worden ist. Dass die heutige Auslegung des § 613a BGB, die durch die europarechtliche Sichtweise und durch Entscheidungen des EuGH dazu vorgeprägt ist, dazu führen kann, dass es der Betriebserwerber gelegentlich in der Hand hat, durch sein Verhalten ein Betriebsübergang zu bewirken oder auszuschließen, ist bereits mehrfach Gegenstand juristischer Betrachtung gewesen [8]. Dies ist die unausweichliche Folge der Anerkennung des Umstandes, dass ein Betriebsübergang bei den sogenannten betriebsmittelarmen Betrieben – hier vorliegend – auch allein durch Übernahme des wesentlichen Teils der Belegschaft erfolgen kann. Da diese Übernahme im Regelfall durch den Abschluss von Arbeitsverträgen erfolgt, an denen auch die Arbeitnehmer beteiligt sind, gehört es auch zu den vielleicht unerwünschten aber unvermeidlichen Nebeneffekten dieser neuen Rechtsprechung, dass eine Belegschaft, die sich einig ist und auf einen willigen Auftragsübernehmer trifft, tatsächlich in der Lage ist, einen Betriebsübergang zu provozieren.
Dem Altarbeitgeber steht gegen den einzelnen Arbeitnehmer auch kein Anspruch auf Schadensersatz zu.
Hierfür kann zu Gunsten des Arbeitgebers unterstellt werden, dass der Kläger gegen seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers (§ 241 Absatz 2 BGB) verstoßen hat, indem er sich bereit erklärt hat, ohne Einhaltung der Kündigungsfrist, die Arbeitsleistung für den Altarbeitgeber einzustellen. Denn es ist nicht erkennbar, welcher Schaden dem Altarbeitgeber dadurch entstanden sein soll.
Im hier entschiedenen Fall macht der Altarbeitgeber geltend, wenn die Belegschaft zu ihm gestanden hätte, hätte er bessere Bedingungen für den Übergang aushandeln können. Demnach sieht der Altarbeitgeber insoweit seinen Schaden in einem Gewinn, der ihm aufgrund des Fehlverhaltens der Arbeitnehmer entgangen ist. Entgangener Gewinn kann nach § 252 BGB aber nur dann als Schaden geltend gemacht werden, wenn er „nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge“ mit Wahrscheinlichkeit entstanden wäre, oder wenn dies aufgrund „getroffener Anstalten und Vorkehrungen“ zu erwarten gewesen wäre. Weder das eine noch das andere lässt sich feststellen. Nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge im Sinne von § 252 BGB war nicht damit zu rechnen, dass es dem Altarbeitgeber gelingen könnte, nochmals in Vertragsgespräche mit dem ehemaligen Auftraggeber einzutreten und diese auch noch erfolgreich in seinem Sinne abzuschließen.
Landesarbeitsgericht Mecklenburg ‑Vorpommern, Urteil vom 20. Januar 2015 – 2 Sa 59/14
- vgl. ErfK-Preis § 613a BGB RNr. 59[↩]
- vgl. BAG 18.08.2011 – 8 AZR 230/10 – AP Nr. 412 zu § 613a BGB, ZInsO 2011, 2083, NZA 2012, 267[↩]
- BAG 18.08.2011 aaO[↩]
- BAG 25.02.1981 – 5 AZR 991/78 – BAGE 35, 104, AP Nr. 24 zu § 613a BGB, DB 1981, 1140[↩]
- BAG 21.06.2012 AP Nr. 434 zu § 613a BGB, NZA-RR 2013, 6[↩]
- vgl. ErfK-Preis § 613a BGB RNr. 37[↩]
- vgl. ErfK-Preis § 613a BGB RNr. 28[↩]
- vgl. nur die Nachweise bei ErfK-Preis § 613a BGB RNr. 39[↩]