Nach § 28 Fall 2 TFG gelten die Bestimmungen des Transfusionsgesetzes jedenfalls nicht für Injektionen eines homöopathischen Eigenblutprodukts.

Eine Definition des „homöopathischen Eigenblutprodukts“ findet sich im Transfusionsgesetz nicht. Doch kann zum Verständnis hierfür auf das Arzneimittelgesetz (AMG) zurückgegriffen werden. Homöopathische Eigenblutprodukte gelten als Arzneimittel im Sinne des § 4 Abs. 2 AMG [1]. In der Rechtsprechung sind Nosodenpräparate – wie sie hier in Frage stehen – stets einhellig als homöopathische Arzneimittel angesehen worden [2]. Inzwischen ist mit Wirkung vom 6. September 2005 die Definition des Begriffs „homöopathisches Arzneimittel“ in § 4 Abs. 26 AMG eingefügt worden. Für den Zeitraum der streitgegenständlichen Heilbehandlung war diese Regelung noch nicht in Kraft. Eine sehr ähnliche Definition findet sich aber bereits in Art. 1 Nr. 5 Satz 1 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel [3]. Dort wird übereinstimmend mit § 4 Abs. 26 Satz 1 AMG der Begriff „homöopathisches Arzneimittel“ definiert als „jedes Arzneimittel, das nach einem im Europäischen Arzneibuch oder, in Ermangelung dessen, nach einem in den derzeitig offiziell gebräuchlichen Pharmakopöen der Mitgliedstaaten beschriebenen homöopathischen Zubereitungsverfahren aus Produkten, Substanzen oder Verbindungen, die homöopathische Ursubstanzen genannt werden, hergestellt worden ist.“ Danach ist eine Substanz ausschließlich aufgrund der Herstellung nach einem homöopathischen Zubereitungsverfahren den homöopathischen Arzneimitteln zuzuordnen. Die Darreichungsform ist ebenso wenig von Bedeutung wie die Anwendung in der homöopathischen Therapierichtung [4].
Die Beklagte hat im hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen FAll aus dem Serum der Klägerin ein homöopathisches Eigenblutprodukt hergestellt. Sie hat eine Eigenbluttherapie mit Nosoden durchgeführt. Hierzu hat sie nach ihrem – von der Klägerin nicht in Frage gestellten – Vorbringen das aus dem Blut der Klägerin gewonnene Serum mit Kochsalz und als Fertigprodukte bezogenen Nosoden aufbereitet; die Verwendung von Nosoden ergibt sich auch aus ihrer Dokumentation. Bei einer Nosode handelt es sich aus naturheilkundlicher Sicht um ein Arzneimittel, das aus pathologischem Material hergestellt und in Verdünnungen zur homöopathischen Therapie angewendet wird [5]. Die Anwendung von Eigenblut mit Zusatz von Homöopathika stellt eine gebräuchliche Form der Eigenbluttherapie dar [6]. Da die Beklagte Fertigprodukte verwendet hat (vgl. § 55 Abs. 8 AMG), ist davon auszugehen, dass die vorgeschriebenen Zubereitungsschritte und Potenzierungen eingehalten worden sind. Demnach handelte es sich bei gebotener richtlinienkonformer Auslegung bei den von der Beklagten verwendeten Nosoden um homöopathische Arzneimittel im Sinne von Art. 1 Nr. 5 Satz 1 der Richtlinie 2001/83/EG und bei dem von ihr mit Nosoden versetzten Serum der Klägerin entgegen der Auffassung der Revision um ein homöopathisches Eigenblutprodukt. Die in den Vorschriften des Transfusionsgesetzes normierten Dokumentationspflichten finden gemäß § 28 Fall 2 TFG aF keine Anwendung. Dieses Ergebnis entspricht der vom Gesetzgeber mit § 28 TFG verfolgten Intention, wegen wesentlicher Unterschiede im Entnahmevorgang, in der entnommenen Menge, Herstellung und Anwendung von homöopathischen Eigenblutprodukten im Vergleich zu herkömmlichen Eigenblutspenden eine Ausnahmeregelung von den im Transfusionsgesetz normierten Pflichten zuzulassen [7].
Bundesgerichtshof, Urteil vom 17. Januar 2012 – VI ZR 336/10
- Lippert in Lippert/Flegel, aaO, § 28 Rn. 2; vgl. auch § 2 Nr. 3 TFG aF[↩]
- vgl. BSGE 63, 102; OLG Zweibrücken, OLG-Report 1999, 374, 375, 376; LSG Saarland, Urteil vom 26.01.1999 – L 2/3 K 36/95; SG Hamburg, Urteil vom 15.12.2000 – S 21 KR 1287/98; VG Saarland, Urteil vom 29.01.2008 – 3 K 284/06; Urteile vom 20.04.2010 – 3 K 2/09, 3 K 3/09 und 3 K 40/10[↩]
- ABl. EG L 311 S. 67[↩]
- vgl. Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, § 4 AMG Anm. 78 (Stand Januar 2011); Koyuncu in Deutsch/Lippert, AMG, 3. Aufl. § 4 Rn. 97[↩]
- vgl. Pschyrembel Naturheilkunde und alternative Heilverfahren, 3. Aufl., S. 264 „Nosode“[↩]
- vgl. Pschyrembel, aaO S. 98 „Eigenbluttherapie“[↩]
- vgl. BT-Drucks. 13/9594, S. 27; von Auer/Seitz, aaO, Einl. Rn. 31 (Stand: Oktober 2010) [↩]