Die Vorschrift des § 89c Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StGB ist nach Ansicht des Bundesgerichtshofs verfassungsgemäß1. Sie genügt insbesondere dem Bestimmtheitsgebot der Art.20 Abs. 3, 103 Abs. 2 GG.
Aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt insoweit die Verpflichtung des Gesetzgebers, die Voraussetzungen der Strafbarkeit so konkret zu umschreiben, dass Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbestände zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen2. Nach diesem Maßstab bestehen gegen § 89c Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StGB keine durchgreifenden Bedenken. Der Gesetzgeber hat der Norm mit der eng auszulegenden Staatsschutzklausel und durch die hohen Anforderungen im subjektiven Tatbestand eine besondere Struktur gegeben. Er hat dabei bewusst an die Rechtsprechung zu § 89a StGB angeknüpft3, die eine entsprechende Auslegung für verfassungsrechtlich erforderlich, aber auch ausreichend gehalten hat4. Damit ist die Vorschrift hinreichend bestimmt und erlaubt dem Normadressaten eine ausreichende Prognose dahin, ob ein konkretes Verhalten strafbar ist5.
Die Norm verstößt auch im Übrigen nicht gegen das Grundgesetz.
Der Gesetzgeber verfolgt mit § 89c Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StGB einen verfassungsrechtlich zulässigen Zweck.
§ 89c StGB wurde durch das Gesetz zur Änderung der Verfolgung der Vorbereitung von schweren staatsgefährdenden Gewalttaten vom 12.06.2015 eingeführt6. Dieses Gesetz hat die Vorgängernorm des § 89a Abs. 2 Nr. 4 StGB aF aufgehoben, in Umsetzung internationaler Vorgaben7 die Strafbarkeit der Finanzierung terroristischer Straftaten in einer Norm mit einem einheitlichen Strafrahmen zusammengefasst und dabei beabsichtigt, zur effektiven Bekämpfung vor allem organisierter terroristischer Taten auch mit Mitteln des Strafrechts gegen deren Finanzierung vorzugehen, die den „wirtschaftlichen Nährboden“ für terroristische Aktivitäten bildet8. Zugleich sollte mit § 89c StGB den Empfehlungen der innerhalb der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung eingerichteten Financial Action Task Force (FATF) nachgekommen werden. Diese hatte zur effektiven Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung eine erhöhte Mindeststrafbarkeit für einzelne in dem Internationalen Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 09.12.1999 zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus bezeichnete Handlungen sowie den Verzicht auf die in § 89a Abs. 2 Nr. 4 StGB aF vorgesehene Erheblichkeitsschwelle für Vermögenswerte empfohlen9.
Die vorgenannten Zwecke stehen nicht im Widerspruch zum Grundgesetz. Strafnormen unterliegen von Verfassungs wegen keinen über die Einhaltung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit hinausgehenden, strengeren Anforderungen hinsichtlich der mit ihnen verfolgten Zwecke; solche lassen sich insbesondere nicht aus der strafrechtlichen Rechtsgutslehre ableiten10.
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist gewahrt. § 89c Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StGB ist zur Zweckerreichung geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne11.
Die Vorschrift ist geeignet, weil mit ihrer Hilfe der erstrebte Erfolg – die effektive strafrechtliche Bekämpfung terroristischer Taten durch Bestrafung darauf gerichteter Finanzierungsmaßnahmen und damit deren Verhinderung – gefördert werden kann12.
Sie ist erforderlich, weil der Gesetzgeber – dem insoweit von Verfassungs wegen ein weiter Beurteilungsspielraum eingeräumt ist13 – nicht ein anderes, gleich wirksames, aber nicht oder weniger stark grundrechtseinschränkendes Mittel hätte wählen können.
Schließlich ist die Vorschrift verhältnismäßig im engeren Sinne. Bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht sowie der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe sind die Grenze der Zumutbarkeit für die Verbotsadressaten gewahrt sowie Tatbestand und Rechtsfolge sachgerecht aufeinander abgestimmt14.
Die Gründe des Gesetzgebers, die Finanzierung terroristisch motivierter Straftaten strafbewehrt zu verbieten, wiegen schwer. Delikte mit terroristischem Gepräge zielen auf eine Destabilisierung des Gemeinwesens und umfassen hierbei in rücksichtsloser Instrumentalisierung anderer Menschen Angriffe auf Leib und Leben beliebiger Dritter. Sie richten sich gegen die Grundpfeiler der verfassungsrechtlichen Ordnung und das Gemeinwesen als Ganzes15. Die Finanzierung derartiger Taten ist für deren Begehung essentiell, so dass auch der Strafverfolgung entsprechender Finanzierungsmaßnahmen eine gewichtige Bedeutung zukommt.
Zudem hat der Gesetzgeber – wie dargelegt – mit der eng auszulegenden Staatsschutzklausel und durch die hohen Anforderungen im subjektiven Tatbestand bewusst an die für § 89a StGB ausreichenden Vorgaben angeknüpft16. Es besteht kein Anlass, die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne bei § 89c Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StGB anders zu beurteilen, zumal der Gesetzgeber im Gegenzug zur Aufgabe der „Erheblichkeit der Vermögenszuwendung“ in § 89a Abs. 2 Nr. 4 StGB aF bewusst zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit für geringwertige Vermögenswerte einen minder schweren Fall (§ 89c Abs. 5 StGB) sowie bei geringer Schuld eine (zwingende) Strafmilderung und eine Möglichkeit geschaffen hat, von Strafe abzusehen (§ 89c Abs. 6 StGB; vgl. BT-Drs. 18/4087, S. 12). Damit hat er eine sachgerechte Abstimmung von Tatbestand und Rechtsfolge vorgenommen.
Wegen Terrorismusfinanzierung in der genannten Tatvariante macht sich strafbar, wer Vermögenswerte sammelt, entgegennimmt oder zur Verfügung stellt, um selbst eine der in Absatz 1 Satz 1 genannten Straftaten, etwa des Mordes, des Totschlags oder der gefährlichen Körperverletzung, zu begehen. Außerdem muss die Tat gemäß § 89c Abs. 1 Satz 2 StGB dazu bestimmt sein, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen können.
Dies liegt hier jedenfalls nahe:
Vermögenswerte sind bewegliche und unbewegliche Sachen mit wirtschaftlichem Wert sowie Rechte einschließlich Forderungen. Umfasst sind neben Geld oder anderen geldwerten Gegenständen Tatmittel wie beispielsweise Waffen, Sprengstoff und Fahrzeuge, die bei der Begehung der finanzierten Tat verwendet werden sollen17.
Anders als die Vorgängernorm § 89a Abs. 2 Nr. 4 StGB aF, die noch eine Beschränkung auf erhebliche Vermögenswerte enthielt, sind nunmehr auch geringwertige Vermögenswerte erfasst, nachdem der Gesetzgeber das Erheblichkeitserfordernis ausdrücklich gestrichen hat18.
Der Gesetzeswortlaut des § 89c StGB enthält keine Begrenzung auf irgendeine Form von Wesentlichkeit. § 89c StGB und § 89a Abs. 2 Nr. 3 StGB beschreiben vielmehr unterschiedliche tatbestandliche Handlungen und erfassen verschiedene Verhaltensweisen und Angriffsrichtungen in Bezug auf dasselbe Rechtsgut.
Sinn und Zweck der Normen unterscheiden sich ebenfalls. So bezweckt § 89c StGB die Bekämpfung der19Finanzierung von Terrorismus, um terroristischen Straftaten den „wirtschaftlichen Nährboden“ zu entziehen8, und zielt damit nicht auf die kausale Verhinderung eines konkreten Anschlags ab20, während § 89a Abs. 2 Nr. 3 StGB insoweit enger auf die Gefährlichkeit bestimmter Gegenstände abstellt.
Auch die Entstehungsgeschichte der Norm und die Gesetzesbegründung sprechen für das vorstehende Ergebnis.
Der Gesetzgeber hat das Erheblichkeitserfordernis des § 89a Abs. 2 Nr. 4 StGB aF gestrichen und wollte mit § 89c StGB „über den engen Anwendungsbereich21 deutlich hinausgehen“22 sowie „alle Finanzierungshandlungen“ tatbestandlich erfassen23, demnach auch nach altem Recht unerhebliche Gegenstände. Der Ausgleich sollte allein auf der Rechtsfolgenseite über die Annahme eines minder schweren Falles bei quantitativ geringwertigen Gegenständen, im Übrigen bei geringer Schuld über eine Strafmilderung oder das Absehen von Strafe vorgenommen werden. Hätte der Gesetzgeber im Sinne des § 89a Abs. 2 Nr. 3 StGB unwesentliche Gegenstände auch von § 89c StGB ausnehmen wollen, hätte angesichts der abweichenden Ausgestaltung der § 89c Abs. 5 und 6 StGB eine ausdrückliche Regelung nahegelegen.
Ferner zeigt die Entscheidung, das Vorliegen eines minder schweren Falles nur noch von einer rein quantitativen Betrachtung abhängig zu machen24, dass der Gesetzgeber § 89c StGB insgesamt in einer quantitativ-finanziellen Ausrichtung versteht, es nach seinem Willen daher auch im Übrigen nicht auf eine qualitativ-funktionale Betrachtung des gesammelten Gegenstands ankommen soll.
Dafür spricht überdies die Gesetzesüberschrift „Finanzierung“ und der Umstand, dass der Begriff des Vermögenswertes, der sich auch in der amtlichen Überschrift zu § 261 StGB sowie in § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 StGB findet, wie bei den §§ 261, 263 StGB zu verstehen ist25, dort aber ebenfalls keine funktionale Wesentlichkeitsbetrachtung vorgenommen wird.
Die Geringwertigkeit im Sinne des § 89c Abs. 5 StGB ist dabei rein quantitativ zu bestimmen, auf qualitative Gesichtspunkte kommt es nicht an. Dies ergibt sich daraus, dass § 89a Abs. 2 Nr. 4 StGB aF auf „für die Begehung der vorbereiteten Tat“ nicht unerhebliche Vermögenswerte abstellte, der Gesetzgeber es demgegenüber in § 89c Abs. 5 StGB insoweit aber bei dem Tatbestandsmerkmal geringwertige Vermögenswerte belässt, ohne einen Bezug zu der finanzierten Tat herzustellen24. Ihre Grenze liegt jedenfalls im Inland bei 50 €26.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 12. November 2020 – 3 StR 31/20
- vgl. Biehl, JR 2015, 561; Matt/Renzikowski/Henrichs, StGB, 2. Aufl., § 89c Rn. 1; MünchKomm-StGB/Schäfer, 3. Aufl., § 89c Rn. 1; aA AnwK-StGB/Gazeas, 3. Aufl., § 89c Rn. 2; Herzog/El-Ghazi, Geldwäschegesetz, 4. Aufl., § 89c StGB Rn. 13 f.; NK-StGB/Paeffgen, 5. Aufl., § 89c Rn. 5, 10; Puschke, StV 2015, 457, 464[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.07.2020 – 1 BvR 423/18 u.a. 50; BGH, Urteil vom 08.05.2014 – 3 StR 243/13, BGHSt 59, 218 Rn. 9; jeweils mwN[↩]
- vgl. BT-Drs. 18/4087, S. 12[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 08.05.2014 – 3 StR 243/13, BGHSt 59, 218 Rn. 6 ff.[↩]
- vgl. Biehl, JR 2015, 561; Matt/Renzikowski/Henrichs, StGB, 2. Aufl., § 89c Rn. 1; MünchKomm-StGB/Schäfer, 3. Aufl., § 89c Rn. 1; aA Puschke, StV 2015, 457, 464[↩]
- BGBl. I S. 926[↩]
- vgl. dazu BT-Drs. 18/4087, S. 7 f.[↩]
- vgl. BT-Drs. 18/4087, S. 7[↩][↩]
- BT-Drs. 18/4087, S. 1, 7[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 26.02.2008 – 2 BvR 392/07, BVerfGE 120, 224, 241 f.; BGH, Urteil vom 08.05.2014 – 3 StR 243/13, BGHSt 59, 218 Rn. 17[↩]
- vgl. Biehl, JR 2015, 561; Matt/Renzikowski/Henrichs, StGB, 2. Aufl., § 89c Rn. 1; MünchKomm-StGB/Schäfer, 3. Aufl., § 89c Rn. 1; aA AnwK-StGB/Gazeas, 3. Aufl., § 89c Rn. 2; Herzog/El-Ghazi, Geldwäschegesetz, 4. Aufl., § 89c StGB Rn. 13 f.; NK-StGB/Paeffgen, 5. Aufl., § 89c Rn. 5, 10[↩]
- s. zum Begriff der Geeignetheit BGH, Urteil vom 08.05.2014 – 3 StR 243/13, BGHSt 59, 218 Rn.20; zweifelnd AnwK-StGB/Gazeas, 3. Aufl., § 89c Rn. 2[↩]
- vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 09.07.2020 – 1 BvR 423/18 u.a. 35; vom 26.02.2008 – 2 BvR 392/07, BVerfGE 120, 224, 240[↩]
- s. allgemein zu diesen Erfordernissen für die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne BVerfG, Beschluss vom 26.02.2008 – 2 BvR 392/07, BVerfGE 120, 224, 241; BGH, Urteil vom 08.05.2014 – 3 StR 243/13, BGHSt 59, 218 Rn.20[↩]
- vgl. BVerfG, Urteil vom 20.04.2016 – 1 BvR 966/09 u.a., BVerfGE 141, 220 Rn. 96[↩]
- vgl. BT-Drs. 18/4087, S. 12; BGH, Urteil vom 08.05.2014 – 3 StR 243/13, BGHSt 59, 218 Rn. 6 ff.[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 07.03.2019 – AK 5/19 41; BeckOK StGB/v. Heintschel-Heinegg, 48. Ed., § 89c Rn. 8; Biehl, JR 2018, 317, 320; Fischer, StGB, 68. Aufl., § 89c Rn. 3; Herzog/El-Ghazi, Geldwäschegesetz, 4. Aufl., § 89c Rn. 18 f.; Lackner/Kühl, StGB, 29. Aufl., § 89c Rn. 2; MünchKomm-StGB/Schäfer, 3. Aufl., § 89c Rn. 12; Schönke/Schröder/SternbergLieben, StGB, 30. Aufl., § 89c Rn. 3; SK-StGB/Zöller, 9. Aufl., § 89c Rn. 11; krit. zur Einbeziehung unmittelbarer Tatmittel Matt/Renzikowski/Henrichs, StGB, 2. Aufl., § 89c Rn. 6a[↩]
- vgl. BT-Drs. 18/4087, S. 12; BGH, Beschluss vom 07.03.2019 – AK 5/19 36; BeckOK StGB/v. Heintschel-Heinegg, 48. Ed., § 89c Rn. 8; Fischer, StGB, 68. Aufl., § 89c Rn. 3; Lackner/Kühl, StGB, 29. Aufl., § 89c Rn. 2; MünchKomm-StGB/Schäfer, 3. Aufl., § 89c Rn. 26[↩]
- auch Eigen[↩]
- vgl. SK-StGB/Zöller, 9. Aufl., § 89c Rn. 1[↩]
- des bisherigen § 89a Abs. 2 Nr. 4 StGB[↩]
- vgl. BT-Drs. 18/4087, S. 8[↩]
- vgl. BT-Drs. 18/4087, S. 11[↩]
- vgl. MünchKomm-StGB/Schäfer, 3. Aufl., § 89c Rn. 26[↩][↩]
- vgl. AnwK-StGB/Gazeas, 3. Aufl., § 89c Rn. 3; Herzog/El-Ghazi, Geldwäschegesetz, 4. Aufl., § 89c Rn. 18 f.; SK-StGB/Zöller, 9. Aufl., § 89c Rn. 11; SSW-StGB/Güntge, 4. Aufl., § 89c Rn. 2[↩]
- vgl. AnwK-StGB/Gazeas, 3. Aufl., § 89c Rn. 13; BeckOK StGB/v. Heintschel-Heinegg, 48. Ed., § 89c Rn. 15; Fischer, StGB, 68. Aufl., § 89c Rn. 9; Lackner/Kühl, StGB, 29. Aufl., § 89c Rn. 6; Matt/Renzikowski/Henrichs, StGB, 2. Aufl., § 89c Rn.20; MünchKomm-StGB/Schäfer, 3. Aufl., § 89c Rn. 26; SSW-StGB/Güntge, 4. Aufl., § 89c Rn. 2; krit. zur Grenze von 50 € Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, StGB, 30. Aufl., § 89c Rn. 14; Fischer, aaO, § 248a Rn. 3a[↩]