Wegen der § 8 Abs. 2a BAföG zugrunde liegenden Integrationserwartung verleiht die Bestimmung demjenigen keinen Anspruch, der im Sinne des § 18a Abs. 1 Nr. 7 AufenthG verurteilt worden ist. Die Bestimmung ist im Wege der teleologischen Reduktion insoweit einzuschränken.

Nach § 8 Abs. 2a BAföG wird geduldeten Ausländern (§ 60a des Aufenthaltsgesetzes), die ihren ständigen Wohnsitz im Inland haben, Ausbildungsförderung geleistet, wenn sie sich seit mindestens vier Jahren ununterbrochen rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhalten.
Die Befugnis der Korrektur des Wortlauts einer Vorschrift steht den Gerichten unter anderem dann zu, wenn diese nach ihrer grammatikalischen Fassung Sachverhalte erfasst, die sie nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht erfassen soll. In einem solchen Fall ist eine zu weit gefasste Regelung im Wege der sogenannten teleologischen Reduktion auf den ihr nach Sinn und Zweck zugedachten Anwendungsbereich zurückzuführen [1]. Ob eine planwidrige Gesetzeslücke als Voraussetzung einer teleologischen Reduktion vorliegt, ist nach dem Plan des Gesetzgebers zu beurteilen, der dem Gesetz zugrunde liegt [2]. Liegt eine solche Lücke vor, ist sie durch Hinzufügung einer dem gesetzgeberischen Plan entsprechenden Einschränkung zu schließen. So verhält es sich hier.
§ 8 Abs. 2a BAföG erweist sich insoweit als planwidrig, als er keine Einschränkung dahin enthält, dass Ausländer, die wegen einer im Bundesgebiet begangenen vorsätzlichen Straftat im Sinne des § 18a Abs. 1 Nr. 7 AufenthG zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurden, dem Anwendungsbereich der Bestimmung nicht unterfallen.
§ 8 Abs. 2a BAföG geht auf das Gesetz zur arbeitsmarktadäquaten Steuerung der Zuwanderung Hochqualifizierter und zur Änderung weiterer aufenthaltsrechtlicher Regelungen (Arbeitsmigrationssteuerungsgesetz) vom 20.12 2008 [3] zurück. Dieses Regelungswerk dient der teilweisen Umsetzung des Aktionsprogramms der Bundesregierung „Beitrag der Arbeitsmigration zur Sicherung der Fachkräftebasis in Deutschland“ vom 16.07.2008. Nach diesem Programm soll der steigende Bedarf an Fachkräften dadurch gedeckt werden, dass vor allem die Potenziale derjenigen jungen Ausländerinnen und Ausländer genutzt werden, „die durch Integration im Inland mit der deutschen Kultur vertraut sind und hier ihre Ausbildung absolvieren (‚Bildungsinländer/innen’)“. Dieses Anliegen bezieht sich ausdrücklich auf junge geduldete Ausländerinnen und Ausländer. An diese Erwägung knüpft die Begründung des Entwurfs des Arbeitsmigrationssteuerungsgesetzes, in dem § 8 Abs. 2a BAföG ursprünglich nicht enthalten war, an und hebt hervor, dass der Zweck verfolgt werde, einen Beitrag zur langfristigen Deckung des Fachkräftebedarfs dadurch zu leisten, dass aufenthaltsrechtliche Erleichterungen für solche jungen geduldeten Ausländerinnen und Ausländer geschaffen würden, „die durch Integration im Inland mit der deutschen Kultur vertraut sind“ [4]. Vor diesem Hintergrund drängt es sich auf, dass der Gesetzgeber solche geduldeten Ausländer begünstigen wollte, deren Aufenthalt zumindest die Erwartung rechtfertigt, dass sie sich in die hiesigen Lebensverhältnisse einfügen werden.
Diese Zielgruppe hat auch nicht dadurch eine Erweiterung erfahren, dass im parlamentarischen Ausschussverfahren der federführende Innenausschuss des Deutschen Bundestages auf Antrag der Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD empfahl, den Entwurf des Arbeitsmigrationssteuerungsgesetzes unter anderem um die Einfügung des § 8 Abs. 2a BAföG zu ergänzen. Diese Empfehlung zielte darauf, den in dem Aktionsprogramm vorgesehenen erleichterten Zugang junger geduldeter Ausländer zu einer Ausbildung durch eine Erweiterung des Ausbildungsförderungsrechts zu flankieren [5]. Geduldete Ausländer mit einem Aufenthalt von mindestens vier Jahren in Deutschland sollten denjenigen Ausländern gleichgestellt werden, die über eine der in § 8 Abs. 2 Nr. 2 BAföG genannten Aufenthaltserlaubnisse verfügen [6]. Die durch das Aktionsprogramm initiierten Verbesserungen für Geduldete sollten „im Ausbildungsförderungsrecht gespiegelt“ werden [7]. Es fehlt jeglicher Anhaltspunkt dafür, dass der Zweck des Arbeitsmigrationssteuerungsgesetzes, diejenigen Geduldeten zu begünstigen, bei denen zumindest die Erwartung einer erfolgreichen Integration gehegt werden kann, für § 8 Abs. 2a BAföG keine Geltung beansprucht.
Das Verfahren bietet keinen Anlass abschließend darüber zu befinden, bei welchen Fallgestaltungen die Integrationsprognose nicht gerechtfertigt ist. Dies ist jedenfalls anzunehmen, wenn der Ausländer wegen einer im Bundesgebiet begangenen vorsätzlichen Straftat verurteilt wurde, wobei Geldstrafen von insgesamt bis zu 50 Tagessätzen oder bis zu 90 Tagessätzen wegen Straftaten, die nach dem Aufenthaltsgesetz oder dem Asylverfahrensgesetz nur von Ausländern begangen werden können, grundsätzlich außer Betracht bleiben. Das entspricht der vom Gesetzgeber in § 18a Abs. 1 Nr. 7 AufenthG getroffenen Wertung. Diese ist auch im Zusammenhang mit § 8 Abs. 2a BAföG zu berücksichtigen. § 18a AufenthG ist – wie § 8 Abs. 2a BAföG – Gegenstand des Arbeitsmigrationssteuerungsgesetzes und deshalb ebenfalls von dem Zweck getragen, Erleichterungen für junge geduldete Ausländer, bei denen jedenfalls eine positive Integrationserwartung gerechtfertigt ist, zu schaffen. Da § 18a Abs. 1 Nr. 7 AufenthG eine Fallgestaltung beschreibt, bei der dieser Zweck aus Sicht des Gesetzgebers nicht erreicht wird, erweist es sich als planwidrig, dass § 8 Abs. 2a BAföG eine solche Einschränkung nicht enthält. Deshalb ist es geboten, die Bestimmung im Wege teleologischer Reduktion dahin einzuschränken, dass ihr Anwendungsbereich in Fällen des § 18a Abs. 1 Nr. 7 AufenthG nicht eröffnet ist.
Mit Blick darauf mag es auf sich beruhen, ob die Gewährung von Ausbildungsförderung in einem solchen Fall überhaupt geeignet wäre, den Zugang dieses Ausländers zum Arbeitsmarkt mittelbar zu erleichtern (vgl. § 10 der Verordnung über das Verfahren und die Zulassung von im Inland lebenden Ausländern zur Ausübung einer Beschäftigung, Beschäftigungsverfahrensverordnung – BeschVerfV vom 22.11.2004, BGBl I S. 2934, im hier maßgeblichen Zeitraum zuletzt geändert durch Gesetz vom 22.11.2011, BGBl I S. 2258 bzw. vom 01.06.2012, BGBl I S. 1224; § 32 Abs. 1 und 2 der Verordnung über die Beschäftigung von Ausländerinnen und Ausländern, Beschäftigungsverordnung i.d.F. vom 06.06.2013, BGBl I S. 1499). Ebenfalls ohne Belang ist, dass unabhängig von dem Abschluss einer (Schul-)Ausbildung der Erteilung eines Aufenthaltstitels etwa nach § 18a AufenthG die Sperre des § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG entgegensteht.
Gemessen daran gehört der Ausländer dem von § 8 Abs. 2a BAföG begünstigten Personenkreis nicht an, weil er wegen versuchten Diebstahls mit Waffen in Tateinheit mit gefährlicher und schwerer Körperverletzung sowie wegen versuchten schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt wurde.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25. März 2014 – 5 C 13.2013 -
- vgl. BVerwG, Urteil vom 09.02.2012 – 5 C 10.11, BVerwGE 142, 10 = Buchholz 454.710 § 14 WoGG, n.F. Nr. 1, jeweils Rn. 15 m.w.N.[↩]
- BVerwG, Urteil vom 16.05.2013 – 5 C 28.12 – NJW 2013, 2775, Rn. 9 m.w.N.[↩]
- BGBl I S. 2846[↩]
- vgl. BT-Drs. 16/10288 S. 8[↩]
- BT-Drs. 16/10914 S. 7 f.[↩]
- BT-Drs. a.a.O.[↩]
- BTPlenprot 16/187, Stenografischer Bericht S.20176, A[↩]