Die mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG garantierte Mitwirkung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern im wissenschaftsorganisatorischen Gesamtgefüge einer Hochschule erstreckt sich auf alle wissenschaftsrelevanten Entscheidungen. Dies sind auch Entscheidungen über die Organisationsstruktur, den Haushalt und, weil in der Hochschulmedizin mit der Wissenschaft untrennbar verzahnt, über die Krankenversorgung.

Je mehr, je grundlegender und je substantieller wissenschaftsrelevante personelle und sachliche Entscheidungsbefugnisse dem Vertretungsorgan der akademischen Selbstverwaltung entzogen und einem Leitungsorgan zugewiesen werden, desto stärker muss die Mitwirkung des Vertretungsorgans an der Bestellung und Abberufung und an den Entscheidungen des Leitungsorgans ausgestaltet sein.
So war nun vor dem Bundesverfassungsgericht eine Verfassungsbeschwerde gegen die organisatorische Ausgestaltung der Medizinischen Hochschule Hannover im Wesentlichen erfolgreich.
Die Vorschriften des Niedersächsischen Hochschulgesetzes über die Organisation der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) sind in wesentlichen Teilen nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG fordert eine Mitwirkung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an allen wissenschaftsrelevanten Entscheidungen. Das gilt auch für medizinische Hochschulen und hierzu gehören nicht nur Entscheidungen über Forschung und Lehre, sondern auch Entscheidungen über die Organisationsstruktur, den Haushalt und – weil in der Hochschulmedizin mit der Wissenschaft untrennbar verzahnt – über die Krankenversorgung. Werden wissenschaftsrelevante Entscheidungsbefugnisse auf einen Vorstand übertragen, muss eine hinreichende Mitwirkung des Senats an diesen Entscheidungen sowie an der Bestellung und Abberufung des Vorstands gegeben sein. Der Landesgesetzgeber hat bis zum 31.12 2015 eine Neuregelung zu schaffen.
Inhaltsübersicht
- Neugliederung der Hochschulorganisation der MHH
- Die Verfassungsbeschwerde
- Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde gegen die gesetztliche Neuregelung
- Beschwerdebefugnis
- Grundsatz der Subsidiarität
- Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG) als individuelles Freiheitsrecht
- Wissenschaftsfreiheit und der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers
Neugliederung der Hochschulorganisation der MHH[↑]
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen hochschulorganisationsrechtliche Vorschriften für die Medizinische Hochschule Hannover, die mit Wirkung zum 1.01.2007 in das Niedersächsische Hochschulgesetz übernommen worden sind1 und – zum Teil – im Dezember 2013 geändert wurden2.
Die angegriffenen Vorschriften strukturieren die Verantwortung für die Leitung der Medizinischen Hochschule Hannover. In Niedersachsen wurde diese Leitungsverantwortung in der Universitätsmedizin vom Vertretungsorgan der Hochschulangehörigen, also dem Fachbereichs- oder Fakultätsrat beziehungsweise dem Senat, seit 1998 zunehmend auf einen Vorstand oder ein Präsidium als Leitungsorgan verlagert. Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die nunmehr geltenden Regelungen der Bestellung, Neubestellung und Entlassung des Vorstands nach § 63c Abs. 1 bis 6 NHG sowie gegen bestimmte Befugnisse des Vorstands nach § 63e NHG, jeweils in der Fassung vom 26.02.20073.
Nach dem Niedersächsischen Hochschulgesetz in der Fassung vom 21.01.19944 oblag dem Senat – und in der Universitätsmedizin nach § 121 Abs. 6 NHG a.F. dem Fachbereichsrat – die Entscheidung in allen die gesamte Hochschule oder den Fachbereich betreffenden Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung. Der Senat konnte neben dem Konzil, in dem die Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer wie im Senat die Mehrheit hatten, gemäß § 96 Abs. 1 NHG a.F. auch zu hochschulpolitischen Grundsatzfragen Stellung nehmen. Die „insbesondere“ dem Senat vorbehaltenen Entscheidungen betrafen unter anderem die Beschlussfassung über die Entwicklungsplanung, die Anmeldung des Haushaltsbedarfs, die Errichtung, Änderung, Zusammenlegung und Aufhebung von Einrichtungen der Hochschule einschließlich ihrer Organisationsstruktur und ihrer Aufgaben, die Stellungnahme zu Berufungsvorschlägen und den Frauenförderplan. In der Universitätsmedizin hatten die Hochschullehrenden nach den §§ 121 bis 125 NHG a.F. ebenfalls maßgeblichen Einfluss, wohingegen der Vorstand die operative Verantwortung insbesondere für die Krankenversorgung trug. So oblagen dem Fachbereichsrat alle wesentlichen, teils vom Vorstand ausdrücklich nur vorzubereitenden Entscheidungen, wobei er die Krankenversorgung zu berücksichtigen hatte und Entscheidungen des Vorstands beanstanden konnte, wenn sie Forschung und Lehre nachteilig berührten; umgekehrt konnte der Vorstand Entscheidungen des Fachbereichsrats beanstanden, wenn er die Krankenversorgung für beeinträchtigt hielt.
Grundsätzlich waren die Aufgaben des Leitungsorgans eingeschränkt. Das Präsidium oder Rektorat nach § 86 Abs. 2 NHG a.F. oder der Vorstand des Klinikums nach § 123 NHG a.F. waren für alle Angelegenheiten zuständig, die nicht einem anderen Organ übertragen waren. Im Wesentlichen vertrat die Leitung die Hochschule nach außen und koordinierte die Arbeit nach innen, sorgte also für das Zusammenwirken und die laufende Unterrichtung der Organe und Gliederungen, der Mitglieder und Angehörigen der Hochschule, außerdem initiierte die Leitung die erforderlichen Entscheidungsprozesse und wirkte auf die angemessene Berücksichtigung der wesentlichen Belange hin. Nach § 86 Abs. 2 Satz 5 Nr. 1 NHG a.F. beziehungsweise § 123 Abs. 1 Nr. 8 NHG a.F. war die Leitung dafür zuständig, Vorschläge zur Entwicklungsplanung der Hochschule auszuarbeiten.
Der Senat beziehungsweise der Fachbereichsrat hatten auf die Zusammensetzung der Hochschul- oder Klinikumsleitung entscheidenden Einfluss. Rektor oder Rektorin wurden durch das Konzil aufgrund eines Wahlvorschlags des Senats gewählt (§ 90 Abs. 2 Satz 1 NHG a.F.); Prorektorinnen oder Prorektoren wurden vom Konzil auf Vorschlag von Rektor oder Rektorin gewählt (§ 90 Abs. 3, § 89 Abs. 2 NHG a.F.). Die Ernennung des Kanzlers oder der Kanzlerin erfolgte durch das Ministerium aufgrund eines Vorschlags der Hochschule (§ 92 Abs. 4 Satz 1 NHG a.F.), den der Senat auf der Grundlage eines Vorschlags der Hochschulleitung beschloss. Falls eine Mehrheit nicht erreicht wurde, entschied der Senat auf Grund eines eigenen Vorschlags (§ 92 Abs. 6 NHG a.F.). Die im Vorstand eines Klinikums entscheidenden Vorsteherinnen oder Vorsteher klinischer Abteilungen, die auf Vorschlag des Fachbereichsrats – bei der Medizinischen Hochschule Hannover damit auf Vorschlag des Senats – vom Fachministerium bestellt waren, wurden von den Vorsteherinnen und Vorstehern aller Abteilungen gewählt (§ 123 Abs. 3 NHG a.F.); die Medizinischen Zentren wurden von einem nach Gruppen zusammengesetzten Vorstand, mit einer Mehrheit von fünf Hochschullehrenden, geleitet (§ 124 Abs. 3 NHG a.F.).
Auf der Grundlage einer hochschulrechtlichen Experimentierklausel in § 125a NHG in der Fassung vom 24.03.19985 ermöglichte es der niedersächsische Gesetzgeber, die Entscheidungsbefugnisse an den Hochschulen im Bereich Humanmedizin im Wege von Verordnungen sukzessive umzugestalten, um neue Leitungsstrukturen zu testen. Die erste Verordnung vom 16.10.19986 wurde durch Verordnungen vom 14.08.20017; und vom 13.01.20038 geringfügig geändert und dann mit der Verordnung vom 01.12 2004 maßgeblich anders gefasst9. Im Jahre 2006 hat der niedersächsische Gesetzgeber die in den Verordnungen experimentell erprobten neuen Leitungsstrukturen in das Niedersächsische Hochschulgesetz übernommen, um die neuen Leitungsstrukturen endgültig festzuschreiben10.
Die Organisation der Universitätsmedizin muss zwei auch in der Verfassung verankerte Aufgaben erfüllen: Wissenschaft und Krankenversorgung. Medizinische Hochschulen liegen damit auf der Schnittstelle zwischen Wissenschafts- und Gesundheitssystem als Verbund von Forschung und Lehre einerseits und der Krankenversorgung andererseits. So erbringen die humanmedizinischen Einrichtungen in Niedersachsen „zusätzlich“ zur Wissenschaft (vgl. § 3 Abs. 5 NHG, § 1 Abs. 2 Grundordnung der Medizinischen Hochschule Hannover – GO MHH -) Dienstleistungen im Rahmen des öffentlichen Gesundheitswesens, hochspezialisierte Aufgaben der Krankenversorgung und Aufgaben in der Ausbildung von Angehörigen nicht-ärztlicher Heilberufe.
Die Verbindung der beiden Bereiche – Wissenschaft und Krankenversorgung – ist bundesweit nicht einheitlich organisiert11: Im Kooperationsmodell arbeiten die Funktionsbereiche (Medizinische Fakultät und Universitätsklinikum) getrennt, werden aber personell, organisatorisch und sachlich verflochten und zur Zusammenarbeit verpflichtet; im Integrationsmodell werden die Entscheidungsbefugnisse für Forschung, Lehre und Krankenversorgung in einem Organ zusammengefasst. Niedersachsen hatte sich im Jahre 1998 mit der Humanmedizinverordnung für das Integrationsmodell entschieden. Dieses ist in der Medizinischen Hochschule Hannover, der bislang einzigen nur medizinischen Hochschule Deutschlands, besonders deutlich ausgeprägt, weil die Hochschulmedizin unabhängig von der Universität zusammen mit dem Klinikum als eigene Hochschule etabliert ist12.
Die mehrfache Aufgabenstellung der Hochschulmedizin wirkt sich auch in finanzieller Hinsicht aus. Das Zusammenspiel von Wissenschaft und Krankenversorgung führt dazu, dass Mittel für Investitions- und Betriebskosten und für Forschung und Lehre voneinander unterschieden werden müssen. In einigen Ländern ist deshalb der Universitätsmedizin eine getrennte Haushaltsführung vorgegeben. Danach werden bei einer Organisation im Integrationsmodell die jeweiligen Finanzmittel durch die Erstellung von Teilwirtschaftsplänen und gespaltene Rechnungslegung oder Verwendungsnachweise regelmäßig getrennt13. Eine solche Vorgabe gibt es in Niedersachen nicht.
Die Medizinische Hochschule Hannover steht als Hochschule in Trägerschaft des Staates in staatlicher Verantwortung (§ 1 Abs. 1 Satz 1 NHG). Das zuständige Fachministerium trifft mit der Medizinischen Hochschule Hannover aufgrund der Landeshochschulplanung und der universitären Entwicklungsplanung Zielvereinbarungen, die alle wesentlichen Fragen der Forschung und Lehre meist für mehrere Jahre regeln (§ 1 Abs. 3 Satz 1 und 4 NHG). In Angelegenheiten der Selbstverwaltung unterliegt die Medizinische Hochschule Hannover der Rechtsaufsicht und in staatlichen Angelegenheiten der Fachaufsicht des Fachministeriums. Staatliche Angelegenheiten (§ 47 NHG) sind unter anderem die Personalverwaltung und die Bewirtschaftung der den Hochschulen zugewiesenen Landesmittel sowie die Krankenversorgung und andere Aufgaben auf dem Gebiet des öffentlichen Gesundheitswesens. Das Fachministerium kann dazu jederzeit Auskunft verlangen, ein zentrales Organ der Hochschule zur Pflichterfüllung anhalten und erforderlichenfalls die notwendigen Maßnahmen an seiner Stelle treffen (§ 51 Abs. 1 NHG).
a)) Die Entscheidungsbefugnisse innerhalb der Medizinischen Hochschule Hannover wurden mit der Humanmedizinverordnung 1998 und dann mit den hier angegriffenen gesetzlichen Regelungen vom Senat weitgehend auf einen dreiköpfigen Vorstand übertragen. Der Senat ist wie zuvor für die Beschlussfassung über die Ordnungen der Hochschule, insbesondere auch die Grundordnung, zuständig (§ 41 Abs. 1 NHG in der Fassung vom 26.02.2007, NdsGVBl S. 69, zuletzt geändert durch Gesetz vom 11.12 2013, NdsGVBl S. 287) und beschließt – im Einvernehmen mit dem Vorstand – die Grundzüge der Entwicklungsplanung sowie den Gleichstellungsplan (§ 41 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 63e Abs. 2 Nr. 1 NHG); die tatsächliche Entwicklungsplanung wird vom Vorstand allein beschlossen (§ 63e Abs. 2 Nr. 2 NHG). Ihm steht daneben auch das Vorschlagsrecht für die Berufung von Professorinnen und Professoren (§ 26 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 36 Abs. 3 Satz 2 NHG) und die Beschlussfassung über den vom Präsidium eingebrachten Wirtschafts- oder Haushaltsplan des Körperschaftsvermögens (§ 50 Abs. 2 Satz 2 NHG) zu. Er nimmt nach § 41 Abs. 2 Satz 2 NHG zu allen Selbstverwaltungsangelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung Stellung. Der Senat hat gegenüber dem Vorstand ein umfassendes Informationsrecht (§ 41 Abs. 3 Satz 1 NHG); der Vorstand ist dem Senat in Selbstverwaltungsangelegenheiten rechenschaftspflichtig (§ 41 Abs. 2 Satz 3 NHG). An weiteren Entscheidungen des Vorstands (Entscheidungen betreffend die Errichtung, Änderung, Zusammenlegung und Aufhebung von Organisationseinheiten sowie die Festlegung ihrer Aufgaben und Organisationsstrukturen, der Beschlussfassung über den Wirtschaftsplan und dem Abschluss einer Zielvereinbarung) ist der Senat in unterschiedlichem Maß (durch Benehmen, Gelegenheit zur Stellungnahme und Anhörung) beteiligt.
Der Vorstand der Medizinischen Hochschule Hannover bildet, bedingt durch ihren Status als eigenständige Hochschule, zugleich deren Präsidium. Der Vorstand besteht aus einem Mitglied mit Zuständigkeit für das Ressort Forschung und Lehre (§ 63b Satz 4 Nr. 1 NHG), das zugleich Präsident oder Präsidentin ist, einem Mitglied mit Zuständigkeit für das Ressort Krankenversorgung (§ 63b Satz 4 Nr. 2 NHG) und einem Mitglied für das Ressort Wirtschaftsführung und Administration (§ 63b Satz 4 Nr. 3 NHG). Die Vorstandsmitglieder sind hauptberuflich tätig und werden für die Dauer von bis zu sechs Jahren durch das Fachministerium bestellt.
Neben dem Vorstand und dem Senat ist an der Leitung der Hochschule der in Niedersachsen mehrheitlich extern besetzte Hochschulrat (§ 52 NHG) beteiligt. Von seinen sieben Mitgliedern sind fünf keine Hochschulangehörigen. Sie werden im Einvernehmen mit dem Senat vom Fachministerium bestellt. Im Hochschulrat sind daneben der Senat der Hochschule sowie das Fachministerium vertreten (§ 52 Abs. 2 NHG). Ein weiteres Organ der Medizinischen Hochschule Hannover ist die Klinikkonferenz, die das Vorstandsmitglied für Krankenversorgung berät (§ 63g NHG).
Die Konstitution des Vorstands richtet sich nach § 63c NHG, der mit Gesetz vom 11.12 2013 modifiziert worden ist. Der Hochschulrat richtet zur Vorbereitung des Vorschlags für die Bestellung der Vorstandsmitglieder Findungskommissionen mit zehn bis zwölf Mitgliedern ein (Anlage 1 zu § 63c Abs. 2 Satz 1 NHG). Dies sind immer die jeweils anderen beiden Mitglieder des Vorstands, zwei (für die Vorstandsmitglieder nach § 63b Satz 4 Nr. 2 NHG – Krankenversorgung – und Nr. 3 – Wirtschaftsführung) oder drei (für das Vorstandsmitglied nach § 63b Satz 4 Nr. 1 NHG – Forschung und Lehre) Mitglieder des Hochschulrats, das Fachministerium (ohne Stimmrecht) und die Gleichstellungsbeauftragte. Die Beteiligung des Senats an der Findung unterscheidet sich je nach Vorstandsposition: In die Findungskommission für die Präsidentin oder den Präsidenten entsendet der Senat drei, in die Findungskommission für das Vorstandsmitglied für Wirtschaftsführung und Administration zwei seiner Mitglieder; in der Findungskommission für das Vorstandsmitglied für Krankenversorgung ist der Senat nicht vertreten. Bei diesen weiteren Mitgliedern des Vorstands werden die Klinikkonferenz und der Pflegedienst beteiligt.
Auf die Findung folgt der Vorschlag zur Bestellung des Vorstands. Auch an dieser ist der Senat in unterschiedlicher Weise beteiligt. Seit der Änderung durch das Gesetz vom 11.12 2013 hat er das Recht, das Vorstandsmitglied für das Ressort Forschung und Lehre zur Bestellung vorzuschlagen. Dieser Vorschlag bedarf nicht mehr des Einvernehmens mit dem Hochschulrat, der nach § 63c Abs. 3 NHG nur noch Gelegenheit zur Stellungnahme erhält. Bei der Bestellung der übrigen Vorstandsmitglieder ist dem Senat, der zuvor nicht beteiligt war, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Das Letztentscheidungsrecht bleibt beim Fachministerium, das die Bestellung auch versagen kann (§ 63c Abs. 1 Satz 2 NHG).
Die erneute Bestellung des Vorstandsmitglieds für Forschung und Lehre für weitere Amtszeiten ohne Ausschreibung soll nach § 63c Abs. 4 NHG durch das Fachministerium auf Vorschlag des Senats erfolgen und nicht mehr auf Vorschlag des Hochschulrats, der nur noch Gelegenheit zur Stellungnahme erhält. Ein Recht zur Stellungnahme hat nun der Senat bei der erneuten Bestellung der anderen Vorstandsmitglieder ohne Ausschreibung.
Die Beteiligung des Senats an der Entlassung des Vorstands durch das Fachministerium ist ebenfalls gestaffelt. Die Entlassung des Vorstandsmitglieds für das Ressort Forschung und Lehre soll nach § 63c Abs. 5 NHG bei Vorliegen eines wichtigen Grundes auf mit Dreiviertelmehrheit beschlossenen Vorschlag des Senats erfolgen. Das Vorschlagsrecht lag früher beim Hochschulrat. Heute muss der Hochschulrat den Vorschlag bestätigen, doch entscheidet der Senat, wenn die Bestätigung verweigert wird und eine Einigung scheitert. Der Senat hat nach § 63c Abs. 6 NHG nunmehr auch Gelegenheit zur Stellungnahme bei der Entlassung der übrigen Vorstandsmitglieder.
Der Vorstand hat nach § 63e NHG umfassende Entscheidungsbefugnisse. Es handelt sich sowohl um Befugnisse des Gesamtvorstands als auch um Einzelbefugnisse der drei Vorstandsmitglieder. Die angegriffenen Regelungen zu den Befugnissen des Gesamtvorstands betreffen die Zuständigkeiten des Gesamtvorstands für die Entwicklungsplanung (§ 63e Abs. 2 Nr. 2 NHG), die Errichtung, Änderung, Zusammenlegung und Aufhebung von Organisationseinheiten sowie die Festlegung ihrer Aufgaben und Organisationsstrukturen (§ 63e Abs. 2 Nr. 3 NHG) jeweils im Benehmen mit dem Senat (§ 63e Abs. 3 Satz 1 NHG), ferner die Zuständigkeiten für die Beschlussfassung über den Wirtschaftsplan (§ 63e Abs. 2 Nr. 5 NHG) nach Anhörung des Senats (§ 63e Abs. 3 Satz 3 NHG), für die Aufteilung der Sach, Investitions- und Personalbudgets auf die Organisationseinheiten (§ 63e Abs. 2 Nr. 10 NHG) und für die Bereitstellung von Mitteln für zentrale Lehr- und Forschungsfonds (§ 63e Abs. 2 Nr. 11 NHG). Die angegriffenen Regelungen über alleinige Befugnisse des Vorstandsmitglieds für Forschung und Lehre betreffen die Organisation und Weiterentwicklung von Forschung und Lehre (§ 63e Abs. 4 Nr. 1 NHG), nur bei grundsätzlicher Bedeutung, einschließlich der Bildung von Schwerpunkten, im Benehmen mit dem Senat (§ 63e Abs. 4 Satz 2 NHG), sowie die Aufteilung der Ressourcen für die Forschung und die Lehre (§ 63e Abs. 4 Nr. 2 und Nr. 4 NHG), jeweils im Benehmen mit dem Senat (§ 63e Abs. 4 Satz 2 NHG).
Die Verfassungsbeschwerde[↑]
Der Beschwerdeführer ist Hochschullehrer und Mitglied des Senats der MHH. Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet er sich dagegen, dass der Gesetzgeber wichtige Entscheidungsbefugnisse innerhalb der MHH vom Senat auf einen dreiköpfigen Vorstand übertragen hat. Angegriffen wurden die hochschulrechtlichen Regelungen über die Bestellung, Neubestellung und Entlassung des Vorstands nach § 63c Abs. 1 bis 6 sowie über bestimmte Befugnisse des Vorstands nach § 63e des Niedersächsischen Hochschulgesetzes.
Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde gegen die gesetztliche Neuregelung[↑]
Die Verfassungsbeschwerde ist überwiegend zulässig. Der Beschwerdeführer hat die Verfassungsbeschwerde innerhalb der Jahresfrist des § 93 Abs. 3 BVerfGG erhoben. Ob er zuvor in zulässiger Weise gegen die zum Teil inhaltsgleiche Humanmedizinverordnung im Wege der verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle (§ 47 VwGO) vorgegangen war, ist dafür unerheblich. Der Wechsel von einer Verordnung zu einem Gesetz nach Abschluss einer Experimentierphase hat nicht nur deklaratorische Bedeutung, sondern belastet den Beschwerdeführer mit einer von nun an dauerhaften Regelung. Im Gesetz manifestiert sich eine dauerhafte Entscheidung neuen Gewichts, weshalb die Frist des § 93 Abs. 3 BVerfGG erneut in Gang gesetzt wird14.
Beschwerdebefugnis[↑]
Der Beschwerdeführer ist überwiegend beschwerdebefugt.
Gegenüber Organisationsnormen für die Wissenschaft kann der Grundrechtsschutz aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG unmittelbar geltend gemacht werden, wenn eine wissenschaftsinadäquate Organisation eine Grundrechtsgefährdung für den Beschwerdeführer bewirkt15.
Hiernach ist die Beschwerdebefugnis auch gegeben, soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen die eingeschränkte Mitwirkung des Senats bei der in § 63c Abs. 2 Satz 1 NHG geregelten Findung der Vorstandsmitglieder richtet. Die Findung ist entscheidend für die Vorauswahl des Vorstands. Zwar entscheidet die Findungskommission nicht verbindlich, sondern bereitet eine Personalentscheidung lediglich vor. Doch wird tatsächlich, der gesetzlichen Zielsetzung der Einrichtung der Findungskommission entsprechend, nur in den Vorstand bestellt, wer dort „gefunden“ worden ist, oder aber nicht bestellt, wer dort abgelehnt wurde. Damit kommt bereits der Findung eine erhebliche Bedeutung für die wissenschaftsrelevanten Entscheidungen an der Hochschule zu.
Soweit der Beschwerdeführer sich gegen die Regelungen über die Bestellung, Neubestellung und Entlassung des Vorstands sowie gegen die Übertragung von Befugnissen an diesen wendet, ist er ebenfalls beschwerdebefugt. Seine Darlegungen lassen es als möglich erscheinen, dass das durch die angegriffenen Vorschriften geregelte organisatorische Gesamtgefüge die Wissenschaftsfreiheit strukturell gefährdet. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen Befugnisnormen nicht im Hinblick auf eine konkrete zukünftige Entscheidung, gegen die dann auch zunächst fachgerichtlicher Rechtsschutz gesucht werden kann und müsste. Vielmehr wendet er sich gegen eine wissenschaftsinadäquate Organisation, also gegen das strukturelle Risiko wissenschaftsfremder Entscheidungen, die seine Wissenschaftsfreiheit gefährden. Eine gegen die Organisation als wissenschaftsinadäquat gerichtete Verfassungsbeschwerde ist ein aliud, nicht aber eine Vorstufe der Abwehr einer künftigen Entscheidung, denn von zentraler Bedeutung ist die strukturelle Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit durch das hochschulorganisatorische Gesamtgefüge, die nicht nur dazu genutzt wird, um eine eigentlich kritisierte Entscheidung im Einzelfall anzugreifen. Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistet Grundrechtsschutz im Hinblick auf eine freiheitssichernde Ausgestaltung von Wissenschaftsorganisationen durch den Staat. Die Wissenschaftsfreiheit enthält einen Anspruch darauf, dass der Gesetzgeber durch die Ausgestaltung der Kreation der Leitungsorgane kein System schafft, das typischerweise Entscheidungen ermöglicht, die die Freiheit von Forschung und Lehre gefährden.
Unzulässig ist die Verfassungsbeschwerde dagegen hinsichtlich der Regelung in § 63c Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 NHG, wonach in der Grundordnung Näheres über die Wahl der Mitglieder der Findungskommission bestimmt wird. Sie vermag insoweit nicht aufzuzeigen, dass damit die Möglichkeit einer Verletzung von Grundrechten des Beschwerdeführers verbunden ist. Nach § 41 Abs. 1 Satz 3 NHG steht dem Senat als dem zentralen Organ für die Mitwirkung der Hochschullehrenden an wissenschaftsrelevanten Entscheidungen die Entscheidung über die Grundordnung zu. Eine solche Befugnis lässt eine strukturelle Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit gerade nicht erkennen.
Der Beschwerdeführer ist hinsichtlich der in § 63c Abs. 2 Satz 2, § 63c Abs. 3 Satz 3, § 63c Abs. 4 Satz 3, § 63c Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 2 NHG enthaltenen Regelungen, die bestimmte Personen – betroffene Vorstandsmitglieder, Kandidatinnen und Kandidaten – von der Mitwirkung bei der Bestellung, Neubestellung und Entlassung ausschließen, der Verschwiegenheitsverpflichtung in § 63c Abs. 2 Satz 3 NHG und der Modalitäten der Beschlussfassung in der Findungskommission gemäß § 63c Abs. 2 Satz 4 NHG nicht beschwerdebefugt. Aus diesen Regelungen kann sich eine Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit nicht ergeben.
Die Verfassungsbeschwerde ist mangels Beschwerdebefugnis überdies unzulässig, soweit sie sich gegen Regelungen über die Universität Göttingen und gegen Mitwirkungsrechte der Klinikkonferenz in § 63e NHG richtet. Die durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten Rechte des Beschwerdeführers sind dadurch nicht betroffen.
Grundsatz der Subsidiarität[↑]
Die Verfassungsbeschwerde genügt dem in § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zum Ausdruck kommenden Grundsatz der Subsidiarität.
Es ist dem Beschwerdeführer nicht zumutbar, vor einer Verfassungsbeschwerde gegen Regelungen über Personalentscheidungen (§ 63c Abs. 1, Abs. 3 bis 6 NHG), in denen er eine strukturelle Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit sieht, zunächst den fachgerichtlichen Rechtsweg gegen konkrete Personalentscheidungen zu beschreiten.
Gegen die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Planungsbefugnisse in § 63e Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 5 NHG ist ein fachgerichtlicher Rechtsweg bereits nicht ersichtlich. Hinsichtlich der Budgetbefugnisse in § 63e Abs. 2 Nr. 10 und Nr. 11 und Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 4 NHG ist zwar nicht ausgeschlossen, den fachgerichtlichen Rechtsweg gegen einzelne Ausstattungsentscheidungen zu beschreiten16; für den hier gegebenen Fall einer strukturellen Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit durch die Befugnis, solche Entscheidungen zu fällen, gilt dies jedoch nicht.
Die Verfassungsbeschwerde genügt dem Grundsatz der Subsidiarität auch, soweit sich der Beschwerdeführer gegen die dem Vorstand übertragene Befugnis für Organisationsentscheidungen in § 63e Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 NHG wendet. Für diese Rüge, in dieser organisatorischen Ausgestaltung liege eine strukturelle Gefährdung der durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG grundrechtlich geschützten Wissenschaftsfreiheit, ist kein Rechtsweg eröffnet.
Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG) als individuelles Freiheitsrecht[↑]
Die Verfassungsbeschwerde ist, soweit sie zulässig ist, weitgehend begründet. Die Regelungen über die Bestellung und Abbestellung sowie über die Befugnisse des Vorstands in § 63c Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 bis 6 und § 63e Abs. 2 Nr. 2, 3, 5, 10, 11, Abs. 3, Abs. 4 Satz 1, Nr. 1, 2, 4 NHG sind in ihrem Gesamtgefüge mit den Anforderungen des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG an den Schutz der Wissenschaftsfreiheit vor strukturellen Gefährdungen nicht vereinbar.
Abs. 3 Satz 1 GG enthält neben einem individuellen Freiheitsrecht eine objektive, das Verhältnis von Wissenschaft, Forschung und Lehre zum Staat regelnde, wertentscheidende Grundsatznorm. Der Staat muss danach für funktionsfähige Institutionen eines freien universitären Wissenschaftsbetriebs sorgen und durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherstellen, dass das individuelle Grundrecht der freien wissenschaftlichen Betätigung so weit unangetastet bleibt, wie das unter Berücksichtigung der anderen legitimen Aufgaben der Wissenschaftseinrichtungen und der Grundrechte der verschiedenen Beteiligten möglich ist17. In einer wissenschaftlichen Einrichtung der Universitätsmedizin, die sowohl Aufgaben der Forschung und Lehre wie auch Aufgaben der Krankenversorgung erfüllt, hat der Gesetzgeber neben dem Schutz der Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG und dem für die Aufgaben der Berufsausbildung bedeutsamen Grundrecht des Art. 12 Abs. 1 GG18 auch den Schutz der Gesundheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art.20 Abs. 1 GG zu berücksichtigen19, die eng miteinander verzahnt sind.
Wissenschaft ist ein grundsätzlich von Fremdbestimmung freier Bereich autonomer Verantwortung. Dem Freiheitsrecht liegt auch der Gedanke zu Grunde, dass eine von gesellschaftlichen Nützlichkeits- und politischen Zweckmäßigkeitsvorstellungen freie Wissenschaft die ihr zukommenden Aufgaben am besten erfüllen kann20. Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verpflichtet daher den Staat zu Schutz und Förderung wissenschaftlicher Betätigung und garantiert den in der Wissenschaft Tätigen zugleich eine Teilhabe am Wissenschaftsbetrieb21; diese Mitwirkung ist kein Selbstzweck, sondern dient dem Schutz vor wissenschaftsinadäquaten Entscheidungen22.
Wissenschaftsfreiheit und der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers[↑]
Der Gesetzgeber verfügt über einen weiten Gestaltungsspielraum, um den Wissenschaftsbetrieb mit Blick auf die unterschiedlichen Aufgaben von wissenschaftlichen Einrichtungen und auf die Interessen aller daran Beteiligten in Wahrnehmung seiner gesamtgesellschaftlichen Verantwortung zu regeln. Er ist nicht an überkommene Modelle der Hochschulorganisation gebunden23 und darf zur Verwirklichung seiner hochschulpolitischen Auffassungen24 Anforderungen an eine effiziente Organisation, gute Haushaltsführung und klare Verantwortungszuweisung unterschiedlich gewichten. Die Sicherung der Wissenschaftsfreiheit durch organisatorische Regelungen verlangt aber, dass die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler durch ihre Vertretung in Hochschulorganen Gefährdungen der Wissenschaftsfreiheit abwehren und ihre fachliche Kompetenz zur Verwirklichung der Wissenschaftsfreiheit in die Organisation einbringen können. Der Gesetzgeber muss für die Organisation der Wissenschaftsfreiheit ein Gesamtgefüge schaffen, in dem Entscheidungsbefugnisse und Mitwirkungsrechte, Einflussnahme, Information und Kontrolle so beschaffen sind, dass Gefahren für die Freiheit von Lehre und Forschung vermieden werden25. Organisationsnormen sind dann mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG nicht vereinbar, wenn durch sie ein Gesamtgefüge geschaffen wird, das die freie wissenschaftliche Betätigung und Aufgabenerfüllung strukturell gefährdet26.
Wissenschaftsfreiheit und Hochschulorganisation[↑]
Die mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG garantierte hinreichende Mitwirkung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern im wissenschaftsorganisatorischen Gesamtgefüge einer Hochschule erstreckt sich auf alle wissenschaftsrelevanten Entscheidungen. Dies sind nicht nur Entscheidungen über konkrete Forschungsvorhaben oder Lehrangebote, sondern auch über die Planung der weiteren Entwicklung einer Einrichtung und über die Ordnungen, die für die eigene Organisation gelten sollen27. Wissenschaftsrelevant sind auch alle den Wissenschaftsbetrieb prägenden Entscheidungen über die Organisationsstruktur und den Haushalt28, denn das Grundrecht auf Wissenschaftsfreiheit liefe leer, stünden nicht auch die organisatorischen Rahmenbedingungen und die Ressourcen zur Verfügung, die Voraussetzungen für die tatsächliche Inanspruchnahme dieser Freiheit sind29. Soweit die wissenschaftliche Tätigkeit mit der Erfüllung anderer Aufgaben wie der der Krankenversorgung untrennbar verzahnt ist30, sind auch Entscheidungen über diese anderen Aufgaben wissenschaftsrelevant.
Der Gesetzgeber darf insbesondere die Art und Weise der Mitwirkung im wissenschaftsorganisatorischen Gesamtgefüge frei gestalten, solange die wissenschaftlich Tätigen an wissenschaftsrelevanten Entscheidungen hinreichend mitwirken können31. Angelegenheiten, die der Selbstbestimmung der Grundrechtsträger unterliegen, dürfen allerdings ohnehin weder Vertretungsorganen noch Leitungsorganen zur Entscheidung zugewiesen werden32. Andere wissenschaftsrelevante Angelegenheiten kann der Gesetzgeber angemessen ausgestalteten Organen zur Entscheidung zuweisen. So können Vertretungsorgane die verfassungsrechtlich garantierte Selbstbestimmung auch der Organisation von Wissenschaft sichern und vor wissenschaftsgefährdenden Entscheidungen schützen, sofern sie pluralistisch zusammengesetzt sind und es so ermöglichen, die auch innerhalb der Wissenschaft bestehenden Unterschiede in die Organisation sachverständig einzubringen33. Kleine Leitungsorgane sind demgegenüber auf straffe Entscheidungsfindung hin angelegt und können in Distanz zu den einzelnen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern dynamischer agieren.
Aus der Bedeutung plural zusammengesetzter Vertretungsorgane für die Selbstorganisation der Wissenschaft folgt kein grundsätzlicher Vorrang solcher Organe gegenüber den Leitungsorganen. Die Zuweisung von Entscheidungsbefugnissen an Leitungsorgane darf jedoch nur in dem Maße erfolgen, wie sie inhaltlich begrenzt und organisatorisch so abgesichert sind, dass eine strukturelle Gefährdung der Wissenschaft ausscheidet34. Zum Schutz der Wissenschaftsfreiheit kann es daher erforderlich sein, den Grundrechtsberechtigten die Möglichkeit einzuräumen, ihre Auffassung mit Blick auf solche Entscheidungen tatsächlich selbst durchzusetzen, und sie nicht auf die Möglichkeit bloßer Stellungnahmen zu verweisen35. Aus der Wissenschaftsfreiheit ergibt sich dabei zwar kein Recht, die Personen zur Leitung einer wissenschaftlichen Einrichtung ausschließlich selbst zu bestimmen36. Doch ist das Recht eines plural zusammengesetzten Vertretungsorgans zur Bestellung und auch zur Abberufung von Leitungspersonen ein zentrales und effektives Einfluss- und Kontrollinstrument der wissenschaftlich Tätigen auf die Organisation. Je höher Ausmaß und Gewicht der den Leitungspersonen zustehenden Befugnisse sind, desto eher muss die Möglichkeit gegeben sein, sich selbstbestimmt von diesen zu trennen37. Je mehr, je grundlegender und je substantieller wissenschaftsrelevante personelle und sachliche Entscheidungsbefugnisse dem kollegialen Selbstverwaltungsorgan entzogen und einem Leitungsorgan zugewiesen werden, desto stärker muss im Gegenzug die Mitwirkung des Selbstverwaltungsorgans an der Bestellung und Abberufung dieses Leitungsorgans und an dessen Entscheidungen ausgestaltet sein. Der Gesetzgeber muss diesen Zusammenhang durchgängig berücksichtigen.
Der organisationsrechtliche Gewährleistungsgehalt des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG schützt vor der strukturellen Gefährdung durch wissenschaftsinadäquate Entscheidungen in der Organisation selbst und begrenzt die staatliche Aufsicht. Der Gesetzgeber muss ein hinreichendes Maß an Mitwirkung der wissenschaftlich Tätigen an wissenschaftsrelevanten Entscheidungen von Leitungsorganen innerhalb der Organisation sichern. Zwar kann sich die staatliche Aufsicht wissenschaftlicher Einrichtungen in Fragen allgemeiner Verwaltung an Zweckmäßigkeitserwägungen orientieren, in wissenschaftsrelevanten Angelegenheiten ist sie aber begrenzt38. Zugleich hat der Staat hier eine durch weitreichende Aufsichtsrechte zu realisierende Verantwortung für die Krankenversorgung, die in der Hochschulmedizin eng mit Forschung und Lehre verzahnt ist. Verfassungsrechtlich folgt hieraus, dass das Grundrecht der medizinischen Hochschullehrenden aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG auf Wissenschaftsfreiheit auch bei ihrer Tätigkeit in der Krankenbehandlung und -versorgung nicht gänzlich ausgeklammert werden darf. Der Gesetzgeber muss einerseits dieses Grundrecht achten, andererseits eine bestmögliche Krankenversorgung gewährleisten, denn auch insoweit gilt es, verfassungsrechtlich in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art.20 Abs. 1 GG anerkannte Rechtsgüter von großer Bedeutung zu schützen39. Deshalb sind in der Krankenversorgung Entscheidungsbefugnisse so auszugestalten, dass die selbstbestimmte Grundrechtswahrnehmung und die wissenschaftsadäquater Organisation entsprechenden Mitwirkungsrechte der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler soweit wie möglich erhalten bleiben.
Wissenschaftsfreiheit in der Hochschulmedizin[↑]
Die zulässig angegriffenen Regelungen des Niedersächsischen Hochschulgesetzes zur Ausgestaltung der Leitung der Medizinischen Hochschule Hannover als eigenständiger medizinischer Hochschule genügen in ihrer Gesamtheit nicht den sich aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG ergebenden verfassungsrechtlichen Anforderungen. Im hochschulorganisatorischen Gesamtgefüge sind die in ihrer Wissenschaftsfreiheit geschützten Angehörigen der Hochschule über den Senat an wissenschaftsrelevanten Entscheidungen im Verhältnis zum Vorstand nicht hinreichend beteiligt. Die Organisationsanforderungen aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gelten auch für medizinische Fakultäten und Hochschulen. Das der Medizinischen Hochschule Hannover durch die angegriffenen Vorschriften vorgegebene organisatorische Gesamtgefüge aus Kreationsrechten und Entscheidungsbefugnissen birgt verfassungswidrige strukturelle Gefahren für die Freiheit von Lehre und Forschung, weil weichenstellende Entscheidungen über deren Entwicklung, Organisation und Ressourcen im Wesentlichen dem Gesamtvorstand zugewiesen und dem Senat entzogen sind. Dies wird bei prägenden wissenschaftsrelevanten Entscheidungen nicht durch Vetorechte des für Forschung und Lehre zuständigen Vorstandsmitglieds oder durch Kreationsrechte des Senats kompensiert.
Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG schützt die Freiheit der Wissenschaft auch in einer verselbständigten Hochschulklinik. Daher ergeben sich für eine Universitätsmedizin, die wie im Fall der Medizinischen Hochschule Hannover nach einem Integrationsmodell ausgestaltet ist und in der „zusätzlich“ (§ 3 Abs. 5 Satz 1 NHG, § 1 Abs. 2 GO MHH) zur Wissenschaft in erheblichem Maße hochspezialisierte Aufgaben der Krankenversorgung wahrgenommen werden, aus der Verfassung Anforderungen an die hinreichende Mitwirkung der Grundrechtsträger an wissenschaftsrelevanten Entscheidungen. Eine strukturelle Gefährdung der hochschulmedizinischen Forschung lässt sich im organisationsrechtlichen Gesamtgefüge nicht unter Verweis auf den medizinischen Versorgungsauftrag rechtfertigen, weil beide letztlich voneinander abhängig sind.
Der Senat im Gefüge der Hochschulorganisation[↑]
Durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet im hier zu beurteilenden organisatorischen Gesamtgefüge, dass weichenstellende Entscheidungen über die Entwicklung, die Organisation und die Ressourcen für Forschung und Lehre im Wesentlichen dem Gesamtvorstand zugewiesen und dem Senat entzogen sind.
Verfassungsrechtlich bestehen allerdings gegen die Entscheidung des Gesetzgebers, die Leitung einer wissenschaftlichen Hochschule auf einen dreiköpfigen Vorstand zu übertragen, im Ausgangspunkt keine Bedenken. Das Grundgesetz enthält keine hochschulpolitische Vorgabe für ein bestimmtes Leitungsmodell. Daher ist es verfassungsrechtlich unbedenklich, in einer medizinischen Hochschule selbst wissenschaftsrelevante Entscheidungen nicht allein dem Senat oder nur dem – hier durch die Bestellungs- und Abberufungsvorschriften enger an der Senat gebundenen – für Forschung und Lehre zuständigen Mitglied des Vorstands zu überantworten, sondern die für den Haushalt und auch für die Krankenversorgung zuständigen Mitglieder des Vorstands an solchen Entscheidungen zu beteiligen. Soweit sich aus der Verfassung ein Mitwirkungsrecht zum Schutz der Wissenschaftsfreiheit an Entscheidungen zum Haushalt und zur Krankenversorgung ergibt, erlaubt die Verfassung umgekehrt auch, in der Ausgestaltung von Entscheidungsbefugnissen die weiteren in der wissenschaftlichen Einrichtung zu übernehmenden Aufgaben mit dem Ziel des Ausgleichs40 im Sinne praktischer Konkordanz aller grundrechtlich geschützten Belange zu berücksichtigen41.
Auch das Niedersächsische Hochschulgesetz erkennt in der Ausgestaltung der Wissenschaftsorganisation an, dass die Freiheit der medizinischen Forschung nicht zuletzt vor den erheblichen Gefährdungspotenzialen geschützt werden muss, die aus gesundheitspolitischen und ökonomischen – und damit nicht an die Eigengesetzlichkeiten von Forschung und Lehre gebundenen, sondern mit ihnen auch in Konflikt stehenden – Vorgaben für die Krankenversorgung resultieren42. Dementsprechend wurden mit dem Änderungsgesetz zum Niedersächsischen Hochschulgesetz vom 11.12 2013 Mitwirkungsrechte zugunsten des Senats normiert; das für Forschung und Lehre zuständige Vorstandsmitglied hat gegenüber Entscheidungen innerhalb des Vorstands nach § 63f Abs. 1 Satz 3 NHG eigene Vetopositionen erhalten, um Forschung und Lehre davor zu schützen, der Aufgabe und den Anforderungen der Krankenversorgung ohne Weiteres untergeordnet zu werden.
Es stößt auch nicht auf verfassungsrechtliche Bedenken, den Beschluss über den Entwicklungsplan nach § 63e Abs. 2 Nr. 2 NHG dem Vorstand zu überantworten. Denn in § 41 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 63e Abs. 2 Nr. 1 NHG ist dem Senat die Befugnis zur Entscheidung über die Grundzüge der Entwicklungsplanung zugewiesen; der Gesetzgeber belässt damit die Weichenstellung für die Gesamtorganisation in der Hand des akademischen Vertretungsorgans. Der Beschluss des Vorstands ist, was die Landesregierung bestätigt hat, an diesen Beschluss des Senats auch gebunden43. Es ist in einer medizinischen Hochschule verfassungsrechtlich zudem unbedenklich, dass der Vorstand nach § 63e Abs. 2 Nr. 1 NHG zum Beschluss des Senats über die Grundzüge der Entwicklungsplanung sein Einvernehmen erklären muss und daran auch die für den Haushalt und die Krankenversorgung zuständigen Mitglieder des Gesamtvorstands beteiligt sind, um alle in der Hochschulmedizin zu berücksichtigenden Rechtsgüter zum Ausgleich zu bringen. Zudem hat das für Forschung und Lehre zuständige Mitglied des Vorstands bei der Beschlussfassung über den Entwicklungsplan nach § 63e Abs. 2 Nr. 2 NHG nach § 63f Abs. 1 Satz 3 NHG ein Vetorecht, falls die ressortspezifischen Belange berührt sind.
Im vorliegenden Fall ergeben sich verfassungsrechtliche Bedenken jedoch daraus, dass an der Medizinischen Hochschule Hannover seit 2005 tatsächlich keine Entwicklungsplanung erfolgt ist, sondern grundlegende Fragen nur im Rahmen der mit dem für die Hochschulen zuständigen Ministerium zu treffenden Zielvereinbarung entschieden werden (vgl. § 1 Abs. 3 NHG). Die Befugnis zum Abschluss einer Zielvereinbarung ist nach § 63e Abs. 2 Nr. 4 NHG dem Vorstand zugewiesen; der Senat hat nach § 63e Abs. 2 Nr. 4 in Verbindung mit Abs. 3 Satz 2 NHG insoweit nur die Möglichkeit zur Stellungnahme. Damit ist eine hinreichende Mitwirkung an grundlegenden wissenschaftsrelevanten Entscheidungen tatsächlich nicht gegeben. Ob dies grundsätzlich mit den Anforderungen des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG vereinbar ist44, ist in diesem Verfahren nicht zu entscheiden, da der Beschwerdeführer § 63e Abs. 2 Nr. 4 NHG nicht angegriffen hat. Die Gesamtregelung ist jedoch insofern defizitär, als sie offensichtlich ermöglicht, Gestaltungsrechte des Senats in der Entwicklungsplanung zu unterlaufen. Es liegt im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, wie er die Mitwirkungsrechte des Senats an Zielvereinbarungen zwischen Hochschule und Staat ausgestaltet. Er kann sein Einvernehmen vorsehen oder aber die Zielvereinbarungen in ihrem wissenschaftsrelevanten Teil zwingend an eine vom Senat zu beschließende Entwicklungsplanung binden (vgl. § 1 Abs. 3 Satz 1 und 2 NHG). In jedem Fall muss jedoch sichergestellt sein, dass der Senat die Befugnis zur Entscheidung über die oder maßgebliche Entscheidungsteilhabe an der Entwicklungsplanung tatsächlich nutzen kann; hierzu gehört, dass er dazu gegebenenfalls erforderliche vorbereitende Handlungen des Vorstands notfalls auch gerichtlich erzwingen kann. Insoweit könnte das Fehlen der hier verfassungsrechtlich gebotenen Mitwirkung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auch nicht durch deren Einfluss auf die Bestellung und Abberufung des Leitungsorgans45 kompensiert werden.
Die Ausgestaltung der Entscheidungsbefugnisse stößt im hier normierten Gesamtgefüge auf durchgreifende Bedenken, weil § 63e Abs. 2 Nr. 3 NHG die Entscheidungen über die Organisation der Medizinischen Hochschule Hannover dem Vorstand zuweist, in dem die Mitglieder für Forschung und Lehre und für Haushalt jeweils Vetorechte haben, aber eine ausschlaggebende Beteiligung des Senats mit seinem gefächerten Sachverstand an der Entscheidung nicht vorsieht. Der Vorstand muss sich mit diesem lediglich ins Benehmen setzen. Das Niedersächsische Hochschulgesetz begrenzt damit im Gesamtgefüge, auch unter Berücksichtigung der Bestellung und Abberufung des Vorstands, die Mitwirkung des Senats an der Entscheidung über die Organisation als Weichenstellung auch für die Wissenschaft27 ausdrücklich in einer Weise, die mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG nicht vereinbar ist. Eine Auslegung der Vorschrift, wonach das Benehmen als Einvernehmen verstanden werden könnte, entspricht nicht dem Willen des Gesetzgebers.
Eine strukturelle Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit kann aus den nicht hinreichenden Mitwirkungsbefugnissen des Senats an den Entscheidungen des Vorstands über den Wirtschaftsplan (§ 63e Abs. 2 Nr. 5 NHG) und die Aufteilung der Sach, Investitions- und Personalbudgets auf die Organisationseinheiten (§ 63e Abs. 2 Nr. 10 NHG) sowie über die Bereitstellung von Mitteln für zentrale Lehr- und Forschungsfonds (§ 63e Abs. 2 Nr. 11 NHG) resultieren, da die damit begründeten Einflussdefizite des Senats vorliegend nicht anderweitig kompensiert sind.
Grundlegende ökonomische Entscheidungen wie diejenige über den Wirtschaftsplan einer Hochschule sind nicht etwa wissenschaftsfern, sondern angesichts der Angewiesenheit von Forschung und Lehre auf die Ausstattung mit Ressourcen wissenschaftsrelevant. Haushalts- und Budgetentscheidungen müssen die verfassungsrechtlich in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG garantierten Anforderungen an den Schutz der Wissenschaftsfreiheit hinreichend beachten. Dennoch hat der Gesetzgeber bei der Entscheidung über den Wirtschaftsplan neben dem Vetorecht des Vorstandsmitglieds für Wirtschaftsführung und Administration kein Vetorecht zugunsten des Vorstands für Forschung und Lehre vorgesehen.
Im Rahmen seines Gestaltungsspielraums ist der Gesetzgeber zwar nicht gezwungen, die Wissenschaftsfreiheit allein durch die Ausgestaltung von Mitwirkungsrechten zu sichern. Er kann auch auf gesetzliche Vorgaben zur Mittelverwendung zurückgreifen46. In Niedersachsen fehlen jedoch haushaltsrechtliche Regelungen, die zum Schutz der Wissenschaftsfreiheit beitragen könnten, indem sie beispielsweise den Gefahren der internen Quersubventionierung der Krankenversorgung aus Mitteln für Forschung und Lehre mit Hilfe einer verbindlichen Trennungsrechnung zu begegnen suchen. Die Rechenschaftspflicht des Vorstands nach § 41 Abs. 2 Satz 3 und 4 NHG, § 5 Abs. 5 GO MHH genügt für sich genommen nicht, um das Fehlen eines auch auf Mitgestaltung gerichteten Teilhaberechts zu kompensieren.
Soweit die Befugnis über die Aufteilung der Budgets nach § 63e Abs. 2 Nr. 10 NHG die operative Umsetzung der Vorgaben des Wirtschaftsplans umfasst, stößt eine Zuweisung an den Vorstand nicht auf verfassungsrechtliche Bedenken, da die besonderen Belange der Wissenschaft durch das im Jahre 2013 eingefügte Vetorecht des für Forschung und Lehre zuständigen Vorstandsmitglieds gesichert werden. Sind mit der Budgetaufteilung allerdings tiefgreifende wissenschaftsrelevante Entscheidungen verbunden, dürften sie hier nicht ohne Mitwirkung des Senats als dem von gefächertem wissenschaftlichen Sachverstand geprägten Vertretungsorgan getroffen werden, deren Fehlen sich auch nicht durch eine Vetoposition im Vorstand kompensieren lässt. Es liegt im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, das Gesamtgefüge zur Sicherung der Wissenschaftsfreiheit selbst zu bestimmen.
Die wissenschaftsrelevante Befugnis zur Bereitstellung von Mitteln für zentrale Fonds für die Lehre und für die Forschung ist vom Gesetzgeber als Entscheidung über die Aufteilung des Gesamtbudgets der Hochschule konzipiert. Der Gesetzgeber hat diese Befugnis dem Vorstand zugewiesen, wobei den für Forschung und Lehre beziehungsweise für den Haushalt zuständigen Vorstandsmitgliedern jeweils Vetorechte zustehen. Es stößt angesichts des organisatorischen Gesamtgefüges jedoch auf verfassungsrechtliche Bedenken, dass der Senat nach den angegriffenen Regelungen an dieser Entscheidung überhaupt nicht beteiligt ist. In einem organisatorischen Gesamtgefüge, in der die Wissenschaftsfreiheit hinreichend geschützt ist, kann dies den verfassungsrechtlichen Anforderungen zwar genügen, wenn beispielsweise der Umfang der Mittel begrenzt ist. Zudem lässt sich eine strukturelle Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit vermeiden, wenn diese Entscheidung an einen unter Mitwirkung des Senats erstellten Wirtschaftsplan gebunden wird und eine Abweichung von dieser Bindung kontrolliert und korrigiert werden kann. All dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall.
Die Entscheidungsbefugnisse des Hochschul-Vorstands[↑]
Die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Regelungen über die Entscheidungsbefugnisse des für Forschung und Lehre zuständigen Vorstandsmitglieds stoßen in der hier gewählten Ausgestaltung auf durchgreifende Bedenken. Zwar trägt es zum Schutz der Wissenschaftsfreiheit bei, wenn in einem mehrköpfigen Vorstand eines Universitätsklinikums eine eigene Zuständigkeit für Angelegenheiten von Forschung und Lehre geschaffen wird, sofern der Senat auf die Berufung und Abbestellung dieses Vorstandsmitglieds wesentlichen Einfluss hat. Zudem entspricht es der Bedeutung der in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG garantierten Wissenschaftsfreiheit, wenn dieses Mitglied des Vorstands in einer medizinischen Hochschule zugleich die herausgehobene Funktion des Präsidenten oder der Präsidentin der Hochschule hat. Die Zuweisung wissenschaftsrelevanter Entscheidungsbefugnisse an eine Leitungsperson, die enger an die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen der Hochschule rückgebunden ist, kann die Mitwirkung eines Vertretungsorgans der akademischen Selbstverwaltung an derartigen Entscheidungen allerdings nicht vollständig ersetzen.
Die Zuweisung von Entscheidungsbefugnissen über die Organisation und Weiterentwicklung von Forschung und Lehre nach § 63e Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 NHG an das zuständige Mitglied des Vorstands hält im hier maßgeblichen Gesamtgefüge einer verfassungsrechtlichen Prüfung nicht stand. Es handelt sich dabei nicht lediglich um eine Aufgabenzuweisung zur Koordinierung, sondern nach der Konzeption des Gesetzes um echte Gestaltungsbefugnisse. Das verdeutlicht insbesondere § 63e Abs. 4 Satz 2 NHG, wonach über die Bildung von Schwerpunkten entschieden werden kann. An diesen sogar im Kern wissenschaftsrelevanten Entscheidungen ist der Senat nur bei grundsätzlicher Bedeutung und allein im Wege des Benehmens beteiligt. Damit hat der Gesetzgeber die verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht hinreichend beachtet, wonach einem – selbst nach den hier geltenden Vorschriften bestell- und abberufbaren – Vorstand nur Entscheidungen zugewiesen werden dürfen, die nicht selbstbestimmt getroffen werden müssen47. Zudem dürfte der Gesetzgeber zum organisatorischen Schutz der Wissenschaftsfreiheit vor Gefährdungen im Regelfall gehalten sein, gerade bei den Weichenstellungen, die Forschung und Lehre unmittelbar betreffen, ein Einvernehmen mit dem Vertretungsorgan akademischer Selbstverwaltung zu fordern.
Desgleichen ist jedenfalls im vorliegenden Gesamtgefüge die Entscheidungsbefugnis über die Aufteilung der Mittel für Forschung und Lehre nach § 63e Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und 4 NHG zu beanstanden. Auch hier entscheidet das Vorstandsmitglied lediglich im Benehmen mit dem Senat und unterliegt, soweit ersichtlich, keinen weiteren normativen Vorgaben (anders als beispielsweise in Hamburg, wo die Grundsätze für die Ausstattung und die Mittelverteilung vom Hochschulrat beschlossen werden, § 84 Abs. 1 Nr. 5 HmbHG48). Die im Einvernehmen mit dem Senat eingesetzte Forschungsdekanin und die Forschungskommission, deren Mitglieder alle zwei Jahre vom Senat gewählt werden, bewertet zwar interne Förderanträge, doch ist mit § 10 GO MHH nicht gesichert, dass so unter Mitwirkung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler über die Mittelverteilung entschieden wird.
Strukturelle Gefahren für die Wissenschaftsfreiheit[↑]
Die für die Wissenschaftsfreiheit strukturell bestehenden Gefahren werden im hier maßgeblichen Gesamtgefüge nicht durch die Regelungen über die Findung, Bestellung, Neubestellung und Entlassung des Vorstands kompensiert. Der Senat hat insbesondere keine Möglichkeit, sich selbstbestimmt von einem Leitungsorgan zu trennen, das von ihm nicht mehr akzeptiert wird. Das wiegt jedenfalls dann schwer, wenn dem Senat, wie hier, keine Kontroll- und Informationsrechte und insbesondere keine anderen Einflussbefugnisse in Gestalt von Vetorechten zustehen, so dass das Fehlen einer Befugnis zur Abwahl eine wirksame Kontrolle des Vorstands durch den Senat faktisch unmöglich macht49.
Der mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene § 63c Abs. 3 NHG zur Bestellung der Mitglieder des Vorstands stößt in einem Gesamtgefüge, in dem der Gesetzgeber dieses Leitungsorgan einerseits mit weitreichenden Befugnissen ausstattet, andererseits aber den Senat als akademisches Vertretungsorgan nicht durchgehend zur Mitwirkung berechtigt, jedenfalls teilweise auf durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken.
Dem aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG resultierenden Schutz vor wissenschaftsinadäquaten Organisationsstrukturen ist allerdings durch die mit der Änderung des § 63c Abs. 3 Satz 1 NHG nunmehr ausschlaggebende Mitwirkung des die Perspektiven der wissenschaftlich tätigen Angehörigen der Hochschule abbildenden Vertretungsorgans insofern Rechnung getragen, als es nun bei der Bestellung des für Forschung und Lehre zuständigen Vorstandsmitglieds das alleinige Vorschlagsrecht hat.
Keine verfassungsrechtlichen Einwände ergeben sich gegen die Vorschriften über die Bestellung des für die Krankenversorgung zuständigen Vorstandsmitglieds. Zwar sind in der Hochschulmedizin Forschung und Lehre und Krankenversorgung eng miteinander verzahnt. Auch hat das Vorstandsmitglied für die Krankenversorgung erhebliche wissenschaftsrelevante Mitentscheidungsbefugnisse, da Entscheidungen unter anderem über die Entwicklungsplanung, die Organisationsstruktur, die Zielvereinbarung, den Wirtschaftsplan, die Budgetaufteilung und den Lehr- und Forschungsfonds im Vorstand gemeinsam getroffen werden (§ 63e Abs. 2 Nr. 2, 3, 4, 5, 10, 11, § 63f Abs. 1 Satz 1 NHG). Doch liegt es im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, die Bestellungen dieses Vorstandsmitglieds an das Vorschlagsrecht eines externen Gremiums wie den in Niedersachsen mehrheitlich extern besetzten Hochschulrat (§ 52 NHG) zu binden. Den wissenschaftlichen Belangen trägt der Gesetzgeber zumindest seit 2013 in vertretbarer Weise Rechnung, insoweit er dem Senat das Recht zur Stellungnahme zu dieser Bestellung einräumt.
Die Ausgestaltung der Kreation des Leitungsorgans der Hochschule stößt bei der derzeitigen Ausgestaltung der Befugnisse des Vorstands insofern auf verfassungsrechtliche Bedenken, als das für Wirtschaftsführung und Administration zuständige Vorstandsmitglied ohne hinreichende Mitwirkung des Senats auf Vorschlag des externen Hochschulrats im Einvernehmen mit dem für Forschung und Lehre zuständigen Vorstandsmitglied bestellt wird. Nach dem vom niedersächsischen Gesetzgeber gewählten dreiköpfigen Vorstandsmodell mit eigenen Ressorts ist dieses Vorstandsmitglied sowohl der Krankenversorgung wie auch der Wissenschaft verpflichtet. Der Senat kann zu der Bestellung auch nach der 2013 neu gefassten Regelung nur Stellung nehmen. Anders als die Krankenversorgung handelt es sich jedoch bei den Haushaltsangelegenheiten nicht um eine Aufgabe, die in den prägenden Bereichen gänzlich anderen, wissenschaftsfremden Eigengesetzlichkeiten unterliegt. Vielmehr sind Haushaltsentscheidungen in der Sache regelmäßig auch Entscheidungen über die tatsächliche Möglichkeit, medizinische Forschung und Lehre zu betreiben. Auch hat der niedersächsische Gesetzgeber dem für den Haushalt zuständigen Vorstandsmitglied erhebliche Mitwirkungsbefugnisse an wissenschaftsrelevanten Entscheidungen zugewiesen, die über die des für Krankenversorgung zuständigen Mitglieds hinausgehen, weil ihm bei der Entscheidung über die Organisationsstruktur, den Wirtschaftsplan und die Lehr- und Forschungsfonds eigene Vetorechte zukommen (§ 63f Abs. 1 Satz 4 NHG). Diesen steht nur bei der Bereitstellung von Mitteln für einen Lehr- und einen Forschungsfonds (§ 63e Abs. 2 Nr. 11 NHG) ein gegenläufiges Vetorecht des für Forschung und Lehre zuständigen Mitglieds des Vorstands gegenüber.
Die zum Schutz der Wissenschaftsfreiheit erforderliche Mitwirkung eines Vertretungsorgans bei der Kreation einer wie hier starken Hochschulleitung darf nicht dadurch in Frage gestellt sein, dass dem Staat die Möglichkeit verbleibt, die Bestellung nach § 63c Abs. 1 Satz 1 und 2 NHG beliebig nach Maßstäben einer eigenen Personalpolitik zu versagen. Zwar nehmen die Hochschulen nicht nur Selbstverwaltungsaufgaben, sondern auch staatliche Aufgaben wahr. Daher darf die Besetzung der Leitung als Kondominialangelegenheit von Staat und Hochschule ausgestaltet50, aber auch als Angelegenheit der Selbstverwaltung allein dem Vertretungsorgan der Hochschule zugewiesen werden (vgl. § 39 Abs. 2 Hessisches Hochschulgesetz, § 63 Abs. 2 Satz 1 Brandenburgisches Hochschulgesetz, § 80 Abs. 1 Satz 1 Hamburgisches Hochschulgesetz). Jedenfalls dürfen die Mitwirkungsrechte der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler selbst weder durch staatliche Befugnisse noch durch Befugnisse eines mehrheitlich extern besetzten Hochschulrats entwertet werden. Dementsprechend ist auch das in § 63c Abs. 1 Satz 1 und 2 NHG geregelte Bestellungsrecht so zu verstehen, dass dem Staat hier kein freies politisches Ermessen zusteht. Die Bestellung des für Forschung und Lehre zuständigen Vorstandsmitglieds darf nur versagt werden, wenn rechtlich tragfähige Gründe vorliegen, die also von einem die Wissenschaft als Bereich autonomer Verantwortung achtenden, entsprechend gewichtigen öffentlichen Interesse getragen sein müssen.
Durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet es, der Bestellung einer wie hier mit weitreichenden Befugnissen ausgestatteten Hochschulleitung ein Findungsverfahren vorzuschalten, in dem – anders als nach dem für sonstige Hochschulen geltenden § 38 Abs. 2 Satz 2 NHG – eine Mitwirkung der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen nicht hinreichend gesichert ist. Dem Findungsverfahren, das der Gesetzgeber mit § 63c Abs. 2 Satz 1 NHG zwingend vorschaltet, da er anders als in § 38 Abs. 2 Satz 4 NHG keine Empfehlung normiert hat, kommt nach der Konzeption des Gesetzgebers für die Bestellung der Vorstandsmitglieder entscheidende Bedeutung zu. Zwar muss dem Vorschlag einer Findungskommission nicht gefolgt werden, doch kann die Findungskommission entscheidend filtern, wer überhaupt als Vorstandsmitglied in Betracht gezogen wird. Insofern gelten die Mitwirkungsanforderungen zum Schutz der Wissenschaftsfreiheit, die hier an die Bestellung von Vorstandsmitgliedern zu richten sind, auch für die Ausgestaltung des Findungsverfahrens. Die Mitwirkung des Vertretungsorgans an der Findung von Vorstandsmitgliedern muss im hier zu beurteilenden Gesamtgefüge gewichtig sein, um Gefährdungen der Wissenschaftsfreiheit auszuschließen, weil dem Vorstand umfangreiche und substanzielle wissenschaftsrelevante Entscheidungsbefugnisse zugewiesen sind und er nur begrenzt weiteren Kontrollmechanismen – durch normative Bindungen oder durch Einwirkungsrechte – unterliegt.
Die Regelung des § 63c Abs. 2 Satz 1 NHG erweist sich im Gesamtgefüge insoweit als defizitär, als dem Senat als Vertretungsorgan akademischer Selbstverwaltung bei der Findung des Vorstandsmitglieds für Forschung und Lehre ein ausschlaggebender Einfluss fehlt. Der Gesetzgeber muss sicherstellen, dass gerade für das Wissenschaftsressort in einem mehrköpfigen Vorstand keine Person vorgeschlagen werden kann, die nicht das Vertrauen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler genießt.
Die Ausgestaltung der Findung eines Vorstandsmitglieds mit der Zuständigkeit für die Krankenversorgung unterliegt zwar nicht denselben Mitwirkungsanforderungen wie die Findung des Vorstandsmitglieds für Forschung und Lehre. Jedoch sind beide Aufgabengebiete miteinander verzahnt und im Vorstandsmodell auch Entscheidungsbefugnisse miteinander verbunden, weshalb eine Findung ohne jegliche Mitwirkung des Senats als dem Vertretungsorgan der Grundrechtsträger eine strukturelle Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit darstellt.
Ein Findungsverfahren hinsichtlich des für den Haushalt der Hochschule zuständigen Vorstandsmitglieds muss ebenfalls sicherstellen, dass die Belange der Wissenschaft hinreichend gewichtig zum Tragen kommen. Daraus folgt die Aufgabe für den Gesetzgeber, eine Mitwirkung des Vertretungsorgans an der Findung entsprechend auszugestalten. Die Regelung des Niedersächsischen Hochschulgesetzes, wonach bei diesem Vorstandsmitglied zwei von elf stimmberechtigten Mitgliedern der Findungskommission durch den Senat bestimmt werden, erscheint angesichts der gewichtigen Befugnisse des Vorstands daher als nicht hinreichend.
Auch die Regelungen zur Neubestellung einer Hochschulleitung unterliegen im Ausgangspunkt denselben Anforderungen an die Mitwirkung des Vertretungsorgans und damit an die Legitimation durch die Grundrechtsträger, die auch an die Bestellung und die Findung zu stellen sind. Allerdings darf der Gesetzgeber hier berücksichtigen, ob an der erstmaligen Bestellung das Vertretungsorgan akademischer Selbstverwaltung mitgewirkt hat.
Die Regelung in § 63c Abs. 4 Satz 1 NHG, die das Vorschlagsrecht zur Neubestellung des für Forschung und Lehre zuständigen Mitglieds dem Senat zuweist, dann eine Stellungnahme des Hochschulrats und schließlich die Bestellung durch das Fachministerium vorsieht, ist dann verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn der Senat an Findung und Bestellung entsprechend mitgewirkt hat.
Verfassungsrechtlich unbedenklich ist auch die Ausgestaltung der Neubestellung für das Vorstandsmitglied für die Krankenversorgung, das auf Vorschlag des Vorstands im Einvernehmen mit dem Hochschulrat und einer Stellungnahme des Senats erneut bestellt werden kann (§ 63c Abs. 4 Satz 2 NHG). Die gering ausgeprägte Mitwirkung des Senats rechtfertigt sich aus der anders gearteten Aufgabenstellung dieses Vorstandsmitglieds.
Eine strukturelle Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit ist allerdings nicht ausgeschlossen, wenn der Gesetzgeber die Mitwirkung des Vertretungsorgans bei der Neubestellung des für Haushalt zuständigen Vorstandsmitglieds auf die zurückgenommene Möglichkeit der Stellungnahme beschränkt (§ 63c Abs. 4 Satz 2 NHG).
Im Gesamtgefüge der Hochschulorganisationen kommt der Möglichkeit des Vertretungsorgans, sich von einem Leitungsorgan zu trennen, umso größere Bedeutung zu, je mehr Befugnisse diesem zugewiesen und dem Vertretungsorgan entzogen sind37.
Verfassungsrechtlich unbedenklich ist es, wenn der Gesetzgeber hier auch die Perspektive extern besetzter Organe, also hier diejenige des Hochschulrats, zur Geltung kommen lässt (§ 63c Abs. 5 Satz 2 und 3 NHG), solange dieser dem Vertretungsorgan akademischer Selbstverwaltung sein Mitwirkungsrecht nicht aus der Hand nehmen kann (§ 63c Abs. 5 Satz 4 NHG).
Verfassungsrechtlich unbedenklich ist auch, wenn der Staat eine derart schwerwiegende Entscheidung wie die Entlassung eines Vorstands- oder Präsidiumsmitglieds nochmals bestätigen muss. Soweit es sich jedoch um Vorstandsmitglieder handelt, denen wissenschaftsrelevante Befugnisse zukommen, darf ein solches Aufsichtsrecht des Staates die Selbstbestimmungsrechte der Grundrechtsträger nicht konterkarieren. Daher stößt es nicht auf Bedenken, wenn § 63c Abs. 5 Satz 1 NHG vorgibt, dass das Fachministerium das für Forschung und Lehre zuständige Vorstandsmitglied auf Vorschlag des Senats entlassen „soll“. Im Unterschied dazu räumt der Gesetzgeber dem Fachministerium bei der Entlassung der anderen Vorstandsmitglieder ein Ermessen ein, über den Vorschlag des Vorstands im Einvernehmen mit dem Hochschulrat (§ 63c Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 2 NHG) und mit der Möglichkeit zur Stellungnahme des Senats zu entscheiden; das Fachministerium „kann“ dem Vorschlag nach § 63c Abs. 6 Satz 1 NHG folgen. Soweit das für das Vorstandsmitglied für Krankenversorgung gilt, ist dies verfassungsrechtlich unbedenklich, da den besonderen Belangen des Krankenversorgungsauftrags auf diese Weise Rechnung getragen werden darf. Verfassungsrechtlich bedenklich ist diese Ausgestaltung der Mitwirkungsrechte jedoch bei dem Vorstandsmitglied für Wirtschaftsführung und Administration, das wissenschaftsrelevante Entscheidungsbefugnisse hat.
Die Regelung des § 63c Abs. 5 Satz 1 und 2 NHG stößt insoweit auf durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken, als sie die Belange der Wissenschaft an einer ausschlaggebenden Mitwirkung an der Kreation von Leitungsorganen zugunsten des Schutzes der Interessen des betroffenen Leitungsorgans an einem Verbleib im Amt zu stark zurückdrängt. Zwar muss der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung von Entlassungsverfahren nicht nur das Interesse der Grundrechtsträgerinnen und Grundrechtsträger des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG berücksichtigen, an der Bestellung und Abberufung der für Wissenschaftsbelange zuständigen Leitungsorgane ausschlaggebend mitzuwirken. Der Gesetzgeber kann über die dem Staat zustehenden Aufsichtsrechte hinaus vielmehr auch die Interessen der betroffenen Person zu schützen suchen. Jedoch drängt ein Entlassungsverfahren wie in § 63c Abs. 5 Satz 1 und 2 NHG, wonach das Vertretungsorgan zwar eine Entlassung vorschlagen darf, dabei aber an eine Dreiviertelmehrheit und einen wichtigen Grund gebunden ist, die Belange der Wissenschaft in einem diese gefährdenden Maß zurück. Zwar ist es verfassungsrechtlich zulässig, Entscheidungen von Vertretungsorganen an qualifizierte Mehrheiten zu binden. Doch stößt es auf erhebliche Bedenken, wenn diese von den Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen allein nicht erreicht werden kann51 und die Entlassung überdies an eng gefasste sachliche Voraussetzungen geknüpft wird. Es ist verfassungsrechtlich zulässig und zum Schutz der Betroffenen auch geboten, eine Entlassungsentscheidung an sachliche Kriterien zu binden. Die Bindung der Entlassung an einen wichtigen Grund muss angesichts des hier sehr hoch angesetzten Quorums jedoch zur Wahrung der Wissenschaftsfreiheit so verstanden werden, dass dieser Grund gegeben ist, wenn die erforderliche Mehrheit im Vertretungsorgan für die Abbestellung votiert; dieses weist dann grundsätzlich darauf hin, dass ein Leitungsorgan das Vertrauen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verloren hat52.
Das hochschulorganisatorische Gesamtgefüge, das die angegriffenen Regelungen der §§ 63c, 63e NHG nach dem Integrationsmodell zur Organisation der Hochschulmedizin und nach dem Vorstandsmodell zur Organisation der Hochschulleitung ausgestalten, verstößt auch unter Berücksichtigung des weiten Spielraums, der dem Gesetzgeber bei der Gestaltung der Hochschulorganisation zukommt, und auch unter Berücksichtigung des Auftrags, bei der Organisation der Hochschulmedizin die Aufgabe der Krankenversorgung hinreichend zu berücksichtigen, gegen Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Die dem Vorstand insgesamt und die dem für Forschung und Lehre zuständigen Vorstandsmitglied allein zugewiesenen Entscheidungsbefugnisse werden weder durch Mitwirkungsrechte des Vertretungsorgans akademischer Selbstverwaltung selbst noch durch die Beteiligung an der Kreation der Leitung durch das Vertretungsorgan hinreichend gegen die strukturelle Gefahr wissenschaftsinadäquater Entscheidungen gesichert. Vetopositionen innerhalb des Vorstands können die fehlenden Mitwirkungsrechte des Vertretungsorgans nicht kompensieren.
Verbot des Einzelfallgesetztes, Art.19 Abs. 1 S. 1 GG[↑]
Anhaltspunkte für eine Verletzung von Art.19 Abs. 1 Satz 1 GG sind nicht ersichtlich. Auch Organisationsgesetze, die eine einzige Hochschule verfassen, begründen Zuständigkeiten, Aufgaben, Befugnisse und Verfahren für eine Vielzahl von Fällen.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 24. Juni 2014 – 1 BvR 3217/07
- NdsGVBl 2006 S. 538 – NHG[↩]
- NdsGVBl S. 287[↩]
- NdsGVBl S. 69; zuletzt geändert durch Gesetz vom 11.12 2013, NdsGVBl S. 287[↩]
- NdsGVBl S. 13 – NHG a.F.[↩]
- NdsGVBl 1998 S. 300; später § 46 NHG, NdsGVBl 2002 S. 286; NdsGVBl 2004 S. 33[↩]
- Verordnung zur Neuregelung von Aufgaben und Organisation der Hochschulmedizin – HumanmedVO – NdsGVBl S. 670[↩]
- NdsGVBl S. 596[↩]
- NdsGVBl S. 12[↩]
- NdsGVBl S. 562[↩]
- vgl. LTDrucks 15/2670, S. 61 f.[↩]
- Wissenschaftsrat, Allgemeine Empfehlungen zur Universitätsmedizin, 2007, S. 45 ff.[↩]
- Loos/Albrecht/Sander/Schliwen, in: EFI (Hrsg.), Forschung und Innovation in der Universitätsmedizin, 2014, S. 88[↩]
- vgl. die gesetzliche Verankerung der Trennungsrechnung in § 25 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2, § 24 Abs. 2 UniMedG, Berlin; § 17 Abs. 1 und 3, § 21 UKEG, Hamburg; § 18 Abs. 2 und 3 UMG, Rheinland-Pfalz; § 94 Abs. 3 und 5 ThürHG für die Hochschulmedizin nach dem Integrationsmodell; vgl. für die Hochschulmedizin nach dem Kooperationsmodell Art. 5 Abs. 2 Satz 2, Art. 12 Satz 2 BayUniKlinG[↩]
- vgl. BVerfGE 61, 210, 233[↩]
- vgl. BVerfGE 35, 79, 108; 111, 333, 352; 127, 87, 113[↩]
- vgl. für Hochschullehrende BVerfGE 127, 87, 125 m.w.N.[↩]
- vgl. BVerfGE 127, 87, 114; stRspr[↩]
- vgl. BVerfGE 35, 79, 121[↩]
- vgl. dazu BVerfGE 57, 70, 98 ff.[↩]
- vgl. BVerfGE 47, 327, 370; 111, 333, 354; 127, 87, 115[↩]
- vgl. BVerfGE 35, 79, 115 f.[↩]
- vgl. BVerfGE 127, 87, 115; 130, 263, 299 f.[↩]
- vgl. BVerfGE 35, 79, 116; 127, 87, 116 f. m.w.N.; stRspr[↩]
- vgl. BVerfGE 35, 79, 120[↩]
- vgl. BVerfGE 127, 87, 116 ff.[↩]
- vgl. BVerfGE 127, 87, 115 f.[↩]
- vgl. BVerfGE 35, 79, 123[↩][↩]
- vgl. BVerfGE 35, 79, 123; 61, 260, 279; 127, 87, 124 ff., 126[↩]
- vgl. BVerfGE 35, 79, 114 f.[↩]
- vgl. BVerfGE 57, 70, 98 ff.; siehe auch BVerfGE 111, 333, 359; 127, 87, 125[↩]
- vgl. BVerfGE 127, 87, 116 f.[↩]
- vgl. BVerfGE 127, 87, 118[↩]
- zum funktionalen Pluralismus BVerfGE 35, 79, 126 ff.[↩]
- vgl. BVerfGE 111, 333, 357 f.; 127, 87, 118[↩]
- vgl. für die Gruppe der Hochschullehrenden BVerfGE 35, 79, 145[↩]
- vgl. BVerfGE 111, 333, 365[↩]
- vgl. BVerfGE 127, 87, 130 f.[↩][↩]
- vgl. BVerfGE 35, 79, 122 f.[↩]
- vgl. BVerfGE 57, 70, 98 f.[↩]
- vgl. BVerfGE 57, 70, 99[↩]
- vgl. Fehling, Die Verwaltung 2002, S. 399, 417; Becker, Das Recht der Hochschulmedizin, 2005, S. 112 ff.[↩]
- vgl. Wissenschaftsrat, Empfehlungen zur Struktur der Hochschulmedizin, 1999, S. 47 ff.; grundsätzlich Becker, Das Recht der Hochschulmedizin, 2005, S. 61 ff.[↩]
- vgl. BVerfGE 127, 87, 127[↩]
- vgl. Groß, DVBl 2005, S. 721, 726 f.; Trute, WissR 2000, S. 134, 144; 154; vorsichtiger Fehling, Die Verwaltung 2002, S. 399, 409[↩]
- unten C. II. 4.[↩]
- vgl. BVerfGE 127, 87, 119 f.[↩]
- vgl. BVerfGE 35, 79, 126 ff.; 127, 87, 118[↩]
- vgl. BVerfGE 127, 87, 125[↩]
- vgl. BVerfGE 127, 87, 131; oben C. I. 6.[↩]
- vgl. BVerfGE 111, 333, 362 f.[↩]
- vgl. BVerfGE 127, 87, 130 f. und bereits BVerfGE 35, 79, 132 f.[↩]
- vgl. auch BVerwGE 135, 286, 301[↩]