Nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG ist der Sachverhalt, aus dem sich die Grundrechtsverletzung ergeben soll, substantiiert und schlüssig darzulegen. Ferner muss sich die Verfassungsbeschwerde mit dem zugrundeliegenden einfachen Recht sowie mit der verfassungsrechtlichen Beurteilung des vorgetragenen Sachverhalts auseinandersetzen. Aus dem Vortrag eines Beschwerdeführers muss sich mit hinreichender Deutlichkeit die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung ergeben1.

Der Anspruch auf rechtliches Gehör bedeutet, dass das entscheidende Gericht durch die mit dem Verfahren befassten Richter die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen muss2.
Ob das einfache Recht dabei in jeder Hinsicht richtig angewandt worden ist, hat das Bundesverfassungsgericht nicht nachzuprüfen; selbst wenn sich hier Bedenken ergäben, führte dies nicht zu einer Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG3. Auch sind die Gerichte durch Art. 103 Abs. 1 GG nicht verpflichtet, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden4. Die wesentlichen, der Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung dienenden Tatsachenbehauptungen und Rechtsausführungen müssen aber jedenfalls in den Entscheidungsgründen verarbeitet werden5. Grundsätzlich ist deshalb davon auszugehen, dass ein Gericht das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat, da es nach Art. 103 Abs. 1 GG nicht verpflichtet ist, jedes Vorbringen in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich zu verbescheiden6. Nur dann, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass ein Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und zu erwägen, nicht nachgekommen ist, ist Art. 103 Abs. 1 GG verletzt7.
Die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör kann jedoch nur Erfolg haben, wenn die angefochtene gerichtliche Entscheidung auf einer Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG beruht, wenn also nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Anhörung des Beschwerdeführers das Gericht zu einer anderen Beurteilung des Sachverhalts oder in einem wesentlichen Punkt zu einer anderen Würdigung veranlasst oder im Ganzen zu einer anderen, ihm günstigeren Entscheidung geführt hätte8. Aus diesem Grunde ist der Substantiierungspflicht aus § 92 BVerfGG bei der Rüge eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG nur genügt, wenn der Beschwerdeführer darlegt, was er bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs vorgetragen hätte und welche Folgen sich daraus für die angegriffene Entscheidung ergeben hätten9.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2022 – 2 BvR 354/21
- vgl. BVerfGE 78, 320 <329>[↩]
- vgl. BVerfGE 11, 218 <220> 70, 215 <218> 72, 119 <121> 79, 51 <61> 83, 24 <35> 96, 205 <216> stRspr[↩]
- vgl. BVerfGE 67, 90 <95> 70, 288 <294>[↩]
- BVerfGE 5, 22 <24> 22, 267 <274> 96, 205 <216 f.> 134, 106 <117 Rn. 32> stRspr[↩]
- vgl. BVerfGE 47, 182 <189> 51, 126 <129> 58, 353 <357>[↩]
- vgl. BVerfGE 5, 22 <24>[↩]
- vgl. BVerfGE 25, 137 <140 f.>[↩]
- vgl. BVerfGE 7, 239 <241> 18, 147 <150> 28, 17 <19 f.> 62, 392 <396> 89, 381 <392 f.> 112, 185 <206> BVerfGK 15, 116 <119> 19, 377 <383> stRspr[↩]
- vgl. BVerfGE 28, 17 <20> 72, 122 <132> 91, 1 <25 f.> 112, 185 <206>[↩]