§ 24 LFGB ist eine Ausnahmeregelung, die auf der Grundlage von § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB abweichend vom Verschuldenserfordernis als Regelform des Vertretenmüssens eine strengere Haftung bestimmt.

Danach haftet der Verkäufer von Futtermitteln, sofern er keine Angaben über die Beschaffenheit des Futters gemacht hat und dieses nicht der handelsüblichen Reinheit und Unverdorbenheit entspricht, dem Käufer gemäß § 280 Abs. 1 BGB, § 24 LFGB verschuldensunabhängig auf Schadensersatz.
Im Hinblick auf den Ausnahmecharakter des § 24 LFGB erstreckt sich die verschuldensunabhängige Haftung des Futtermittelverkäufers nicht auf Fälle, in denen lediglich der Verdacht besteht, dass das gelieferte Futtermittel nicht der handelsüblichen Reinheit und Unverdorbenheit entspricht.
Der auf konkreten Tatsachen beruhende, nicht auszuräumende Verdacht einer erheblichen Kontamination des gelieferten Futtermittels, welches zur Verfütterung an der Lebensmittelgewinnung dienende Tiere bestimmt ist, ist als Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB anzusehen. Insoweit kommt eine Verschuldenshaftung des Verkäufers nach § 437 Nr. 3, § 280 Abs. 1 BGB in Betracht.
Verschuldensunabhängige Haftung des Futtermittelhändlers
Die in § 280 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 24 LFGB aF1 angeordnete verschuldensunabhängige Haftung des Futtermittelverkäufers beschränkt sich auf die handelsübliche Reinheit und Unverdorbenheit der gelieferten Futtermittel. Es kommt deshalb insoweit entscheidend auf die Frage an, ob das von der Händlerin an den Landwirt gelieferte Futtermittel tatsächlich in einem die einschlägigen Grenzwerte überschreitenden Umfang mit Dioxin belastet war.
Der Futtermittelverkäufer haftet gemäß § 24 LFGB aF dem Käufer verschuldensunabhängig auf Schadensersatz, wenn er keine Angaben über die Beschaffenheit des Futters gemacht hat und dieses nicht der handelsüblichen Reinheit und Unverdorbenheit entspricht. Die Vorschrift bestimmt unter der Überschrift „Gewähr für die handelsübliche Reinheit und Unverdorbenheit“:
„Macht der Veräußerer bei der Abgabe von Futtermitteln keine Angaben über die Beschaffenheit, so übernimmt er damit die Gewähr für die handelsübliche Reinheit und Unverdorbenheit. Futtermittel gelten insbesondere nicht als von handelsüblicher Reinheit, wenn sie einer nach § 23 Nr. 1 Buchstabe a erlassenen Rechtsverordnung nicht entsprechen.“
Nach dieser Regelung gilt die handelsübliche Reinheit des Futtermittels als vereinbart, sofern der Veräußerer keine Angaben über die Beschaffenheit macht. Nicht handelsüblich sind Futtermittel, bei denen festgesetzte Höchstmengen an unerwünschten Stoffen überschritten sind2.
Gemäß § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB hat der Schuldner Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos zu entnehmen ist. § 24 LFGB aF ist eine gesetzliche Bestimmung, die eine strengere Haftung des Futtermittelunternehmers anordnet3, weswegen es der Annahme einer Garantiehaftung im Sinne von § 443 BGB entgegen einer im Schrifttum vertretenen Auffassung4 nicht bedarf, weil diese lediglich als ergänzende Fallgruppe einer verschuldensunabhängigen Einstandspflicht aufgeführt ist5.
§ 24 LFGB aF begründet eine verschuldensunabhängige Haftung des Futtermittelunternehmers. Bereits die Vorläuferregelungen sahen eine verschuldensunabhängige Haftung des Futtermittelverkäufers vor, die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.20016 aus dem Fehlen kraft Gesetzes zugesicherter Eigenschaften gemäß § 463 Satz 1, § 459 Abs. 2 BGB aF hergeleitet wurde (aa). Zwar ist der Schadensersatzanspruch des Käufers wegen des Fehlens einer zugesicherten Eigenschaft der verkauften Sache mit der Schuldrechtsmodernisierung in dem allgemeinen Schadensersatzanspruch wegen einer vom Verkäufer zu vertretenden Pflichtverletzung aufgegangen7. Der Gesetzgeber des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs wollte die Rechtsstellung des Futtermittelkäufers jedoch erklärtermaßen nicht schwächen.
§ 24 LFGB aF geht auf § 6 des Futtermittelgesetzes vom 22.12 19268 zurück. § 6 FMG 1926 lautete:
„Macht der Veräußerer bei der Veräußerung von Futtermitteln keine Angaben über die Beschaffenheit, so übernimmt er damit die Gewähr für die handelsübliche Reinheit und Unverdorbenheit.“
Die Bedeutung der Norm lag namentlich darin, dass der Veräußerer, wenn er bei der Abgabe des Futtermittels keine Beschaffenheitsangaben macht, damit die Eigenschaften „handelsübliche Reinheit und Unverdorbenheit“ im Sinne von § 459 Abs. 2 BGB aF zusicherte. Fehlte dem veräußerten Futtermittel die handelsübliche Reinheit und Unverdorbenheit, so haftete der Veräußerer gemäß § 463 Satz 1 BGB aF verschuldensunabhängig auf Schadensersatz9. Der Bundesgerichtshof hat zur Begründung darauf abgestellt, dass der Veräußerer gesetzlich verpflichtet ist, wenn die handelsübliche Reinheit und Unverdorbenheit nicht gegeben ist, über diese Mängel bei der Veräußerung Angaben zu machen10. Hätte § 6 FMG 1926 lediglich zum Ausdruck bringen wollen, dass der Verkäufer gegenüber dem Tierhalter zur Lieferung handelsüblicher Ware verpflichtet sei, wäre die Vorschrift von geringer Bedeutung, denn nach § 243 BGB habe der Verkäufer von Futtermitteln ohnehin Ware mittlerer Art und Güte zu liefern. Für das Auslegungsergebnis, dass nach § 6 FMG 1926 der Veräußerer auch bei Schweigen über Reinheit und Unverdorbenheit stillschweigend diese Eigenschaften als vorhanden zusichere, spreche auch der Zweck des Gesetzes. Der vom Gesetzgeber gewollte Schutz des Tierhalters sei nur dann gegeben, wenn der Verkäufer nicht nur im Rahmen der allgemeinen Mängelhaftung für die handelsübliche Reinheit und Unverdorbenheit des Futtermittels einzustehen habe11.
Diese Erwägungen haben ihre Berechtigung nicht verloren. Sie sind vielmehr verstärkt worden, weil der Gesetzeszweck nicht auf den Schutz des Tierhalters beschränkt werden kann, sondern auch ein hohes Maß an Schutz für Leben und Gesundheit des Menschen gewährleisten soll12. Zwar hat der Bundesgerichtshof zusätzlich ausgeführt, dass § 6 FMG 1926 die vorhergehenden §§ 4, 5 ergänze, wonach der Verkäufer verpflichtet war, bestimmte Angaben über den Gehalt an wertbestimmenden Bestandteilen des Futtermittels zu machen (sogenannte Deklarationspflicht; BGH, Urteil vom 24.11.1971 – VIII ZR 81/70, aaO 297). Entgegen der Ansicht der Revision13 rechtfertigt es keine andere Beurteilung, dass diese beiden Bestimmungen in Wegfall gekommen sind. Aus dem Gesamtzusammenhang des BGH, Urteils wird deutlich, dass dieser Zusatzerwägung keine entscheidende Bedeutung zuzumessen ist.
In der weiteren Gesetzgebungsgeschichte der Vorschrift ist die verschuldensunabhängige Haftung des Futtermittelunternehmers bestätigt worden. § 6 FMG 1926 wurde von § 7 Abs. 3 des Futtermittelgesetzes vom 02.07.197514 übernommen. Der Bundesgerichtshof hat im Anschluss an sein Urteil vom 24.11.197115 und unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien, wonach ein Schweigen des Veräußerers zwingend als Zusicherung der handelsüblichen Reinheit und Unverdorbenheit im Sinne von § 459 Abs. 2 BGB aF anzusehen sei16, ausgesprochen, dass für § 7 Abs. 3 des Futtermittelgesetzes 1975 nichts anderes gelte als zuvor17.
An der verschuldensunabhängigen Haftung des Futtermittelunternehmers hat der Gesetzgeber nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts festgehalten.
§ 7 Abs. 3 des Futtermittelgesetzes 1975 wurde durch das Gesetz vom 21.07.2004 zur Änderung des Futtermittelgesetzes und Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz18 neu gefasst und lautete:
„Macht der Veräußerer bei der Abgabe von Futtermitteln, Zusatzstoffen und Vormischungen keine Angaben über deren Beschaffenheit, so übernimmt er damit die Gewähr für die handelsübliche Reinheit und Unverdorbenheit. Futtermittel, Zusatzstoffe und Vormischungen gelten insbesondere nicht als von handelsüblicher Reinheit, wenn sie einer nach § 4 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a erlassenen Rechtsverordnung nicht entsprechen.“
In der Neufassung des § 7 Abs. 3 wurde Satz 1 des bis dahin geltenden Rechts – bis auf die Aufnahme von Zusatzstoffen und Vormischungen – unverändert in das neue Recht übernommen und lediglich ein zweiter Satz eingefügt, der dazu diente, den Begriff der handelsüblichen Reinheit in Satz 1 zu konkretisieren. Dies weist bereits darauf hin, dass der Gesetzgeber keinen Anlass gesehen hat, von der verschuldensunabhängigen Haftung des Futtermittelunternehmers abzuweichen.
Aufgrund des Gesetzes zur Neuordnung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts vom 01.09.200519 trat am 7.09.2005 das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch in Kraft. Da mit der Ablösung des Futtermittelgesetzes durch das LFGB auch Futtermittelzusatzstoffe und Vormischungen in die Definition des Futtermittelbegriffs einbezogen wurden, konnte die gesonderte Bezugnahme auf Futtermittelzusatzstoffe und Vormischungen in der im Übrigen unverändert in das LFGB als § 24 übernommenen Vorschrift wieder entfallen. Die im Streitfall geltende Fassung des § 24 LFGB entspricht dieser Gesetzesfassung. Die amtliche Begründung lautet: „Die Regelung überführt § 7 Abs. 3 FMG„20. Das verdeutlicht den Willen des Gesetzgebers, eine verschuldensunabhängige Haftung des Futtermittelverkäufers, der bei Abgabe des Futtermittels keine Angaben über dessen Beschaffenheit macht, für die handelsübliche Reinheit und Unverdorbenheit auch nach der Schuldrechtsreform beizubehalten21. Die Sichtweise der Revision, dass für eine solche Haftung des Futtermittelunternehmers kein Bedürfnis mehr bestehe, wird dem Willen des Gesetzgebers nicht gerecht.
Entgegen der Ansicht der Revision ist die Bestimmung auch nicht systemwidrig, sondern steht mit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz in Einklang. Zwar ist der Schadensersatzanspruch des Käufers wegen der Lieferung einer mangelhaften Sache durch den Verkäufer gemäß § 437 Nr. 3, § 280 Abs. 1 BGB von einem Vertretenmüssen des Verkäufers abhängig. Das bedeutet jedoch nicht, dass neben der kaufrechtlichen Sachmängelhaftung keine verschuldensunabhängige Haftung angeordnet werden könnte.
Mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs sowie anderer Vorschriften vom 27.07.201122, welches am 4.08.2011 in Kraft getreten ist, wurde § 24 LFGB an das Unionsrecht angepasst. Mit Rücksicht auf die VO [EG] Nr. 767/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.07.2009 über das Inverkehrbringen und die Verwendung von Futtermitteln23 lautet § 24 LFGB seitdem:
„Der Verkäufer eines Futtermittels übernimmt die Gewähr dafür, dass das Futtermittel die in Artikel 4 Absatz 2 Unterabsatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EG) Nr. 767/2009 bezeichneten Anforderungen erfüllt.“
Die Neufassung des § 24 LFGB ist im hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Streitfall zwar noch nicht anwendbar. Die Gesetzesmaterialien bekräftigen jedoch, dass der Gesetzgeber den Schutz des Futtermittelkäufers nach der Schuldrechtsmodernisierung nicht verringern wollte, denn in den Gesetzesmaterialien heißt es, dass „die bereits durch das Futtermittelgesetz aus dem Jahre 1926 eingeführte und im Futtermittelgesetz aus dem Jahre 1975 und dem Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch im Jahre 2005 fortgeschriebene, die Rechte des Käufers eines Futtermittels stärkende Regelung weiter beibehalten werden“ solle24. Dies trifft jedenfalls für die im Streitfall maßgebliche Fassung des § 24 LFGB zu. Ob der Gesetzgeber des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs sowie anderer Vorschriften vom 27.07.2011 die ursprüngliche Regelung nicht nur beibehalten, sondern darüber hinaus verschärft hat25, kann hier auf sich beruhen.
Die hiergegen erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken greifen nach Ansicht des Bundesgerichtshofs nicht durch:
Die nach Maßgabe des § 24 LFGB aF verschuldensunabhängige Haftung ist auch in Ansehung der durch Art. 12 GG geschützten Berufsfreiheit des Futtermittelunternehmers gerechtfertigt. § 24 LFGB aF zielt darauf ab, hohe Standards der Qualitätssicherung zum Zweck der frühzeitigen Bekämpfung unerwünschter Stoffe in Futtermittel zu gewährleisten. Die verschuldensunabhängig ausgestaltete Einstandspflicht des Futtermittelunternehmers ist betriebswirtschaftlich steuer- und beherrschbar. Der Futtermittelunternehmer wird keiner uferlosen Schadensersatzhaftung ausgesetzt, wenn eine Kontamination des in den Verkehr gebrachten Futtermittels – wie hier – eine Mitursache in dem der Kontrolle des Futtermittelunternehmers unterstehenden Einflussbereich hat. Er ist am besten in der Lage, im eigenen Betrieb ein sicheres System der Futtermittelherstellung einzurichten und dieses zur Grundlage der eigenen Kalkulation zu machen, um dafür zu sorgen, dass das von ihm ausgelieferte Futtermittel sicher ist26.
Es bedarf keiner Entscheidung, ob der Futtermittelunternehmer sich mit Rücksicht auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unter Anwendung des Rechtsgedankens des § 1 Abs. 2 ProdHaftG in bestimmten Fallgestaltungen entlasten kann. Es ist für den Bundesgerichtshof schon nicht ersichtlich, dass die tatsächlichen Voraussetzungen einer der dort aufgeführten Entlastungstatbestände im Streitfall gegeben sind.
Die Haftung des Futtermittelunternehmers gemäß § 24 LFGB aF verstößt nicht gegen das allgemeine Gleichheitsgebot in Art. 3 Abs. 1 GG. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Art. 3 Abs. 1 GG ist verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt. Weiterhin ist der allgemeine Gleichheitssatz dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen Gruppe anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können. Dafür kommt es wesentlich auch darauf an, in welchem Maß sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann27.
Danach ist die gesetzliche Wertung nicht zu beanstanden. Zwar gibt es für Lebensmittelunternehmer keine entsprechende Haftungsnorm. Die Gefahrenlage ist jedoch nicht vergleichbar28. Futtermittel wurden als sensibles Glied am Anfang der Lebensmittelkette bezeichnet29. Dies wird besonders deutlich, wenn schädliche Futtermittel – wie hier – anderen, an sich unschädlichen Futtermitteln beigemischt werden, so dass große Mengen insgesamt nicht verkehrsfähiger Futtermittel mit Umweltgiften in die Lebensmittelkette eingeschleppt werden und auf den Markt gelangen können30. Das rechtfertigt das Anliegen des Gesetzgebers, unzulässige Belastungen von Futtermitteln – als erstes Glied der Lebensmittelkette – schon auf der ersten Produktionsstufe zu vermeiden und Futtermittelunternehmer auf diese Weise zu veranlassen, auch die Qualität ihrer rückwärtigen Lieferkette zu sichern.
Haftung in nicht bestätigten Verdachtsfällen
Nach diesen Grundsätzen kommt eine verschuldensunabhängige Haftung der Händlerin nicht in Betracht, weil keine Dioxinbelastung des gelieferten Futtermittels festgestellt wurde. § 24 LFGB aF erfasst keine Schäden, die aufgrund von Verdachtsfällen entstanden sind. Zwar wäre dies mit dem Wortlaut vereinbar, denn auch verdächtiges Futtermittel ist nicht handelsüblich. Im Hinblick auf den Ausnahmecharakter der Bestimmung, die auf der Grundlage von § 276 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BGB vom Verschuldenserfordernis als Regelform des Vertretenmüssens von Pflichtverletzungen (§ 276 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 BGB) abweicht, ist jedoch eine enge Auslegung geboten.
Die Gesetzesmaterialien geben keinen Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber die in § 24 LFGB aF geregelte Gewährübernahme des Veräußerers für handelsübliche Reinheit und Unverdorbenheit des Futtermittels auf bloße Verdachtsfälle erstrecken wollte. Dass der Gesetzgeber, der sich bei Schaffung der Norm auf einen Verweis auf die Rechtslage zu den im wesentlichen inhaltsgleichen Vorgängerbestimmungen beschränkt hat31, deren Verständnis wiederum maßgeblich durch das BGH, Urteil vom 24.11.197132 geprägt war, die erkannte Garantiehaftung des Verkäufers für eine tatsächlich vorhandene Verunreinigung des gelieferten Futtermittels sogar auf bloße Verdachtsfälle ausdehnen wollte, ist nicht ersichtlich.
Das gilt umso mehr, als die Entstehung eines bloßen Verdachts auch auf Ursachen außerhalb der Sphäre des Verkäufers beruhen kann, ohne dass er die Möglichkeit hat, diese Ursachen und den Verlauf eines solchen Verdachts hinreichend zu beherrschen. Die Annahme, dass der Gesetzgeber gleichwohl in die nach dem BGH, Urteil bestehende Garantiehaftung auch bloße Verdachtsfälle einbeziehen wollte, liegt deshalb fern.
Gegen die Erstreckung des § 24 LFGB aF auf Verdachtsfälle spricht ferner, dass der Gesetzgeber des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs in anderen Bestimmungen ausdrücklich Anordnungen für den Fall eines Verdachts getroffen hat. So gibt § 39 Abs. 2 Satz 1 LFGB aF den zuständigen Behörden unter anderem die Befugnis, die zur Feststellung der Ausräumung eines (hinreichenden) Verdachts eines Gesetzesverstoßes erforderlichen Anordnungen zu treffen. Des Weiteren soll eine Information der Öffentlichkeit erfolgen, wenn der (hinreichende) Verdacht besteht, dass gegen Vorschriften des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs verstoßen wurde, die dem Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Gesundheitsgefährdungen dienen (§ 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchstabe a LFGB aF). Weitere behördliche Mitteilungen in Verdachtsfällen sind in § 38 Abs. 6, § 42 Abs. 4 sowie in § 55 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LFGB aF vorgesehen. Daraus ist im Umkehrschluss zu folgern, dass der Gesetzgeber § 24 LFGB aF nicht auf Fälle des Mangelverdachts zugeschnitten hat.
Dieses Normverständnis spiegelt sich auch in der Entschließung des Bundesrats vom 22.03.2013 wieder, mit der die Bundesregierung um Prüfung gebeten worden ist, ob eine Haftungsregelung in das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch, zum Beispiel in § 24, integriert werden könne, die Einkommensausfälle landwirtschaftlicher Betriebe auch dann abgedeckt, wenn diese aufgrund von Verdachtsfällen gesperrt werden und ihre Produkte deshalb zeitweise nicht vermarkten dürfen, auch wenn sich der Verdacht schließlich nicht bestätigt. Zum Schutz dieser Betriebe bedürfe es einer umfassenden Haftungsregelung, die auch Schäden aus Verdachtsfällen erfasse33. Auch der Bundesrat geht demnach davon aus, dass das geltende Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch eine solche Haftungsregelung nicht enthält.
Der bloße Dioxin-Verdacht als Sachmangel
Zwar ist bereits der auf konkreten Tatsachen beruhende, nicht auszuräumende Verdacht einer erheblichen Dioxinbelastung als Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB anzusehen. Ein ein solcher Mangelverdacht bestand in dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall auch. Insoweit steht aber eine Verschuldenshaftung des Verkäufers nach § 437 Nr. 3, § 280 Abs. 1 BGB in Rede, der allerdings die Verschuldensvermutung des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB widerlegen kann.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist beim Kauf von Lebensmitteln, die zur Weiterveräußerung bestimmt sind, ein Sachmangel der gelieferten Ware auch dann anzunehmen, wenn sie wegen ihrer Herkunft unter dem auf konkrete Tatsachen gestützten, naheliegenden Verdacht gesundheitsschädlicher Beschaffenheit stehen, dieser Verdacht durch dem Käufer zumutbare Maßnahmen nicht zu beseitigen ist und daher die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verkäuflichkeit der Ware entfällt34. Das gilt auch dann, wenn der Verdacht – wie hier – zwar erst nach Gefahrübergang entsteht, aber auf Tatsachen beruht, die vor Gefahrübergang gegeben waren, jedoch nicht erkannt worden sind35.
An diesen Grundsätzen, die im Schrifttum Zustimmung gefunden haben36, ist auch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Schuldrechts festzuhalten.
Diese Grundsätze kommen auch zum Tragen, wenn der konkrete Verdacht besteht, dass die Inhaltsstoffe von Futtermitteln für der Lebensmittelgewinnung dienende Tiere die zulässigen Höchstwerte überschreiten und die Verkäuflichkeit des produzierten Lebensmittels dadurch beeinträchtigt wird. Um Lebensmittelsicherheit gewährleisten zu können, müssen alle Aspekte der Lebensmittelherstellungskette betrachtet werden, einschließlich der Futtermittelproduktion bis hin zum Verkauf solcherart produzierter Lebensmittel an den Verbraucher, weil jedes Glied dieser Kette, auch kontaminierte Futtermittel, Auswirkung auf die Lebensmittelsicherheit haben kann37. Deshalb umfasst das Lebensmittelrecht nicht nur die Produktions, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen von Lebensmitteln, sondern auch von Futtermitteln, die für der Lebensmittelgewinnung dienende Tiere hergestellt oder an sie verfüttert werden (Art. 3 Nr. 1 Basis-VO [EG] Nr. 178/2002).
Im vorliegenden Fall stand zudem fest, dass im Betrieb der Händlerin hergestelltes Mischfuttermittel mit Dioxin in einer über dem Grenzwert liegenden Konzentration belastet war. Aus der Stellungnahme des Bundesinstituts für Risikobewertung folgt nicht, dass sich der Verdacht, der die Verkäuflichkeit der Hühnereier beeinträchtigte, als unberechtigt erwiesen hat, denn jedenfalls „bei wenigen Proben“ war ein relevant erhöhter Dioxingehalt vorhanden. Zwar hat sich herausgestellt, dass letztlich keine Gesundheitsgefahr für Endverbraucher bestand. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es jedoch nicht erforderlich, dass sich eine Gesundheitsgefahr später als tatsächlich vorhanden bestätigen muss, zumal es in solchen Fällen nicht auf den Verdacht ankäme38.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 22. Oktober 2014 – VIII ZR 195/13
- in der seit dem 4.07.2009 geltenden und am 24.07.2009 bekannt gemachten Neufassung, BGBl I S. 2205, welche bis zum 3.08.2011 gültig war[↩]
- vgl. BT-Drs. 15/3170, S. 13[↩]
- ebenso Boch, ZLR 2013, 111, 114 f.[↩]
- Döring in Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, 157. Ergänzungslieferung, 2014, § 24 LFGB Rn. 18[↩]
- vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 14.05.2001, BT-Drs. 14/6040, S. 132, zu § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB[↩]
- Schuldrechtsmodernisierungsgesetz, BGBl I S. 3138[↩]
- vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 132[↩]
- RGBl. I S. 525[↩]
- BGH, Urteil vom 24.11.1971 – VIII ZR 81/70, BGHZ 57, 292, 296 ff.[↩]
- BGH, Urteil vom 24.11.1971 – VIII ZR 81/70, aaO 294[↩]
- BGH, Urteil vom 24.11.1971 – VIII ZR 81/70, aaO 296 f.[↩]
- vgl. Erwägungsgrund 2 der Basis-VO [EG] Nr. 178/2002[↩]
- ebenso Steiling/Soravia, ZLR 2012, 593, 596[↩]
- BGBl I S. 1745[↩]
- BGH, Urteil vom 24.11.1971 – VIII ZR 81/70, aaO[↩]
- BT-Drs. 7/2990, S. 18[↩]
- BGH, Urteil vom 20.11.1984 – IVa ZR 104/83, BGHZ 93, 23, 25 f.[↩]
- BGBl I S. 1756[↩]
- BGBl I S. 2618[↩]
- Gesetzesentwurf der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Lebensmittel- und des Futtermittelrechts vom 24.08.2004, BT-Drs. 15/3657, S. 64[↩]
- so auch Boch, LFGB, 3. Aufl., § 24 Rn. 3 ff.; ders., ZLR 2013, 111, 113; Wehlau, LFGB, 2. Aufl., § 24 Rn. 2; siehe auch Naue/Torwegge, Agrar- und Umweltrecht 2013, 445, 446[↩]
- BGBl I S. 1608[↩]
- ABl. L 299/1 vom 01.09.2009[↩]
- Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung vom 06.04.2011, BT-Drs. 17/5392, S. 7; Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 25.05.2011, BT-Drs. 17/5953, S. 18[↩]
- vgl. Döring in Zipfel/Rathke, aaO, § 24 LFGB Rn.19 f.; Steiling/Soravia, aaO S. 598 ff.[↩]
- siehe die Erwägungsgründe 30 und 31 der Basis-VO [EG] Nr. 178/2002[↩]
- BVerfGE 130, 52, 65 f.; 133, 377 Rn. 74 ff.; BGH, Urteil vom 01.12 2010 – VIII ZR 241/07, WM 2011, 514 Rn. 16 ff.; jeweils mwN[↩]
- anders Naue/Torwegge, aaO, S. 447[↩]
- so Erwägungsgrund 1 der VO [EG] Nr. 767/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.07.2009 über das Inverkehrbringen und die Verwendung von Futtermitteln, ABl. L 299/1 vom 01.09.2009[↩]
- vgl. Boch, ZLR 2013, 111, 119[↩]
- vgl. BT-Drs. 15/3657, S. 64[↩]
- VIII ZR 81/70, aaO[↩]
- BR-Drs. 151/13 [B], S. 4 f.; dazu Krüger, BZAR 2013, 496 ff.[↩]
- BGH, Urteile vom 16.04.1969 – VIII ZR 176/66, BGHZ 52, 51; vom 14.06.1972 – VIII ZR 75/71, WM 1972, 1314; vom 23.11.1988 – VIII ZR 247/87, NJW 1989, 218; jeweils zu § 459 Abs. 1 BGB aF[↩]
- BGH, Urteil vom 14.06.1972 – VIII ZR 75/71, aaO[↩]
- Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, Neubearbeitung 2014, § 434 Rn. 158 f., 246 f.; Palandt/Weidenkaff, BGB, 73. Aufl., § 434 Rn. 58; Münch-KommBGB/Westermann, 6. Aufl., § 434 Rn. 13, 76; Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, 8. Aufl., Rn. 316; BeckOK BGB/Faust, Stand: 1.08.2014, § 434 Rn. 71; ders. in Festschrift Picker, 2010, S. 185 ff.; kritisch Erman/Grunewald, BGB, 14. Aufl., § 434 Rn. 7[↩]
- vgl. die Erwägungsgründe 12, 13 der Verordnung [EG] Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.01.2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit, ABl. L 31/1 vom 01.02.2002; nachfolgend: Basis-VO [EG] Nr. 178/2002[↩]
- BGH, Urteil vom 14.06.1972 – VIII ZR 75/71, aaO unter – I 3 b[↩]