Umfang der Schuldnerauskunft bei der eidesstaatlichen Versicherung

Der Schuldner muss in der eidesstattlichen Versicherung grundsätzlich auch Ansprüche auf Beitragsrückerstattung und auf Leistungsansprüche aus Sachversicherungen sowie auf Erstattung von überzahlten Abschlägen auf Verträge mit Energieversorgern angeben. Ob der Schuldner Fragen des Gläubigers zu diesen Themen beantworten muss, die über diejenigen hinausgehen, die im herkömmlich verwendeten Formblatt zur Erstellung des Vermögensverzeichnisses enthalten sind, hängt allerdings weiter davon ab, ob die zusätzlichen Fragen auf die konkrete Schuldnersituation abstellen oder aber ohne erkennbaren Zusammenhang mit dem konkreten Lebenssachverhalt lediglich der allgemeinen Ausforschung im Wege der Befragung auf Verdacht dienen.

Umfang der Schuldnerauskunft bei der eidesstaatlichen Versicherung

In einem jetzt vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall gab die Schuldnerin gab auf Betreiben eines anderen Gläubigers die eidesstattliche Versicherung gemäß § 807 ZPO ab. Dabei verneinte sie im Vermögensverzeichnis die Frage Nr. 18 nach „Ansprüchen aus Pacht, Miet- und Leasingverträgen, auch Untermiete und Ansprüche auf Rückzahlung hinterlegter Mietkautionen“. Auch die Frage Nr. 22 nach „sonstigen Forderungen“ verneinte die Schuldnerin. Daraufhin beantragte der Gläubiger die Nachbesserung der eidesstattlichen Versicherung durch Beantwortung von Fragen, in denen Auskunft darüber verlangt wurde, ob die Schuldnerin Versicherungsnehmerin diverser Sachversicherungen war und mit welchen Energieversorgern (Strom, Gas) Vertragsbeziehungen unterhalten werden. Außerdem wollte die Gläubigerin den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des Vermieters angegeben erhalten. Der Gerichtsvollzieher beraumte einen Termin zur Nachbesserung der eidesstattlichen Versicherung an, zu dem die Schuldnerin nicht erschien. Den Antrag des Gläubigers, gegen die Schuldnerin Haftbefehl gemäß § 901 ZPO zu erlassen, hat der Bundesgerichtshof letztinstanzlich abgelehnt:

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Der Erlass eines Haftbefehls setzt nach § 901 ZPO voraus, dass der Schuldner dem Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung unentschuldigt ferngeblieben ist oder die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung grundlos verweigert hat. Die Verpflichtung des Schuldners zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung muss damit im Termin bestanden haben1. Daran fehlt es hier. Die Schuldnerin war zu der vom Gläubiger beantragten Nachbesserung ihrer eidesstattlichen Versicherung nicht verpflichtet.

Allerdings scheidet eine Nachbesserung vorliegend nicht bereits deshalb aus, weil Fragen nach Sachversicherungsverträgen, Energieversorgern und nach dem Namen und der Anschrift des Vermieters vom Schuldner im Verfahren nach § 807 ZPO grundsätzlich nicht beantwortet werden müssten.

Inhalt und Umfang der Pflicht einer Nachbesserung der eidesstattlichen Versicherung bestimmen sich nach § 807 ZPO und dessen Zweck, dem Gläubiger eine Grundlage für eine etwaige Vollstreckung zu geben und ihm Kenntnis von denjenigen Vermögensstücken zu verschaffen, die möglicherweise seinem Zugriff im Wege der Zwangsvollstreckung unterliegen2. Die Auskunftsverpflichtung nach § 807 ZPO kann sich auch auf künftige Forderungen erstrecken, sofern der Rechtsgrund und der Drittschuldner der Forderung im Zeitpunkt der Pfändung hinreichend bestimmt sind3.

Nach diesen Maßstäben muss der Schuldner in der eidesstattlichen Versicherung grundsätzlich auch Ansprüche auf Beitragsrückerstattung und auf Leistungsansprüche aus Sachversicherungen4 sowie auf Erstattung von überzahlten Abschlägen auf Verträge mit Energieversorgern5 und auf mietvertragliche Betriebs- und Nebenkosten6 angeben.

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Ob der Schuldner Fragen des Gläubigers zu diesen Themen beantworten muss, die über diejenigen hinausgehen, welche im herkömmlich verwendeten Formblatt zur Erstellung des Vermögensverzeichnisses enthalten sind, hängt allerdings weiter davon ab, ob die zusätzlichen Fragen auf die konkrete Schuldnersituation abstellen oder aber ohne erkennbaren Zusammenhang mit dem konkreten Lebenssachverhalt lediglich der allgemeinen Ausforschung im Wege der Befragung auf Verdacht dienen7.

Es kann offenbleiben, ob die vom Gläubiger im Streitfall geltend gemachten Fragen bereits deshalb nicht von der Schuldnerin beantwortet werden müssen, weil der Gläubiger die Fragen und deren Begründung nicht konkret auf die Situation der Schuldnerin bezogen hat. Denn jedenfalls fehlt es an den weiteren Voraussetzungen, die an die Zulässigkeit der Nachbesserung einer bereits abgegebenen eidesstattlichen Versicherung zu stellen sind.

Der Gläubiger kann die Nachbesserung einer eidesstattlichen Versicherung nur verlangen, wenn der Schuldner ein äußerlich erkennbar unvollständiges, ungenaues oder widersprüchliches Verzeichnis vorgelegt hat8. Dies setzt voraus, dass aus dem Vermögensverzeichnis selbst ersichtlich ist, dass die Angaben unvollständig, ungenau oder widersprüchlich sind oder aber der Gläubiger glaubhaft macht, dass der Schuldner im Vermögensverzeichnis versehentlich unvollständige oder unzutreffende Angaben gemacht hat9.

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Die Schuldnerin hat unter Nr. 18 des Vermögensverzeichnisses die Frage verneint, ob ihr „Ansprüche aus Pacht, Miet- und Leasingverträgen, auch Untermiete und Ansprüche auf Rückzahlung hinterlegter Mietkautionen“ zustünden. Auch die Frage Nr. 22 nach „sonstigen Forderungen“ hat die Schuldnerin mit „nein“ beantwortet. Es ist aus dem Vermögensverzeichnis selbst nicht ersichtlich, dass diese Angaben unvollständig, ungenau oder widersprüchlich sind. Der Gläubiger hat auch nicht Anhaltspunkte für einen konkreten Verdacht dargelegt und glaubhaft gemacht, dass die Schuldnerin versehentlich im Vermögensverzeichnis unzutreffende oder unvollständige Angaben gemacht hat. Derartige auf die konkrete Schuldnersituation bezogene Umstände macht auch die Rechtsbeschwerde nicht geltend. Zwar meint sie, es liege zumindest nahe, dass die Schuldnerin Sachversicherungen und Vertragsbeziehungen zu Energieversorgern unterhalte, jedenfalls sei die Wahrscheinlichkeit derartiger Verträge nicht derart gering, dass das Nachbesserungsersuchen als schikanös und mutwillig erscheine. Dieses Vorbringen reicht jedoch für die Darlegung eines Nachbesserungsgrundes nicht aus, weil die Rechtsbeschwerde keine auf die Verhältnisse der Schuldnerin bezogenen konkreten Umstände zu benennen vermag. Soweit sie ferner geltend macht, die Schuldnerin beziehe Wohngeld und wohne zur Miete, sind zwar Umstände der konkreten Schuldnersituation benannt, es fehlt insoweit jedoch an entsprechenden Feststellungen des Beschwerdegerichts. Die Rechtsbeschwerde rügt nicht, dass das Beschwerdegericht solche Feststellungen verfahrensfehlerhaft nicht getroffen hätte.

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Das ausgesetzte Entschädigungsverfahren wegen überlanger Verfahrensdauer

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12. Januar 2012 – I ZB 2/11

  1. BGH, Beschluss vom 17.07.2008 I ZB 80/07, NJW 2008, 3288, 3289[]
  2. BGH, Beschluss vom 19.05.2004 IXa ZB 297/03, NJW 2004, 2979, 2980; Beschluss vom 03.02.2011 I ZB 2/10, NJW-RR 2011, 851 Rn. 9; MünchKomm-ZPO/Eickmann, 3. Aufl., § 903 Rn. 27[]
  3. BGH, NJW-RR 2011, 851 Rn. 10 mwN[]
  4. vgl. LG Koblenz, JurBüro 2006, 548; LG Mönchengladbach, JurBüro 2008, 552, 553; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 807 Rn. 24; Kessen in Prütting/Gehrlein, ZPO, 3. Aufl., § 807 Rn. 26; Goebel, Zwangsvollstreckung, 2. Aufl., § 2 Rn. 123; aA LG Münster, Beschluss vom 25.08.2009 5 T 376/09[]
  5. dazu LG Koblenz, JurBüro 2006, 548; AG Rüdesheim, JurBüro 2008, 665 f.; AG Aachen, JurBüro 2008, 664 f.; aA LG Münster aaO[]
  6. LG Kleve, JurBüro 2010, 383; aA LG Münster aaO[]
  7. Zöller/Stöber, ZPO, 29. Aufl., § 900 Rn. 29, § 903 Rn. 14, 16; MünchKomm-ZPO/Eickmann aaO § 900 Rn. 17; Musielak/Voit, ZPO, 8. Aufl., § 900 Rn. 22 f.; Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 5. Aufl., § 807 Rn. 34; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 31. Aufl., § 807 Rn.20; krit. Goebel aaO § 2 Rn. 116[]
  8. BGH, NJW 2004, 2979, 2980; Beschluss vom 04.10.2007 – I ZB 11/07, NJW-RR 2008, 1163 Rn. 8; Beschluss vom 20.11.2008 – I ZB 20/06, WM 2009, 1431 Rn. 13; Beschluss vom 03.02.2011 – I ZB 50/10, NJW-RR 2011, 667 Rn. 7; MünchKomm-ZPO/Eickmann aaO § 900 Rn.19; vgl. auch § 185o GVGA[]
  9. vgl. BGH, NJW-RR 2011, 667 Rn. 8 f.; Stein/Jonas/Münzberg aaO § 903 Rn. 5; Olzen in Prütting/Gehrlein aaO § 903 Rn. 15; Zöller/Stöber aaO § 903 Rn. 14, 16[]
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