Durch Restitutionsbescheid bestandskräftig festgestellte Ansprüche nach § 6 Abs. 6a Sätze 4 und 5 VermG aF (= § 6 Abs. 6a Sätze 3 und 4 VermG) verjähren entspre-chend § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB in 30 Jahren.

Dem Restitutionsberechtigten steht ein Anspruch auf Auskehrung der Erlöse aus der Veräußerung der in dem Restitutionsbescheid bezeichneten Grundstücke und, soweit diese hinter dem Verkehrswert zurückbleiben, ein Anspruch auf Zahlung der Differenz zu.
Dieser Anspruch ergibt sich aus § 6 Abs. 6a Sätze 4 und 5 VermG aF. Er setzt voraus, dass die Restitution eines Unternehmens gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 VermG an dessen Stilllegung und die dann nach § 6 Abs. 6a Satz 1 VermG mögliche Restitution von Vermögenswerten des Unternehmens nach § 6 Abs. 6a Satz 4 VermG aF an deren Veräußerung scheitert. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, ist im vorliegend vom Bundesgerichtshof entschiedenen Verfahren nicht zu prüfen, weil sich die Restitutionsberechtigten auf die Feststellung ihres Auskehrungsanspruchs durch den Teilbescheid der Restitutionsbehörde stützen. In diesem bestandskräftigen Bescheid wird nicht nur allgemein auf die Rechtsfolgen des § 6 Abs. 6a Sätze 4 und 5 VermG aF hingewiesen, sondern die Verpflichtung der Beklagten zur Auskehrung des Erlöses aus der Veräußerung konkret bezeichneter Grundstücke und auf Zahlung der etwaigen Differenz zwischen dem Verkaufserlös und dem Verkehrswert dieser Grundstücke förmlich festgestellt. Dieser Bescheid ist im vorliegenden Verfahren bindend1.
In diesem Zusammenhang nicht zu prüfen ist ferner, ob die Beklagte Schuldnerin des Anspruchs nach § 6 Abs. 6a Sätze 4 oder 5 VermG aF ist. Die Restitutionsbehörde hat die Pflicht der Beklagten zur Auskehrung der Erlöse aus dem Verkauf der in dem Bescheid bezeichneten Grundstücke bestandskräftig festgestellt. Auch diese Feststellung ist für das vorliegende Verfahren bindend. Ob sie zutrifft, ist an dieser Stelle nicht zu prüfen.
Ansprüche nach § 6 Abs. 6a Sätze 4 oder 5 VermG aF unterliegen allerdings an sich der regelmäßigen Verjährungsfrist2.
Entschieden ist die Anwendung der regelmäßigen Verjährungsfrist für die Ansprüche des Berechtigten gegen den Verfügungsberechtigten aus § 7 Abs. 7 VermG (Mietherausgabe)3 oder des Verfügungsberechtigten gegen den Berechtigten aus § 3 Abs. 3 Satz 4 VermG (Ersatz von Aufwendungen)4. Für Ansprüche aus § 6 Abs. 6a Sätze 4 und 5 VermG aF (= § 6 Abs. 6a Sätze 3 und 4 VermG) gilt nichts anderes.
Sie unterliegen auch nicht deshalb einer Verjährungsfrist von 30 Jahren, weil diese im öffentlichen Recht die Regelverjährung ist oder weil für sie die in § 197 Abs. 1 Nr. 1 BGB bestimmte Frist für die Verjährung des Eigentumsherausgabeanspruchs entsprechend gilt. Das Bundesverwaltungsgericht wendet die Verjährungsfrist von 30 Jahren nach § 195 BGB aF auf öffentlichrechtliche Ansprüche staatlicher Stellen untereinander vor allem deshalb an, weil eine Verjährung in kürzerer Frist dem Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung widerstreitet5. Darum geht es bei Ansprüchen des Berechtigten gegen den Verfügungsberechtigten und die mit ihm haftenden Stellen aus § 6 Abs. 6a Sätze 4 und 5 VermG aF nicht. Auf diese Ansprüche kann die Verjährungsfrist nach § 197 Abs. 1 Nr. 1 BGB nicht entsprechend angewendet werden. Diese Frist soll nur für den Anspruch auf Herausgabe, nicht für Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche aus dem Eigentum gelten6. Sie ist deshalb auch auf sonstige Ansprüche aus dem Eigentum nicht anzuwenden7. Das gilt auch für Ansprüche auf ein Surrogat für das Eigentum8.
Die danach an sich geltende regelmäßige Verjährungsfrist, die auch nicht durch die Ausschlussfrist nach § 6 Abs. 6a Satz 4 Halbsatz 2 VermG verdrängt wird9, wäre hier abgelaufen.
Ansprüche nach § 6 Abs. 6a VermG unterliegen der Verjährungsfrist von 30 Jahren gemäß § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB nicht nur, wenn sie durch ein Gericht rechtskräftig festgestellt sind. Auf diese Ansprüche ist § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB entsprechend anzuwenden, wenn sie durch Restitutionsbescheid bestandskräftig festgestellt sind.
Bestandskräftig festgestellte Ansprüche werden von der Vorschrift des § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB nach ihrem Wortlaut nicht erfasst. Sie spricht mit dem Begriff der „rechtskräftigen“ Feststellung in erster Linie die Feststellung des Anspruchs durch staatliche Gerichte an, weil nur deren Entscheidung in Rechtskraft erwachsen10. Die Vorschrift erfasst allerdings auch Entscheidungen anderer Stellen, wenn sie einem staatlichen Gericht vergleichbar unabhängig sind11. Gedacht ist dabei vornehmlich an Entscheidungen ausländischer Gerichte, die im Inland anzuerkennen sind, oder die Urteile von Schiedsgerichten12. Zu solchen Stellen gehört eine Verwaltungsbehörde nicht. Dafür kommt es nicht darauf an, ob und in welchem Umfang sie unbeeinflusst von Weisungen vorgesetzter Stellen entscheiden kann. Mit § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB hat der Gesetzgeber die Regelung in § 218 BGB aF inhaltlich unverändert übernommen13. Diese Vorschrift war auf Verwaltungsbehörden nicht anzuwenden. Das folgte daraus, dass § 220 Abs. 1 BGB aF die entsprechende Anwendung von § 218 BGB auf die Feststellung von Ansprüchen durch Verwaltungsbehörden ausdrücklich anordnete, was eine unmittelbare Anwendung der Vorschrift des § 218 Abs. 1 BGB aF auf die bestandskräftige behördliche Feststellung von Ansprüchen ausschloss. Dieses Begriffsverständnis liegt auch der Vorschrift des § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB zugrunde, die deshalb auf die bestandskräftige Feststellung von Ansprüchen durch Verwaltungsakt nicht unmittelbar angewendet werden kann.
Das bedeutet aber nicht, dass solche Ansprüche ungeachtet ihrer bestandskräftigen Feststellung durch Verwaltungsakt weiterhin der ohne diese Feststellung geltenden Verjährungsfrist unterlägen, hier der regelmäßigen Verjährungsfrist. Für sie ist zwar die Geltung der Verjährungsfrist von 30 Jahren nicht ausdrücklich angeordnet. Auf sie ist aber § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB entsprechend anzuwenden.
Das Fehlen einer ausdrücklichen Regelung dieses Inhalts ist eine unbeabsichtigte Lücke.
Der Gesetzgeber hat sich bei der Reform des Verjährungsrechts durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts für die Beibehaltung der Verjährungsfrist von 30 Jahren für titulierte Ansprüche entschieden, weil er meinte, dass die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren dem Gläubiger keine angemessenen Chance zur Durchsetzung seiner Ansprüche biete, und weil er den Gläubiger nicht dazu zwingen wollte, durch von vornherein erfolglose Vollstreckungsversuche den Neubeginn der Verjährung nach § 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB zu erzwingen13. Diese Begründung trifft für alle titulierten Ansprüche ohne Unterschied zu, auch für durch bestandskräftigen Verwaltungsakt festgestellte Ansprüche. Dem hatte der Gesetzgeber bis zum Inkrafttreten der Reform in der Weise Rechnung getragen, dass die dem heutigen § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB entsprechende Regelung in § 218 BGB aF nach § 220 Abs. 1 BGB aF auf solche Ansprüche entsprechend anzuwenden war.
Diese Regelung hat der Gesetzgeber zwar nicht in das seit dem 1.01.2002 geltende Verjährungsrecht übernommen. Grund dafür war aber nicht, dass er eine solche Gleichstellung nicht mehr für sachlich berechtigt hielt, sondern die Überzeugung, die frühere Regelung habe keinen praktischen Anwendungsbereich mehr, weil das Verwaltungsvorverfahren mit dem heutigen § 204 Abs. 1 Nr. 12 BGB ausreichend geregelt und die endgültige Bescheidung zivilrechtlicher Ansprüche den Gerichten vorbehalten sei14. Das traf weitgehend, jedoch gerade nicht für den hier zu beurteilenden Bereich des Vermögensrechts zu. Über die Ansprüche nach dem Vermögensgesetz entscheiden, von hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen, nicht unmittelbar die Gerichte, sondern die zuständigen Verwaltungsbehörden. Das galt bei Bestandskräftigwerden des Restitutionsbescheids vom 25.04.1994, auf den die vorliegende Klage gestützt ist, nicht nur (wie noch heute) für den Anspruch auf Auskehrung des Veräußerungserlöses nach § 6 Abs. 6a Satz 4 VermG aF, sondern (anders als heute gemäß § 6 Abs. 6a Satz 5 VermG) auch für den Anspruch auf Zahlung des Verkehrswerts nach § 6 Abs. 6a Satz 5 VermG aF. Das führt dazu, dass nach dem Wortlaut des § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB für solche Ansprüche auch nach bestandskräftiger Feststellung weiterhin die regelmäßige Verjährungsfrist gilt. Daran ändert auch nichts, dass § 53 VwVfG sowohl in seiner vor dem 1.01.2002 als auch in seiner seitdem geltenden Fassung für durch Verwaltungsakt titulierte Ansprüche eine Verjährungsfrist von 30 Jahren vorsieht. Denn diese galt und gilt nur für Ansprüche des Staats gegen den Bürger, nicht für die Restitutionsansprüche der nach § 2 Abs. 1 VermG Berechtigten. Dass den Inhabern solcher titulierter Ansprüche damit nur die nach der Überzeugung des Gesetzgebers unzureichende regelmäßige Verjährungsfrist zur Durchsetzung ihrer Ansprüche verbleibt, widerspricht dem Plan des Gesetzes. Danach sollte es für titulierte Ansprüche bei der schon im bisherigen Recht vorgesehenen Verjährungsfrist von 30 Jahren bleiben. Dieses Ergebnis stellte die Restitutionsgläubiger auch vor ein ungewolltes Dilemma: Die erreichte Titulierung ihrer Ansprüche wäre für sie unter Verjährungsgesichtspunkten wertlos. Die angemessen lange Verjährungsfrist von 30 Jahren können sie aber nicht erreichen, weil ihnen die erfolgte Titulierung das Rechtsschutzinteresse an der Anrufung der Gerichte nimmt. Eröffnete man ihnen dennoch den Zugang zu den Gerichten, erwiese sich die Anrufung der Verwaltungsbehörde, die sie für die hier zu beurteilenden Ansprüche nach § 6 Abs. 6a Sätze 4 und 5 VermG aF nicht vermeiden konnten, als wenig zweckmäßig. Statt der beabsichtigten Beschleunigung der Entscheidung ergäbe sich die Notwendigkeit einer doppelten Rechtsverfolgung. Das ist ersichtlich weder gewollt noch sachgerecht.
Dem Plan des Gesetzgebers entspricht es vielmehr, die entstandene Lücke durch eine entsprechende Anwendung von § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB zu füllen.
Die Lücke könnte durch die entsprechende Anwendung entweder von § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB oder von § 53 Abs. 1 VwVfG gefüllt werden. Die entsprechende Anwendung sowohl der einen als auch der anderen Vorschrift führt zu einem dem Plan des Gesetzes entsprechenden Ergebnis, nämlich dass auch für die durch bestandskräftigen Restitutionsbescheid titulierten Ansprüche eine Verjährungsfrist von 30 Jahren gilt. Für die entsprechende Anwendung von § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB sprechen die überzeugenderen Gründe.
Diese Lösung entspricht dem früheren Recht, das das Regelungsproblem in dem bereits erwähnten § 220 Abs. 1 BGB aF durch die entsprechende Anwendung des dem heutigen § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB entsprechenden § 218 BGB aF löste. Der Gesetzgeber hat sich bei der Verjährungsfrist für titulierte Ansprüche und bei der technischen Ausgestaltung des Verjährungsrechts eng an das frühere Recht gehalten. Er hätte sich deshalb auch insoweit an dem Vorbild des § 220 Abs. 1 BGB aF orientiert, wäre ihm das Regelungsproblem bewusst gewesen. Dem steht nicht entgegen, dass der Gesetzgeber die in § 197 BGB bestimmten Verjährungsfristen als Ausnahmetatbestände verstanden hat. Dieser Umstand gebietet zwar Zurückhaltung bei der entsprechenden Anwendung auf andere Tatbestände. Er steht ihr aber auch nicht entgegen, wenn das – wie hier – dem der Ausnahmevorschrift zugrunde liegenden engeren Regelungskonzept entspricht15. Für die entsprechende Anwendung von § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB spricht ferner, dass die Feststellung von Restitutionsansprüchen durch das zuständigen Vermögensamt funktionell der Feststellung von Ansprüchen durch ein Gericht und nicht der in § 53 VwVfG geregelten Selbsttitulierung staatlicher Ansprüche durch Leistungsbescheid entspricht.
Der Anspruch der Restitutionsberechtigten ist im vorliegenden Fall auch nicht nach Maßgabe von § 6 Abs. 6a Satz 4 Halbsatz 2 VermG ausgeschlossen. Diese Ausschlussfrist gilt nach Art. 7 Abs. 2 Satz 1 des Wohnraummodernisierungsgesetzes für die Ansprüche der Restitutionsberechtigten nicht, weil über diese bereits vor dessen Inkrafttreten bestandkräftig entschieden worden ist. Außerdem hat sie nicht begonnen, weil es an dem dafür erforderlichen Hinweis des Verfügungsberechtigten fehlt.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 12. April 2013 – V ZR 203/11
- vgl. BGH, Urteil vom 26.01.2007 V ZR 137/06, LKV 2007, 526, 527 Rn. 1113; BGH, Urteil vom 22.03.2006 IV ZR 6/04, WM 2006, 1237, 1240 Rn. 25 f.[↩]
- Kreuter, NJ 2007, 488[↩]
- BGH, Urteil vom 25.02.2005 – V ZR 105/04; KG, VIZ 2004, 367, 368[↩]
- BGH, Urteil vom 05.07.2001 – III ZR 235/00, BGHZ 148, 241, 251[↩]
- BVerwGE 132, 324, 328 f.[↩]
- Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts [fortan Entwurfsbegründung] in BT-Drucks. 14/6040 S. 105 f.[↩]
- Erman/J. SchmidtRäntsch, BGB, 13. Aufl., § 197 Rn. 6; NKBGB/Mansel/Stürner, 2. Aufl., § 197 Rn. 24, 26, 29, 35[↩]
- NK-BGB/Mansel/Stürner, 2. Aufl., § 197 Rn. 35; aM MünchKomm-BGB/Grothe, 6. Aufl., § 195 Rn. 41[↩]
- BGH, Urteile vom 25.02.2005 – V ZR 105/04; und vom 04.02.2011 – V ZR 134/10, NJW-RR 2011, 1031 Rn. 26 für § 7 Abs. 8 VermG[↩]
- Erman/J. SchmidtRäntsch, BGB, 13. Aufl., § 197 Rn. 10 f.[↩]
- BGH, Beschluss vom 07.07.2004 – V ZB 61/03, NJW-RR 2004, 1578, 1579; MünchKomm-BGB/Grothe, 6. Aufl., § 197 Rn. 17[↩]
- JurisPK/Lakkis, BGB, 6. Aufl., § 197 Rn. 18 f.[↩]
- Entwurfsbegründung in BT-Drucks. 14/6040 S. 106[↩][↩]
- Entwurfsbegründung in BT-Drucks. 14/6040 S. 116 zu Nummer 11 i.V.m. dem Verweis auf Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 220 Rn. 1[↩]
- BGH, Urteil vom 19.11.1957 – VIII ZR 409/56, BGHZ 26, 78, 83; BGH, Beschluss vom 07.07.2004 – V ZB 61/03, NJW-RR 2004, 1578, 1579; BAG, NJW 1969, 74; BayObLG, NJW 2000, 1875, 1876[↩]
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