Art. 103 Abs. 1 GG gebietet, dass ein Urteil nur auf solche Tatsachen und Beweismittel (einschließlich Presseberichte und Behördenauskünfte) gestützt werden darf, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten.

Die Verpflichtung zur sach- und zweckgerichteten Gehörsgewährung kann insbesondere nicht mit der Erwägung bestritten werden, das Urteil beruhe auf einer wertenden Erkenntnis und auf einer Überzeugungsbildung, die keines Nachweises und keiner weiteren Darlegung bedürfe; denn nur bei Offenlegung der Erkenntnisquellen über die der Entscheidungsfindung zugrunde gelegten tatsächlichen Umstände wird den Beteiligten eine effektive Prozessführung ermöglicht und die Gelegenheit eröffnet, durch Vortrag und Anträge auf die Zusammensetzung des Quellenmaterials Einfluss zu nehmen.
Hieraus folgt im gerichtlichen Asylverfahren grundsätzlich die Pflicht des Gerichts, die Erkenntnismittel, auf die es seine Entscheidung zu stützen beabsichtigt, in einer Weise zu bezeichnen und in das Verfahren einzuführen, die es den Verfahrensbeteiligten ermöglicht, diese zur Kenntnis zu nehmen und sich zu ihnen zu äußern. Lediglich auf offenkundige Tatsachen, die allen Beteiligten gegenwärtig sind und von denen sie wissen, dass sie für die Entscheidung erheblich sein können, darf die Entscheidung auch ohne ausdrücklichen Hinweis gestützt werden. Für eine Einführung in das Verfahren reicht es dabei grundsätzlich aus, dass das Gericht den Beteiligten eine Liste der betreffenden Erkenntnismittel übersendet [1]
Darüber hinaus ist es zulässig, Erkenntnismittel in der Weise in das gerichtliche Verfahren einzuführen, dass die vom Gericht geführte Erkenntnismittelliste auf einer allgemein zugänglichen, den Beteiligten bekannten Internetseite veröffentlicht wird und denjenigen, die nicht über einen Internetzugang verfügen bzw. diesen nicht nutzen wollen, die Liste auf Anforderung gesondert zugeleitet und gleichzeitig angegeben wird, dass und wie die darin aufgeführten Erkenntnismittel beim Gericht eingesehen werden können [2].
Zu den ordnungsgemäß in das Verfahren einzuführenden Erkenntnismittel sind auch andere Gerichtsentscheidungen zu rechnen, sofern sie nicht allein wegen ihrer rechtlichen Schlussfolgerungen, sondern (auch) im Hinblick auf ihre tatsächlichen Feststellungen zur Begründung herangezogen werden [3].
Aus dem Begriff des rechtlichen Gehörs selbst folgt, dass Gehör grundsätzlich nur zu entscheidungserheblichem Tatsachenstoff zu gewähren ist. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs rechtfertigt die Zulassung daher nicht, wenn – nach Maßgabe der Rechtsmeinung des Ausgangsgerichts – auszuschließen ist, dass bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs eine den Klägern günstigere Entscheidung ergangen wäre [4]. Daraus ergibt sich, dass gegen sämtliche selbständig tragenden Begründungen der angefochtenen Entscheidung Zulassungsgründe im Sinne des § 78 Abs. 3 AsylVfG dargelegt worden sein und vorliegen müssen [5].
Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 8. Juli 2014 – 13 LA 16/14
- vgl. Berlit in GK-AsylVfG, § 78, Rdnrn. 322 f., 329, 332, Loseblatt, Stand: April 1998; m. zahlr. Nachw. aus der Rechtspr.[↩]
- vgl. Nds. OVG, Beschlüsse vom 11.12 2012 – 13 LA 184/12; v. 18.05.2011 – 13 LA 212/12; und vom 26.10.2004 – 8 LA 146/04, NVwZ 2005, 605[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 8.02.1983 – 9 C 847.82 8; Marx, AsylVfG, 7. Aufl.2009, § 78, Rdnr. 729[↩]
- vgl. Berlit, a.a.O., Rdnr. 272 m.w.N.[↩]
- vgl. Marx, a.a.O., Rdnrn. 411 ff. m.w.N.[↩]