Der Ausschluss beurlaubter Beamter aus dem persönlichen Geltungsbereich einer Betriebsvereinbarung, mit der für gekündigte Arbeitnehmer, die keine Kündigungsschutzklage erheben, ein Anspruch auf eine Prämie begründet wird, verstößt nicht gegen § 75 BetrVG.

Betriebsvereinbarungen unterliegen der gerichtlichen Rechtmäßigkeitskontrolle und sind daraufhin zu überprüfen, ob sie mit höherrangigem Recht, insbesondere hier dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar sind. Ebenso ist das Arbeitsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass maßgeblich für das Vorliegen eines die unterschiedliche Behandlung von Gruppen von Beschäftigten rechtfertigenden Sachgrundes vor allem der mit der Regelung verfolgte Zweck ist. Die Zweckbestimmung einer Leistung ergibt sich vorrangig aus den tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen, von deren Vorliegen und Erfüllung die Leistung abhängig gemacht wird1.
Der Zweck der hier streitgegenständlichen BV Sonderprämie ist nicht identisch mit dem Zweck des Sozialplans. Es ist nicht zulässig, Leistungen, die den Verlust des Arbeitsplatzes ausgleichen sollen und daher typischerweise Sozialplanleistungen sind, davon abhängig zu machen, dass der Arbeitnehmer ein bestimmtes Wohlverhalten zeigt, insbesondere keine Kündigungsschutzklage erhebt.
Eine Herausnahme des beurlaubten Beamten aus dem persönlichen Geltungsbereich dieser Betriebsvereinbarung lässt sich daher nicht damit rechtfertigen, dass die Sonderprämie auch dazu diene, die möglicherweise entstehende Arbeitslosigkeit der Arbeitnehmer, die keine beurlaubten Beamten sind besser finanziell abzufangen.
Auch der Gedanke der Präambel der Betriebsvereinbarung, worauf insbesondere die Arbeitgeberin abstellt, nämlich die Arbeitnehmer, die nicht beurlaubte Beamte sind, zum Übertritt in die Transfergesellschaft zu bewegen, um deren Arbeitslosigkeit zu vermeiden, trägt nicht als Rechtfertigungsgrund für den Ausschluss des beurlaubten Beamten aus dem persönlichen Geltungsbereich. Dieser weist zu Recht darauf hin, dass die Sonderprämie gerade nicht nur den Mitarbeitern gezahlt wird, die die Transfergesellschaft wechseln, sondern auch solchen Mitarbeitern, die ein entsprechendes Angebot abgelehnt haben oder gar kein Angebot auf den Wechsel in eine Transfergesellschaft erhalten haben.
Aus der Präambel und § 1 der Betriebsvereinbarung ergibt sich im vorliegenden Fall weiter, dass für diese Mitarbeiter gerade die Sonderprämie deshalb gezahlt werden soll, wenn sie das Bedürfnis der Arbeitgeberin nach Planungssicherheit berücksichtigen, in dem sie keine Klage gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses erheben und außerdem die ihnen überlassenen Arbeitsmittel korrekt zurückgeben. Bei der Sonderprämie handelt es sich daher ausschließlich um eine „Wohlverhaltensprämie“ dafür, dass die gekündigten Mitarbeiter eine geordnete Beendigung ihres bei der Arbeitgeberin bestehenden Arbeitsverhältnisses ohne eine Kündigungsschutzklage ermöglichen. Derartige „Turboprämien“ sind zulässig. Die Betriebsparteien sind nicht gehindert, bei einer Betriebsänderung im Interesse des Arbeitgebers an alsbaldiger Planungssicherheit zusätzlich zu einem Sozialplan in einer freiwilligen Betriebsvereinbarung Leistungen für den Fall vorzusehen, dass der Arbeitnehmer von der Möglichkeit zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage keinen Gebrauch macht2. Allerdings darf das Verbot, Sozialplanleistungen von einem entsprechenden Verzicht abhängig zu machen, dadurch nicht umgangen werden.
Auch die beurlaubten Beamten können Kündigungsschutzklagen erheben, denn auch ihnen ist ihr mit der Arbeitgeberin bestehendes Arbeitsverhältnis gekündigt worden. Ebenso können diese Arbeitnehmer auch ihre Arbeitsmittel nicht oder nicht rechtzeitig an die Arbeitgeberin zurückgeben.
Allerdings stellt der Ausschluss der beurlaubten Beamten aus dem Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung Sonderprämie keine sachwidrige und damit die gleichheitswidrige Gruppenbildung dar3. Es ist zulässig, dass die Betriebsparteien ohne Verletzung des § 75 Abs. 1 BetrVG den Anreiz zur Nichterhebung von Kündigungsschutzklagen und der ordnungsgemäßen Herausgabe von Arbeitsmitteln des Arbeitgebers nur für bestimmte Personengruppen setzen, bei denen sie das für sinnvoll halten.
Sind für verschiedene Arbeitnehmergruppen unterschiedliche Rechtsfolgen, insbesondere unterschiedliche Leistungen vorgesehen, verlangt der Gleichheitssatz, dass diese Unterschiedlichkeit sachlich gerechtfertigt ist. Dabei verstößt eine sachverhaltsbezogene Ungleichbehandlung erst dann gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, wenn sie willkürlich ist, weil sich ein vernünftiger Grund für die Differenzierung nicht finden lässt. Dagegen ist bei einer personenbezogenen Ungleichbehandlung der Gleichheitssatz bereits dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten.
Dabei haben die Betriebsparteien ebenso wie andere Normgeber einen Beurteilungsspielraum und eine Einschätzungsprärogative hinsichtlich der tatsächlichen Voraussetzungen und Folgen der von ihnen gesetzten Regeln4.
Selbst bei Anlegen des hier gebotenen strengeren Maßstabes für personenbezogene Ungleichbehandlungen ist der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt. Es wird noch von der Einschätzungsprärogative der Betriebsparteien umfasst, dass sie davon ausgegangen sind, dass beurlaubte Beamte ein geringeres Interesse an der Erhebung einer Kündigungsschutzklage haben als die Arbeitnehmer der Arbeitgeberin, die diese Besonderheit nicht aufweisen. Diese Annahme ist nicht willkürlich, denn im Gegensatz zum allgemeinen Arbeitnehmer befindet sich der beurlaubte Beamte in einem Rechtsverhältnis zur D2 AG, durch das er weitgehend gegen die Folgen des Verlustes seines Arbeitsplatzes bei der Arbeitgeberin abgesichert ist. Die Risiken und Kosten eines Kündigungsschutzprozesses auf sich zu nehmen erscheint unter diesen Umständen für einen beurlaubten Beamten sinnvoll. Zum einen ist der Betrieb der Arbeitgeberin vollständig stillgelegt worden, so dass es offensichtlich keine sinnvolle Beschäftigungsmöglichkeit mehr gibt und zum anderen ist für den beurlaubten Beamten der Verlust des Arbeitsplatzes bei der Arbeitgeberin wirtschaftlich weniger schwerwiegend, da er durch den nunmehr wieder einsetzenden Bezug seiner Beamtenbezüge finanziell deutlich besser abgesichert ist als die übrigen Arbeitnehmer der Arbeitgeberin. Ob für die Betriebsparteien dieser Gedanke im Vordergrund stand5, kann dahingestellt bleiben, denn maßgeblich ist für die Auslegung von Betriebsvereinbarungen als normativem Regelungswerk nicht der Wille der Betriebspartner, sondern zunächst der Inhalt der Regelung nach Wortlaut und Systematik. Die Einschätzungsprärogative der Betriebspartner ist daher auch nach objektiven Gegebenheiten und nicht nach deren subjektiven Vorstellungen zu bestimmen.
Ob und in welchem Umfang die übrigen Arbeitnehmer ebenfalls eine Rückkehrmöglichkeit zur D2 AG haben, brauchten die Betriebsparteien nicht zu eruieren, zumal das auch für sie nicht ohne weiteres zu erfassen und nachzuvollziehen ist, weil das von dem Rechtsverhältnis der jeweiligen Arbeitnehmer zur D2 AG abhängt und insbesondere davon, ob sie damals einen Aufhebungsvertrag unterschrieben haben oder nicht.
Auch der Hinweis, gerade der beurlaubte Beamte habe „nichts zu verlieren“, da er sowieso keine Abfindung erhalte, weil aus dem Sozialplan ausgenommen, steht dem nicht entgegen. Wie sich einzelne Arbeitnehmer – gegebenenfalls durch sachwidrige Motive geleitet – tatsächlich verhalten, müssen die Betriebsparteien nicht vorhersehen, es reicht aus, dass sie aufgrund einer vernünftigen nachvollziehbaren Prognose im Rahmen ihrer Einschätzungsprärogative zu einem nachvollziehbaren Ergebnis kommen. Diesem Argument ist im übrigen entgegen zu setzen, dass dann, wenn die beurlaubten Beamten sowieso keine Abfindung nach dem Sozialplan erhalten, das (angesichts der gesamten Stilllegung des Betriebes realistische) Motiv für die Erhebung der Kündigungsschutzklage, nämlich eine Erhöhung der Abfindung zu erreichen, nicht in Betracht kommt.
Soweit die Betriebspartner als weitere Voraussetzung für die Zahlung der Sonderprämie die ordnungsgemäße Rückgabe der Arbeitsmittel gemacht haben, weist das Arbeitsgericht zu Recht darauf hin, dass es hier an jeder sinnvollen Differenzierungsmöglichkeit fehlt. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass Arbeitnehmer, die beurlaubte Beamte sind, die ihnen überlassenen Betriebsmittel ohne finanziellen Anreiz eher herausgeben als die übrigen Arbeitnehmer. Das ist aber nicht weiter schädlich, denn ausweislich der Präambel der Betriebsvereinbarung kam es den Betriebsparteien vor allem auf die Planungssicherheit an, zu der die Arbeitnehmer durch die Nichterhebung einer Kündigungsschutzklage beitragen sollten. Die Herausgabe der Arbeitsmittel ist demgegenüber nur ein untergeordnetes Anhängsel, das nicht maßgeblich für die Zahlung einer Prämie von über 4.300, 00 EUR sein kann, zumal jeder Arbeitnehmer, gleich ob verbeamtet oder nicht, verpflichtet ist, die Betriebsmittel nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses unverzüglich herauszugeben, weil er hieran kein Besitzrecht hat, sondern nur Besitzdiener ist.
Aus diesem Grunde liegt kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz, wie er in § 75 Abs. 1 BetrVG zum Ausdruck kommt, vor. Der Ausschluss des beurlaubten Beamten aus dem Geltungsbereich der Betriebsvereinbarungssonderprämie ist daher rechtmäßig. Der beurlaubte Beamte hat daher keinen Anspruch auf Zahlung der Sonderprämie nach der Betriebsvereinbarung.
Landesarbeitsgericht Baden -Württemberg, Urteil vom 17. November 2014 – 9 Sa 51/14