Durch gemeinsame Klageerhebung miteinander verbundene Verfahren können nur durch einen ausdrücklichen gerichtlichen Trennungsbeschluss getrennt werden, nicht aber durch konkludentes Verhalten1.

Die Erhebung einer Klage nach § 43 FGO hat nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Folge, dass diese Klage und das Verfahren über sie an die Stelle der bei getrennter Verfolgung einzelner Klagebegehren erforderlichen mehreren Klagen und Verfahren tritt. Sie hat somit dieselbe Wirkung wie die Verbindung mehrerer bereits schwebender Verfahren durch Gerichtsbeschluss nach § 73 Abs. 1 FGO. Deshalb ist das Gericht befugt, die durch die objektive Klagehäufung von vornherein entstandene Verfahrensverbindung wieder aufzuheben.
Demgegenüber können verbundene Verfahren nicht stillschweigend durch konkludente Entscheidung getrennt werden2.
Selbiges gilt auch, wenn sich die Verfahrenstrennung als erforderlich oder sinnvoll erweist, um eine Sachbearbeitung entsprechend dem Geschäftsverteilungsplan des Gerichts herbeizuführen, da auch dann § 73 FGO zu beachten ist.
Im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall hat das erstinstanzlich hiermit befasste Niedersächsische Finanzgericht3 von der ihm durch § 73 Abs. 1 FGO gebotenen Möglichkeit, die verbundenen Verfahren zu trennen, keinen Gebrauch gemacht. Im Streitfall hat der Berichterstatter der beim achten Bundesfinanzhof des Finanzgericht anhängigen Klage durch Aktenvermerk seine Verfügung dokumentiert, die Klageschrift kopieren zu lassen und diese an den elften Bundesfinanzhof des Finanzgericht, der für Umsatzsteuersachen zuständig ist, zu übermitteln. Hierin ist weder ein ausdrücklicher noch -so man dies entgegen der vorstehenden BFH-Rechtsprechung als zulässig ansähe- ein konkludenter Trennungsbeschluss i.S. von § 73 Abs. 1 FGO zu sehen. Letzteres scheidet auch deshalb aus, da die rein faktische Verfahrenstrennung durch den Berichterstatter erfolgte, bevor im Streitfall mit dem Einverständnis der Beteiligten die Voraussetzungen des § 79a Abs. 3 FGO vorlagen und daher zur Annahme eines Trennungsbeschlusses eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erforderlich gewesen wäre4.
Der Bundesfinanzhof hielt es daher für zweckmäßig, die Vorentscheidung aufzuheben und den Streitfall zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Bundesfinanzhof des Finanzgericht zurückzuverweisen, bei dem die Klage ursprünglich anhängig gemacht wurde und an dessen Zuständigkeit sich mangels Trennungsbeschlusses nichts geändert hat (§ 116 Abs. 6 FGO).
Dem steht nicht entgegen, dass dieser Bundesfinanzhof über die Klage zur einheitlichen und gesonderten Feststellung bereits entschieden hat und hierzu eine Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH anhängig ist. Denn die vom Finanzgericht zur einheitlichen und gesonderten Feststellung getroffene Entscheidung ist im Streitfall als bloßes Teilurteil (§ 98 FGO) zu diesem Streitgegenstand anzusehen, so dass das Verfahren zur Umsatzsteuer unter dem ursprünglichen Aktenzeichen weiter bei diesem Bundesfinanzhof anhängig ist5.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 22. Juli 2021 – V B 77/20
- BFH, Beschluss vom 15.07.2010 – VIII B 39/09, BFH/NV 2010, 2089, Leitsatz[↩]
- BFH, Beschlüsse vom 24.10.1973 – VII B 47/72, BFHE 110, 465, BStBl II 1974, 137, und in BFH/NV 2010, 2089[↩]
- Nds. FG, Urteil vom 26.10.2020 – 11 K 147/20[↩]
- vgl. Schoenfeld in Gosch, FGO § 73 Rz 21 und Thürmer in Hübschmann/Hepp/Spitaler -HHSp-, § 73 FGO Rz 40 f.; vgl. auch Brandis in Tipke/Kruse, § 73 FGO Rz 11[↩]
- vgl. BFH, Beschluss in BFH/NV 2010, 2089; Thürmer in HHSp, § 73 FGO Rz 35[↩]
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