Heimtückemord – und das Ausnutzungsbewusstsein

In subjektiver Hinsicht setzt der Tatbestand des Heimtückemordes nicht nur voraus, dass der Täter die Arg- und Wehrlosigkeit des Tatopfers erkennt; erforderlich ist außerdem, dass er die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tatbegehung ausnutzt1.

Heimtückemord – und das Ausnutzungsbewusstsein

Dafür genügt es, wenn er die die Heimtücke begründenden Umstände nicht nur in einer äußerlichen Weise wahrgenommen, sondern in dem Sinne in ihrer Bedeutung für die Tatbegehung erfasst hat, dass ihm bewusst geworden ist, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber dem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen2.

Das Ausnutzungsbewusstsein kann bereits dem objektiven Bild des Geschehens entnommen werden, wenn dessen gedankliche Erfassung durch den Täter – wie bei Schüssen in den Rücken des Opfers – auf der Hand liegt3.

Das gilt in objektiv klaren Fällen bei einem psychisch normal disponierten Täter selbst dann, wenn er die Tat einer raschen Eingebung folgend begangen hat. Denn bei erhaltener Unrechtseinsicht ist die Fähigkeit des Täters, die Tatsituation in ihrem Bedeutungsgehalt für das Opfer realistisch wahrzunehmen und einzuschätzen, im Regelfall nicht beeinträchtigt4.

Danach hindert nicht jede affektive Erregung oder heftige Gemütsbewegung einen Täter daran, die Bedeutung der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers für die Tat zu erkennen. Allerdings kann die Spontaneität des Tatentschlusses im Zusammenhang mit der Vorgeschichte der Tat und dem psychischen Zustand des Täters ein Beweisanzeichen dafür sein, dass ihm das Ausnutzungsbewusstsein fehlte5.

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Ausschwitz und seine Helfer

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16. Mai 2018 – 1 StR 123/18

  1. BGH, Urteil vom 24.09.2014 – 2 StR 160/14, NStZ 2015, 214, 215[]
  2. st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 14.06.2017 – 2 StR 10/17 Rn. 10, NStZ-RR 2017, 278, 279 mwN[]
  3. BGH, Beschluss vom 30.07.2013 – 2 StR 5/13, NStZ 2013, 709, 710; Urteil vom 15.11.2017 – 5 StR 338/17 Rn. 15, NStZ-RR 2018, 45, 47[]
  4. BGH, Urteile vom 27.02.2008 – 2 StR 603/07, NStZ 2008, 510, 511; vom 31.07.2014 – 4 StR 147/14, NStZ 2015, 30, 31 mwN; und vom 15.11.2017 – 5 StR 338/17 Rn. 15, NStZ-RR 2018, 45, 47[]
  5. BGH, Urteil vom 15.11.2017 – 5 StR 338/17 Rn. 15, NStZ-RR 2018, 45, 47[]