Nach den aufgezeigten Maßstäben tritt in der vorliegenden Fallgestaltung die Urkundenunterdrückung in der konkreten Begehungsweise des Beschädigens einer Urkunde gemäß § 274 Abs. 1 Nr. 1 Variante 2 StGB hinter der Urkundenfälschung in Form des Verfälschens einer echten Urkunde gemäß § 267 Abs. 1 Variante 2 StGB im Wege der Konsumtion zurück.

Dabei konnte es der Bundesgerichtshof im hier entschiedenen Fall der Abänderung negativer MPUGutachten dahinstehen lassen, ob die betroffenen Gutachten mit Blick auf die in der Rechtsprechung und von Teilen des Schrifttums vertretene Auffassung zum fehlenden Beweisführungsrecht des Staates im Bereich der Ordnungsverwaltung auch den Fahrerlaubnisbehörden oder aber nur den begutachteten Personen „gehörten“1 sowie deren gegebenenfalls in der Erteilung des Auftrags zur Manipulation der Urkunden enthaltenen Einwilligungen sittenwidrig waren und damit keine rechtfertigende Wirkung für den Angeklagten sowie die gesondert verfolgten Mitttäter entfalten konnten2. Denn jedenfalls tritt entgegen der Auffassung des Landgerichts in der hier zu entscheidenden Fallgestaltung, in der der Täter sowohl den Tatbestand der Urkundenfälschung in Form des Verfälschens einer echten Urkunde gemäß § 267 Abs. 1 Variante 2 StGB als auch denjenigen der Urkundenunterdrückung in der konkreten Begehungsweise des Beschädigens einer Urkunde gemäß § 274 Abs. 1 Nr. 1 Variante 2 StGB verwirklicht, die Urkundenunterdrückung hinter der Urkundenfälschung im Wege der Konsumtion zurück3. Insoweit gilt:
Werden durch dieselbe Handlung mehrere Gesetze verletzt, ist grundsätzlich von Tateinheit gemäß § 52 StGB auszugehen4. Auf diese Weise wird der Klarstellungsfunktion Rechnung getragen, indem die verletzten Normen im Schuldspruch des Urteils zum Ausdruck kommen5. Die Ausnahme von diesem Grundsatz bilden die Fallgruppen der Gesetzeseinheit. Diese verbindet der Gedanke, dass ein Verhalten zwar mehrere Strafvorschriften erfüllt, jedoch zur Erfassung des Unrechtsgehalts der Tat bereits die Anwendung eines Tatbestands ausreicht6.
Von maßgeblicher Bedeutung für diese Wertung sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Rechtsgüter, gegen die sich der Angriff des Täters richtet, und die Tatbestände, die das Gesetz zu ihrem Schutz aufstellt. Die Verletzung des durch den einen Straftatbestand geschützten Rechtsguts muss eine wenn auch nicht notwendige, so doch regelmäßige Erscheinungsform der Verwirklichung des anderen Tatbestands sein7.
- In diesem Sinne liegt etwa Gesetzeseinheit in Form der (materiellen) Subsidiarität vor, wenn zwischen mehreren verwirklichten Tatbeständen, die dasselbe Rechtsgut schützen, ein „normatives Einschlussoder Stufenverhältnis“ besteht, das das als Auffangtatbestand fungierende Gesetz hinter dem primär anzuwenden zurücktreten lässt8. Dabei resultiert das Einschlussoder Stufenverhältnis daraus, dass die Tatbestände verschiedene Stadien oder unterschiedlich intensive Arten des Angriffs auf dieses Rechtsgut erfassen, wie es etwa bei Gefährdungsund Verletzungsdelikten oder Fahrlässigkeitsund Vorsatztaten der Fall ist9.
- Demgegenüber setzt Gesetzeseinheit in Form der Konsumtion ein logisch zwingendes Rangverhältnis der verwirklichten Tatbestände nicht voraus; kennzeichnend für die Konsumtion ist vielmehr ein kriminologischer Zusammenhang, der in dem „Prinzip des wertenden Einschlusses“ des aufgezehrten durch das vorherrschende schwerere Delikt Ausdruck findet10. Neben dem Verhältnis zwischen mitbestrafter Vorund Nachtat betrifft dies auch die Fallgruppe der typischen Begleittat. Konsumtion kommt insoweit zum Tragen, wenn der Unrechtsund Schuldgehalt eines Delikts bereits durch die Bestrafung wegen eines anderen Delikts ausgeglichen wird, sofern sich der Täter im Regeltatbild der typischen Begleittat hält und das Begleitdelikt keinen eigenständigen, über die Haupttat hinausgreifenden Unrechtsgehalt aufweist11. Dabei wird für die Konsumtion im Wege der typischen Begleittat anders als im Falle der mitbestraften Vorbzw. Nachtat und auch im Unterschied zur Gesetzeseinheit wegen Subsidiarität nicht verlangt, dass die verwirklichten Delikte dieselben Rechtsgüter schützen12.
Nach den aufgezeigten Maßstäben tritt in der vorliegenden Fallgestaltung die Urkundenunterdrückung in der konkreten Begehungsweise des Beschädigens einer Urkunde gemäß § 274 Abs. 1 Nr. 1 Variante 2 StGB hinter der Urkundenfälschung in Form des Verfälschens einer echten Urkunde gemäß § 267 Abs. 1 Variante 2 StGB im Wege der Konsumtion zurück.
Zwar spricht der Umstand, dass beide Delikte unterschiedliche Rechtsgüter schützen, aus Klarstellungsgründen für die Annahme von Tateinheit. Während § 267 StGB die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Rechtsverkehrs mit Urkunden13 und mithin ausschließlich Allgemeininteressen im Blick hat14, zielt § 274 StGB auf den Schutz des individuellen Rechts ab, mit einer Urkunde Beweis zu führen15. Dies steht der Annahme von Gesetzeseinheit in Form der Konsumtion bei einer typischen Begleittat jedoch nicht entgegen. Auch die vom Landgericht angeführte Erwägung, dass beide Tatbestände in subjektiver Hinsicht unterschiedliche Absichten voraussetzen, führt zu keinem anderen Ergebnis, da dies für die konkurrenzrechtliche Bewertung keine maßgebende Relevanz entfaltet. Entscheidend ist vielmehr, dass in der hiesigen Konstellation das Beschädigen der Urkunde eine typische Begleitform von deren Verfälschung darstellt. Es ist nämlich kein Fall denkbar, in dem eine Urkunde verfälscht wird, ohne dass sie dadurch zugleich beschädigt, d.h. in ihrem Beweisgehalt geändert wird. Indem mindestens ein Teil der Zeichen der Urkunde gelöscht oder in ihrem Informationsgehalt verändert werden, wird notwendigerweise auch der ursprüngliche Beweiswert beeinträchtigt16. In diesem Sinne hält sich die Beschädigung der Urkunde auch innerhalb des regelmäßigen Verlaufs der Verfälschung und weist gegenüber letzterer in dieser speziellen Konstellation keinen eigenständigen, über das Verfälschen hinausgehenden Unrechtsgehalt auf.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21. August 2019 – 3 StR 7/19
- vgl. hierzu BGH, Urteil vom 29.01.1980 1 StR 683/79, BGHSt 29, 192, 194 f.; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.07.1989 5 Ss 251/89 102/89 I, JR 1991, 250, 251; LK/Zieschang, StGB, 12. Aufl., § 274 Rn. 7 ff. mwN[↩]
- vgl. hierzu BGH, Urteil vom 09.07.1954 1 StR 677/53, BGHSt 6, 251, 254; Schönke/Schröder/Heine/Schuster, StGB, 30. Aufl., § 274 Rn. 11; aA LK/Rönnau, StGB, 12. Aufl., Vor §§ 32 ff. Rn. 189[↩]
- so auch Lackner/Kühl, StGB, 29. Aufl., § 274 Rn. 8; Schönke/Schröder/SternbergLieben/Bosch, StGB, 30. Aufl., Vor §§ 52 ff. Rn. 125; aA [Subsidiarität] Schönke/Schröder/Heine/Schuster, StGB, 30. Aufl., § 267 Rn. 71 und § 274 Rn. 22; SSWStGB/Wittig, 4. Aufl., § 274 Rn. 24; wohl auch MünchKomm-StGB/Erb, 3. Aufl., § 267 Rn. 221; aA [Tatbestandslösung] Kienapfel, Jura 1983, 185, 195 f.; Geppert, Jura 1988, 158, 159 ff.; Lindemann, NStZ 1998, 23, 24 f.; jedenfalls von Gesetzeseinheit ausgehend LK/Zieschang, StGB, 12. Aufl., § 267 Rn. 294 und § 274 Rn. 66; MünchKomm-StGB/Erb, 3. Aufl., § 267 Rn. 221 und § 274 Rn. 74; SKStGB/Hoyer, 9. Aufl., § 274 Rn. 27; von HeintschelHeinegg/Weidemann, StGB, 3. Aufl., § 274 Rn. 16; Matt/Renzikowski/Maier, StGB, § 274 Rn. 33; RG, Urteile vom 25.10.1889 Rep. 2556/89, RGSt 20, 6, 9; vom 01.02.1901 Rep. 4695/00, RGSt 34, 114, 118; vom 18.06.1931 – II 302/31, RGSt 65, 316, 318[↩]
- BGH, Beschluss vom 27.11.2018 2 StR 481/17, NJW 2019, 1086 Rn. 18[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 20.10.1992 GSSt 1/92, BGHSt 39, 100, 109; Urteil vom 30.03.1995 4 StR 768/94, BGHSt 41, 113, 116[↩]
- vgl. LK/Rissingvan Saan, 12. Aufl., Vor § 52 Rn. 89[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 20.10.1992 GSSt 1/92, BGHSt 39, 100, 108; Urteil vom 16.04.2014 2 StR 608/13, BGHR StGB § 225 Konkurrenzen 9 Rn. 17[↩]
- vgl. LK/Rissingvan Saan, StGB, 12. Aufl., Vor § 52 Rn. 125; SSWStGB/Eschelbach, 4. Aufl., § 52 Rn. 16; RG, Urteil vom 27.03.1906 Rep. 145/06, RGSt 38, 383, 385[↩]
- vgl. LK/Rissingvan Saan, StGB, 12. Aufl., Vor § 52 Rn. 129[↩]
- vgl. LK/Rissingvan Saan, StGB, 12. Aufl., Vor § 52 Rn. 144; SSWStGB/Eschelbach, 4. Aufl., § 52 Rn. 21[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 07.08.2001 1 StR 470/00, NStZ 2001, 642, 643 f.; vom 09.12 1976 4 StR 582/76, NJW 1977, 590; für den unerlaubten Erwerb von Betäubungsmitteln als regelmäßige Begleittat zu deren unerlaubtem Besitz vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.06.1997 2 Ss 180/97 54/97 II, OLGSt BtMG § 29a Nr. 2; Schönke/Schröder/SternbergLieben/Bosch, StGB, 30. Aufl., Vor §§ 52 ff. Rn. 126[↩]
- vgl. LK/Rissingvan Saan, StGB, 12. Aufl., Vor § 52 Rn. 145[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 11.12 1951 1 StR 567/51, BGHSt 2, 50, 52; LK/Zieschang, StGB, 12. Aufl., § 267 Rn. 1[↩]
- vgl. SSWStGB/Wittig, 4. Aufl., § 267 Rn. 2; LK/Zieschang, StGB, 12. Aufl., § 267 Rn. 2[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 29.01.1980 1 StR 683/79, BGHSt 29, 192, 194; SSWWittig, StGB, 4. Aufl., § 274 Rn. 1[↩]
- vgl. NKStGB/Puppe/Schumann, 5. Aufl., § 274 Rn. 18[↩]
Bildnachweis:
- Petschaft: Wolfgang Claussen | Pixabay-Lizenz