Die coronabedingte Schließung eines Fitnessstudios führt jedenfalls dann dazu, dass die von dem Studio geschuldete Leistung für den Schließungszeitraum unmöglich wird, wenn das Mitglied den Vertrag ordentlich gekündigt hat. Die coronabedingte Schließung begründet im Verhältnis zwischen Studio und Mitglied keinen Wegfall der Geschäftsgrundlage.

In dem vom Landgericht Osnabrück entschiedenen Fall besteht zwischen den Parteien ein Vertrag über die Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio der Betreiberin des Fitnessstudios in Meppen. In der Zeit vom 16.03.2020 bis 04.06.2020 war das Fitnessstudio der Betreiberin des Fitnessstudios aufgrund einer behördlichen Anordnung geschlossen. In diesem Zeitraum konnte die Betreiberin des Fitnessstudios die von ihr geschuldete Leistung – nämlich das Zurverfügungstellen von Räumlichkeiten zum Trainieren – nicht erfüllen. Damit ist aufgrund der behördlich angeordneten Schließung die von der Betreiberin des Fitnessstudios geschuldete Leistung für diesen Zeitraum unmöglich geworden, § 275 BGB, so dass ihr Anspruch auf Entrichtung der Monatsbeiträge für den Schließungszeitraum entfällt und dem Kunden ein Anspruch auf Rückzahlung der bereits erbrachten Gegenleistung gem. § 326 Abs. 4 BGB zusteht.
Der Betreiberin des Fitnessstudios ist zwar zuzugeben, dass vorübergehende Leistungshindernisse ggf. auch nur Verzug begründen können. Das ist indes allenfalls dann der Fall, wenn ein Nachholen der Leistung tatsächlich möglich ist und auch das Gläubigerinteresse befriedigt1. Vorliegend ist indes schon fraglich, ob bei einem zeitlich befristeten Vertrag wie dem vorliegenden – der Vertrag hat eine Laufzeit von 24 Monaten – überhaupt die Nachholbarkeit der Leistung als möglich anzusehen ist. Für den zurückliegenden Zeitraum, in welchem das Fitnessstudio geschlossen war, kann die von der Betreiberin des Fitnessstudios geschuldete Leistung innerhalb des Vertragszeitraums nicht nachgeholt werden. Denn in jedem Monat hat die Betreiberin des Fitnessstudios ihre Leistung „neu“ zu erbringen, so dass innerhalb der Vertragslaufzeit kein Raum für die Nachholbarkeit der versäumten Trainingszeit besteht. Eine Nachholbarkeit wäre allenfalls insoweit denkbar, als der Schließungszeitraum an das Ende der Vertragslaufzeit „angehängt“ wird. Es kann aber dahingestellt bleiben, ob ein „Anhängen“ nach Ende der Vertragslaufzeit eine Nachholbarkeit begründet oder ob aufgrund der zeitlichen Begrenzung eine Nachholung des Gebrauchs ausgeschlossen ist2, denn jedenfalls setzt die Annahme eines nur vorübergehenden Leistungshindernisses – mit der Folge, dass lediglich Verzug und nicht Unmöglichkeit vorläge – weiter voraus, dass durch das Nachholen der Leistung auch das Interesse des Gläubigers befriedigt wird, das Nachholen also auch seinen Interessen dient. Das kann im vorliegenden Fall jedoch nicht angenommen werden. Der Kunde hat seinen Mitgliedsvertrag zum Endes der Vertragslaufzeit gekündigt. Es würde damit dem Interesse des Kunden an einer Beendigung des Vertragsverhältnisses zuwiderlaufen, den Schließungszeitraum an das Ende der Vertragslaufzeit anzuhängen. Der Kunde hat durch seine Kündigung zum Ausdruck gebracht, dass er an einer Fortsetzung des Vertragsverhältnisses über die vereinbarte Laufzeit hinaus kein Interesse mehr hat. Dieses Interesse ist zu berücksichtigen bei der Frage, ob die Nachholbarkeit der Leistung das Gläubigerinteresse befriedigt.
Die Betreiberin des Fitnessstudios hat auch nicht gem. § 313 BGB einen Anspruch gegen den Kunden auf Anpassung des Vertrages in der Weise, dass der Schließungszeitraum an das Ende der Vertragslaufzeit (kostenfrei) angehängt wird. Die Kammer folgt insoweit nicht den von Seiten der Betreiberin des Fitnessstudios vorgelegten Entscheidungen3. Vorliegend liegt keine Störung der Geschäftsgrundlage vor, sondern eine Leistungsstörung, die vorrangig nach den allgemeinen Regeln des Leistungsstörungsrechts zu lösen ist. Die Betreiberin des Fitnessstudios verlangt de facto auch keine Anpassung des Vertrages, wenn sie die Auffassung vertritt, der Kunde könne die aufgrund der Schließung nicht wahrgenommenen Trainingszeiten an das Ende der Vertragslaufzeit „anhängen“. Die Betreiberin des Fitnessstudios verlangt damit vielmehr eine Anpassung der gesetzlich vorgesehenen Rechtsfolge bei Unmöglichkeit im Synallagma, weil die vom Gesetz vorgesehene Rechtsfolge nach ihrer Auffassung zu einem wirtschaftlich unzumutbaren Ergebnis führt. Ein Rückgriff auf die Regeln des Wegfalls der Geschäftsgrundlage kommt aber nicht alleine deswegen in Betracht, weil die Anwendung des Leistungsstörungsrechts für die Betreiberin des Fitnessstudios ggf. zu einer wirtschaftlich nachteiligen Lösung führt4. Vorliegend ist der Umstand, dass die Betreiberin des Fitnessstudios gem. §§ 346, 326 Abs. 4, 275 BGB ihren Anspruch auf die Gegenleistung verliert, auch nur deswegen ggf. unzumutbar für die Betreiberin des Fitnessstudios, weil sämtliche Vertragsverhältnisse der Betreiberin des Fitnessstudios mit Mitgliedern von der behördlich angeordneten Schließung betroffen sind und der Betreiberin des Fitnessstudios – soweit alle Mitglieder von ihrem Rückzahlungsanspruch Gebrauch machen bzw. die Zahlung der Beiträge verweigern – erhebliche Einnahmen verlustig gehen. Bezogen allein auf das Vertragsverhältnis mit dem Kunden stellt die Regelung des §§ 346, 326 Abs. 4, 275 BGB jedoch keinen – unzumutbaren – wirtschaftlichen Nachteil dar, sondern ist vielmehr Ausdruck des konditionellen Synallagmas, bei dem der Schuldner der wegen Unmöglichkeit nicht zu erbringenden Leistung die Vergütungsgefahr trägt5. Die Anpassung eines Vertragsverhältnisses kann indes allenfalls dann verlangt werden, wenn das Festhalten an dem konkreten Vertrag für eine Partei unzumutbar ist, nicht jedoch, wenn sich die Unzumutbarkeit erst daraus ergibt, dass eine Vielzahl von Verträgen betroffen sind und insoweit erst die Summe der Verträge die (wirtschaftliche) Unzumutbarkeit begründen würde.
Dass für den vorliegenden Fall die Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht zur Anwendung gelangen (sollen), folgt im Ergebnis auch daraus, dass der Gesetzgeber mit Art. 240 § 5 EGBGB eine Regelung geschaffen hat, welche die Folgen der behördlich angeordneten Schließung für das Unternehmen abmildern soll. Die Regelung des Art. 240 § 5 EGBGB wurde ausdrücklich vor dem Hintergrund geschaffen, um den Veranstalter/Betreiber vor einem erheblichen (sofortigen) Liquiditätsabfluss zu schützen, der damit verbunden wäre, dass die Kunden/Mitglieder von dem ihnen gesetzlich zustehenden Rückzahlungsanspruch Gebrauch machen6. Eine solche Regelung wäre nicht erforderlich gewesen, wenn die jeweiligen Verträge über die Regeln des Wegfalls der Geschäftsgrundlage problemlos hätten angepasst werden können. Sie würde im Übrigen obsolet, soweit der Veranstalter/Betreiber das Mitglied auf eine Vertragsanpassung verweisen könnte, anstatt dem Mitglied – wie gesetzlich vorgesehen – einen Gutschein anzubieten.
Gegen die Anwendung der Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage im vorliegenden Fall spricht auch die Regelung in Art. 240 § 7 EGBGB für (gewerbliche) Miet- und Pachtverträge. Bei diesen Verträgen sollen Einschränkungen infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie einen Umstand im Sinne des § 313 BGB darstellen. Eine entsprechende Regelung für Verträge wie den vorliegenden hat der Gesetzgeber indes nicht getroffen, so dass im Umkehrschluss gefolgert werden kann, dass Einschränkungen infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie bei Verträgen wie dem vorliegenden keinen Umstand im Sinne des § 313 BGB darstellen.
Ungeachtet dessen entspricht insbesondere dann, wenn das Mitglied die Mitgliedschaft (ordentlich) gekündigt hat, eine Verlängerung der Vertragslaufzeit nicht zwingend den Interessen des Mitglieds. Die Kündigung der Mitgliedschaft kann bspw. darin begründet liegen, dass das Mitglied aus gesundheitlichen Gründen sich nicht mehr in der Lage sieht, die angebotenen Trainingsleistungen in Anspruch zu nehmen. In diesem Fall würde eine Lösung, wie sie die Betreiberin des Fitnessstudios als sachgerecht ansieht, einseitig die wirtschaftlichen Interessen der Betreiberin des Fitnessstudios befriedigen, nicht jedoch dem Interesse des Mitglieds dienen, denn dieses könnte die Trainingszeiten nicht nachholen. Es würde dann allein bei der Zahlungspflicht des Mitglieds bleiben, ohne, dass dieses eine Gegenleistung erhalten würde. Insoweit ist es dem Mitglied nicht ohne weiteres zumutbar, auf die Inanspruchnahme der Leistung bis zur Behebung des Hindernisses zu verzichten und durch Vertragsverlängerung die Leistung zu einem anderen Zeitpunkt in Anspruch zu nehmen.
Ob die Betreiberin des Fitnessstudios dem Rückzahlungsanspruch des Kunden die sog. „Gutscheinlösung“ des Art. 240 § 5 EGBGB entgegenhalten kann, musste vom Landgericht nicht entschieden werden, denn einen entsprechenden Gutschein hat die Betreiberin des Fitnessstudios dem Kunden zu keinem Zeitpunkt angeboten.
Landgericht Osnabrück, Urteil vom 9. Juli 2021 – 2 S 35/21
- vgl. Palandt, BGB, 79. Aufl., § 286, Rn. 12[↩]
- vgl. BGH, NJW 1988, 251[↩]
- bspw. AG Leipzig – 102 C 6387/20; AG Landsberg am Lech – 2 C 531/20[↩]
- vgl. BGH, NJW-RR 1995, 854, Rn. 13, zit. n. juris[↩]
- vgl. Palandt, BGB, 79. Aufl., § 326, Rn. 2[↩]
- vgl. Eibenstein, jurisPK-BGB, Art. 240 § 5 EGBGB, Rn. 4 – 7; BT-Drs.19/18697, S. 5[↩]
Bildnachweis:
- Fitnessstudio: Walter Röllin | CC0 1.0 Universal