Sachgrundlose Befristung – und die spätere Verkürzung der Vertragslaufzeit

Eine Befristung, mit der die Laufzeit eines nach § 14 Abs. 2 TzBfG sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags verkürzt wird, bedarf eines sachlichen Grundes gemäß § 14 Abs. 1 TzBfG.

Sachgrundlose Befristung – und die spätere Verkürzung der Vertragslaufzeit

Bei einer solchen nachträglichen Verkürzung der Befristung handelt es sich nicht um einen Aufhebungsvertrag, sondern um eine auf die befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gerichtete Abrede.

Ein Aufhebungsvertrag ist eine Vereinbarung über das vorzeitige Ausscheiden eines Arbeitnehmers aus einem Arbeitsverhältnis. Er ist seinem Regelungsgehalt nach auf eine alsbaldige Beendigung der arbeitsvertraglichen Beziehungen gerichtet. Das bringen die Parteien in der Regel durch die Wahl einer zeitnahen Beendigung, die sich häufig an der jeweiligen Kündigungsfrist orientiert, und weitere Vereinbarungen über Rechte und Pflichten aus Anlass der vorzeitigen Vertragsbeendigung zum Ausdruck. Ein solcher Aufhebungsvertrag ist nicht Gegenstand der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle1. Demgegenüber ist von einer der Befristungskontrolle unterliegenden, auf die befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gerichteten Abrede auszugehen, wenn der von den Parteien gewählte Beendigungszeitpunkt die jeweilige Kündigungsfrist um ein Vielfaches überschreitet und es an weiteren Vereinbarungen im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fehlt, wie sie im Aufhebungsvertrag regelmäßig getroffen werden. Dazu gehören insbesondere Freistellungen, Urlaubsregelungen, ggf. auch Abfindungen uä.2. Für das Eingreifen der Befristungskontrolle ist nicht die von den Parteien gewählte Vertragsbezeichnung entscheidend, sondern der Regelungsgehalt der getroffenen Vereinbarung.

Danach ist die nachträgliche Vereinbarung auf die befristete Fortsetzung und nicht auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerichtet. Die Parteien haben die Vereinbarung unter der Überschrift „Arbeitsvertrag auf Zeit – Änderung der Vertragslaufzeit“ gefasst und mit dieser lediglich die ursprüngliche Befristungsabrede in § 1 des Arbeitsvertrags abgeändert. Das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers war zu diesem Zeitpunkt nach § 4 des Arbeitsvertrags vom 18.06.2012 mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende ordentlich kündbar. Mit der am 13.12 2012 vereinbarten Beendigung zum 31.07.2013 haben die Parteien eine Laufzeit bestimmt, die ein Vielfaches der Kündigungsfrist beträgt. Regelungen, die im Zusammenhang mit der Beendigung von Arbeitsverhältnissen typischerweise getroffen werden, enthält die Vereinbarung nicht.

Weiterlesen:
Leiharbeitnehmer - und die tarifvertragliche Abweichung vom Equal-Pay-Grundsatz

Diese verkürzte Befristung ist nicht nach § 14 Abs. 2 TzBfG ohne Sachgrund zulässig.

Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 TzBfG ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. Bis zu dieser Gesamtdauer ist nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 TzBfG die höchstens dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrags zulässig. Eine Befristung nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG ist gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat.

Die Voraussetzungen für eine sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG liegen im Streitfall entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht vor. Zwar wird durch die vereinbarte Vertragslaufzeit vom 15.07.2012 bis zum 31.07.2013 die zulässige zweijährige Höchstbefristungsdauer nicht überschritten. Der Wirksamkeit der Befristung steht jedoch § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG entgegen, da zwischen den Parteien zum Zeitpunkt der Befristungsvereinbarung am 13.12 2012 bereits ein zum 31.07.2014 befristetes Arbeitsverhältnis bestand. Die Parteien haben mit der Befristungsabrede vom 13.12 2012 zwar lediglich die Laufzeit des bereits bestehenden Vertrags verkürzt, indem sie das Beendigungsdatum vom 31.07.2014 auf den 31.07.2013 vorverlegt haben. Damit haben sie jedoch eine neue Befristung vereinbart, die der Befristungskontrolle unterliegt und die wegen des zwischen den Parteien bereits bestehenden Arbeitsverhältnisses nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ohne Sachgrund nicht zulässig ist. § 14 Abs. 2 TzBfG erlaubt nur bei einer Neueinstellung die Befristung des Arbeitsvertrags ohne Sachgrund bis zur Dauer von zwei Jahren und bis zu dieser Gesamtdauer die höchstens dreimalige Verlängerung eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags. Die Verkürzung der Laufzeit eines solchen Vertrags lässt § 14 Abs. 2 TzBfG ohne Sachgrund nicht zu.

Weiterlesen:
Sachgrundlose Befristung - nach früherer Vorbeschäftigung

Dafür spricht bereits der Wortlaut der Vorschrift, die den Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags ohne sachlichen Grund und dessen Verlängerung erwähnt, nicht hingegen dessen Verkürzung. Aus dem Umstand, dass sich der Gesetzeswortlaut zur Verkürzung der Vertragslaufzeit nicht verhält, kann entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin nicht geschlossen werden, dass diese ohne weiteres zulässig sein soll. Vielmehr ergibt sich insbesondere aus dem Gesamtzusammenhang der Befristungsregelungen in § 14 Abs. 1 und Abs. 2 TzBfG, dass die Verkürzung der Laufzeit eines befristeten Arbeitsvertrags ohne Sachgrund nicht zulässig ist.

Nach § 14 Abs. 1 TzBfG bedarf die Befristung eines Arbeitsvertrags grundsätzlich eines sachlichen Grundes. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist in § 14 Abs. 2 TzBfG geregelt. Danach ist unter bestimmten Voraussetzungen die Befristung eines Arbeitsvertrags ohne sachlichen Grund möglich. § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG erlaubt die Befristung ohne sachlichen Grund bis zur Dauer von zwei Jahren und bis zu dieser Gesamtdauer die höchstens dreimalige Verlängerung eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags. Nach § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG können die Tarifvertragsparteien die Gesamtdauer und die Anzahl der Vertragsverlängerungen abweichend regeln. Da nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG die Befristung ohne Sachgrund nicht zulässig ist, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat, ist die sachgrundlose Befristungsmöglichkeit auf Neueinstellungen und die nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG ermöglichten Vertragsverlängerungen beschränkt3. Das Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG erfasst nicht nur vorherige Arbeitsverhältnisse, die bereits beendet sind. Vielmehr verbietet die Vorschrift die Vereinbarung einer Befristung ohne Sachgrund auch während eines laufenden Arbeitsverhältnisses mit Ausnahme der in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG vorgesehenen Vertragsverlängerungen. Sachgrundlose Befristungen sind daher nur in dem begrenzten Rahmen des § 14 Abs. 2 TzBfG zulässig. Insoweit hat der Gesetzgeber die Privatautonomie zugunsten des Arbeitnehmerschutzes eingeschränkt. Es muss sich um eine bei einer Neueinstellung vereinbarte Befristung oder um die Verlängerung eines anlässlich einer Neueinstellung abgeschlossenen befristeten Arbeitsvertrags handeln. Liegen die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 TzBfG nicht vor, bleibt es bei dem in § 14 Abs. 1 TzBfG bestimmten Grundsatz, dass die Befristung eines sachlichen Grundes bedarf. Eine nachträgliche Befristung, mit der die Laufzeit eines befristeten Arbeitsvertrags abgekürzt wird, ist nach der gesetzlichen Konzeption daher ohne Sachgrund nicht zulässig, da eine solche Befristungsabrede nicht bei einer Neueinstellung getroffen wird und es sich auch nicht um eine Vertragsverlängerung handelt.

Weiterlesen:
Kettenbefristung in Vertretungsfällen

Für dieses Verständnis spricht auch der Zweck der Regelung zur sachgrundlosen Befristung in § 14 Abs. 2 TzBfG.

Die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen nach § 14 Abs. 2 TzBfG soll es zum einen dem Arbeitgeber ermöglichen, auf eine unsichere und schwankende Auftragslage und wechselnde Marktbedingungen durch Neueinstellungen flexibel zu reagieren; zum anderen soll die befristete Beschäftigung für den Arbeitnehmer eine Alternative zur Arbeitslosigkeit und eine Brücke zur Dauerbeschäftigung sein4. Der Verwirklichung dieser Ziele dient die Verkürzung der Laufzeit eines befristeten Arbeitsvertrags nicht. Sie ist weder geeignet, dem Arbeitgeber unter erleichterten Bedingungen eine Neueinstellung zu ermöglichen, da er den Arbeitnehmer bereits beschäftigt, noch kann sie dazu beitragen, den Arbeitnehmer aus der Arbeitslosigkeit heraus in das Arbeitsleben zu integrieren und eine Brücke zur Dauerbeschäftigung sein. Im Gegensatz dazu hält die Verlängerung eines die Höchstbefristungsdauer des § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG nicht ausschöpfenden befristeten Arbeitsvertrags die gewünschte Brücke zur Dauerbeschäftigung aufrecht. Deshalb steht es im Einklang mit dem Normzweck, die Möglichkeit zu eröffnen, einen zunächst kürzer befristeten Arbeitsvertrag bis zur Gesamtdauer von zwei Jahren dreimal zu verlängern, nicht jedoch dessen nachträgliche Verkürzung vorzusehen. Dabei ist nicht von Bedeutung, dass die Beschränkung der sachgrundlosen Befristungsmöglichkeit auf Neueinstellungen dazu dient, Befristungsketten zu verhindern5. Durch die Verkürzung der Laufzeit eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags wird eine Befristungskette weder ermöglicht noch verhindert. Allerdings könnte die Möglichkeit, die Laufzeit eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags zu verkürzen, dazu führen, dass die Vertragsdauer eines bereits bei der Neueinstellung auf zwei Jahre befristeten Arbeitsvertrags später abgekürzt und anschließend wieder verlängert wird. Im Extremfall könnte auf diese Weise innerhalb der nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG zulässigen Höchstbefristungsdauer von zwei Jahren sechsmal die Vertragsdauer eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags geändert werden, obwohl die maximal zulässige Laufzeit von zwei Jahren bereits durch den ersten Vertrag ausgeschöpft war. Dies widerspräche der in § 14 Abs. 2 TzBfG zum Ausdruck kommenden Vorstellung des Gesetzgebers, einen Arbeitsvertrag ohne Sachgrund bis zur Dauer von zwei Jahren befristen und einen zunächst kürzer befristeten Arbeitsvertrag innerhalb der zweijährigen Höchstbefristungsdauer maximal dreimal verlängern zu können6.

Weiterlesen:
Überbrückungsleistungen des Arbeitgebers bis zum Renteneintritt

Dieses Verständnis steht auch im Einklang damit, dass die nachträgliche Befristung eines bereits bestehenden unbefristeten Arbeitsverhältnisses eines sachlichen Grundes bedarf7. Das gilt unabhängig davon, ob mit der nachträglichen Befristung die Laufzeit des Arbeitsverhältnisses auf mehr oder weniger als zwei Jahre begrenzt wird. Damit wäre es nicht zu vereinbaren, eine Befristungsabrede, die kein unbefristetes, sondern ein bereits befristetes Arbeitsverhältnis auf eine Laufzeit von unter zwei Jahren verkürzt, ohne Sachgrund zu ermöglichen. Der Umstand, dass in dem einen Fall ein unbefristetes Arbeitsverhältnis erstmals befristet und in dem anderen Fall die Laufzeit eines bereits befristeten Arbeitsverhältnisses verkürzt wird, rechtfertigte eine solche unterschiedliche Behandlung in Bezug auf § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht. Danach scheidet eine sachgrundlose Befristung bei einer Vorbeschäftigung unabhängig davon aus, ob das zuvor bestehende Arbeitsverhältnis befristet oder unbefristet ist.

Die Wirksamkeit der verkürzten Befristung hängt daher davon ab, ob diese durch einen Sachgrund gerechtfertigt ist.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14. Dezember 2016 – 7 AZR 49/15

  1. vgl. BAG 15.02.2007 – 6 AZR 286/06, Rn. 16, BAGE 121, 257; 12.01.2000 – 7 AZR 48/99, zu 2 und 3 der Gründe, BAGE 93, 162[]
  2. BAG 15.02.2007 – 6 AZR 286/06, Rn. 16, aaO; 12.01.2000 – 7 AZR 48/99, zu 2 und 3 der Gründe, aaO[]
  3. vgl. BT-Drs. 14/4374 S. 2, 13 und S. 14[]
  4. vgl. BT-Drs. 14/4374 S. 13 f.; BAG 6.04.2011 – 7 AZR 716/09, Rn. 22, BAGE 137, 275[]
  5. BT-Drs. 14/4374 S. 14; BAG 6.04.2011 – 7 AZR 716/09, Rn. 23, aaO[]
  6. vgl. BT-Drs. 14/4374 S. 13[]
  7. vgl. etwa BAG 11.02.2015 – 7 AZR 17/13, Rn. 21, BAGE 150, 366; 16.04.2008 – 7 AZR 1048/06, Rn. 12; 1.12 2004 – 7 AZR 198/04, zu B I 4 b und II der Gründe, BAGE 113, 75; 12.01.2000 – 7 AZR 48/99, zu 3 a der Gründe, BAGE 93, 162[]
Weiterlesen:
Scheinselbständige beim Bundesrat