Die Beschwerdebefugnis eines Beteiligten im Betreuungsverfahren – trotz Aufhebung seiner Hinzuziehung

Wer nach § 274 Abs. 4 Nr. 1 FamFG tatsächlich am Verfahren im ersten Rechtszug beteiligt wurde, bleibt auch dann gemäß § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG beschwerdebefugt, wenn nachfolgend seine Hinzuziehung entsprechend § 7 Abs. 5 FamFG wieder aufgehoben wird1.

Die Beschwerdebefugnis eines Beteiligten im Betreuungsverfahren – trotz Aufhebung seiner Hinzuziehung

Gemäß § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG steht Eltern des Betroffenen gegen die Bestellung eines Betreuers das Recht der Beschwerde im Interesse des Betroffenen nur dann zu, wenn sie im ersten Rechtszug beteiligt worden sind. Für diese Beschwerdebefugnis kommt es allein darauf an, dass (hier:) der Vater im ersten Rechtszug tatsächlich beteiligt worden ist. Eine der tatsächlichen Beteiligung nachfolgende, im Zwischenverfahren entsprechend § 7 Abs. 5 FamFG ergangene rechtskräftige Entscheidung, wonach die Beteiligung des Beteiligten zu 3 am Verfahren wieder aufgehoben wird, steht der einmal erlangten Beschwerdebefugnis nicht entgegen2.

In Verfahren über die Bestellung eines Betreuers können gemäß § 274 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 1 FamFG im Interesse des Betroffenen dessen Eltern beteiligt werden. Dabei kann die Hinzuziehung eines Beteiligten auch konkludent erfolgen, etwa durch das Übersenden von Schriftstücken oder die Ladung zu Terminen3. Die Hinzuziehung kann innerhalb der Instanz auch wieder aufgehoben werden, wenn etwa das Gericht sein Ermessen während des Verfahrens für die Zukunft anders ausübt; insofern ist allerdings zur Rechtsklarheit ein förmlicher Beschluss im Sinne des § 38 FamFG erforderlich4.

Weiterlesen:
Süddeutsche Leitlinien zum Unterhaltsrecht

Danach war der Vater der Betroffenen im hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall im ersten Rechtszug beteiligt worden und demgemäß nach § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG zur Beschwerde befugt:

Vorliegend hat das Amtsgericht die Geschäftsstelle angewiesen, den Vater als Beteiligten in der Akte zu vermerken, ihm die Betreuungsanregung und den Einleitungsbeschluss zugeleitet und ihn zum Anhörungstermin geladen. Diese Verfahrenshandlungen allein begründen bereits eine Beteiligung im Sinne der §§ 274 Abs. 4 Nr. 1, 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG. Hinzu kommt, dass ausweislich des Beschlusses vom 04.04.2019 das Amtsgericht am 25.04.2018 „formlos“ beschlossen hatte, den Vater auf seinen Antrag hin als Beteiligten hinzuzuziehen.

Zwar hat das Amtsgericht nachfolgend im Hinblick auf den Widerspruch der Betroffenen im Anhörungstermin davon abgesehen, dem Vater eine Abschrift des Sachverständigengutachtens auszuhändigen, hat ihm die Entscheidung nur abgekürzt (ohne Gründe) übermittelt und ihm auch nachträglich Akteneinsicht verweigert. Dadurch ist indessen allenfalls das Ermessen für die Zukunft anderweitig ausgeübt worden.

Auch die nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens rechtskräftig erfolgte Aufhebung der Hinzuziehung des Vaters zum Verfahren vermag an der zu diesem Zeitpunkt bereits begründeten Beschwerdebefugnis nichts zu ändern. Denn die zuvor tatsächlich bereits erfolgte Beteiligung und die damit einhergehende Beschwerdebefugnis nach § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG entfällt dadurch nicht5.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12. Februar 2020 – XII ZB 347/19

  1. Fortführung von BGH, Beschluss vom 09.04.2014 – XII ZB 595/13, FamRZ 2014, 1099[]
  2. zur nachträglichen Ablehnung der Hinzuziehung vgl. BGH, Beschluss vom 09.04.2014 XII ZB 595/13 FamRZ 2014, 1099 Rn. 8, 16[]
  3. vgl. BGH, Beschluss vom 09.04.2014 XII ZB 595/13 FamRZ 2014, 1099 Rn. 11 mwN[]
  4. Keidel/Sternal FamFG 20. Aufl. § 7 Rn. 42[]
  5. vgl. BGH, Beschluss vom 09.04.2014 XII ZB 595/13 FamRZ 2014, 1099 Rn.19[]
Weiterlesen:
Kein "generell Beteiligter" bei langjährigen Betreuungen