Epilesie – und die Merkzeichen G, H und B

Liegt kein hirnorganisches Anfallsleiden, sondern eine schwere Störung auf psychiatrischem Fachgebiet vor, sind die Voraussetzungen für das Merkzeichen G nicht erfüllt. Ist eine Person in der Lage, die technische Notrufanlage zu bedienen und lediglich punktuell auf Hilfestellung angewiesen, liegt kein erheblicher Hilfebedarf vor, der die Zuerkennung des Merkzeichens H rechtfertigt. Fehlt es an den Merkzeichen G und H, dann sind die Voraussetzungen für das Merkzeichen B nicht gegeben.

Epilesie – und die Merkzeichen G, H und B

Mit dieser Begründung hat das Sozialgericht Osnabrück in dem hier vorliegenden Fall die Klage auf Feststellung der Merkzeichen G (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr), H (Hilflosigkeit) und B (Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson) abgewiesen. Gleichzeitig ist die Entscheidung des Landes Niedersachsen bestätigt worden.

Geklagt hatte eine 1988 geborene Frau, die sich erstmals im Februar 2018 in stationärer Behandlung befand wegen plötzlicher, ca. zweimal täglich auftretender Schwächeanfälle, meist ohne Bewusstlosigkeit. Ein neurologischer Befund konnte nicht erhoben werden. Diagnostiziert wurde eine somatoforme Störung mit wiederkehrenden dissoziativen Anfällen. Weitere Untersuchungen ergaben die Diagnose psychogener, nicht epileptischer Anfälle. Die Klägerin sei innerhalb weniger Sekunden wieder vollständig reorientiert, könne aber nicht alleine aufstehen. Sie fühle sich noch ca. 15 Minuten schlapp. Eine intensive psychotherapeutische Behandlung wurde empfohlen.

Bei der Klägerin wurde wegen der nicht epileptischen Anfälle vom Land Niedersachsen ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 festgestellt, aber die Zuerkennung der beantragten Merkzeichen G, H und B abgelehnt. Hiergegen wandte sich die Klägerin und machte geltend, die Erheblichkeit der Anfälle sei nicht ausreichend berücksichtigt worden. Es dauere jeweils 20 bis 30 Minuten, bis sie sich nach einem Anfall wieder voll bewegen könne. Die Stürze träten überall auf, daher sei auch eine ständige Begleitung erforderlich.

Weiterlesen:
Hartz IV und die Beiträge zur privaten Krankenversicherung

Zur Urteilsbegründung hat das Sozialgericht Osnabrück ausführlich erklärt, dass bei der Klägerin kein hirnorganisches Anfallsleiden, sondern eine schwere Störung auf psychiatrischem Fachgebiet besteht, die unter Beachtung der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VMG) mit einem Einzel-GdB von 50 zu bewerten ist. Das Merkzeichen G ist nicht zu vergeben, da die Klägerin zu keiner der in den Voraussetzungen für dieses Merkzeichen genannten Personengruppen gehört. Selbst bei Personen mit hirnorganischen Anfällen wird erst ab einer mittleren Anfallshäufigkeit mit einem GdB von 70 das Merkzeichen G als gerechtfertigt anzusehen. Hiermit ist der Fall der Klägerin nicht vergleichbar.

Nach Auffassung des Sozialgerichts Osnabrück war die Zuerkennung des Merkzeichens H abzulehnen, da bei der Klägerin kein erheblicher Hilfebedarf vorliegt. Die Klägerin benötigt zwar in bestimmten Situationen fremde Hilfe; sie ist jedoch in der Lage, die technische Notrufanlage zu handhaben. Hilfestellungen sind also nur punktuell erforderlich.

Weiterhin konnte das Merkzeichen B schon deshalb nicht festgestellt werden, weil hierzu die Voraussetzungen des Merkzeichens G oder die des Merkzeichens H vorliegen müssten.

Sozialgericht Osnabrück, Urteil vom 15. Juli 2020 – S 30 SB 90/19