Der Streit um die Herausgabe eines Kleingartens – und die Rechtsmittelbeschwer

Wie ist die Rechtsmittelbeschwer des die Herausgabe eines in seinem Eigentum stehenden Grundstücks begehrenden, in der Vorinstanz unterlegenen Klägers zu bemessen, wenn sich der Beklagte auf einen das Grundstück betreffenden Kleingartenpachtvertrag beruft? Mit dieser Frage hatte sich jetzt der Bundesgerichtshof zu befassen:

Der Streit um die Herausgabe eines Kleingartens – und die Rechtsmittelbeschwer

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs findet § 8 ZPO auch auf Kleingartenpachtverhältnisse im Sinne des Bundeskleingartengesetzes Anwendung1. Ist das Ende des streitigen Miet- oder Pachtverhältnisses – wie hier – weder bestimmt noch sonst näher bestimmbar, so ist im Rahmen der Wertbemessung gemäß § 8 ZPO die in § 9 ZPO festgelegte Höchstgrenze des dreieinhalbfachen Jahresbetrages entsprechend anzuwenden2. Dies gilt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch dann, wenn der Kläger einer Herausgabeklage diese allein oder in erster Linie auf einen dinglichen Anspruch wie denjenigen aus § 985 BGB stützt und sich der Beklagte demgegenüber mit einem angeblichen Miet- oder Pachtverhältnis verteidigt3.

Diese Rechtsprechung swird in der obergerichtlichen Rechtsprechung oder der Literatur nicht in Zweifel gezogen. Es besteht auch kein Wertungswiderspruch dazu, dass bei einem allein auf ein Eigentümer-Besitzer-Verhältnis gestützten Räumungsanspruch der Streitwert nach § 6 ZPO und dem Verkehrswert des Herausgabeobjektes zu bestimmen ist. Denn in Fällen wie dem vorliegenden, in dem sich der Beklagte auf ein zum Besitz berechtigendes Nutzungsverhältnis beruft, streiten die Parteien – wie der Kläger an anderer Stelle zutreffend erkennt – nicht um den Vollwert des Grundstücks, sondern nur um dessen Nutzung4.

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Eine Veranlassung zur Fortbildung des Rechts besteht ebenfalls nicht hinsichtlich der weiteren Frage, welche Werte der Bestimmung der Beschwer zugrunde zu legen sind, wenn der Kläger zum Wert der Nutzung des Grundstücks selbst vorgetragen hat und dieses Interesse über die vom Beklagten dargelegten Pachtzinsen hinausgeht:

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der nach § 8 ZPO beziehungsweise § 9 ZPO maßgebliche Pacht- oder Mietzins nur dem Vortrag der Beklagtenseite entnommen werden, wenn die klagende Partei – wie hier – den Bestand eines Pacht- oder Mietvertrages hinsichtlich der streitgegenständlichen Flächen bestreitet. Die Beklagtenseite kann nicht geltend machen, ihre Beschwer richte sich nach einem höheren Pacht- oder Mietzins, der weder nach dem Vortrag der klagenden Partei noch nach ihrem eigenen Vortrag vereinbart war5. Nichts anderes gilt, wenn die Beschwer des in der Vorinstanz unterlegenen, auf Herausgabe klagenden Eigentümers zu bestimmen ist6. Auch dann ist der dreieinhalbfache Jahresbetrag des zu entrichtenden Pachtzinses – und nicht ein allgemeiner Gebrauchswert der Nutzung – heranzuziehen. Dabei kann vorliegend offenbleiben, ob bei einem der Höhe nach zwischen den Parteien streitigen Pachtzins auf die Angaben des (Herausgabe)Klägers oder diejenigen des Beklagten abzustellen ist. Soweit in diesem Zusammenhang auf die Pachtzinsforderung der Rechtsvorgängerin des Klägers verwiesen wird, hat diese nicht „stets“ einen Pachtzins von 0, 50 €/qm (x 446 qm = 223 €) gefordert. Der insofern von der Rechtsbeschwerde in Bezug genommene Vortrag des Klägers befasst sich lediglich mit der entsprechenden Forderung seiner Rechtsvorgängerin in dem Zeitraum bis zum Jahr 2004. Demgegenüber hat das Berufungsgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass die Rechtsvorgängerin des Klägers von dieser Forderung in der Folge Abstand genommen und – ausweislich ihrer Rechnungen für den Zeitraum ab dem Jahr 2005 – den Pachtzins von 45, 63 € jährlich akzeptiert hat. Die Vorstellung der Rechtsvorgängerin des Klägers zur Höhe des zu entrichtenden Pachtzinses entsprach mithin zuletzt derjenigen des Beklagten. Dass der Kläger nach dem Übergang des Grundstückseigentums auf ihn im Jahr 2015 einen höheren Pachtzins geltend gemacht hat, legt die Rechtsbeschwerde nicht dar, geschweige denn, dass ein solcher vereinbart wurde.

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Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28. September 2023 – III ZB 93/22

  1. BGH, Beschluss vom 26.11.2015 – III ZB 84/15, NJW-RR 2016, 506 Rn. 6 mwN[]
  2. BGH, Beschlüsse vom 29.11.2018 – III ZR 222/185; vom 18.05.2017 – III ZR 525/16, NJW-RR 2017, 911 Rn. 7; und vom 26.11.2015 aaO; BGH, Beschlüsse vom 03.04.2014 – V ZR 185/13 4; vom 07.11.2002 – LwZR 9/02 12; und vom 03.12.1998 – IX ZR 253/98, NZM 1999, 189, 190[]
  3. BGH, Beschluss vom 29.11.2018 aaO Rn. 1, 5 [Herausgabeanspruch aus § 985 BGB]; BGH, Beschlüsse vom 03.04.2014 aaO [dinglicher Herausgabeanspruch]; vom 27.10.2004 – XII ZB 106/04 1, 8 [Herausgabeverlangen in erster Linie aus Eigentum, hilfsweise aus gekündigtem Nutzungsverhältnis]; vom 07.11.2002 aaO Rn. 10 [dinglicher Herausgabeanspruch]; und vom 03.12.1998 aaO S. 189 [dinglicher Herausgabeanspruch][]
  4. vgl. BGH, Beschluss vom 12.04.2018 – V ZR 230/17 6; Monschau in Schneider/Kurpat, Streitwert-Kommentar, 15. Aufl., Rn.02.2166: Anwendbarkeit von § 42 GKG, wenn Beklagter sich bei seiner Verteidigung auf Miet, Pacht- oder ähnliches Nutzungsverhältnis beruft[]
  5. vgl. BGH, Beschlüsse vom 03.04.2014 aaO Rn. 5; und vom 26.04.2006 – XII ZR 154/05 8[]
  6. vgl. BGH, Beschluss vom 29.11.2018 aaO Rn. 1, 5 f[]

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