Übertragung kindbedingter Freibeträge

Bei verheirateten aber dauernd getrennt lebenden Elternteilen kann die Übertragung des Kinderfreibetrags und des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf von einem auf den anderen Elternteil nicht allein auf den Antrag eines Elternteils gestützt werden.

Übertragung kindbedingter Freibeträge

Die Übertragung des Kinderfreibetrags scheidet aus, wenn der Elternteil, dessen Freibetrag auf den anderen Elternteil übertragen werden soll, seiner Unterhaltspflicht im Wesentlichen nachgekommen ist.

Die Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf scheidet aus, wenn das Kind bereits volljährig ist oder bei dem Elternteil, dessen Freibetrag auf den anderen Elternteil übertragen werden soll, gemeldet ist.

Nach § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG in der im Streitjahr 2015 geltenden Fassung wird bei der Veranlagung zur Einkommensteuer für jedes zu berücksichtigende Kind des Steuerpflichtigen ein Freibetrag von 2.256 € für das sächliche Existenzminimum des Kindes (Kinderfreibetrag) sowie ein BEA-Freibetrag von 1.320 € abgezogen. Bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b EStG zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, verdoppeln sich die Beträge nach § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG, wenn das Kind zu beiden Ehegatten in einem Kindschaftsverhältnis steht. Für jeden Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen für einen Freibetrag nach § 32 Abs. 6 Sätze 1 bis 4 EStG nicht vorliegen, ermäßigen sich die dort genannten Beträge um ein Zwölftel.

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Abweichend von § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG wird bei einem unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Elternpaar, bei dem die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht vorliegen, auf Antrag eines Elternteils der dem anderen Elternteil zustehende Kinderfreibetrag auf ihn übertragen, wenn er, nicht jedoch der andere Elternteil, seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind für das Kalenderjahr im Wesentlichen nachkommt oder der andere Elternteil mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist (§ 32 Abs. 6 Satz 6 EStG).

Bei minderjährigen Kindern wird der dem Elternteil, in dessen Wohnung das Kind nicht gemeldet ist, zustehende Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf auf Antrag des anderen Elternteils auf diesen übertragen, wenn bei dem Elternpaar die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht vorliegen (§ 32 Abs. 6 Satz 8 EStG). Eine Übertragung nach § 32 Abs. 6 Satz 8 EStG scheidet aus, wenn der Übertragung widersprochen wird, weil der Elternteil, bei dem das Kind nicht gemeldet ist, Kinderbetreuungskosten trägt oder das Kind regelmäßig in einem nicht unwesentlichen Umfang betreut (§ 32 Abs. 6 Satz 9 EStG).

Im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall war der Vater im Streitjahr 2015 zwar noch mit der Kindsmutter verheiratet, lebte aber von ihr dauernd getrennt, sodass die Voraussetzungen einer Zusammenveranlagung (§ 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) und mithin einer automatischen Verdoppelung der kindbedingten Freibeträge nach § 32 Abs. 6 Satz 2 EStG nicht erfüllt waren. Der Sohn des Vaters lebte im Haushalt der Kindsmutter und vollendete im Streitjahr sein 18. Lebensjahr.

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Eine Übertragung durch Zustimmung des anderen Elternteils sah das Gesetz in § 32 Abs. 6 Satz 5 EStG letztmals für den Veranlagungszeitraum 1995 vor. Eine Übertragung würde daher im Streitjahr 2015 u.a. voraussetzen, dass die Kindsmutter ihrer Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind für das Kalenderjahr im Wesentlichen nicht nachgekommen oder mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig gewesen ist. An dieser Voraussetzung könnte es für die Monate Januar bis September 2015 fehlen, da der Elternteil, der ein minderjähriges Kind betreut -im Streitfall die Kindsmutter-, seine Verpflichtung, zum Unterhalt des Kindes beizutragen, in der Regel durch die Pflege und die Erziehung des Kindes erfüllt (§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB). Dies würde selbst dann gelten, wenn die Kindsmutter für sich und das Kind Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch bezogen hätte1.

Da der Sohn des Vaters aber weiter in den Haushalt der Kindsmutter aufgenommen war, wäre zu prüfen gewesen, ob und inwieweit die Kindsmutter nach § 1612 Abs. 1 Satz 1 BGB einer Barunterhaltspflicht unterlag oder ihre Unterhaltspflicht nach § 1612 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BGB zulässigerweise durch Naturalunterhaltsleistungen erbringen durfte oder mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig war.

Im Fall des Bestehens einer Unterhaltspflicht wäre festzustellen gewesen, ob die Kindsmutter den jeweils konkret geschuldeten Unterhalt „für das Kalenderjahr im Wesentlichen“ (§ 32 Abs. 6 Satz 6 EStG) erbracht hat, wobei die insoweit von der Rechtsprechung aufgestellte 75 %-Grenze zu beachten gewesen wäre2.

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Auch soweit das Finanzgericht Düsseldorf in der Vorinstanz3 die Übertragung des BEA-Freibetrags der Kindsmutter auf den Vater auf den Antrag des Vaters gestützt hat, fehlt es an hinreichenden Feststellungen zum Vorliegen der Übertragungsvoraussetzungen. Denn zum einen ist eine Übertragung dieses Freibetrags nur für minderjährige Kinder vorgesehen, käme also im Streitfall ohnehin nur zeitanteilig für einige Monate in Betracht4. Zum anderen hätte eine Übertragung auf den Vater vorausgesetzt, dass der Sohn im Streitjahr 2015 zwar bei ihm, nicht aber bei der Kindsmutter gemeldet war, was das Finanzgericht ebenfalls nicht festgestellt hat.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 14. April 2021 – III R 34/19

  1. BFH, Urteil vom 15.06.2016 – III R 18/15, BFHE 254, 314, BStBl II 2016, 893[]
  2. BFH, Urteil vom 12.04.2000 – VI R 148/97, BFH/NV 2000, 1194[]
  3. FG Düsseldorf, Urteil vom 17.04.2019 – 15 K 1127/18 E[]
  4. BFH, Urteil vom 22.04.2020 – III R 61/18, BFHE 269, 252, HFR 2020, 1140, Rz 16 ff.[]

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