Schwere Brandstiftung – tätige Reue und der erhebliche Sachschaden

Der durch eine schwere Brandstiftung entstandene Sachschaden an einem Wohngebäude ist dann erheblich im Sinne des § 306e Abs. 1 StGB, wenn – bezogen auf das Tatobjekt – mindestens 2.500 € zur Schadensbeseitigung erforderlich sind.

Schwere Brandstiftung –  tätige Reue und der erhebliche Sachschaden

Nach § 306e Abs. 1 StGB kann das Gericht in den Fällen der §§ 306, 306a und 306b StGB die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2 StGB) oder von Strafe absehen, wenn der Täter freiwillig den Brand löscht, bevor ein erheblicher Schaden entsteht.

Der Täter muss den Brand nicht selbst eigenhändig löschen, sondern kann sich der Hilfe Dritter, insbesondere der Feuerwehr, bedienen1.

Zu der Frage, ob der Brand gelöscht wurde, bevor ein erheblicher Schaden entstanden ist, gilt:

In Fällen einer konkreten Gefährdung von Personen oder einer tatsächlich eingetretenen Gesundheitsschädigung scheidet eine Anwendung von § 306e StGB im Allgemeinen aus2.

Ein solcher Fall lag im hier entschiedenen Fall aber nicht vor. Vielmehr spricht die Warnung der Zeugin zur Vermeidung eines Personenschadens eher für eine Anwendung von § 306e Abs. 1 StGB.

Die Erfüllung der Voraussetzungen des § 306e Abs. 1 StGB hängt demnach 13 davon ab, ob ein erheblicher Sachschaden eingetreten ist oder nicht. Dies richtet sich zunächst nach dem durch die Brandstiftung betroffenen Schutzgut. Während § 306e Abs. 1 StGB für Fälle der schweren Brandstiftung durch Inbrandsetzen eines Wohngebäudes dem Umstand Rechnung tragen soll, dass die Vollendung der Tat vorverlagert ist und dem Täter damit die Möglichkeit zum strafbefreienden Rücktritt vom Versuch auch in einem Stadium, in dem noch kein bedeutender Sachschaden entstanden ist, versagt bleibt, trifft dies auf die Variante des vollständigen oder teilweisen Zerstörens des Objekts durch Brandlegung nicht zu. Setzt vollständiges oder teilweises Zerstören gewichtige Funktionseinbußen voraus, werden diese, sofern sich die Tat auf ein Wohngebäude bezieht, in der Regel mit einem beträchtlichen Sachschaden einhergehen. Soll § 306e StGB in diesem Fall nicht leerlaufen, darf die Schadensgrenze nicht zu niedrig angesetzt werden3.

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Vor diesem Hintergrund wird in der Literatur zum Teil die Auffassung vertreten, dass es nicht auf eine starre Wertgrenze ankomme4. Vielmehr sei die Erheblichkeit des Schadens in wertender Betrachtung an der Relation zwischen dem eingetretenen und dem drohenden Schaden zu messen5.

Dieser Ansicht ist nicht zu folgen. Sie führt bereits mit Blick darauf, dass bei einer Gemeingefahr ein bestimmtes Maß des drohenden Schadens generell schwer zu bestimmen ist6, zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit. Hinzu kommt, dass der aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift deutlich werdende Normzweck eine solche Handhabung des Tatbestandsmerkmals des erheblichen Schadens nicht gebietet. Nach der bis zum Inkrafttreten des 6. Strafrechtsreformgesetzes7 am 31.03.1998 geltenden Regelung über tätige Reue bei noch nicht entdeckten Brandstiftungsdelikten sollte der persönliche Strafmilderungsoder Strafaufhebungsgrund dadurch begrenzt sein, dass kein „weiterer als der durch die bloße Inbrandsetzung bewirkte Schaden entstanden war“. Die Einführung neuer Tatvarianten in Form der vollständigen oder teilweisen Zerstörung des Tatobjekts hatte eine Änderung der Regelung über die tätige Reue zur Folge, wonach auf die Erheblichkeit des eingetretenen Schadens abgestellt wird. Danach ist auch der wirtschaftliche Schaden am Brandobjekt, namentlich in Fällen der Verrußung, von Bedeutung.

Zur Erfüllung des Präzisierungsgebots aus Art. 103 Abs. 2 GG8 und mit Blick auf die erforderliche Rechtssicherheit und Rechtsklarheit ist deshalb die Bestimmung einer Wertgrenze sachgerecht. Allerdings kann vor dem Hintergrund der hier in Rede stehenden typischen Tathandlungen und regelmäßig eintretenden Folgen nicht auf dieselben Wertgrenzen abgestellt werden, welche die Rechtsprechung für andere Tatbestände entwickelt hat, wie etwa für § 315c Abs. 1 StGB9. Bei der gebotenen deliktsspezifischen Betrachtung ist im Einklang mit einem Hinweis des 4. Strafsenats10 ein durch schwere Brandstiftung entstandener erheblicher Sachschaden an einem Wohngebäude anzunehmen, wenn – bezogen auf das Tatobjekt – mindestens 2.500 Euro zur Schadensbeseitigung erforderlich sind11.

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Schäden am Inventar, die das Landgericht alleine beziffert hat, bleiben für die Prüfung der Voraussetzungen des § 306e Abs. 1 StGB außer Betracht12. Gleiches gilt für einen Vermögensschaden durch Mehrkosten zur Beheizung der Wohnung. Den Schaden am zerstörten Fenster, das als „Sonderanfertigung“ noch nicht ersetzt wurde, sowie den Schaden durch Verrußung und Abplatzungen an den Wänden hat das Landgericht nicht festgestellt. Das wird der neue Tatrichter, notfalls durch Schätzung unter Berücksichtigung des Zweifelssatzes, nachzuholen haben.

Werden die Voraussetzungen des § 306e Abs. 1 StGB bejaht, kann der Tatrichter nach seinem Ermessen die Strafe gemäß § 49 Abs. 2 StGB mindern oder von Strafe absehen. Dafür kommt es insbesondere auf das Ausmaß bereits entstandenen Schadens und den Grad der Gefahr an13, aber auch auf Art und Umfang der Rettungsbemühungen des Täters.

Sofern der Tatrichter von der Möglichkeit einer Strafrahmenmilderung oder eines Absehens von Strafe gemäß § 306e Abs. 1 StGB keinen Gebrauch macht, hat er die Alarmierung der Feuerwehr durch den Angeklagten und die Warnung der Zeugin bei der Strafzumessung im engeren Sinne zu berücksichtigen.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23. Mai 2018 – 2 StR 169/18

  1. vgl. BGH, Beschluss vom 10.12 2002 – 4 StR 462/02, NStZ 2003, 266; LK/Wolf, StGB, 12. Aufl., § 306e Rn. 5; SKStGB/Wolters, 9. Aufl., § 306e Rn. 8[]
  2. vgl. Blöcker, Die Tätige Reue, 2000, S. 66; NK/Kargl StGB, 5. Aufl., § 306e Rn. 4; SKStGB/Wolters, § 306e Rn. 11[]
  3. vgl. BGH, Urteil vom 12.09.2002 4 StR 165/02, BGHSt 48, 14, 22 f.[]
  4. vgl. Hagemeier/Radtke, NStZ 2008, 198, 207; Lutfullin, Das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot und Mengenbegriffe, 2018, S. 276 f.; MünchKomm-StGB/Radtke, 2. Aufl., § 306e Rn. 14[]
  5. vgl. Blöcker aaO S. 145[]
  6. vgl. LK/Wolff, StGB § 306e Rn. 14[]
  7. 6. Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 26.01.1998, BGBl. I S. 164 ff.[]
  8. vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.06.2010 – 2 BvR 2559/08, 105, 491/09, BVerfGE 126, 170, 198[]
  9. vgl. Fischer, StGB, 65. Aufl., § 306 Rn. 3; aA Lackner/Kühl/Heger, StGB, 29. Aufl., § 306e Rn. 2[]
  10. BGH, Urteil vom 12.09.2002 – 4 StR 165/02, BGHSt 48, 14, 22 f.[]
  11. zust. Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht, Besonderer Teil, Bd. 2, 10. Aufl.2013, § 51 Rn. 40; SKStGB/Wolters, § 306e Rn. 11[]
  12. vgl. LK/Wolf, StGB § 306e Rn. 10[]
  13. LK/Wolff, StGB § 306e Rn. 15[]
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