Die Rechtsanwaltskosten des Gemeinderatsmitglieds

Der Anspruch eines Ratsmitglieds auf Ersatz der Auslagen nach § 39 Abs. 5 Satz 1 NGO umfasst keine Rechtsanwaltskosten, die dem Ratsmitglied als Privatperson wegen der Geltendmachung eines Gegendarstellungsanspruchs gegenüber der Presse entstanden sind.

Die Rechtsanwaltskosten des Gemeinderatsmitglieds

Es spricht vieles dafür, dass die Geltendmachung von Auslagenersatzansprüchen zwingend eine Regelung und ggfs. die Begrenzung auf Höchstbeträge durch eine Satzung erfordert.

Der Begriff der Auslagen ist im Ansatz weit zu verstehen, wird allerdings durch das engere Erfordernis eines unmittelbaren Mandatsbezugs begrenzt.

Ein unmittelbarer Mandatsbezug ist über die typischen, durch eine Satzung erfassten Fälle von Auslagenersatz für eine Kinderbetreuung oder Verdienstausfall bzw. von Sitzungsgeldern als pauschale Aufwandsentschädigungen oder Fahrtkostenentschädigung (nur) gegeben, wenn die kostenverursachende Handlung des Ratsmitgliedes nicht nur kausal auf seine Mandatstätigkeit zurückzuführen ist, sondern sich darin gerade ein spezifisches Risiko der Mandatstätigkeit verwirklicht hat und deshalb der Mandatsträger als solcher in der Wahrnehmung seiner Rechte und Pflichten betroffen ist. Dies setzt bezogen auf den Ersatz von Kosten für die Verfolgung eines presserechtlichen Gegendarstellungsanspruchs voraus, dass der Gegendarstellungsanspruch ein Verhalten zum Gegenstand hat, das in einem engen zeitlichen, räumlichen und funktionalem Zusammenhang mit der Tätigkeit als Ratsmitglied steht (hier abgelehnt für den Anspruch auf Gegendarstellung wegen einer gegen die Person des Ratsmitgliedes gerichteten negativen Berichterstattung).

Grundlage für den geltend gemachten Anspruch des Ratsmitglieds ist § 39 Abs. 5 Satz 1 der Niedersächsischen Gemeindeordnung in der bis zum 31.10.2011 maßgeblichen Fassung der Neubekanntmachung vom 28.10.2006 – NGO –1 mit nachfolgenden Änderungen, nicht das erst zum 1.11.2011 in Kraft getretene Kommunalverfassungsgesetz. Danach haben die Ratsfrauen und Ratsherren Anspruch auf Ersatz ihrer Auslagen, einschließlich der Aufwendungen für Kinderbetreuung, und ihres Verdienstausfalls.

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Im vorliegenden Fall bestehen bereits erhebliche Zweifel, ob der Geltendmachung des Ersatzanspruchs des Ratsmitglieds als Auslagenersatz der Satzungsvorbehalt nach Satz 2 dieser Vorschrift entgegensteht. Danach müssen „diese Ansprüche“ durch Satzung auf Höchstbeträge je Stunde und können außerdem auf Höchstbeträge je Tag oder je Monat begrenzt werden. Da der Wortlaut dieser Regelung den Ersatz aller Auslagen der Ratsmitglieder betrifft, d.h. nicht nur der exemplarisch aufgezählten Aufwendungen für Kinderbetreuung und Verdienstausfall, spricht vieles dafür, dass die Geltendmachung von Auslagenersatzansprüchen zwingend eine Regelung und ggfs. die Begrenzung auf Höchstbeträge durch eine Satzung erfordert. Daran fehlt es hier indes. Die Satzung der Beklagten über die Gewährung von Aufwandsentschädigungen, Sitzungsgeldern, Ersatz von Auslagen und Verdienstausfall für Ratsmitglieder und ehrenamtlich tätige Bürger vom 12.03.1992 in der Fassung der zwischenzeitlich ergangenen Satzungsänderungen, hat den Ersatz der vom Ratsmitglied geltend gemachten Rechtsanwaltskosten überhaupt nicht geregelt. Zwar bestimmt § 1 Abs. 1 dieser Satzung, dass nach den näheren Bestimmungen dieser Satzung Ersatz für Auslagen, Verdienstausfall oder Aufwandsentschädigung erhält, wer ehrenamtlich für die Stadt oder als Ratsherr tätig ist. Doch wird der Auslagenersatz in den nachfolgenden Bestimmungen dieser Satzung an keiner Stelle erwähnt. Die Regelungen betreffen ausschließlich die Aufwandsentschädigung (§§ 2 bis 4), den Ersatz des Verdienstausfalls (§ 5), sonstige Entschädigungen (§§ 6, 7, 9 und 10) und die Erstattung von Fahrtkosten (§ 8). Dementsprechend besteht in der Satzung auch keine Begrenzung der Auslagenerstattung auf Höchstbeträge.

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Letztlich kann es aber dahinstehen, ob es ohne satzungsrechtliche Normierung an einer erforderlichen rechtlichen Grundlage für den Anspruch auf Ersatz der Rechtsanwaltskosten als Auslagen gemäß § 39 Abs. 5 Satz 1 NGO fehlt2, oder ob der Satzungsvorbehalt „trotz seines missverständlichen Wortlauts“ nicht für den Ersatz aller Auslagen gilt, weil ein stundenweise bemessener und begrenzter Ersatz in Bezug auf Auslagen keinen Sinn ergebe3. Denn jedenfalls ist der Anspruch gemäß § 39 Abs. 5 Satz 1 NGO deshalb nicht gegeben, weil es sich bei den Rechtsanwaltskosten des Ratsmitglieds nicht um Auslagen im Sinne der Vorschrift handelt.

Der Auslagenbegriff in § 39 Abs. 5 Satz 1 NGO ist nach der bisherigen Oberverwaltungsgerichtsrechtsprechung im Ansatz weit zu verstehen. Er umfasst danach zunächst alle durch die Mandatsausübung veranlassten Aufwendungen, unabhängig davon, ob sie regelmäßig anfallen oder nicht und ob sie satzungsrechtlich erfasst wurden bzw. erfassbar sind. Jedoch wird auch dieser im Ansatz weite Begriff begrenzt, allerdings nicht erst – wie wohl vom Ratsmitglied geltend gemacht – durch das Merkmal der Mutwilligkeit, sondern durch das engere Erfordernis eines unmittelbaren Mandatsbezuges4. Ein solcher unmittelbarer Mandatsbezug ist über die typischen, durch eine Satzung erfassten Fälle von Auslagenersatz für eine Kinderbetreuung oder Verdienstausfall bzw. von Sitzungsgeldern als pauschale Aufwandsentschädigungen oder Fahrtkostenentschädigung (nur) gegeben, wenn die kostenverursachende Handlung des Ratsmitgliedes nicht nur kausal auf seine Mandatstätigkeit zurückzuführen ist, sondern sich darin gerade ein spezifisches Risiko der Mandatstätigkeit verwirklicht hat und deshalb der Mandatsträger als solcher in der Wahrnehmung seiner Rechte und Pflichten betroffen ist. Letzteres ist etwa der Fall, wenn es um Folgekosten eines Dringlichkeitsantrages geht; denn solche Anträge können nur von Ratsmitgliedern gestellt werden4. Hiervon abzugrenzen sind Kosten, die typischerweise im Zusammenhang mit der Ausübung von Rechten des einzelnen Ratsmitgliedes als Privatperson stehen, etwa im Zusammenhang mit dem jedermann zustehenden Recht auf freie Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG oder mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht in Art. 2 Abs. 1 GG. Mit der Ausübung dieser Rechte verwirklicht sich letztlich ein allgemeines Lebensrisiko, welches das Ratsmitglied als Privatperson betrifft5.

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Nach ihrem Sinn und Zweck stellt die Auslagenerstattung das Korrelat für die Teilnahmepflicht an Sitzungen der kommunalen Vertretung bzw. des Kreistages und deren Ausschüsse dar6. Der unmittelbare Mandatsbezug wäre hier erfüllt, wenn der presserechtlichen Gegendarstellungsanspruch ein Verhalten des Ratsmitglieds zum Gegenstand gehabt hätte, das den Ratsmitglied in einem engen zeitlichen, räumlichen und funktionalem Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Ratsmitglied der Beklagten beträfe. Dies ist hier indes nicht der Fall, weil die Rechtsanwaltskosten für die Verfolgung eines presserechtlichen Gegendarstellungsanspruchs jedenfalls nicht unmittelbar durch die Ausübung der ehrenamtlichen Tätigkeiten als Ratsherr für die Gebietskörperschaft entstanden sind, sondern den Ratsmitglied in seinen Rechten als Privatperson betreffen. Der im Raum stehende Vorwurf, „Aus Verärgerung über Sitzungsleitung und Stadtverwaltung sprang B. C. (Die Grünen) auf und reckte den rechten Arm zum Gruß“, steht nicht in einem unmittelbar funktionalen Zusammenhang mit der Mandatsausübung eines Ratsmitglieds, sondern ist lediglich in räumlichem und zeitlichem Zusammenhang mit der Bauausschusssitzung erfolgt. Denn die Art und Weise der Ausübung von Rechten und Pflichten des Ratsmitglieds als Ratsmitglied in der Bauausschusssitzung war gerade nicht Gegenstand der Pressemitteilung. Der Artikel stellt vielmehr darauf ab, dass die dem Ratsmitglied vorgeworfene Geste nach Durchführung der Abstimmung erfolgt sei und das vermeintliche Fehlverhalten des Ratsmitglieds, der Lehrer sei, nun für den Dienstvorgesetzten von Interesse sein dürfte. Damit wird deutlich, dass der Vorwurf nach der presserechtlichen Darstellung im Schwerpunkt das Verhalten bzw. die Gesinnung des Ratsmitglieds als Privatperson betrifft und nicht in erster Linie auf seine Tätigkeit als Mandatsträger bzw. Mitglied der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abzielt. Der vom Ratsmitglied verfolgte Anspruch auf Gegendarstellung wegen einer gegen seine Person gerichteten negativen Berichterstattung betrifft typischerweise eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Die ihm unterstellte Geste hat der Ratsmitglied nach der Darstellung in den streitgegenständlichen Presseartikeln daher nur „im Gewande“ seiner Ratsmitgliedschaft und anlässlich der Bauausschusssitzung abgegeben7. Etwas anderes ergibt sich ferner nicht aus dem unbestrittenen Vortrag des Ratsmitglieds, er sei bloß im Nachgang zur Abstimmung des Rates aufgestanden und habe gestikuliert, weil er seinen Unmut über die Sitzungsleitung zum Ausdruck bringen wollte. Auch danach hat die Mandatseigenschaft des Ratsmitglieds bloß den Anlass für die Geste und die kostenpflichtige anwaltliche Austragung einer presserechtlichen Streitigkeit gegeben. Mit der Berichterstattung über die dem Ratsmitglied unterstellte Geste hat sich daher ein spezifisches Risiko verwirklicht, das mit jeder Meinungsäußerung verbunden ist. Ein unmittelbarer Bezug zur Ausübung von (Rede- und Antrags-)Rechten und Funktionen als Mitglied der Fraktion bzw. des Rats der Beklagten liegt nicht vor. Folglich handelt es sich bei den Rechtsanwaltskosten nicht um Auslagen im Sinne des § 39 Abs. 5 Satz 1 NGO, die unmittelbar durch die Ausübung der Mandatstätigkeiten des Ratsmitglieds als Ratsherr für die Beklagte veranlasst worden sind.

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Dem Ratsmitglied steht ferner kein Erstattungsanspruch aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen zu.

Der aus einem allgemeinen Rechtsgrundsatz hergeleitete, mit unterschiedlicher dogmatischer Begründung im Ergebnis allgemein anerkannte öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch findet auf die Erstattung von Rechtsanwaltskosten, die der Ratsmitglied als Ratsmitglied anlässlich der anwaltlichen Geltendmachung eines Gegendarstellungsanspruchs gegenüber der Presse verursacht hat, keine Anwendung. Nach der im Ergebnis übereinstimmenden Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte muss einem derartigen Kostenerstattungsanspruch eines Ratsmitglieds zwingend eine (gerichtliche oder außergerichtliche) Organstreitigkeit bzw. ein Kommunalverfassungsstreit zu Grunde liegen8.

Da dem Kostenerstattungsanspruch des Ratsmitglieds unstreitig keine (gerichtliche oder außergerichtliche) Organstreitigkeit bzw. kein Kommunalverfassungsstreit zu Grunde liegt, scheidet ein Erstattungsanspruch aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen demnach hier aus. Es kommt deshalb auch nicht darauf an, ob der Ratsmitglied die Kosten für die Einschaltung eines Rechtsanwaltes für die Verfolgung des Gegendarstellungsanspruchs mutwillig veranlasst hat oder ob die Kosten in vollem Umfang notwendig waren.

Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 29. September 2015 – 10 LB 25/14

  1. Nds. GVBl. S. 473[]
  2. so Lüersen-Neuffer, Kommentar zur NGO, § 39 Nr. 8; wohl auch Ipsen, Nds. Kommunalrecht, 3. Auflage 2006, Rn. 271[]
  3. zu dem wortgleichen § 44 Abs. 1 Satz 3 NKomVG: Wefelmeier in Baum/Baumgarten/Freese u.a., Kommentar zum NKomVG, Stand: Juni 2015, § 55 Rn. 6[]
  4. vgl. das OVG, Urteil vom 18.01.2005 – 10 LB 42/02, n.v.[][]
  5. entsprechend zum Tragen von Aufklebern mit politischer Werbung auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19.05.1987 – 7 A 90/86, NVwZ 1987, 1105[]
  6. vgl. Hess. VGH, Urteil vom 17.06.2010 – 8 A 1364/09[]
  7. vgl. Nds. OVG, Urteil vom 18.01.2005 – 10 LB 42/02[]
  8. OVG Saarland, Beschluss vom 05.10.1981 – 3 R 87/80, NVwZ 1982, 140; und Urteil vom 06.12 1978 – III R 123/78; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19.05.1987 – 7 A 90/86, DÖV 1988, 40; VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 03.11.1981 – 9 S 702/81, DÖV 1982, 84; und vom 17.09.1984 – 9 S 1076/84, NVwZ 1985, 284, sowie Urteil vom 21.10.1987 – 9 S 2920/85; OVG NRW, Urteil vom 12.11.1991 – 15 A 1046/90 62; OVG Bremen, Beschluss vom 31.05.1990 – 1 B 18 und 21/90, NVwZ 1990, 1197; BayVGH, Urteil vom 14.08.2006 – 4 B 05.939 27; VG Hannover, Urteil vom 05.04.2000 – 1 A 3570/99[]
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