Ist eine erforderliche Auswahl zwischen mehreren für die Funktionsunfähigkeit der Fischaufstiegsanlage Nord (FAA Nord) in Betracht kommenden Verantwortlichen nicht erfolgt, bestehen durchgreifende Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ordnungsverfügungen, die einen Verantwortlichen zur Instandsetzung und Durchführung provisorischer Maßnahmen verpflichtet.

Mit dieser Begründung hat das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht in dem hier vorliegenden Fall entschieden, dass Vattenfall vorerst die Fischaufstiegsanlage Nord (FAA Nord) in Geesthacht nicht instand setzen muss. Auch eine provisorische Maßnahme muss das Unternehmen zunächst nicht treffen. Gleichzeitig ist die aufschiebende Wirkung der Widersprüche von Vattenfall gegen entsprechende Ordnungsverfügungen des Kreises Herzogtum Lauenburg wieder hergestellt worden.
Der Betrieb der Fischaufstiegsanlage Nord in Geesthacht am nördlichen Ufer des Wehrs Geesthacht durch Vattenfall ist Voraussetzung dafür, für das Kraftwerk Moorburg Kühlwasser aus der Elbe zu entnehmen. Am Südufer befindet sich eine weitere Fischaufstiegsanlage (FAA Süd), die von der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) betrieben wird. Im Jahr 2019 kam es zu einer schweren Beschädigung eines Wehres im Bereich der FAA Nord. Deshalb wurde der Damm des Wehres durch die WSV mit mehreren tausend Tonnen Sandgemisch und Wasserbausteinen verfüllt. Auch die FAA Süd wurde durch die WSV verfüllt.
Unter Androhung eines Zwangsgeldes verpflichtete der Kreis Vattenfall dazu, die FAA Nord instand zu setzen. Außerdem müsse Vattenfall bis Ende September 2020 eine provisorische Leitströmung errichten. Die sofortige Vollziehung der Ordnungsverfügungen wurde vom Kreis angeordnet, weil die ökologische Durchgängigkeit am Wehr Geesthacht nicht gegeben sei. Gegen die Ordnungsverfügungen legte Vattenfall Widerspruch ein und beantragte beim Gericht die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche.
Nach Auffassung des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts bestehen durchgreifende Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ordnungsverfügungen. Die erforderliche Auswahl zwischen mehreren für die Funktionsunfähigkeit der FAA Nord in Betracht kommenden Verantwortlichen sei nicht erfolgt. So habe der Kreis habe außer Acht gelassen, dass auch eine Inanspruchnahme der WSV in Betracht kommen könne. Es sei nicht erkennbar, warum sich der Kreis dennoch auf Vattenfall konzentriert und eine Verantwortlichkeit der WSV ausgeschlossen habe.
Es habe nach Meinung des Verwaltungsgerichts von Anfang an nahegelegen, auch eine Verantwortlichkeit der WSV zu prüfen. Diese habe die Funktionsunfähigkeit der FAA Nord herbeigeführt. Ihre Inanspruchnahme liege ebenso nahe wie die Vattenfalls. Die Ordnungsverfügungen hätten jedoch nicht ansatzweise eine Auswahl hinsichtlich der Inanspruchnahme entweder Vattenfalls oder der WSV enthalten.
Aus diesen Gründen könne das Verwaltungsgericht im gerichtlichen Verfahren vorgetragene Erwägungen des Kreises nicht berücksichtigen.
Darüber hinaus sei hinsichtlich der provisorischen Leitströmung die sofortige Vollziehung nicht mehr erforderlich. Diese stelle die WSV derzeit in Absprache mit Vattenfall selbst her.
Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Beschlüsse vom 3. September 2020 – 6 B 16/20 und 6 B 23/20
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