Begrenzung der 1 %-Regelung auf die Gesamtkosten

Bei der Vermietung von Kraftfahrzeugen an Personengesellschaften durch ihre Gesellschafter ist die Anwendung der 1%-Regelung auf die Gesamtkosten begrenzt: Der Wert für die Nutzungsentnahme eines Fahrzeugs aus dem Betriebsvermögen und der Betrag der nicht abziehbaren Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG wird nach der Billigkeitsregelung der Finanzverwaltung1 durch die „Gesamtkosten des Kraftfahrzeugs“ begrenzt; solche „Gesamtkosten“ des Kfz sind bei entgeltlicher Überlassung durch einen Gesellschafter an die Gesellschaft nur deren Aufwendungen für das Fahrzeug, nicht aber die Aufwendungen des Gesellschafters.

Begrenzung der 1 %-Regelung auf die Gesamtkosten

Nach § 163 Satz 1 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne die Steuer erhöhende Besteuerungsgrundlagen nur unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls aus sachlichen oder aus persönlichen Gründen unbillig wäre.

Die nach § 163 AO zu treffende –und im vorliegenden Verfahren von der Klägerin begehrte– Billigkeitsentscheidung ist eine Ermessensentscheidung der Finanzbehörde i.S. des § 5 AO, die grundsätzlich nur eingeschränkter gerichtlicher Nachprüfung unterliegt (§§ 102, 121 FGO). Sie kann im finanzgerichtlichen Verfahren nur dahin geprüft werden, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde.

Die Festsetzung einer Steuer ist aus sachlichen Gründen nur dann unbillig, wenn sie zwar dem Wortlaut des Gesetzes entspricht, aber den Wertungen des Gesetzes zuwiderläuft2. Das setzt voraus, dass der Gesetzgeber die Grundlagen für die Steuerfestsetzung anders als tatsächlich geschehen geregelt hätte, wenn er die zu beurteilende Frage als regelungsbedürftig erkannt hätte3. Eine für den Steuerpflichtigen ungünstige Rechtsfolge, die der Gesetzgeber bewusst angeordnet oder in Kauf genommen hat, rechtfertigt dagegen keine Billigkeitsmaßnahme4.

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Entnahmen des Steuerpflichtigen für sich, seinen Haushalt oder für andere betriebsfremde Zwecke sind gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG mit dem Teilwert anzusetzen. Nach der Sonderregelung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG ist für die Entnahme der privaten Nutzung eines (betrieblichen) Kfz für jeden Kalendermonat 1 % des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zzgl. der Kosten für Sonderausstattung einschließlich Umsatzsteuer anzusetzen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Regelung bestehen nicht5.

Abweichend davon kann die private Nutzung mit den auf die Privatfahrten entfallenden Aufwendungen nur angesetzt werden, wenn die für das Kfz insgesamt entstehenden Aufwendungen durch Belege und das Verhältnis der privaten zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen werden (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG). Da der Kläger im Streitfall unstreitig kein Fahrtenbuch geführt hat, ist das Finanzamt zutreffend von der 1%-Regelung ausgegangen.

Zu Unrecht macht die Klägerin geltend, der Entnahmewert sei gemäß § 163 AO abweichend von der 1%-Regelung aus Billigkeitsgründen nach Maßgabe des BMF-Schreibens6 niedriger anzusetzen.

Nach dieser für die Ermessensausübung verbindlichen Billigkeitsregelung i.S. des § 163 AO7 sind der Nutzungswert und der Betrag der nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG nicht abziehbaren Betriebsausgaben höchstens mit dem Betrag der Gesamtkosten des Kfz anzusetzen, wenn im Einzelfall nachgewiesen werden kann, dass der pauschale Nutzungswert nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG sowie die nicht abziehbaren Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG die für das genutzte Kfz insgesamt tatsächlich entstandenen Aufwendungen übersteigen.

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Die Voraussetzungen dieser Regelung sind im Streitfall allerdings schon deshalb nicht gegeben, weil der in Anwendung der 1 %-Regelung zu bemessende Wert der Nutzungsentnahme des PKW den „Betrag der Gesamtkosten des Kraftfahrzeugs“ nicht überschreitet.

Da die Entnahme (der Nutzung des PKW) und ihr Wert die Gewinnermittlung der Sozietät (und nicht die Sondergewinnermittlung des G als Gesellschafter des Sozietät) betreffen, können die den Wertansatz begrenzenden „Gesamtkosten des Kraftfahrzeugs“ im Sinne der oben genannten Billigkeitsregelung entgegen der Ansicht der Klägerin nur die Kfz-bezogenen Aufwendungen der Sozietät und damit nur deren Mietaufwendungen in Höhe von 29.450,40 EUR sein. Damit fehlt es für die Anwendbarkeit der Billigkeitsregelung an der Voraussetzung, dass der nach der 1 %-Regelung ermittelte Wert die Gesamtkosten des Kfz übersteigt.

Ebenso wenig kann im Wege der Billigkeit nach § 163 AO eine abweichende Berücksichtigung der Aufwendungen für die Fahrten des G zwischen Wohnung und Betriebsstätte verlangen werden.

Zu Recht hat das Finanzamt die von der Klägerin als Betriebsausgaben angesetzten Aufwendungen im Zusammenhang mit dem PKW Porsche 911 um den Anteil gekürzt, der auf die Privatfahrten des G sowie dessen Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte (mit diesem Fahrzeug) entfiel.

Denn mit dem angesetzten Wert der Nutzungsentnahme des Kfz nach der 1 %-Regelung (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG) wird nicht der Privatanteil an den für das Fahrzeug entstandenen Gesamtaufwendungen abgegolten; er gehört vielmehr nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG zu den nicht abziehbaren Aufwendungen und muss folglich bereits bei der Gewinnermittlung der Sozietät außer Ansatz bleiben8.

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Schließlich ergibt sich eine Unbilligkeit der dargestellten einkommensteuerrechtlichen Folgen nicht aus dem Einwand der Klägerin, durch die Erfassung der Überlassung des Kfz in der Gewinnermittlung der Sozietät als Entnahme unter Anwendung der 1 %-Regelung einerseits und der Erfassung des Mietentgelts für das Kfz in der Sondergewinnermittlung des G als Gesellschafter andererseits komme es zu einer ungerechtfertigten Doppelbelastung.

Zu Recht weist das Finanzgericht insoweit darauf hin, dass selbst ohne die –allein durch § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG bedingte– Erfassung des Mietentgelts für das Kfz als Sonderbetriebseinnahme des G in der Gewinnermittlung der Sozietät eine Steuerbarkeit des Entgelts ggf. nach den §§ 15, 21 oder 22 EStG gegeben gewesen wäre. Diese allein aufgrund der Erzielung von Einkünften nach § 2 EStG beruhende Steuerpflicht des G als Vermieter hätte die steuerlichen Folgen der Nutzungsentnahme des von der Sozietät angemieteten Gegenstands durch G als Gesellschafter gleichermaßen wie die Nutzungsentnahme eines von Dritten angemieteten Gegenstands nicht berührt.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin die mit der Anwendung der 1 %-Regelung verbundene und als unbillig empfundene Härte mit der Führung eines Fahrtenbuchs gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG hätte vermeiden können.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 18. September 2012 – VIII R 28/10

  1. BMF, Schreiben vom 21.01.2002 – IV A 6 -S 2177- 1/02, BStBl I 2002, 148[]
  2. vgl. BFH, Urteile vom 11.07.1996 – – V R 18/95, BFHE 180, 524, BStBl II 1997, 259; vom 18.12.2007 – VI R 13/05, BFH/NV 2008, 794; und vom 07.10.2010 – V R 17/09, BFH/NV 2011, 865[]
  3. vgl. BFH, Beschluss vom 12.09.2007 – X B 18/03, BFH/NV 2008, 102, m.w.N.[]
  4. vgl. BFH, Urteile vom 16.08.2001 – V R 72/00, BFH/NV 2002, 545; vom 04.02.2010 – II R 25/08, BFHE 228, 130, BStBl II 2010, 663; in BFH/NV 2011, 865, jeweils m.w.N.[]
  5. vgl. BFH, Urteile vom 06.03.2003 – XI R 12/02, BFHE 202, 134, BStBl II 2003, 704, m.w.N.; vom 07.12.2010 – VIII R 54/07, BFHE 232, 112, BStBl II 2011, 451, m.w.N.[]
  6. BMF, Schreiben in BStBl I 2002, 148; vgl. dazu OFD München, Verfügung in DB 2005, 1305[]
  7. vgl. BFH, Urteil vom 14.03.2007 – XI R 59/04, BFH/NV 2007, 1838[]
  8. vgl. Schmidt/Heinicke, EStG, 31. Aufl., § 4 Rz 581[]
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