IT-Berater als Freiberufler

Der Bundesfinanzhof hat in einer Vielzahl von Entscheidungen Rechtsgrundsätze entwickelt, anhand derer zu beurteilen ist, wann ein Steuerpflichtiger einen der in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG aufgeführten „Katalogberufe“ oder einen „ähnlichen Beruf“ ausübt1. Viele dieser Entscheidungen betreffen speziell die Abgrenzungsfrage, ob Steuerpflichtige, die –wie der Kläger– in der IT-Branche tätig sind, einen dem Ingenieur oder dem Diplom-Informatiker ähnlichen Beruf ausüben oder nicht2.

IT-Berater als Freiberufler

Der Bundesfinanzhof hat bereits mehrfach die verfassungsrechtliche Problematik ausdrücklich erörtert3. Er zieht die Merkmale der Ausbildung –etwa der für viele Katalogberufe typische Abschluss eines Studiums– und der Kenntnisse zur Bestimmung des „ähnlichen Berufs“ heran und sieht darin zulässige und einleuchtende Unterscheidungskriterien i.S. des Art. 3 Abs. 1 GG4. Den Belangen solcher Steuerpflichtiger, die eine Ausbildung in einem förmlichen Ausbildungsgang nicht vorweisen können (z.B. Autodidakten ohne akademischen Abschluss), hat der Bundesfinanzhof gerade aus Gründen der steuerlichen Belastungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) dadurch Rechnung getragen, dass diese den Erwerb vergleichbarer Kenntnisse auch auf andere Weise (z.B. durch erfolgreiche Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen) nachweisen können5. Um allerdings den gegenteiligen Effekt, nämlich die sachlich nicht zu rechtfertigende Besserstellung der Autodidakten gegenüber den Trägern der Katalogberufe, die sich einer oft langwierigen und anspruchsvollen Ausbildung unterziehen müssen, zu vermeiden, hat es der BFH auch für erforderlich angesehen, dass von jenen das Wissen des Kernbereichs des jeweiligen Fachstudiums in der Tiefe und der Breite nachgewiesen wird6. Das Bundesverfassungsgericht hat die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs als verfassungsrechtlich unbedenklich bestätigt7 und Verfassungsbeschwerden gegen BFH-Entscheidungen, in denen die Ausbildung bzw. die Kenntnisse als regelmäßig zulässiges und einleuchtendes Unterscheidungskriterium angesehen wurden8, ohne Begründung nicht zur Entscheidung angenommen9.

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Es ist eine Tatfrage, ob der Steuerpflichtige, der keine förmliche Ausbildung absolviert hat, das zur rechtlichen Gleichstellung mit einem Träger eines Katalogberufs erforderliche Wissensniveau im Einzelfall erreicht oder nicht10. Da die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Annahme eines ähnlichen Berufs den Anforderungen aus Art. 3 Abs. 1 GG gerecht werden, müssen die betroffenen Steuerpflichtigen grundsätzlich auch die hieraus resultierenden verfahrensrechtlichen Folgen hinnehmen. Daher haben die Gerichte zur Feststellung, ob der Steuerpflichtige über ein vergleichbares Wissen tatsächlich verfügt, im Rahmen ihrer Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) gegebenenfalls Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu erheben. Das Sachverständigengutachten ist nur eines von mehreren denkbaren Beweismitteln. Der „Wissensnachweis“ kann auch durch die Vorlage von praktischen Arbeiten, eine sog. Wissensprüfung oder durch Urkunden, die den erfolgreichen Besuch von Fortbildungsveranstaltungen belegen, geführt werden11.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 9. März 2012 – III B 244/11

  1. z.B. BFH, Urteile vom 05.10.1989 – IV R 154/86, BFHE 158, 409, BStBl II 1990, 73; vom 14.03.1991 – IV R 135/90, BFHE 164, 408, BStBl II 1991, 769; vom 28.08.2003 – IV R 21/02, BFHE 203, 152, BStBl II 2003, 919; vom 14.06.2007 – XI R 11/06, BFH/NV 2007, 2091[]
  2. z.B. BFH, Urteile vom 18.04.2007 – XI R 29/06, BFHE 218, 65, BStBl II 2007, 781; vom 16.12.2008 – VIII R 27/07, HFR 2009, 898; vom 22.09.2009 – VIII R 63/06, BFHE 227, 386, BStBl II 2010, 466[]
  3. vgl. z.B. BFH, Urteile vom 18.06.1980 – I R 109/77, BFHE 132, 16, BStBl II 1981, 118; in BFH/NV 2007, 2091[]
  4. BFH, Urteil in BFH/NV 2007, 2091[]
  5. vgl. BFH, Urteil in BFH/NV 2007, 2091[]
  6. BFH, Urteil in BFH/NV 2007, 2091, m.w.N.[]
  7. BVerfG, Beschluss vom 09.10.1990 – 2 BvR 146/90, ZKF 1992, 85[]
  8. BFH, Beschlüsse vom 09.09.1999 – XI B 106/98, BFH/NV 2000, 188; vom 30.10.1996 XI B 197/95[]
  9. BVerfG, Beschlüsse vom 04.01.2000 – 1 BvR 1916/99; vom 03.05.1997 – 1 BvR 568/97[]
  10. vgl. BFH, Beschluss vom 22.04.2010 – VIII B 264/09, BFH/NV 2010, 1300, m.w.N.[]
  11. BFH, Urteil vom 26.06.2002 – IV R 56/00, BFHE 199, 367, BStBl II 2002, 768[]
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