Eine Betriebsstätte i.S. von § 12 Satz 1 AO erfordert eine Geschäftseinrichtung oder Anlage mit einer festen Beziehung zur Erdoberfläche, die von einer gewissen Dauer ist, der Tätigkeit des Unternehmens dient und über die der Steuerpflichtige eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat.

Unter bestimmten Voraussetzungen können auch Räumlichkeiten dann eigene Betriebsstätten i.S. des § 12 Satz 1 AO sein, wenn es sich hierbei um solche einer eingeschalteten Dienstleistungs- oder Managementgesellschaft handelt und hierüber kein vertraglich eingeräumtes eigenes Nutzungsrecht besteht1. Dies gilt aber nur, wenn die fehlende Verfügungsmacht über die Geschäftseinrichtung oder Anlage des Dritten durch eine eigene unternehmerische Tätigkeit vor Ort ersetzt wird (beispielsweise Identität der Leitungsorgane, fortlaufende nachhaltige Überwachung in den Räumlichkeiten des Auftragsnehmers). Ohne eine gewisse räumliche und zeitliche „Verwurzelung“ des Unternehmens vor Ort, fehlt es an dem für eine Betriebsstättenbegründung erforderlichen Dienen der Geschäftseinrichtung oder Anlage für eigene unternehmerische Zwecke i.S. des § 12 Satz 1 AO. Allein die Übertragung von auch umfassenden Aufgaben ohne gleichzeitig eigene betriebliche Tätigkeiten vor Ort, macht die Betriebsstätte des Auftragnehmers nicht zur Betriebsstätte des Auftraggebers.
Der Gewerbesteuer unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG), d.h. soweit für ihn im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird (§ 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG). Gemäß § 12 Satz 1 AO ist eine Betriebsstätte jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit des Unternehmens dient.
Nach ständiger Rechtsprechung setzt die Annahme einer Betriebsstätte gemäß § 12 Satz 1 AO eine Geschäftseinrichtung oder Anlage mit einer festen Beziehung zur Erdoberfläche voraus, die von einer gewissen Dauer ist, der Tätigkeit des Unternehmens dient und über die der Steuerpflichtige eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat2. Für die nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht ist grundsätzlich erforderlich, dass der Unternehmer eine Rechtsposition innehat, die ihm nicht ohne Weiteres entzogen werden kann. Es reichen weder eine tatsächliche Mitbenutzung3 noch die bloße Berechtigung der Nutzung im Interesse eines anderen sowie eine rein tatsächliche Nutzungsmöglichkeit4 aus.
Weiter muss die Einrichtung oder Anlage der Tätigkeit unmittelbar dienen5. Für die Annahme eines unmittelbaren „Dienens“ der Geschäftsanlage oder Einrichtung genügt daher nicht das Eigentum oder der Besitz eines Grundstücks. Gebäude, die lediglich einem Dritten überlassen werden (z.B. Vermietung / Verpachtung), begründen deshalb keine Betriebsstätte des Überlassenden6; dies gilt selbst dann, wenn der Zweck des Geschäfts gerade in der Vermietung oder Verpachtung besteht7. Erforderlich ist vielmehr, dass in dem vermieteten Objekt eine eigene unternehmerische Tätigkeit mit fester örtlicher Bindung ausgeübt wird8 und sich in der Bindung eine gewisse „Verwurzelung“ des Unternehmens mit dem Ort der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit ausdrückt9.
Eine Betriebsstätte kann aber auch in der Betriebsstätte eines Dritten begründet werden, wenn der Unternehmer rechtlich befugt ist, die Einrichtung oder Anlagen nach den Bedürfnissen seines Unternehmens zu nutzen und wenn er eigene Arbeitnehmer beschäftigt oder ihm überlassene, seinen Weisungen unterliegende Arbeitnehmer oder Subunternehmer dort tätig werden10.
Unter Umständen kann auch durch die Beauftragung einer Managementgesellschaft oder Betriebsführungsgesellschaft ohne Verfügungsrecht über deren Räumlichkeiten eine Betriebsstätte des beauftragenden Unternehmens begründet werden, wenn die Gesellschaft aufgrund des zur Verfügung gestellten „sachlichen und personellen Organismus“ in der Lage ist, ihrer unternehmerischen Tätigkeit „operativ“ nachzugehen; dies gilt auch für den „reinen Inlandsfall“11. Eine eigene unternehmerische Tätigkeit kann beispielsweise dann angenommen werden, wenn aufgrund der Personenidentität der Leitungsorgane eine fortlaufende nachhaltige Überwachung ermöglicht wird12.
In Rechtsprechung und Literatur wird zwar -wie ausgeführt- angenommen, dass in besonderen Konstellationen durch die Beauftragung einer Managementgesellschaft eine Betriebsstätte für das beauftragende Unternehmen auch dann entstehen kann, wenn das beauftragende Unternehmen selbst über keine Räumlichkeit verfügt und auch nicht über die Räumlichkeiten der beauftragten Managementgesellschaft verfügen kann13. Allein die -auch umfassende- Übertragung der Aufgaben auf einen selbstständig tätigen Dritten reicht aber nicht aus, um eine Betriebsstätte in den Räumen des Dritten zu begründen. Ansonsten könnte eine Betriebsstätte bei jedem Subunternehmer begründet werden. Die eigenverantwortliche Tätigkeit eines Subunternehmers an einem bestimmten Ort begründet aber nicht stets an diesem Ort eine Betriebsstätte des Hauptunternehmers. Vielmehr entsteht eine solche nur dann, wenn der Hauptunternehmer an dem betreffenden Ort eigene betriebliche Handlungen mit einer gewissen Nachhaltigkeit vornimmt. Diese können zwar beispielsweise in einer Überwachung des Subunternehmers bestehen; betriebsstättenbegründend sind dahingehende Maßnahmen des Hauptunternehmers aber wiederum nur dann, wenn sie eine gewisse Nachhaltigkeit aufweisen14. Soweit der Bundesfinanzhof auch bei sog. Management- oder Dienstleistungsgesellschaften eine Betriebsstättenbegründung beim Auftraggeber auch ohne eigene Verfügungsmacht über die Räumlichkeiten des Auftragnehmers annimmt, wird eine solche nur dann anerkannt, wenn die fehlende Verfügungsmacht über die Geschäftseinrichtung oder Anlage durch andere Umstände (Berechtigung und tatsächliche Durchführung eigener betrieblicher Handlungen des Auftraggebers in den Räumen des Auftragnehmers) ersetzt werden. Denn die eigenständige Auftragserfüllung eines Auftragnehmers kann, isoliert betrachtet, noch keine Geschäftstätigkeit des Auftraggebers darstellen15. Ausschlaggebend ist hiernach, dass der „Auftraggeber“ mittels der vertraglichen Überantwortung von Aufgaben und dadurch mittels eines entsprechenden sachlichen und personellen „Apparats“ in der Lage ist, seiner unternehmerischen Tätigkeit „operativ“ nachzugehen, und dass er infolgedessen Zugriff in Gestalt einer Verfügungsmacht über die fraglichen Räumlichkeiten hat16. Eine eigene unternehmerische Tätigkeit kann beispielsweise dann angenommen werden, wenn aufgrund der Personenidentität der Leitungsorgane eine fortlaufende nachhaltige Überwachung ermöglicht wird17. Die Personenidentität der Leitungsorgane ersetzt gleichsam die genannte erforderliche nachhaltige Überwachung18.
Fehlt es hingegen an der Identität der Leitungsorgane, die die erforderliche nachhaltige Überwachung oder die tatsächliche Verfügungsmacht über die Räume des Dritten ersetzt, können die Räumlichkeiten des Dritten nur dann zur Betriebsstätte des Auftraggebers werden, wenn er in diesen Räumen eigene betriebliche Handlungen vornimmt. Diese können zwar auch dann vorliegen, wenn der Auftraggeber die Tätigkeit des Auftragnehmers oder der Managementgesellschaft im Rahmen der betreffenden Einrichtung fortlaufend und nachhaltig überwacht19. Entscheidend ist nach Auffassung des Bundesfinanzhofs in einem solchen Fall jedoch, dass die fortlaufende Überwachung an dem betreffenden Ort, also in den Räumlichkeiten des Auftragnehmers, erfolgt20. Denn nur bei einer gewissen räumlichen und zeitlichen „Verwurzelung“ des Unternehmens mit dem Ort der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit in der inländischen Betriebsstätte des Dritten21 kann von dem für eine Betriebsstättenbegründung erforderlichen unmittelbaren Dienen der Geschäftseinrichtung oder Anlage für eigene unternehmerische Zwecke gesprochen werden. Bei fehlender Identität der Leitungsorgane und fehlender ortsbezogener Überwachung kann somit allein die Beauftragung einer Management- oder Dienstleistungsgesellschaft nicht zu einer Betriebsstätte des Auftraggebers in den Räumen des Auftragnehmers führen.
Das Erfordernis der fortlaufenden Überwachung vor Ort widerspricht nach Auffassung des Bundesfinanzhofs nicht dem BFH, Urteil in BFHE 234, 339, BStBl II 2014, 764. Denn auch nach dieser Entscheidung hängt selbst mit Blick auf Leitsatz 3 des Urteils die Betriebsstättenbegründung des Auftraggebers in den Räumen des Auftragnehmers nicht allein von dem Umfang der übertragenen Aufgaben ab. Dort führte der I. Senat des Bundesfinanzhofs aus, dass „infolge des Managementvertrages die E-LP auch ohne ein ihr vertraglich eingeräumtes eigenes Nutzungsrecht nicht nur gelegentliche Mitnutzerin der Räume der EV-Ltd.“ war; danach übten sowohl die Mitarbeiter der EV-Ltd. als auch die Mitarbeiter der E-Ltd. (Geschäftsführerin der LP) ihre Tätigkeiten für beide Gesellschaften in den Geschäftsräumen der EV-Ltd. aus. Darüber hinaus waren die Geschäftsführer (directors) der E-Ltd. zugleich Mitarbeiter (directors und non-executive directors) der EV-Ltd., sodass die erforderliche ortsbezogene (Mit-)Nutzung gegeben war. Zugleich verwies der I. Senat des Bundesfinanzhofs für die nicht nur gelegentliche Mitnutzung der Räume des Auftraggebers beim Auftragnehmer auf die Entscheidungen des Bundesfinanzhofs in BFH/NV 2011, 1354 und in BFHE 231, 152, BStBl II 2011, 249. Nach der Entscheidung in BFH/NV 2011, 1354 war unbeachtlich, dass die GmbH (eine KG mit den Gründungsgesellschaftern A-GmbH, B-GmbH und C-KG) kein vertraglich eingeräumtes Nutzungsrecht über die Räume der B-GmbH oder – C-KG hatte, weil die Einrichtungen „von den Geschäftsführern der A-GmbH, die zugleich Geschäftsführer der B-GmbH und der C-KG waren, u.a. für die Zwecke der GmbH genutzt“ wurden und insoweit die erforderliche Überwachung „gleichsam durch eine Identität der Leitungsorgane ersetzt wird“. Das zeigt, allein die Übertragung von Aufgaben macht ohne gleichzeitige eigene betriebliche Tätigkeiten (wie Überwachungen) vor Ort die inländische Betriebsstätte des Auftragnehmers nicht zur Betriebsstätte des Auftraggebers. Entweder sind Überwachungsmaßnahmen in den Räumlichkeiten des Geschäftsbesorgers (Auftragnehmers) erforderlich oder man geht bei Identität der Leitungsorgane gleichsam von solchen aus.
Entscheidend sind -entgegen der Ansicht des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg22 – die tatsächliche ständige Überwachung oder auch sonstige Tätigkeiten für eigene betriebliche Zwecke in den Räumlichkeiten des Dritten23. Nur in diesen Fällen kann davon gesprochen werden, dass der Auftraggeber auch die Einrichtung des Auftragnehmers für seine eigenen betrieblichen Zwecke nutzt, mit der Folge, dass diese Einrichtung (auch) als Betriebsstätte der GmbH gewertet werden kann. Insoweit genügen Überwachungstätigkeiten, die (allein) aus dem Ausland heraus wahrgenommen werden, ebenfalls nicht, denn „eine solche Überwachung aus dem Ausland heraus vollzieht sich ohne Nutzung der Geschäftsräume des inländischen Dienstleisters für die eigenen unternehmerischen Belange“24.
Für das Erfordernis einer räumlichen Zuordnung spricht auch die Abgrenzung des in § 13 AO geregelten ständigen Vertreters zum Betriebsstättenbegriff nach § 12 AO. Nach § 13 AO ist ständiger Vertreter eine Person, die nachhaltig die Geschäfte eines Unternehmens besorgt und dabei dessen Sachweisungen unterliegt. Der ständige Vertreter begründet für sich allein noch keine Betriebsstätte i.S. des § 12 AO. Denn während der Betriebsstättenbegriff nach § 12 AO eine sachliche Anknüpfung an eine feste Geschäftseinrichtung oder Anlage erfordert, regelt § 13 AO die personelle Anknüpfung über den Begriff des ständigen Vertreters25. Ist der Vertreter rechtlich selbstständig, hat der Unternehmer in der Regel kein (Mit-)Verfügungsrecht über die Einrichtung des rechtlich selbstständigen Vertreters, es sei denn, es gibt Anhaltspunkte für eigene betriebliche Tätigkeiten des Unternehmers in den Räumen des ständigen Vertreters. Selbst wenn ein ausländisches Unternehmen einen inländischen Vertreter bestellt und insoweit eine inländische Betriebsstätte im abkommensrechtlichen Sinne (vgl. Art. 5 Abs. 5 und 6 des OECD-Musterabkommens) vorliegen kann, müssen für gewerbesteuerliche Zwecke die Einkünfte zusätzlich einer festen Geschäftseinrichtung i.S. des § 12 AO zugeordnet werden. Der Unternehmer muss daher in Abgrenzung zum ständigen Vertreter die feste Geschäftseinrichtung nicht nur einsetzen können, sondern auch tatsächlich einsetzen. Allein durch die Erteilung von Weisungen oder Überwachungsmaßnahmen aus dem Ausland wird die Geschäftseinrichtung des Auftragnehmers nicht in die unternehmerische Aktivität des Auftraggebers einbezogen.
Im hier entschiedenen Fall ist das Finanzgericht Berlin-Brandenburg in der Vorinstanz zwar zu Recht davon ausgegangen, dass allein der Besitz und das Eigentum des im Inland belegenen Vermietungs- und Verpachtungsobjekts nicht ausreicht, um eine Betriebsstätte der GmbH zu begründen. Das allein bedeutet aber nicht, dass ein vermietetes oder verpachtetes Objekt grundsätzlich nie eine Betriebsstätte des Verpächters sein kann. Sofern der Verpächter oder Vermieter vor Ort, d.h. in dem vermieteten Objekt, welches eine „feste“ Beziehung zu einem bestimmten Teil der Erdoberfläche aufweist, eine eigene nachhaltige gewerbliche Tätigkeit ausübt, kann auch das Vermietungsobjekt eine Betriebsstätte des Vermieters sein. Denn in diesem Fall dient das Objekt der Tätigkeit des Unternehmens i.S. des § 12 Satz 1 AO.
Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass insbesondere die üblichen mit der Pachtzinsvereinnahmung und mit der Erhaltung der Pachtobjekte verbundenen Verwaltungsarbeiten für die Annahme einer Betriebsstätte am Ort des Pachtobjekts nicht ausreichen, da sie regelmäßig durch die Verpächterseite von der Betriebsstätte des Verwaltungssitzes aus vorgenommen werden26. Gleiches gilt, soweit sich der Verpächter ein Recht zum Betreten der Pachträume zur Prüfung von Geschäftsvorfällen oder sogar eine Kontrolle des gesamten Betriebsablaufs vorbehalten oder nur vorübergehend eigene Arbeitskräfte eingesetzt hat27. Um eine Betriebstätte des Verpächters in dem vermieteten Objekt annehmen zu können, muss eine besondere Tätigkeit hinzukommen, z.B. die Pflege und Unterhaltung des vermieteten Objekts durch eigenes oder beauftragtes Personal, das in der verpachteten Betriebsanlage beschäftigt wird28. Jedoch liegt unter diesem Gesichtspunkt eine Betriebsstätte des Verpächters nur dann vor, wenn die ihm zuzurechnenden Tätigkeiten eine gewisse Nachhaltigkeit aufweisen und über punktuelle und einzelfallbezogene Maßnahmen hinausgehen29.
Die Vorinstanz erhält insoweit durch Zurückverweisung Gelegenheit, Feststellungen zu treffen, ob möglicherweise schon in dem Vermietungsobjekt eine Betriebsstätte der GmbH liegen kann.
Sollte sich im zweiten Rechtsgang eine inländische Betriebsstätte gemäß § 12 Satz 1 AO in dem Vermietungsobjekt nicht feststellen lassen, wird das Finanzgericht ferner zu prüfen haben, ob die GmbH eine inländische oder eine (ausschließlich) am Wohnsitz des geschäftsführenden Gesellschafters der GmbH befindliche Geschäftsleitungsbetriebsstätte (§ 12 Satz 2 Nr. 1 AO) hatte. Denn jedes Unternehmen hat -zumindest- eine am Ort der Geschäftsleitung zu lokalisierende Betriebsstätte30. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs erweitert der Satz 2 des § 12 AO die Definition einer Betriebsstätte dergestalt, dass eine Betriebsstätte nicht notwendigerweise eine feste Geschäftseinrichtung oder Anlage voraussetzt31. Diese kann sich auch in den fremden Räumen eines Dritten (Geschäftsleiters) befinden32 bzw. in den Geschäftsräumen eines mit der Geschäftsführung beauftragten gesellschaftsfremden Managers33. Die bisherigen Feststellungen ermöglichen keine abschließende Beurteilung, ob die tatsächliche Geschäftsleitung auf die Hausverwaltungsgesellschaft übertragen; und vom dortigen Geschäftsführer ausgeübt worden ist oder (ausschließlich) beim geschäftsführenden Gesellschafter der GmbH (möglicherweise am Wohnsitz in Luxemburg) lag.
Für das weitere Verfahren weist der Bundesfinanzhof -ohne Bindungswirkung des § 126 Abs. 5 FGO- noch auf folgendes hin:
§ 10 AO definiert die „Geschäftsleitung“ als den „Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung“. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist dies der Ort, an dem der für die Geschäftsleitung maßgebliche Wille gebildet wird und die für die Geschäftsführung notwendigen Maßnahmen von einiger Wichtigkeit angeordnet werden34. Entscheidend ist, an welchem Ort die für die GmbH vorzunehmenden Geschäfte, die der gewöhnliche Betrieb des Handelsgewerbes mit sich bringt, sowie solche organisatorischen Maßnahmen, die zur gewöhnlichen Verwaltung der Gesellschaft gehören („Tagesgeschäfte“), tatsächlich wahrgenommen wurden35. Nicht entscheidend sind hingegen diejenigen Maßnahmen, die die Grundlagen der Gesellschaft, insbesondere die Festlegung der Grundsätze der Unternehmenspolitik und die Mitwirkung der Inhaber des Unternehmens an ungewöhnlichen Maßnahmen und an Entscheidungen von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung betreffen36. Bei der Beurteilung sind maßgebend die tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalls wie Art, Umfang, Struktur und Eigenart des Unternehmens zu berücksichtigen37. Wird eine Kapitalgesellschaft an mehreren Orten geschäftsführend tätig, so sind die an den verschiedenen Orten ausgeübten Tätigkeiten nach ihrer Bedeutung für die Kapitalgesellschaft zu gewichten, um auf diese Weise den Ort der Geschäftsleitung zu bestimmen38.
Zu klären wäre insoweit, wo -ausgehend von der umfassenden Hausverwaltungsvollmacht- die im Tagesgeschäft der GmbH anstehenden Entscheidungen von einigem Gewicht tatsächlich getroffen wurden und wer die Entscheidungsbefugnis in diesen Angelegenheiten hatte (z.B. tatsächliche Vertretung gegenüber Kreditinstituten, Finanzämtern und sonstigen Institutionen sowie uneingeschränkte Erlaubnis zu eigenständigen Abschlüssen und Kündigungen von Mietverträgen sowie Dienst- und Werkverträgen, Buchführung, Fertigung von Steuererklärungen, sonstige laufende Geschäftsvorfälle). Soweit eine Geschäftsleitungsbetriebsstätte im Ausland in Betracht kommen sollte, wird auf die in § 90 Abs. 2 AO geregelte gesteigerte Mitwirkungspflicht der GmbH hingewiesen.
Für den Fall, dass sowohl eine ausländische (Geschäftsleitungs-)Betriebsstätte als auch eine inländische Betriebsstätte in Betracht kommt, wäre zu klären, ob und inwieweit eine Kürzung des Gewerbeertrags nach § 9 Nr. 3 GewStG vorzunehmen ist39.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 23. März 2022 – III R 35/20
- BFH, Urteile vom 23.02.2011 – I R 52/10, BFH/NV 2011, 1354; vom 24.08.2011 – I R 46/10, BFHE 234, 339, BStBl II 2014, 764[↩]
- BFH, Urteil vom 05.11.2014 – IV R 30/11, BFHE 248, 81, BStBl II 2015, 601, Rz 28, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil vom 30.06.2005 – III R 76/03, BFHE 210, 551, BStBl II 2006, 84, unter II. 1.c[↩]
- BFH, Urteil vom 04.06.2008 – I R 30/07, BFHE 222, 14, BStBl II 2008, 922, unter II. 2.a aa[↩]
- BFH, Urteil vom 04.07.2012 – II R 38/10, BFHE 238, 216, BStBl II 2012, 782, Rz 46[↩]
- Sarrazin in Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 2 Rz 2552; BFH, Urteil vom 10.02.1988 – VIII R 159/84, BFHE 153, 188, BStBl II 1988, 653[↩]
- Drüen in Tipke/Kruse, § 12 AO Rz 15, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil vom 26.07.2017 – III R 4/16, BFH/NV 2018, 233[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 222, 14, BStBl II 2008, 922, unter II. 2.a bb; BFH, Beschluss vom 18.02.2021 – III R 8/19, BFHE 272, 75, BStBl II 2021, 627, Rz 20, m.w.N.[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFH/NV 2018, 233, Rz 11, m.w.N.; BFH, Beschluss in BFHE 272, 75, BStBl II 2021, 627, Rz 21, m.w.N.; vgl. BFH, Urteile vom 14.07.2004 – I R 106/03, BFH/NV 2005, 154; und vom 03.02.1993 – I R 80-81/91, BFHE 170, 263, BStBl II 1993, 462[↩]
- BFH, Urteil vom 29.11.2017 – I R 58/15, BFHE 260, 209, Rz 23; vgl. BFH, Urteil vom 24.08.2011 – I R 46/10, BFHE 234, 339, BStBl II 2014, 764, Rz 23[↩]
- BFH, Beschluss vom 08.06.2015 – I B 3/14, BFH/NV 2015, 1553, Rz 4; Luckhaupt, Internationale Steuer-Rundschau -ISR- 2016, 133, 134; Blumers/Weng, DStR 2012, 551[↩]
- BFH, Urteile in BFHE 234, 339, BStBl II 2014, 764; vom 23.02.2011 – I R 52/10, BFH/NV 2011, 1354; vom 13.10.2010 – I R 61/09, BFHE 231, 152, BStBl II 2011, 249, und in BFHE 170, 263, BStBl II 1993, 462; BFH, Beschluss in BFH/NV 2015, 1553; Heinsen in Gosch, AO § 12 Rz 12; vgl. Drüen in Tipke/Kruse, § 12 AO Rz 12; Sarrazin in Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 2 Rz 2534[↩]
- BFH, Urteil vom 13.06.2006 – I R 84/05, BFHE 214, 178, BStBl II 2007, 94, unter II. 2.b bb[↩]
- Blumers/Weng, DStR 2012, 551[↩]
- BFH, Urteile in BFHE 234, 339, BStBl II 2014, 764, Rz 23, und in BFHE 260, 209, Rz 23[↩]
- BFH, Beschluss in BFH/NV 2015, 1553, Rz 4; Luckhaupt, ISR 2016, 133; Blumers/Weng, DStR 2012, 551[↩]
- BFH, Urteil in BFH/NV 2011, 1354, Rz 37; BFH, Urteil vom 18.09.2019 – III R 3/19, BFH/NV 2020, 708, Rz 33[↩]
- vgl. BFH, Urteile in BFHE 214, 178, BStBl II 2007, 94, unter II. 2.b bb, und in BFH/NV 2011, 1354, Rz 37[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFHE 214, 178, BStBl II 2007, 94, unter II. 2.b aa, der auf die Überwachungstätigkeit am Ort der verpachteten Tankstellen abstellt[↩]
- vgl. Ditz/Quilitzsch, Finanz-Rundschau 2020, 510; vgl. Gosch, BFH-PR 2013, 33[↩]
- FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21.11.2019 – 9 K 11108/17[↩]
- vgl. Blumers/Weng, DStR 2012, 551[↩]
- Behrens, Die Unternehmensbesteuerung 2020, 353; vgl. Bärsch/Nußbaum, Internationale Wirtschaftsbriefe Nr. 16 vom 28.09.2020, 1, 6; vgl. BFH, Urteil in BFHE 214, 178, BStBl II 2007, 94[↩]
- Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 13 AO Rz 4[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 238, 216, BStBl II 2012, 782, Rz 48[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 153, 188, BStBl II 1988, 653; Drüen in Tipke/Kruse, § 12 AO Rz 15, m.w.N.[↩]
- BFH, Beschluss vom 30.08.1960 – I B 148/59 U, BFHE 71, 585, BStBl III 1960, 468; BFH, Urteil vom 06.07.1978 – IV R 24/73, BFHE 126, 102, BStBl II 1979, 18, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 214, 178, BStBl II 2007, 94, unter II. 2.b aa[↩]
- BFH, Urteil vom 20.12.2017 – I R 98/15, BFHE 260, 169, BFH/NV 2018, 497, Rz 30[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 260, 209, Rz 23, m.w.N.[↩]
- vgl. Drüen in Tipke/Kruse, § 10 AO, Rz 3; BFH, Urteil vom 28.07.1993 – I R 15/93, BFHE 172, 301, BStBl II 1994, 148, unter II. 2.b[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 12.02.2004 – IV R 29/02, BFHE 205, 295, BStBl II 2004, 602, unter 1.a, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteile vom 03.07.1997 – IV R 58/95, BFHE 184, 185, BStBl II 1998, 86, m.w.N., und in BFHE 260, 169, BFH/NV 2018, 497, Rz 29[↩]
- BFH, Urteile vom 07.12.1994 – I K 1/93, BFHE 176, 253, BStBl II 1995, 175, und in BFHE 205, 295, BStBl II 2004, 602[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 176, 253, BStBl II 1995, 175[↩]
- vgl. BFH, Urteile in BFHE 184, 185, BStBl II 1998, 86; und vom 29.04.1987 – X R 6/81, BFH/NV 1988, 63; FG Hamburg, Urteil vom 16.04.2010 – 5 K 114/08, EFG 2011, 539, Rz 266[↩]
- BFH, Urteile in BFHE 176, 253, BStBl II 1995, 175, und in BFHE 248, 81, BStBl II 2015, 601[↩]
- vgl. Kahlenberg, ISR 2020, 217; vgl. Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 28.05.2020 – 9 K 1904/18 G, EFG 2020, 1325, Revision eingelegt beim BFH – IV R 16/20[↩]
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