Der Zeitpunkt, zu dem eine Versorgungszusage erstmalig erteilt wurde, bestimmt sich nach der zu einem Rechtsanspruch führenden arbeitsrechtlichen bzw. betriebsrentenrechtlichen Verpflichtungserklärung des Arbeitgebers1. Hat der Arbeitgeber zugunsten des Arbeitnehmers mehrere Direktversicherungen abgeschlossen, ist die Frage, ob diese auf verschiedenen Versorgungszusagen beruhen, unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu beantworten. Das Fehlen oder Vorliegen eines zusätzlichen biometrischen Risikos kann dabei lediglich als ein Indiz herangezogen werden. Es ist keine gesetzliche Voraussetzung für eine Neuzusage2.

Gemäß § 3 Nr. 63 Satz 1 EStG steuerfrei sind Beiträge des Arbeitgebers aus dem ersten Dienstverhältnis an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder für eine Direktversicherung zum Aufbau einer kapitalgedeckten betrieblichen Altersversorgung, bei der eine Auszahlung der zugesagten Alters, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgungsleistungen in Form einer Rente oder eines Auszahlungsplans (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes vom 26.06.2001, BGBl I 2001, 1310, 1322, das zuletzt durch Art. 7 des Gesetzes vom 05.07.2004, BGBl I 2004, 1427 geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung) vorgesehen ist, soweit die Beiträge im Kalenderjahr 4 % der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung nicht übersteigen. Dies gilt nach § 3 Nr. 63 Satz 2 EStG nicht, soweit der Arbeitnehmer nach § 1a Abs. 3 des Betriebsrentengesetzes verlangt hat, dass die Voraussetzungen für eine Förderung nach § 10a EStG oder Abschn. – XI erfüllt werden. Der Höchstbetrag nach § 3 Nr. 63 Satz 1 EStG erhöht sich um 1.800 €, wenn die Beiträge i.S. des Satzes 1 aufgrund einer Versorgungszusage geleistet werden, die nach dem 31.12.2004 erteilt wurde. Aus Anlass der Beendigung des Dienstverhältnisses geleistete Beiträge i.S. des Satzes 1 sind gemäß § 3 Nr. 63 Satz 4 EStG steuerfrei, soweit sie 1.800 € vervielfältigt mit der Anzahl der Kalenderjahre, in denen das Dienstverhältnis des Arbeitnehmers zu dem Arbeitgeber bestanden hat, nicht übersteigen; der vervielfältigte Betrag vermindert sich um die nach den Sätzen 1 und 3 steuerfreien Beiträge, die der Arbeitgeber in dem Kalenderjahr, in dem das Dienstverhältnis beendet wird, und in den sechs vorangegangenen Kalenderjahren erbracht hat; Kalenderjahre vor 2005 sind dabei jeweils nicht zu berücksichtigen.
Nach § 52 Abs. 4 Satz 10 EStG ist § 3 Nr. 63 EStG bei Beiträgen für eine Direktversicherung nicht anzuwenden, wenn die entsprechende Versorgungszusage vor dem 01.01.2005 erteilt wurde und der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber für diese Beiträge auf die Anwendung des § 3 Nr. 63 EStG verzichtet hat. Der Verzicht gilt für die Dauer des Dienstverhältnisses; er ist bis zum 30.06.2005 oder bei einem späteren Arbeitgeberwechsel bis zur ersten Beitragsleistung zu erklären (§ 52 Abs. 4 Satz 11 EStG). § 3 Nr. 63 Satz 3 und Satz 4 EStG ist nicht anzuwenden, wenn § 40b Abs. 1 und Abs. 2 EStG in der am 31.12.2004 geltenden Fassung angewendet wird (§ 52 Abs. 4 Satz 12 EStG).
Gemäß § 52 Abs. 40 Satz 1 EStG ist § 40b Abs. 1 und Abs. 2 EStG in der am 31.12.2004 geltenden Fassung weiter anzuwenden auf Beiträge für eine Direktversicherung des Arbeitnehmers und Zuwendungen an eine Pensionskasse, die aufgrund einer Versorgungszusage geleistet werden, die vor dem 01.01.2005 erteilt wurde. Sofern die Beiträge für eine Direktversicherung die Voraussetzungen des § 3 Nr. 63 EStG erfüllen, gilt dies nur, wenn der Arbeitnehmer nach § 52 Abs. 4 EStG gegenüber dem Arbeitgeber für diese Beiträge auf die Anwendung des § 3 Nr. 63 EStG verzichtet hat (§ 52 Abs. 40 Satz 2 EStG).
Nach § 40b Abs. 1 EStG a.F. konnte der Arbeitgeber die Lohnsteuer von den Beiträgen für eine Direktversicherung des Arbeitnehmers und von den Zuwendungen an eine Pensionskasse mit einem Pauschsteuersatz von 20 % der Beiträge und Zuwendungen erheben. Die pauschale Erhebung der Lohnsteuer von Beiträgen für eine Direktversicherung war nur zulässig, wenn die Versicherung nicht auf den Erlebensfall eines früheren als des 60. Lebensjahres abgeschlossen und eine vorzeitige Kündigung des Versicherungsvertrags durch den Arbeitnehmer ausgeschlossen worden war.
§ 40b Abs. 1 EStG a.F. galt nach Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift nicht, soweit die zu besteuernden Beiträge und Zuwendungen des Arbeitgebers für den Arbeitnehmer 1.752 € im Kalenderjahr überstiegen oder nicht aus seinem ersten Dienstverhältnis bezogen wurden. Waren mehrere Arbeitnehmer gemeinsam in einem Direktversicherungsvertrag oder in einer Pensionskasse versichert, so galt als Beitrag oder Zuwendung für den einzelnen Arbeitnehmer der Teilbetrag, der sich bei einer Aufteilung der gesamten Beiträge oder der gesamten Zuwendungen durch die Zahl der begünstigten Arbeitnehmer ergab, wenn dieser Teilbetrag 1.752 € nicht überstieg; hierbei waren Arbeitnehmer, für die Beiträge und Zuwendungen von mehr als 2.148 € im Kalenderjahr geleistet wurden, nicht einzubeziehen (§ 40b Abs. 2 Satz 2 EStG a.F.). Für Beiträge und Zuwendungen, die der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer aus Anlass der Beendigung des Dienstverhältnisses erbracht hatte, vervielfältigte sich der Betrag von 1.752 € nach § 40b Abs. 2 Satz 3 EStG a.F. mit der Anzahl der Kalenderjahre, in denen das Dienstverhältnis des Arbeitnehmers zu dem Arbeitgeber bestanden hatte; in diesem Fall war § 40b Abs. 2 Satz 2 EStG a.F. nicht anzuwenden. Der vervielfältigte Betrag verminderte sich um die nach § 40b Abs. 1 EStG a.F. pauschal besteuerten Beiträge und Zuwendungen, die der Arbeitgeber in dem Kalenderjahr, in dem das Dienstverhältnis beendet wurde, und in den sechs vorangegangenen Kalenderjahren erbracht hatte.
Nach Maßgabe dieser Bestimmungen hat im hier entschiedenen Fall das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt erstinstanzlich zu Unrecht entschieden, der Arbeitnehmer könne die Steuerbefreiung gemäß § 3 Nr. 63 Satz 4 EStG nach § 52 Abs. 4 Sätze 10 und 12 sowie Abs. 40 EStG nicht in Anspruch nehmen3:
Ab dem Jahr 2005 wurde durch das Alterseinkünftegesetz auch der Durchführungsweg der Direktversicherung in die steuerliche Förderung nach § 3 Nr. 63 EStG einbezogen. Für ab 2005 erteilte Direktversicherungszusagen (Neuzusagen) entfiel gleichzeitig die Möglichkeit der Pauschalbesteuerung nach § 40b EStG a.F. (s. § 52 Abs. 40 EStG).
Für die Anwendung von § 3 Nr. 63 Satz 4 EStG sowie § 40b Abs. 1 und Abs. 2 EStG a.F. kommt es folglich darauf an, ob die entsprechenden Beiträge aufgrund einer Versorgungszusage geleistet werden, die vor dem 01.01.2005 (Altzusage) oder nach dem 31.12.2004 (Neuzusage) erteilt wurde (§ 52 Abs. 4 Satz 10 EStG).
Zur Beantwortung der Frage, zu welchem Zeitpunkt eine Versorgungszusage erstmalig erteilt wurde, ist grundsätzlich die zu einem Rechtsanspruch führende arbeitsrechtliche bzw. betriebsrentenrechtliche Verpflichtungserklärung des Arbeitgebers maßgebend; diese kann z.B. in einem Einzelvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder durch Tarifvertrag abgegeben werden4.
Hiernach ist im vorliegenden Fall eine Neuzusage gegeben. Denn der Arbeitgeber des Arbeitnehmers hat sich nach den tatsächlichen, den Bundesfinanzhof gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen der Vorinstanz erstmals in dem gerichtlich protokollierten Vergleich im April 2014 vor dem LAG verpflichtet, im Rahmen der Entgeltumwandlung eine Versorgung zugunsten des Arbeitnehmers durch eine Direktversicherung bei der B-Versicherung zuzusagen. Die vorgenannte Verpflichtungserklärung stellt sich auch unter dem Gesichtspunkt der Einheit der Versorgung nicht als bloße Änderung der seit 1997 bestehenden Versorgungszusage dar.
Die Finanzverwaltung hat in dem BMF-Schreiben in BStBl I 2013, 1022 verschiedene Beispiele aufgeführt, bei denen ihrer Ansicht nach „bei ansonsten unveränderter Versorgungszusage“ keine Neuzusage gegeben ist5.
Im Streitfall basiert die Direktversicherung des Arbeitgebers bei der B-Versicherung nicht auf der ursprünglichen (Alt-)Versorgungszusage gegenüber dem Arbeitnehmer. Die Direktversicherung bei der B-Versicherung hat ihren Rechtsgrund vielmehr ausschließlich in der im gerichtlichen Vergleich protokollierten (Neu-)Zusage, welche zu der Versorgungszusage, die der Direktversicherung bei der A-Versicherung zu Grunde lag, hinzugetreten ist. Sie beruhte mithin auf einem neuen Verpflichtungsgrund, der mit der bestehenden (Alt-)Versorgungszusage in keinem Zusammenhang stand. Die Versorgungszusage aus dem Vergleich nahm keinerlei (Rück-)Bezug auf die in der Vergangenheit erklärte Versorgungszusage. Dementsprechend ist vorliegend auch keiner der in dem BMFSchreiben in BStBl I 2013, 1022 genannten Beispielsfälle erfüllt.
Soweit nach Auffassung der Finanzverwaltung auch dann insgesamt von einer (einheitlichen) Versorgungszusage auszugehen sein soll, wenn neben einem „alten“ Direktversicherungsvertrag (Abschluss vor 2005) ein „neuer“ Direktversicherungsvertrag (Abschluss nach 2004) eingegangen und die bisher erteilte Versorgungszusage nicht um zusätzliche biometrische Risiken erweitert wird, selbst wenn der „neue“ Direktversicherungsvertrag bei einer anderen Versicherungsgesellschaft abgeschlossen wird6, vermag sich der Bundesfinanzhof dem jedenfalls für den im Streitfall gegebenen Sachverhalt nicht anzuschließen.
Zwar kann es durchaus Fälle geben, in denen eine neue Direktversicherung auch gegenüber einer anderen Versicherungsgesellschaft zusammen mit einer vor 2005 abgeschlossenen Direktversicherung auf der bisherigen Versorgungszusage (sog. Altzusage) beruht7. Das Fehlen eines zusätzlichen biometrischen Risikos bei der neuen Direktversicherung kann insoweit (indiziell) dafür sprechen, dass diese auch aufgrund der Altzusage abgeschlossen worden ist.
Es ist andererseits aber nicht gerechtfertigt, das Vorliegen einer Neuzusage zwingend von der Versicherung eines zusätzlichen biometrischen Risikos abhängig zu machen8. Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist die Versicherung eines zusätzlichen biometrischen Risikos jedenfalls keine Voraussetzung einer Neuzusage. Ein solches Erfordernis ergibt sich auch nicht aus der Entstehungsgeschichte, der Systematik oder dem Zweck des Gesetzes. Entscheidend ist vielmehr, zu welchen Zeitpunkt die maßgebliche Versorgungszusage, auf der die jeweilige Direktversicherung beruht, erteilt wurde.
Liegen -wie im Streitfall- zwei verschiedene Direktversicherungen vor, ist daher zu prüfen, ob diese auf einer Versorgungszusage oder auf verschiedenen Versorgungszusagen beruhen. Diese Frage ist unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu beantworten. Das Fehlen oder das Vorliegen eines zusätzlichen biometrischen Risikos kann dabei zwar ein Indiz sein, eine gesetzliche Voraussetzung für das Vorliegen einer weiteren, selbständigen Versorgungszusage ist es aber nicht.
Im Streitfall ist hiernach hinsichtlich der bei der B-Versicherung abgeschlossenen Direktversicherung davon auszugehen, dass diese auf einer selbständigen, neuen Versorgungszusage beruht, die nach dem 31.12.2004 erteilt wurde. Der Arbeitgeber des Arbeitnehmers erteilte diese Zusage -wie oben dargelegt- im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs im April 2014. Sie beruhte nach dem vom Finanzgericht bindend festgestellten Sachverhalt nicht auf vorherigen arbeitsvertraglichen Absprachen oder Wahloptionen des Arbeitnehmers im Zusammenhang mit der zuvor erteilten Versorgungszusage. Die Zusage führte auf Seiten des Arbeitgebers zu einer zwar einmaligen, dafür aber erheblichen Beitragserhöhung. Zugunsten des Arbeitnehmers wurden aufgrund der Zusage und der entsprechenden Beitragsleistung des Arbeitgebers gänzlich neue Versorgungsansprüche begründet. Bei dieser Sachlage scheidet trotz des Fehlens eines neuen biometrischen Risikos das Vorliegen einer Altzusage aus.
Der Anwendbarkeit des § 3 Nr. 63 Satz 4 EStG auf die im Streitfall hiernach vorliegende Neuzusage steht auch der Umstand nicht entgegen, dass der Arbeitgeber zugunsten des Arbeitnehmers bereits zuvor eine Altzusage erteilt und die Beiträge zu dieser Altzusage nach § 40b EStG a.F. pauschal versteuert hatte. Zwar ist § 3 Nr. 63 Satz 3 und Satz 4 EStG gemäß § 52 Abs. 4 Satz 12 EStG nicht anzuwenden, wenn § 40b Abs. 1 und Abs. 2 EStG in der am 31.12.2004 geltenden Fassung angewendet wird. Hinsichtlich der Neuzusage des Arbeitgebers, für die der Arbeitnehmer die Vervielfältigungsregelung des § 3 Nr. 63 Satz 4 EStG vorliegend in Anspruch nehmen möchte, scheidet die Weiteranwendung des § 40b EStG a.F. aber von vornherein aus. § 52 Abs. 4 Satz 12 EStG hindert die Anwendung des § 3 Nr. 63 Satz 4 EStG im Streitfall folglich nicht. Auch die Finanzverwaltung geht im Übrigen zutreffend davon aus, dass es aus steuerlicher Sicht möglich ist, mehrere Versorgungszusagen nebeneinander, also neben einer Altzusage auch eine Neuzusage, zu erteilen6.
Das Finanzgericht hat -von seinem Standpunkt aus zu Recht- nicht weiter geprüft, ob die sachlichen Voraussetzungen der Steuerfreiheit hinsichtlich der streitigen Beitragszahlung nach § 3 Nr. 63 Satz 4 EStG vorliegen. Dies wird es im zweiten Rechtsgang nachzuholen haben.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 1. September 2021 – VI R 21/19
- Anschluss an BMF, Schreiben vom 24.07.2013, BStBl I 2013, 1022, Rz 350[↩]
- entgegen BMF, Schreiben vom 24.07.2013, BStBl I 2013, 1022, Rz 355[↩]
- FG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 11.04.2019 – 1 K 719/18[↩]
- ebenso BMF, Schreiben vom 24.07.2013, BStBl I 2013, 1022, Rz 350[↩]
- BMF, BStBl I 2013, 2022, Rz 351[↩]
- BMF, Schreiben in BStBl I 2013, 1022, Rz 355[↩][↩]
- s. dazu auch Schrehardt, DStR 2013, 2489, 2493[↩]
- kritisch insoweit auch Veh, DStR 2020, 1101, 1103 f.[↩]
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