Wer eine ausländische Schwarzarbeiterkolonne beschäftigt, kann als Arbeitgeber für nicht abgeführte Einkommensteuer / Lohnsteuer haften, wie ein aktueller Fall des Finanzgerichts Düsseldorfs zeigt. Und das auch dann, wenn die Kolonne aufgrund einer eigenen Gewerbeanmeldung tätig wird.

In dem vom Finanzgericht Düsseldorf zu beurteilenden Fall hatten zwei Steuerpflichtige sich zusammengeschlossen, um Immobilien zu kaufen, zu sanieren und anschließend wieder zu verkaufen. Das Hauptzollamt hatte eine Prüfung durchgeführt und in einem Haus der Steuerpflichtigen sechs polnische Staatsangehörige angetroffen. Das Finanzamt nahm die Steuerpflichtigen wegen nicht abgeführter Lohnsteuer in Haftung.
Das Finanzgericht Düsseldorf bestätigte die Auffassung der Finanzverwaltung. Es sah die Handwerker, die für die Steuerpflichtigen tätig geworden waren, als deren Arbeitnehmer an, obwohl sie ein Gewerbe angemeldet und Rechnungen ausgestellt hatten.
Nach § 42 d Abs. 1 Nr. 1 EStG haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er für die an seine Arbeitnehmer ausbezahlten Arbeitslöhne einzubehalten und abzuführen hat.
Der Arbeitgeber hat die Lohnsteuer für Rechnung des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn einzubehalten (§ 38 Abs. 3 Satz 1 EStG) und an das Betriebsstättenfinanzamt abzuführen (§ 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit u.a. Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Nach § 1 Abs. 2 Sätze 1 und 2 LStDV (i.V.m. § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG) liegt ein Dienstverhältnis vor, wenn der Angestellte (Beschäftigte) dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist1.
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Das Finanzamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Handwerker lohnsteuerrechtlich als Arbeitnehmer zu behandeln sind.
Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs2, der sich das Finanzgericht Düsseldorf anschließt, dass der Arbeitnehmerbegriff sich nicht durch Aufzählung feststehender Merkmale abschließend bestimmen lässt. Das Gesetz bedient sich nicht eines tatbestandlich scharf umrissenen Begriffs. Es handelt sich vielmehr um einen offenen Typusbegriff, der nur durch eine größere und unbestimmte Zahl von Merkmalen beschrieben werden kann. Abstrakte, für alle Verhältnisse geltende Abgrenzungsmerkmale bestehen nicht. Die Frage, ob jemand eine Tätigkeit selbständig oder nichtselbständig ausübt, ist deshalb anhand einer Vielzahl in Betracht kommender Merkmale nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen. Hierzu hat der Bundesfinanzhof3 zahlreiche Kriterien (Indizien) beispielhaft aufgeführt, die für die bezeichnete Abgrenzung Bedeutung haben können. Diese Merkmale sind im konkreten Einzelfall jeweils zu gewichten und gegeneinander abzuwägen4.
Für die Einordnung der polnischen Handwerker (Fliesenleger, Fuger, Trockenbauer etc.) als Arbeitnehmer spricht hier in erster Linie die tatsächliche Durchführung der Leistungsbeziehungen.
Die Gesamtumstände dieses Einzelfalles lassen darauf schließen, dass die Handwerker mit der Klägerseite von vornherein vereinbart hatten, dass die 11 Personen während ihres Aufenthaltes in Deutschland alle auf den jeweiligen Baustellen anfallenden Arbeiten, die die Klägerinnen ihnen zuwiesen, entsprechend ihren Fähigkeiten (Fliesenarbeiten, Trockenbauarbeiten etc.) für eine monatlich zahlbare im Wesentlichen feststehende Vergütung erledigen sollten.
Zwar hatten alle Handwerker unstreitig ein Gewerbe angemeldet und Rechnungen ausgestellt, aber bereits die Art der Abrechnung spricht für eine unselbständige Tätigkeit. Sämtliche Rechnungen sind zeitraumbezogen. Die Rechnungen sind jeweils am ersten eines Monats erstellt worden und rechnen über den Vormonat ab. Die zeitraumbezogene Abrechnung ist typisch bei einem Arbeitsverhältnis.
Auch die Höhe der monatlich abgerechneten Beträge war grundsätzlich – unabhängig von der erbrachten Leistung der Handwerker– gleichbleibend. Regelmäßig konnte in einem Monat, in dem voll gearbeitet wurde, über ein Betrag in Höhe von ca. 2.000 bis 2.400 € abgerechnet werden.
Die monatliche Abrechnungsweise zeigt deutlich, dass die Handwerker hier insoweit kein Unternehmerrisiko getragen haben, denn sie konnten – unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt eine Arbeit abgeschlossen war und unabhängig davon, ob das Ergebnis ihrer Arbeit zu beanstanden war oder nicht – nach den hier vorliegenden Unterlagen bereits dann mit monatlich gleichbleibenden Zahlungseingängen rechnen, wenn sie ihre Arbeitskraft in dem Monat zur Verfügung gestellt hatten.
Soweit die Klägerseite einwendet, dass die Handwerker Existenzgründer waren und wegen der schlechten finanziellen Situation auf monatliche Abschlagszahlungen angewiesen waren, so erklärt dies zwar, warum die Vertragsbeteiligten ihre Leistungsbeziehung so durchgeführt haben, entkräftet aber nicht die Schlussfolgerung, dass die Handwerker insoweit kein Unternehmerrisiko zu tragen hatten. Bei selbständigen Unternehmern wäre jedenfalls mit Abschluss eines Auftrages eine Abschlussrechnung erteilt worden, daran fehlt es hier.
Zwar hatten die Handwerker offensichtlich keinen vertraglichen Anspruch auf Urlaub bzw. Lohnfortzahlung, denn wenn (z. B. über die Weihnachtsfeiertage) nicht gearbeitet wurde, fielen die Rechnungen regelmäßig geringer aus. Die Aufnahme derartiger Regelungen gehört aber nicht zu den Voraussetzungen für die Begründung eines Arbeitsverhältnisses, sondern ein solches hat regelmäßig zur Folge, dass Urlaubs – und Lohnfortzahlungsansprüche entstehen können5.
Auch als „Werkverträge“ bezeichnete schriftlichen Vereinbarungen sprechen auch nicht gegen ein Arbeitsverhältnis. Nach der Rechtsprechung des BFH kann zwar der im Vertragsschluss liegende gemeinsame Wille der Parteien als Indiz für die steuerrechtliche Bewertung einer Leistungserbringung herangezogen werden, in erster Linie ist aber auf die tatsächliche Durchführung abzustellen ist6.
Obwohl die Beteiligten ihre Vereinbarung als „Werkvertrag“ bezeichnet hatten, erfolgte die tatsächliche Durchführung hinsichtlich der Abrechnung des „Werklohns“ auch nicht wie bei einem Werkvertrag. Nach der seinerzeit gültigen Fassung des § 641 BGB (Fälligkeit der Vergütung) war der Werklohn nämlich erst nach Abnahme des Werkes fällig. Hier wurden aber monatliche Zahlungen geleistet. Soweit die Klägerseite vorträgt, dass später bei Verkauf der Wohnung eine Abnahme der gesamten Wohnung durch die Erwerber der Wohnung erfolgt sei, so führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Eine solche Abnahme steht in keiner Beziehung zu dem Leistungsverhältnis der Klägerinnen mit ihren Handwerken. Diese Abnahme der Erwerber der Wohnung erfolgt unabhängig davon, ob die Klägerinnen die Wohnung durch ihre Arbeitnehmer oder durch selbständige Unternehmer hat herrichten lassen.
Für ein unselbständiges Arbeitnehmerverhältnis spricht hier auch, dass Mehrarbeit nach Stundenbasis bezahlt wurden. Es wurden ausweislich der vorgelegten Unterlagen auch keine a-conto Zahlungen von der Klägerseite geleistet und später bei Abnahme des jeweiligen „Werkes“ eine Endrechnung unter Berücksichtigung der geleisteten Abschlagszahlungen erteilt.
Auch ist hier der Umstand bedeutsam, dass sich die polnischen Handwerker in dem hier zu entscheidenden Zeitraum offensichtlich nicht um weitere Aufträge von dritter Seite bemühten, denn sie wussten, dass ihre gesamte Arbeitskraft von der Klägerseite in Anspruch genommen werden würde. Eine eher laufende Tätigkeit statt der Erbringung eines von vornherein abgestimmten fest umrissenen Leistungsgegenstands ist aber typisch für einen Dienstvertrag7. Zudem ist auch nicht ersichtlich, dass Angebote von anderen (selbständigen) Handwerkern oder Kostenvoranschläge eingeholt wurden. Hierfür bestand offensichtlich keinerlei Bedarf, da allen Beteiligten klar war, für welche Arbeiten in welcher Höhe monatlich abgerechnet werden kann. In den vorgelegten schriftlichen Verträgen wurden auch nur Pauschalpreise vereinbart.
Für den hier fraglichen Zeitraum waren die Handwerker auch in das Unternehmen der Klägerinnen eingegliedert, da diese den Einsatz der Handwerker auf den Baustellen wochenweise bestimmt hat. Wegen der wirtschaftlichen Begebenheiten konnten die Handwerker offensichtlich auch keine Aufträge ablehnen und nahmen jede ihnen zugewiesene Arbeit an. Die Klägerin stellte das zu verarbeitende Material und größere Werkzeuge nach eigenen Angaben zur Verfügung. Die Handwerker mussten insoweit kein eigenes Kapital einsetzen.
Ein weiteres Indiz für das Vorliegen eines unselbständigen Dienstverhältnisses ist auch die Überlassung der Unterkunft in dem hier fraglichen Zeitraum durch die Bauherren. Die Handwerker waren darauf angewiesen, günstig zu übernachten. Die Überlassung von Wohnungen auf dem „Firmengelände“ kommt meistens nur bei Arbeitsverhältnissen vor8. Als Vermieter haben die Bauherren – nach eigenem Vortrag – den Handwerkern auch untersagt, ein Firmenschild an die Haustür anzubringen, dies verdeutlicht die persönliche Abhängigkeit der Handwerker von den Bauherren.
Den Tatsachen, dass die Handwerker offensichtlich keine festen Arbeitszeiten hatten und dass sie neben ihrer Arbeitskraft natürlich auch den Erfolg schuldeten (nämlich sämtliche Fliesen zu verlegen oder die Trockenbauarbeit durchzuführen), wird durch das Finanzgericht Düsseldorf in der Gesamtabwägung kein solches Gewicht gegenüber der bereits ausgeführten Wertung eingeräumt. Flexible Arbeitszeiten (Gleitzeit) sind auch in Dienstverhältnissen heutzutage nicht unüblich. Dass Handwerker durch ihre Leistungen entsprechende Erfolge erzielen (Ständerwände stellen, Boden fliesen etc.) liegt in der Natur der Sache und spricht auch nicht gegen ein unselbständiges Dienstverhältnis. Die Eingliederung des Herrn I von der deutschen Rentenversicherung als selbständiger Unternehmer, führt zu keinem anderen Ergebnis. Ob die Handwerker hier in arbeitsrechtlichem und sozialversicherungsrechtlichem Sinne Arbeitnehmer sind, ist für das Verfahren wegen Lohnsteuerhaftung vor dem Finanzgericht unbeachtlich9. Ebenso kann zwar die Eintragung in der Handwerksrolle, eine Gewerbeanmeldung oder die Erteilung einer USt-IdNr ein Indiz für eine Selbständigkeit sein, letztendlich kommt es hier aber auf die tatsächliche Durchführung der Leistungsbeziehung zwischen den Klägerinnen und den Handwerkern an.
Im Streitfall ist auch nicht zu beanstanden, dass das beklagte Finanzamt jeweils die Klägerin zu 1), zu 2) und zu 3) als Arbeitgeberin in Anspruch genommen hat, obwohl die Arbeitnehmer (teilweise) dieselben Personen waren. Zum einen kann ein Arbeitnehmer mehrere Arbeitsverhältnisse haben, zum anderen stehen auch immer dieselben Personen, nämlich Herr A und Herr B, hinter den Klägerinnen zu 1) bis 3). Wer bei dieser Konstellation jeweils Arbeitgeber im arbeitsrechtlichen Sinne gewesen wäre, ist hier nicht von Bedeutung. Der Beklagte hat sich auch nur auf die von der Klägerseite gewählte Struktur (pro Baustelle/Projekt eine GbR) eingelassen.
Es liegt auch kein entschuldbarer Rechtsirrtum des Bauherrn vor, da dieser sich im Wege einer Anrufungsauskunft gemäß § 42e EStG über ggf. bestehende Verpflichtungen hätte unterrichten müssen.
Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 21. Oktober 2009 – 7 K 3109/07 H(L)
- BFH, Urteile vom 14.06.1985 – VI R 150-152/82, BFHE 144, 225, BStBl II 1985, 661; vom 23.10.1992 – VI R 59/91, BFHE 170, 48, BStBl II 1993, 303; vom 02.12.1998 – X R 83/96, BFHE 188, 101, BStBl II 1999, 534; vom 14.06.2007 – VI R 5/06, BFHE 218, 233; vom 29.05.2008 – VI R 11/07, BFHE 221, 182, BStBl II 2008, 933; vom 22.07.2008 – VI R 51/05, BStBl II 2008, 981[↩]
- vgl. grundlegend BFH, Urteil vom 14.06.1985 – VI R 105-152/82, BStBl II 1985, 661, BFHE 144, 225[↩]
- BFH, Urteil vom 14.06.1985 – VI R 105-152/82 a.a.O.[↩]
- BFH, Urteil vom 14.06.2007 – VI R 5/06, BFH/NV 2007, 1977 m w. N.[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 24.07.1992 – VI R 126/88, BStBl II 1993, 155, 157[↩]
- vgl. BFH, Urteile vom 20.02.1979 – VIII R 52/77, BStBl II 1979, 414; vom 20.04.1988 – X R 40/81, BStBl II 1988, 804, 807 f m.w.N.[↩]
- BGH, Urteile vom 01.02.2000 – X ZR 198/97, a.a.O.; und vom 18.10.2001 – III ZR 265/00, NJW 2002, 595[↩]
- vgl. Nds. FG, Urteil vom 10.04.2003 – 11 K 130/01, DStRE 2005, 20-24[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 29.11.1978 – I R 159/76, BStBl II 1979, 182, BFHE 126, 45[↩]