Abschläge pharmazeutischer Unternehmer nach § 1 AMRabG mindern die Bemessungsgrundlage für die gelieferten Arzneimittel1.

Rabatte, die Pharmaunternehmen für die Lieferung von Arzneimitteln zu gewähren haben, mindern umsatzsteuerrechtlich die Steuerschuld der Pharmaunternehmen. Es kommt dabei nicht darauf an, ob es sich um eine Lieferung für gesetzlich oder privat krankenversicherte Personen handelt.
In dem jetzt vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall hatte ein pharmazeutisches Unternehmen geklagt, das Arzneimittel herstellt und sie steuerpflichtig über Großhändler an Apotheken liefert. Diese geben die Arzneimittel an gesetzlich Krankenversicherte ab. Die Arzneimittel werden an die Krankenkassen geliefert und von diesen ihren Versicherten zur Verfügung gestellt. Die Apotheken gewähren den Krankenkassen einen Abschlag auf den Arzneimittelpreis. Die Pharmaunternehmerin muss den Apotheken diesen Abschlag nach sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften erstatten. Die Finanzverwaltung behandelt den Abschlag umsatzsteuerrechtlich als Entgeltminderung. Dies führt zu einer Minderung der von der Pharmaunternehmerin geschuldeten Umsatzsteuer.
Arzneimittel für privat Krankenversicherte geben die Apotheken aufgrund von Einzelverträgen mit diesen Personen ab. Das Unternehmen der privaten Krankenversicherung ist dabei nicht selbst Abnehmer der Arzneimittel, sondern erstattet die ihren Versicherten entstandenen Kosten. Auch in diesem Fall muss die Pharmaunternehmerin dem Unternehmen der privaten Krankenversicherung einen Abschlag auf den Arzneimittelpreis gewähren. Dies beruht auf § 1 des Gesetzes über Rabatte für Arzneimittel vom 22.12 2010 (AMRabG). Danach haben die pharmazeutischen Unternehmer den Unternehmen der privaten Krankenversicherung und den Trägern der Kosten in Krankheits, Pflege- und Geburtsfällen nach beamtenrechtlichen Vorschriften (Beihilfeträgern) für verschreibungspflichtige Arzneimittel, deren Kosten diese ganz oder teilweise erstattet haben, nach dem Anteil der Kostentragung Abschläge entsprechend den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften zu gewähren.
Die Pharmaunternehmerin macht auch für die nach § 1 AMRabG gewährten Rabatte eine Entgeltminderung und damit eine Minderung ihrer Steuerschuld geltend. Das Finanzamt verweigerte sich dem entsprechend einem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 14.11.20122. Die Entgeltminderung aufgrund eines Rabatts setze eine Lieferkette voraus, die zwischen dem Rabattgewährenden und dem Rabattempfänger bestehen müsse. Diese liege nur im Fall der Rabattgewährung an die gesetzlichen Krankenkassen vor, nicht aber auch bei der Rabattgewährung an die Unternehmen der privaten Krankenversicherung und an Beihilfeträger, da die Lieferkette hier bei der privat krankenversicherten Person ende.
Im Revisionsverfahren richtete der Bundesfinanzhof ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union zur Auslegung der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, das der EuGH durch das Urteil „Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG“ vom 20.12 20173 beantwortete. Auf der Grundlage dieses Urteils des Unionsgerichtshofs hat jetzt der Bundesfinanzhof entschieden, dass auch die Abschläge pharmazeutischer Unternehmer nach § 1 AMRabG die Bemessungsgrundlage für die gelieferten Arzneimittel mindern. Damit kommt es zu einer Gleichbehandlung bei der Rabattgewährung an gesetzliche Krankenkassen einerseits und an Unternehmen der privaten Krankenversicherung sowie den diesen gleichgestellten Beihilfeträgern andererseits.
Ändert sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz, hat der Unternehmer, der den Umsatz ausgeführt hat, gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen. Unionsrechtlich beruht dies auf Art. 90 Abs. 1 MwStSystRL. Danach wird im Falle der Annullierung, der Rückgängigmachung, der Auflösung, der vollständigen oder teilweisen Nichtbezahlung oder des Preisnachlasses nach der Bewirkung des Umsatzes die Besteuerungsgrundlage (Steuerbemessungsgrundlage) unter von den Mitgliedstaaten festgelegten Bedingungen entsprechend vermindert.
Der EuGH hatte hierzu bereits entschieden, dass, wenn ein Hersteller eines Erzeugnisses, der zwar nicht vertraglich mit dem Endverbraucher verbunden ist, aber das erste Glied einer zu diesem führenden Kette von Umsätzen bildet, dem Endverbraucher einen Preisnachlass gewährt, die Besteuerungsgrundlage für die Mehrwertsteuer um diesen Nachlass vermindert werden muss4. Der EuGH hat aber eine Minderung abgelehnt, wenn ein Reisebüro als Vermittler dem Endverbraucher aus eigenem Antrieb und auf eigene Kosten einen Nachlass auf den Preis der vermittelten Leistung gewährt, die von dem Reiseveranstalter erbracht wird5. Dies beruht darauf, dass das Reisebüro außerhalb einer Leistungskette vom Reiseveranstalter zum Endverbraucher steht.
Mit dem nunmehr vorliegenden Urteil Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG6 hat der EuGH klargestellt, dass der Abschlag, den ein pharmazeutisches Unternehmen aufgrund einer nationalen Gesetzesregelung einem Unternehmen der privaten Krankenversicherung gewährt, zu einer Minderung der Steuerbemessungsgrundlage für dieses pharmazeutische Unternehmen führt, wenn es Arzneimittel über Großhändler an Apotheken liefert, die die Arzneimittel an privat Krankenversicherte liefern, denen von der privaten Krankenversicherung die Kosten für den Bezug der Arzneimittel erstattet werden. Dem schließt sich der Bundesfinanzhof an.
Danach ist die Pharmaunternehmerin für die Abschläge, die sie nach § 1 AMRabG gezahlt hat, in unionsrechtskonformer Auslegung des § 17 Abs. 1 UStG zur Minderung berechtigt.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 8. Februar 2018 – V R 42/15
- Folgeentscheidung zu EuGH, Urteil Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG vom 20.12 2017 – C-462/16, EU:C:2017:1006[↩]
- BMF, Schreiben vom 14.11.2012 – BStBl I 2012, 1170, unter I. 2.[↩]
- EuGH, Urteil „Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG“ vom 20.12 2017 – C-462/16, EU:C:2017:1006[↩]
- EuGH, Urteile Elida Gibbs vom 24.10.1996 – C-317/94, EU:C:1996:400, Rz 28, 31; Ibero Tours vom 16.01.2014 – C-300/12, EU:C:2014:8, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung -HFR- 2014, 274, Rz 29[↩]
- EuGH, Urteil Ibero Tours, EU:C:2014:8, HFR 2014, 274, Rz 33[↩]
- EU:C:2017:1006[↩]