Grunderwerbsteuer bei Bestellung eines Gesamterbbaurechts

Bestellen zwei Grundstückseigentümer an ihren Grundstücken ein Gesamterbbaurecht, liegen zwei Erwerbsvorgänge i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG vor. „Bestimmter Sachverhalt“ i.S. des § 174 Abs. 4 AO ist der einzelne Lebensvorgang, an den das Gesetz steuerliche Folgen knüpft. Es muss sich um ein und denselben Lebensvorgang handeln, an den das Gesetz steuerliche Folgen knüpft. Grunderwerbsteuerrechtlich ist Gegenstand des Erwerbsvorgangs ein Erbbaurecht mit noch künftig zu errichtendem Gebäude, soweit eine entsprechende Herstellungsverpflichtung der Veräußererseite (Erbbaurechtsgeber und ggf. mit ihm verbundener Dritter) besteht.

Grunderwerbsteuer bei Bestellung eines Gesamterbbaurechts

Durch den zwischen der Erwerberin sowie den beiden Verkäufern geschlossenen Vertrag über die Bestellung eines Gesamterbbaurechts sind grunderwerbsteuerrechtlich zwei Erwerbsvorgänge verwirklicht worden.

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG unterliegt ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründet, der Grunderwerbsteuer. Da Erbbaurechte den Grundstücken gleichstehen (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG), unterliegt auch die Verpflichtung zur Bestellung eines Erbbaurechts an einem inländischen Grundstück der Grunderwerbsteuer.

Der Steuertatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG knüpft allein an das schuldrechtliche Rechtsgeschäft an1. Zu Grundstückskaufverträgen hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass es der Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG nicht entgegensteht, dass das Grundstück im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags nicht im Eigentum des Verkäufers stand bzw. dass es unsicher war, ob er überhaupt Eigentum erlangen werde2. Denn ein zivilrechtlich wirksamer Anspruch auf Eigentumsverschaffung kann auch hinsichtlich solcher Grundstücke erworben werden, die dem Veräußerer nicht oder noch nicht gehören (§ 185 Abs. 2, § 184 Abs. 1 BGB)3. Die Steuerschuld entsteht in diesen Fällen mit dem Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts über das fremde Grundstück (vgl. § 38 AO) oder –soweit die Wirksamkeit des Vertrags von dem Eintritt einer Bedingung, z.B. der Erlangung der Rechtsmacht des Verkäufers zur Eigentumsverschaffung abhängt– mit dem Eintritt der Bedingung (vgl. § 14 Nr. 1 GrEStG).

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Gegenstand eines Kaufvertrags kann auch eine mit rechtlicher Selbständigkeit erst künftig entstehende Sache sein4. Dementsprechend kann auch ein erst künftig entstehendes Gesamterbbaurecht Gegenstand des Erbbaurechtsvertrags mit einem Eigentümer sein, selbst wenn die von dem Erbbaurecht betroffenen Grundstücke verschiedenen Eigentümern gehören.

Der Eigentümer eines Grundstücks kann sich schuldrechtlich wirksam verpflichten, ein Gesamterbbaurecht an seinem Grundstück zu bestellen. Das schuldrechtliche Grundgeschäft kann zwischen dem Erbbauberechtigten und den Eigentümern getrennt abgeschlossen werden5. Die Möglichkeit, die Verträge getrennt mit den jeweiligen Grundstückseigentümern abzuschließen, bedeutet zugleich, dass durch einen solchen Abschluss eine wirksame schuldrechtliche Verpflichtung des einzelnen Grundstückseigentümers zur Bestellung des Gesamterbbaurechts begründet wird. Das wirksame Entstehen eines Anspruchs des Erbbauberechtigten gegenüber dem sich verpflichtenden Grundstückseigentümer wird nicht dadurch gehindert, dass zur späteren Erfüllung dieses Anspruchs der andere Grundstückseigentümer sich ebenfalls mit der Begründung des Gesamterbbaurechts an seinem Grundstück einverstanden erklären muss.

Im Streitfall haben sich die beiden Veräußerer im notariell beurkundeten Vertrag verpflichtet, ein Gesamterbbaurecht an ihren Grundstücken für die Erwerberin zu bestellen. Dadurch wurden schuldrechtliche Ansprüche der Erwerberin gegenüber den beiden Veräußerern begründet. Wegen der Begründung zweier schuldrechtlicher Ansprüche gegenüber zwei Grundstückseigentümern liegen auch zwei Erwerbsvorgänge vor. Die Annahme nur eines Erwerbsvorgangs kann nicht im Hinblick darauf erfolgen, dass zur dinglichen Erfüllung der schuldrechtlichen Ansprüche nur ein Gesamterbbaurecht gemeinsam von beiden Grundstückseigentümern zu bestellen ist. Der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG ist bereits mit der Begründung der beiden schuldrechtlichen Ansprüche der Erwerberin erfüllt.

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Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG unterliegt die Verpflichtung zur Bestellung eines Erbbaurechts an einem inländischen Grundstück der Grunderwerbsteuer. Der Gegenstand des Erwerbsvorgangs, nach dem sich gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG die als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer anzusetzende Gegenleistung richtet, wird zunächst durch das den Steuertatbestand erfüllende zivilrechtliche Verpflichtungsgeschäft bestimmt. Ergibt sich jedoch aus weiteren Vereinbarungen, die mit diesem Rechtsgeschäft in einem rechtlichen oder zumindest objektiv sachlichen Zusammenhang stehen, dass der Erwerber das beim Abschluss des Kaufvertrags6 unbebaute Grundstück in bebautem Zustand erhält, bezieht sich der grunderwerbsteuerrechtliche Erwerbsvorgang auf diesen einheitlichen Erwerbsgegenstand7

Ob ein objektiv sachlicher Zusammenhang zwischen dem Grundstückskaufvertrag und weiteren Vereinbarungen besteht, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu ermitteln. Ein solcher Zusammenhang ist u.a. gegeben, wenn der Erwerber beim Abschluss des Grundstückskaufvertrags gegenüber der Veräußererseite in seiner Entscheidung über das „Ob“ und „Wie“ der Baumaßnahme nicht mehr frei war und deshalb feststand, dass er das Grundstück nur in einem bestimmten (bebauten) Zustand erhalten werde8. Treten auf der Veräußererseite mehrere Personen als Vertragspartner auf, liegt ein objektiver Zusammenhang zwischen den Verträgen u.a. vor, wenn die Personen aufgrund von Abreden bei der Veräußerung zusammenarbeiten oder durch abgestimmtes Verhalten auf den Abschluss sowohl des Grundstückskaufvertrags als auch der Verträge, die der Bebauung des Grundstücks dienen, hinwirken9.

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Diese Grundsätze gelten auch im Fall der Bestellung eines Erbbaurechts. Zwar ist, soweit sich ein Erbbauberechtigter im Rahmen der Bestellung eines Erbbaurechts zur Errichtung eines Gebäudes auf dem Erbbaugrundstück verpflichtet, regelmäßig davon auszugehen, dass die Baumaßnahmen dem Erwerber als (zukünftigem) Inhaber des Erbbaurechts allein zugutekommen und die entsprechenden Verwendungen keine Gegenleistung i.S. des § 8 Abs. 1 GrEStG sind10. Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist aber das Erbbaurecht mit noch künftig zu errichtendem Gebäude, soweit eine entsprechende Herstellungsverpflichtung der Veräußererseite (Erbbaurechtsgeber und ggf. mit ihm verbundener Dritter) besteht. Dazu ist neben dem Abschluss des Grundstückskaufvertrags (Erbbaurechtsvertrag) auch der Abschluss eines Bauvertrags mit der Veräußererseite erforderlich; diese muss zivilrechtlich zur Übereignung und Bebauung verpflichtet sein11.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 24. April 2013 – II R 53/10

  1. vgl. BFH-Entscheidungen vom 16.04.2009 – II B 171/08; vom 18.11.2009 – II R 11/08, BFHE 226, 552, BStBl II 2010, 498, Rz 26[]
  2. vgl. BFH, Urteil vom 08.11.1995 – II R 93/94, BFHE 179, 174, BStBl II 1996, 27; BFH, Beschluss vom 16.04.2009 – II B 171/08[]
  3. Vgl. hierzu Fischer in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 17. Aufl., § 1 Rz 307[]
  4. vgl. BGH, Urteil vom 20.10.1999 – VIII ZR 335/98, NJW 2000, 504, zu einer im Zeitpunkt des Kaufvertrags aufgebauten Ausstellungshalle, die wesentlicher Bestandteil des Grundstücks war[]
  5. vgl. von Oefele/Winkler, Handbuch des Erbbaurechts, 4. Aufl., Rz 3.42[]
  6. Erbbaurechtsvertrag[]
  7. BFH, Urteile vom 29.07.2009 – II R 58/07, BFH/NV 2010, 63; vom 28.03.2012 – II R 57/10, BFHE, 237, 460, BStBl II 2012, 920, m.w.N.[]
  8. vgl. z.B. BFH, Urteile vom 21.09.2005 – II R 49/04, BFHE 211, 530, BStBl II 2006, 269, und in BFHE, 237, 460, BStBl II 2012, 920[]
  9. BFH, Entscheidungen in BFHE 211, 530, BStBl II 2006, 269; und vom 19.03.2010 – II B 130/09, BFH/NV 2010, 1659, jeweils m.w.N.[]
  10. BFH, Urteile vom 23.10.2002 – II R 81/00, BFHE 200, 416, BStBl II 2003, 199; vom 08.09.2010 – II R 3/10, BFH/NV 2011, 303[]
  11. z.B. BFH, Urteile vom 02.03.2006 – II R 39/04, BFH/NV 2006, 1880; in BFH/NV 2011, 303[]
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