Nach einer aktuellen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts beeinträchtigt es weder die Gesetzesbindung der Gerichte noch den Anspruch des Einzelnen auf wirksame gerichtliche Kontrolle nach Art. 19 Abs. 4 GG, wenn die Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe durch gesetzliche Verweisung auf bestimmte Verwaltungsvorschriften oder sonstige untergesetzliche Regelwerke erfolgt oder wenn die konkretisierende Heranziehung solcher Vorschriften oder Regelwerke in vergleichbarer Weise auf einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage beruht.

Von Gerichten nicht oder nur eingeschränkt überprüfbare Letztentscheidungsbefugnisse über Rechte des Einzelnen dürfen der vollziehenden Gewalt nur aufgrund eines Gesetzes eingeräumt werden. Dabei hat es der Gesetzgeber in der Hand, den Umfang und Gehalt der subjektiven Rechte der Bürger zu definieren und damit mit entsprechenden Folgen für den Umfang der gerichtlichen Kontrolle auch deren Rechtsstellung gegenüber der Verwaltung differenziert auszugestalten.
Will der Gesetzgeber gegenüber von ihm anerkannten subjektiven Rechten die gerichtliche Kontrolle zurücknehmen, hat er zu berücksichtigen, dass die letztverbindliche Normauslegung und die Kontrolle der Rechtsanwendung im Einzelfall grundsätzlich den Gerichten vorbehalten ist. Die in Art. 19 Abs. 4 GG garantierte Wirksamkeit gerichtlichen Rechtsschutzes darf der Gesetzgeber nicht durch die Gewährung behördlicher Letztentscheidungsbefugnisse für ganze Rechtsgebiete oder Sachbereiche aufgeben. Die Freistellung der Rechtsanwendung von gerichtlicher Kontrolle bedarf stets eines hinreichend gewichtigen, am Grundsatz eines wirksamen Rechtsschutzes ausgerichteten Sachgrundes.
Nehmen Gerichte eine gesetzlich nicht vorgesehene Bindung an behördliche Entscheidungen an, verstößt dies gegen Art. 19 Abs. 4 GG.
Mit Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar sind Verfahrensstufungen in Form bindender Vorentscheidungen, die durch den Angriff gegen die Endentscheidung nicht mehr oder nur eingeschränkt einer gerichtlichen Überprüfung zugeführt werden können, nur, sofern
- die Bindung einer Behörde an vorangehende Feststellungen oder Entscheidungen einer anderen Behörde sich hinreichend klar aus dem Gesetz ergibt,
- gegen die mit Bindungswirkung ausgestattete Teil- oder Vorentscheidung ihrerseits effektiver Rechtsschutz zur Verfügung steht und
- die Aufspaltung des Rechtsschutzes mit einer etwaigen Anfechtungslast gegenüber der Vorentscheidung für den Bürger deutlich erkennbar und nicht mit unzumutbaren Risiken und Lasten verbunden ist.
Inhaltsübersicht
Der Ausgangsfall[↑]
Die Beschwerdeführerin der jetzt vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Verfassungsbeschwerde ist ein Unternehmen mit Sitz in Sachsen. Sie bearbeitet Altasphalte und Altbeton, wobei sie mit ihren Maschinen das von ihren Auftraggebern bereit gelegte Material zerkleinert. Für die Anschaffung diverser Fahrzeuge und Maschinen beantragte sie 2005 beim Finanzamt die Gewährung einer Investitionszulage. Auf ihre Anfrage teilte das Statistische Bundesamt mit näherer Begründung mit, dass ihr Betrieb nicht dem verarbeitenden Gewerbe zuzuordnen sei, woraufhin das Finanzamt die Gewährung einer Investitionszulage ablehnte.
Das Investitionszulagengesetz[↑]
Anlass für diese Entscheidung bot dem Bundesverfassungsgericht das Investitionszulagengesetz. Das Investitionszulagengesetz regelt die Gewährung staatlicher Zuschüsse für förderungswürdig erachtete betriebliche Anschaffungen. Insbesondere das verarbeitende Gewerbe wird bzw. wurde bereits in den Vorgängerregelungen des Berlinhilfegesetzes von 1968 und in den nachfolgenden Investitionszulagengesetzen bei der Gewährung von Investitionszulagen berücksichtigt. Auch die hier maßgeblichen Vorschriften des Investitionszulagengesetzes 1999 sehen unter bestimmten Voraussetzungen eine Begünstigung betrieblicher Investitionen des verarbeitenden Gewerbes vor. Weder das Berlinhilfegesetz noch die nachfolgenden Investitionszulagengesetze bis zum Jahr 2008 definieren den Begriff des verarbeitenden Gewerbes oder bestimmen ihn in sonstiger Weise näher. Es entspricht jedoch der gefestigten Rechtsprechung der Finanzgerichte, dass die Zuordnung der Tätigkeit eines Betriebs zum verarbeitenden Gewerbe in aller Regel nach der von den Statistikbehörden erstellten Klassifikation der Wirtschaftszweige in der jeweiligen gültigen Fassung zu bestimmen ist. Erst mit dem Investitionszulagengesetz 2010 vom 7. Dezember 2008 wurde erstmals ausdrücklich gesetzlich festgeschrieben, dass die Zuordnung eines Betriebs zu dem verarbeitenden Gewerbe nach der von dem Statistischen Bundesamt herausgegebenen Klassifikation der Wirtschaftszweige vorzunehmen ist.
Weder das Berlinhilfegesetz noch die nachfolgenden Investitionszulagengesetze bis zum Jahr 2008 definieren den Begriff des verarbeitenden Gewerbes oder bestimmen ihn in sonstiger Weise näher.
Schon die Gesetzesmaterialien zum Berlinhilfegesetz des Jahres 1968 belegen jedoch den Willen des Gesetzgebers, das neu eingeführte Tatbestandsmerkmal des verarbeitenden Gewerbes anhand des durch das Statistische Bundesamt erstellten Systematischen Verzeichnisses der Wirtschaftszweige zu bestimmen1. Bei Erlass des Investitionszulagengesetzes 1991 (InvZulG 1991) ging der Gesetzgeber nach der Herstellung der Deutschen Einheit im Hinblick auf die Gewährung von Investitionszulagen für das verarbeitende Gewerbe ebenfalls davon aus, dass die bei der Bestimmung der Zugehörigkeit eines Betriebs zum verarbeitenden Gewerbe unter Geltung des Berlinförderungsgesetzes entstandene Verwaltungspraxis der Finanzbehörden zu Grunde zu legen sei2. Danach sei entsprechend einem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen3 für die Zugehörigkeit eines Betriebs zum verarbeitenden Gewerbe grundsätzlich dessen Eingruppierung in Abteilung 2 des Systematischen Verzeichnisses der Wirtschaftszweige durch das Statistische Landesamt maßgebend. Diese Eingruppierung begründe allerdings keinen Rechtsanspruch auf eine Investitionszulage. Die endgültige Entscheidung über die Zuordnung eines Betriebs zu dem verarbeitenden Gewerbe werde durch das Finanzamt getroffen.
Auch in dem Gesetzgebungsverfahren zum Investitionszulagengesetz 1999 wurde die besondere Förderung des verarbeitenden Gewerbes in den neuen Bundesländern mit der Bedeutung dieses Bereichs der Wirtschaft für den Aufbau einer international wettbewerbsfähigen Wirtschaft begründet. Bei der Abgrenzung bestimmter Wirtschaftszweige, die durch das Investitionszulagengesetz 1999 gefördert werden sollten, sei – wie schon bisher – auf die durch das Statistische Bundesamt herausgegebene „Klassifikation der Wirtschaftszweige“, dem Nachfolgeverzeichnis zum Systematischen Verzeichnis der Wirtschaftszweige, abzustellen4.
Mit dem Investitionszulagengesetz 2010 (InvZulG 2010)5 wurde erstmals ausdrücklich gesetzlich festgeschrieben, dass die Zuordnung eines Betriebs zu dem verarbeitenden Gewerbe nach der von dem Statistischen Bundesamt herausgegebenen Klassifikation der Wirtschaftszweige, Ausgabe 2008, vorzunehmen ist (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 2 InvZulG 2010). In dem Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 22.09. 20086 wird dies damit begründet, dass die bisherige langjährige Verwaltungspraxis, die Abgrenzung des verarbeitenden Gewerbes ausschließlich nach der jeweils gültigen Klassifikation der Wirtschaftszweige vorzunehmen, nunmehr gesetzlich normiert werde. Die Herstellung des Bezugs zur Klassifikation der Wirtschaftszweige 2008 diene der Rechtsklarheit und der Rechtssicherheit. Die Eingruppierung eines Betriebs erfolge ausschließlich nach den Grundsätzen der Klassifikation der Wirtschaftszweige 2008, andere Kriterien oder Auffassungen seien für die Abgrenzung nicht relevant. Im Fall einer Änderung der Klassifikation der Wirtschaftszweige durch das Statistische Bundesamt werde für die investitionszulagenrechtliche Beurteilung weiterhin die Ausgabe des Jahres 2008 zugrunde gelegt.
Die in den Gesetzesmaterialien des Berlinhilfegesetzes und der Investitionszulagengesetze zum Ausdruck kommende Anknüpfung an das von den Statistikbehörden erstellte Systematische Verzeichnis der Wirtschaftszweige und – später – die Klassifikation der Wirtschaftszweige für die Bestimmung und Zuordnung der Tätigkeit eines Betriebs zum verarbeitenden Gewerbe entspricht der gefestigten Rechtsprechung der Finanzgerichte.
Anfang der 1970er Jahre ging der Bundesfinanzhof noch davon aus, dass das Systematische Verzeichnis lediglich einen Anhalt für die Auslegung des Begriffs des verarbeitenden Gewerbes darstelle. Finanzverwaltung und Finanzgerichte seien deshalb nicht in jedem Fall gezwungen, dieser statistischen Einteilung zu folgen7; denn der Hinweis auf die Klassifikation sei zwar in den Gesetzesmotiven enthalten, nicht jedoch in den Gesetzestext übernommen worden.
In der Folgezeit hielt der Bundesfinanzhof zwar daran fest, dass keine feste Bindung an die Klassifikation bestehe, sah die gerichtliche Prüfungsbefugnis insoweit jedoch letztlich auf eine Offensichtlichkeitskontrolle beschränkt. Die Zuordnung müsse aus Gründen der Rechtssicherheit, wegen des in den Gesetzgebungsverfahren zum Ausdruck kommenden Willens des Gesetzgebers und mit Rücksicht auf die bei Erstellung des Systematischen Verzeichnisses der Wirtschaftszweige durch das Statistische Bundesamt eingeholte Ansicht der beteiligten Wirtschaftskreise in engster Anlehnung an das Systematische Verzeichnis durchgeführt werden8. Deshalb sei die durch die statistischen Verzeichnisse vorgegebene Zuordnung bei der Entscheidung über die Investitionszulage durch das Finanzamt in aller Regel zu übernehmen. Eine von den statistischen Verzeichnissen abweichende Zuordnung sei nur dann gerechtfertigt, wenn die Zuordnung ausnahmsweise zu einem „offensichtlich falschen Ergebnis“ führe9 und damit „offensichtlich und unzweifelhaft falsch“ sei10. Die Eigenart der Klassifikation als einer sachverständigen, feingliedrigen Dokumentation, die auf eine weltweite Vergleichbarkeit von Unternehmensdaten hin angelegt sei, rechtfertige es, die dort vorhandenen, hierarchisch aufgebauten Definitionen nicht nur für statistische Zwecke zu verwerten11. Dieser Standpunkt entspricht, über die angegriffene Entscheidung hinaus, nach wie vor der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs12.
Wurde im Rahmen der Entscheidung eines Finanzamts über die Gewährung der Investitionszulage das Statistische Bundesamt oder ein Statistisches Landesamt zu der Frage herangezogen, ob der betreffende Betrieb nach Maßgabe der statistischen Klassifikation zum verarbeitenden Gewerbe zählt, misst der Bundesfinanzhof einer solchen Entscheidung der Statistikbehörde ebenfalls in ständiger Rechtsprechung eine weitgehende Bindungswirkung für Finanzbehörden und Finanzgerichte zu.
Zwar komme der Zuordnungsentscheidung eines Statistikamts nicht die Qualität eines bindenden Grundlagenbescheides im Sinne von § 171 Abs. 10 der Abgabenordnung zu13. Steuerverwaltung sowie Finanzgerichte könnten daher prüfen, ob das Statistikamt bei der Eingruppierung von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen und ob der betreffende Betrieb richtig abgegrenzt worden sei14.
Die Zuordnungsentscheidung durch das Statistikamt habe jedoch eine starke Indizwirkung. In aller Regel habe das über die Investitionszulage entscheidende Finanzamt diese Einordnung zu übernehmen. Nur so könne die Rechtssicherheit gewährleistet werden, wonach die Entscheidung in engster Anlehnung an das Systematische Verzeichnis zu treffen sei. Diese Rechtssicherheit werde durch die konkrete Einordnung eines Unternehmens durch das Statistikamt in noch stärkerem Maße gewährleistet als durch das Verzeichnis selbst. Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen sei allerdings dann zu machen, wenn die vorgenommene konkrete Zuordnung offensichtlich falsch sei. Zu prüfen sei aber nicht, ob die vorgenommene Einordnung sachgerecht sei15.
Die durch das Statistische Bundesamt geführten Wirtschaftszweig- und Güterklassifikationen, zu denen auch die im Ausgangsverfahren erhebliche Klassifikation der Wirtschaftszweige (bzw. zuvor die Systematik der Wirtschaftszweige) zählt, sind in ein komplexes und vernetztes Geflecht entsprechender Ordnungssysteme eingebunden, das zum Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre hauptsächlich unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen entstanden ist und auf der Ebene der Europäischen Union aufgenommen und ausdifferenziert wird. Die Wirtschaftszweigklassifikationen sind für Zwecke der Statistik erstellt und dienen der Einordnung von Daten, die sich auf statistische Einheiten beziehen. Sie sind die Grundlage für die Erstellung von Statistiken über Produktionswerte, in den Produktionsprozess eingeflossene Produktionsfaktoren, Kapitalbildung und Finanztransaktionen dieser Einheiten16.
Die Statistische Kommission der Vereinten Nationen entwickelte eine Reihe von Klassifikationen, die zusammen ein integriertes System zur Klassifizierung von Tätigkeiten, Gütern und Dienstleistungen bilden und die für unterschiedliche Arten von Wirtschaftsstatistiken auf globaler Ebene verwendet werden können. Einer der Hauptbestandteile dieses Systems ist die auf Wirtschaftszweigklassifikationen abstellende International Standard Industrial Classification of All Economic Activities (ISIC). Im Streitzeitraum galt diese Klassifikation in einer im Jahr 2002 revidierten Fassung als ISIC Rev.03.01. Der Klassifizierung von Waren und Gütern dient die Central Product Classification (CPC), die auf das von der Weltzollorganisation entwickelte Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung von Waren (HS) zurückgreift17.
Auf der Ebene der Europäischen Union wird eine Systematik für alle Wirtschaftstätigkeiten verwendet, die im Jahr 1970 als Allgemeine Systematik der Wirtschaftszweige in den Europäischen Gemeinschaften (Nomenclature générale des activités économiques dans les Communautés Européennes – NACE -) entwickelt wurde. Sie wurde in der Folgezeit mehrfach an die ISIC und deren Änderungen angepasst. Die NACE enthält eine zum Teil tiefere Gliederung der Klassifikation, als dies bei der ISIC der Fall ist, um für die Europäische Union wichtige Wirtschaftsbereiche widerzuspiegeln, die in der ISIC nicht enthalten sind18. Die Geltung der NACE für Zwecke der statistischen Erfassung ist auf der Ebene der Europäischen Union durch die Verordnung Nr. 3037/90/EWG vom 09.10.1990 festgeschrieben19. Die für den Streitzeitraum des Ausgangsverfahrens gültige Fassung entstand nach einer Revision durch die Verordnung Nr. 29/2002/EG vom 19.12. 200120. Sie wird als NACE Rev.01.1 bezeichnet.
In der Bundesrepublik Deutschland wurde das in den 1950er Jahren ursprünglich für Zwecke der gewerblichen Betriebszählung entwickelte „Systematische Verzeichnis der Arbeitsstätten“ 1970 in „Systematik der Wirtschaftszweige“ umbenannt. Die im Jahr 1993 vom Statistischen Bundesamt herausgegebene Klassifikation der Wirtschaftszweige trug der internationalen Fortentwicklung der Statistiken für Wirtschaftszweige Rechnung. Diese Klassifikation war nicht mehr primär an nationalen Erfordernissen orientiert, sondern baute auf der Verordnung Nr. 3037/90/EWG auf. Durch das Hinzufügen einer weiteren Gliederungsebene im Bereich der Klassifikation der Wirtschaftszweige 1993 konnte das Statistische Bundesamt nationale Bedürfnisse berücksichtigen. Die auch für das Streitjahr 2004 einschlägige Klassifikation der Wirtschaftszweige, Ausgabe 2003, wurde auf Grundlage der auf Gemeinschaftsebene maßgeblichen NACE Rev.01.1 erstellt. Ihr liegen dieselben Erwägungen zu Grunde, die auch die Revision auf der Gemeinschaftsebene angeleitet hatten21.
Die Entscheidungen der Finanzgerichte[↑]
Das Sächsische Finanzgericht stellte dagegen auf die Klage der Beschwerdeführerin unter Aufhebung des ablehnen Bescheides des Finanzamtes fest, dass die Tätigkeit der Beschwerdeführerin in Abweichung von der Einordnung des Statistischen Bundesamts dem verarbeitenden Gewerbe unterfalle; dessen Einstufung sei offenkundig unzutreffend22.
Der Bundesfinanzhof hob das Urteil auf23. Der Betrieb der Beschwerdeführerin sei nicht dem verarbeitenden Gewerbe zuzuordnen. Zur Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs des verarbeitenden Gewerbes seien mangels gesetzlicher Begriffsbestimmung die vom Statistischen Bundesamt herausgegebenen Verzeichnisse der Wirtschaftszweige heranzuziehen. Halte das Statistische Landes- oder Bundesamt danach die Einordnung eines Betriebs in einen bestimmten Wirtschaftszweig für zutreffend, so sei diese Zuordnung nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs von den Finanzämtern in aller Regel bei der Entscheidung über die Gewährung der Investitionszulage zu übernehmen, soweit sie nicht zu einem offensichtlich falschen Ergebnis führe. Letzteres sei hier nicht der Fall.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts[↑]
Das Bundesverfassungsgerichts hat das Urteil des Bundesfinanzhofs aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an ihn zurückverwiesen. Das Urteil verletzt die Beschwerdeführerin dadurch in ihrem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, dass es die Versagung der begehrten Investitionszulage durch das Finanzamt nur eingeschränkt auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft.
Der Bundesfinanzhof schränkt in dem angegriffenen Urteil die Kontrolle der Entscheidung, mit der das Finanzamt den Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung einer Investitionszulage abgelehnt hat, in zweifacher Hinsicht ein. Mit dem aus der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG folgenden Anspruch der Beschwerdeführerin auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle des angegriffenen Hoheitsakts ist dies lediglich vereinbar, soweit der Bundesfinanzhof die Klassifikation der Wirtschaftszweige zur Bestimmung des Begriffs des verarbeitenden Gewerbes heranzieht. Unvereinbar mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG ist jedoch, dass er die einbezogene Stellungnahme des Statistischen Bundesamts nur auf offensichtliche Fehler überprüft. Die ungenügende Kontrolle der Behördenentscheidung durch den Bundesfinanzhof verletzt Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, unter anderem weil die Beschwerdeführerin insoweit auch nicht auf anderweitige Rechtsschutzmöglichkeiten verwiesen werden kann.
Der Bundesfinanzhof greift für die gerichtliche Überprüfung der Entscheidung des Finanzamts, ob der Betrieb der Beschwerdeführerin zum verarbeitenden Gewerbe gehört und damit nach § 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 1999 Anspruch auf eine Investitionszulage hat, seiner gefestigten Rechtsprechung folgend in zweifacher Hinsicht auf Entscheidungen der Verwaltung zurück, die er nur begrenzt überprüft: Zum einen sieht er sich grundsätzlich an ein vom Statistischen Bundesamt herausgegebenes Verzeichnis der Wirtschaftszweige gebunden, zum anderen hält er gegebenenfalls eingeholte Stellungnahmen der Statistikbehörden zur Klassifizierung des Betriebs für grundsätzlich verbindlich und prüft sie nur auf offensichtliche Fehler.
Der Bundesfinanzhof verweist in dem angegriffenen Urteil zunächst darauf, dass nach seiner ständigen Rechtsprechung zur Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs des verarbeitenden Gewerbes die vom Statistischen Bundesamt herausgegebenen Verzeichnisse der Wirtschaftszweige – für den hier maßgeblichen Zeitpunkt damit die Klassifikation der Wirtschaftszweige, Ausgabe 2003 – heranzuziehen sind.
In seinem hierbei ausdrücklich in Bezug genommenen Urteil vom 23. März 200524 erläutert der Bundesfinanzhof dieses „Heranziehen“ damit, dass er seit seiner Entscheidung vom 14. Januar 197525 die Zuordnung eines Betriebs zum verarbeitenden Gewerbe im Interesse der Rechtssicherheit „in engster Anlehnung“ an die Systematik der Wirtschaftszweige beziehungsweise die Folgeverzeichnisse vornehme, weil sie eine Grundsystematik aller Wirtschaftszweige darstellten, bei der die Erkenntnisse fachlich kompetenter Gremien über die Gruppierungen wirtschaftlicher Institutionen verwertet worden seien. Die Auslegung des Begriffs verarbeitendes Gewerbe „in engster Anlehnung an die Systematik der Wirtschaftszweige“ bedeutet nach Auffassung des Bundesfinanzhofs, dass die Klassifikation der Wirtschaftszweige grundsätzlich verbindlich in dem Sinne ist, dass nur dann von ihr abgesehen werden kann, wenn „die Eingruppierung durch die Klassifikation selbst offensichtlich und unzweifelhaft falsch wäre“26. In seiner im vorliegenden Verfahren abgegebenen Stellungnahme charakterisiert der III. Senat des Bundesfinanzhofs diese Verfahrensweise selbst dahingehend, dass die Klassifikation der Wirtschaftszweige mit ihren Erläuterungen „praktisch wie eine Rechtsnorm“ verwendet werde.
Bei einer solchen Handhabung der Klassifikation der Wirtschaftszweige entscheiden Finanzbehörden und Finanzgerichte über die Vergabe einer Investitionszulage, soweit es um die Zuordnung zum verarbeitenden Gewerbe geht, nicht allein nach Maßgabe des Gesetzes, sondern subsumieren unter das Statistikverzeichnis. Maßgeblich für die Gewährung von Rechtsschutz ist damit nicht unmittelbar die Auslegung des Gesetzes durch die Gerichte, sondern die Klassifikation der Wirtschaftszweige, die weder Gesetz noch Verordnung ist und auch nicht zur Auslegung des Investitionszulagengesetzes, sondern für statistische Zwecke durch eine Verwaltungsbehörde geschaffen wurde.
Wurde wie im Ausgangsverfahren eine Stellungnahme des Statistischen Bundesamts oder eines Statistischen Landesamts über die Einordnung des Betriebs in die Klassifikation der Wirtschaftszweige eingeholt, ist, wie der Bundesfinanzhof auch in dem angegriffenen Urteil betont, diese Einordnung nach seiner ständigen Rechtsprechung27 bei der Entscheidung über die Gewährung der Investitionszulage „in aller Regel … zu übernehmen, soweit sie nicht zu einem offensichtlich falschen Ergebnis führt“. Steuerverwaltung und Finanzgerichte können nach Auffassung des Bundesfinanzhofs danach zwar überprüfen, ob die statistische Eingruppierung aufgrund eines zutreffenden Sachverhalts ergangen ist, ob der Betrieb richtig abgegrenzt und ob bei Mischbetrieben richtig zugeordnet wurde; im Hinblick auf die „Auslegung“ der Klassifikation, das heißt auf die Zuordnung bestimmter betrieblicher Tätigkeiten zu einem Abschnitt, einer Abteilung, einer Gruppe, einer Klasse und einer Unterklasse sowie hinsichtlich des konkreten Ergebnisses bindet die Stellungnahme jedoch, soweit sie nicht offenkundig falsch ist28. Auf eine solche Offensichtlichkeitskontrolle hat der Bundesfinanzhof in dem angegriffenen Urteil die Überprüfung der vom Finanzamt übernommenen Einordnungsentscheidung des Statistischen Bundesamts ausdrücklich beschränkt.
Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz[↑]
Aus dem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz folgt ein Anspruch des Bürgers auf eine möglichst wirksame gerichtliche Kontrolle des angegriffenen Hoheitsaktes. Die Gerichte sind verpflichtet, die angefochtenen Verwaltungsakte in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vollständig nachzuprüfen. Dies gilt auch, wenn die angefochtene Verwaltungsentscheidung auf der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe beruht. Deren Konkretisierung ist grundsätzlich Sache der Gerichte.
Das Grundrecht des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG garantiert jedem den Rechtsweg, der geltend macht, durch die öffentliche Gewalt in eigenen Rechten verletzt zu sein. Damit wird sowohl der Zugang zu den Gerichten als auch die Wirksamkeit des Rechtsschutzes gewährleistet. Der Bürger hat einen Anspruch auf eine möglichst wirksame gerichtliche Kontrolle in allen ihm von der Prozessordnung zur Verfügung gestellten Instanzen29, wobei es keinen Unterschied macht, ob es sich um Eingriffe in geschützte Rechtspositionen oder die Versagung gesetzlich eingeräumter Leistungsansprüche handelt30. Aus der Garantie effektiven Rechtsschutzes folgt grundsätzlich die Pflicht der Gerichte, die angefochtenen Verwaltungsakte in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vollständig nachzuprüfen. Das schließt eine Bindung der rechtsprechenden Gewalt an tatsächliche oder rechtliche Feststellungen und Wertungen seitens anderer Gewalten hinsichtlich dessen, was im Einzelfall rechtens ist, im Grundsatz aus31.
Die materiell geschützte Rechtsposition ergibt sich allerdings nicht aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG selbst, sondern wird darin vorausgesetzt32. Neben den verfassungsmäßigen Rechten bestimmt das einfache Recht, welche Rechte der Einzelne geltend machen kann. Der Gesetzgeber befindet unter Beachtung der Grundrechte darüber, unter welchen Voraussetzungen dem Bürger ein Recht zustehen und welchen Inhalt es haben soll33.
Beruht die angefochtene Entscheidung auf der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe, so ist deren Konkretisierung grundsätzlich Sache der Gerichte, die die Rechtsanwendung der Verwaltungsbehörden uneingeschränkt nachzuprüfen haben. Die Regeln über die eingeschränkte Kontrolle des Verwaltungsermessens gelten nicht ohne weiteres auch für die Auslegung und Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe34. Dies schließt nicht aus, dass bei der Kontrolle der Verwaltung deren Eigenverantwortung Rechnung getragen und die gerichtliche Kontrolle – wie etwa im Planungsrecht – als eine nachvollziehende Kontrolle ausgestaltet wird.
Soweit allgemeine Verwaltungsvorschriften die einheitliche Rechtsanwendung durch die Behörden für diese verbindlich regeln, ändert auch dies nichts an Umfang und Intensität der durch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gebotenen gerichtlichen Kontrolle. Verwaltungsvorschriften, mit denen die Verwaltung einen einheitlichen Verwaltungsvollzug bei der Auslegung und Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe oder bei der Ausübung des Verwaltungsermessens sicherstellen will, sind grundsätzlich Gegenstand, nicht jedoch Maßstab richterlicher Kontrolle des Verwaltungshandelns35. Denn die Gerichte sind bei der Überprüfung des Verwaltungshandelns an das Gesetz gebunden (Art. 20 Abs. 3, Art. 97 Abs. 1 GG).
Es beeinträchtigt indes weder die Gesetzesbindung der Gerichte noch den Anspruch des Einzelnen auf wirksame gerichtliche Kontrolle nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, wenn die Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe durch gesetzliche Verweisung auf bestimmte Verwaltungsvorschriften oder sonstige untergesetzliche Regelwerke erfolgt oder wenn die konkretisierende Heranziehung solcher Vorschriften oder Regelwerke in vergleichbarer Weise auf einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage beruht.
Das Gebot effektiven Rechtsschutzes schließt nicht aus, dass durch den Gesetzgeber eröffnete Gestaltungs-, Ermessens- und Beurteilungsspielräume sowie die Tatbestandswirkung von Exekutivakten die Durchführung der Rechtskontrolle durch die Gerichte einschränken36. Gerichtliche Kontrolle kann nicht weiter reichen als die materiellrechtliche Bindung der Instanz, deren Entscheidung überprüft werden soll. Sie endet deshalb dort, wo das materielle Recht in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise das Entscheidungsverhalten nicht vollständig determiniert und der Verwaltung einen Einschätzungs- und Auswahlspielraum belässt37.
Ob dies der Fall ist, muss sich ausdrücklich aus dem Gesetz ergeben oder durch Auslegung hinreichend deutlich zu ermitteln sein. Demgegenüber kann es weder der Verwaltung noch den Gerichten überlassen werden, ohne gesetzliche Grundlage durch die Annahme behördlicher Letztentscheidungsrechte die Grenzen zwischen Gesetzesbindung und grundsätzlich umfassender Rechtskontrolle der Verwaltung zu verschieben. Andernfalls könnten diese „in eigener Sache“ die grundgesetzliche Rollenverteilung zwischen Exekutive und Judikative verändern. Nimmt ein Gericht ein behördliches Letztentscheidungsrecht an, das mangels gesetzlicher Grundlage nicht besteht, und unterlässt es deshalb die vollständige Prüfung der Behördenentscheidung auf ihre Gesetzmäßigkeit, steht dies nicht nur in Widerspruch zur Gesetzesbindung der Gerichte (Art. 20 Abs. 3, Art. 97 Abs. 1 GG), sondern verletzt vor allem auch das Versprechen wirksamen Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG.
Auch der Gesetzgeber ist im Übrigen nicht frei in der Einräumung behördlicher Letztentscheidungsbefugnisse. Zwar liegt es grundsätzlich in seiner Hand, den Umfang und Gehalt der subjektiven Rechte der Bürger zu definieren und so mit entsprechenden Folgen für den Umfang der gerichtlichen Kontrolle auch deren Rechtsstellung gegenüber der Verwaltung differenziert auszugestalten. Allerdings ist er hierbei durch die Grundrechte sowie durch das Rechtsstaats- und das Demokratieprinzip und die hieraus folgenden Grundsätze der Bestimmtheit und Normenklarheit gebunden. Will er im Übrigen gegenüber von ihm anerkannten subjektiven Rechten die gerichtliche Kontrolle zurücknehmen, hat er zu berücksichtigen, dass im gewaltenteilenden Staat grundgesetzlicher Prägung die letztverbindliche Normauslegung und auch die Kontrolle der Rechtsanwendung im Einzelfall grundsätzlich den Gerichten vorbehalten ist. Deren durch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG garantierte Effektivität darf auch der Gesetzgeber nicht durch zu zahlreiche oder weitgreifende Beurteilungsspielräume für ganze Sachbereiche oder gar Rechtsgebiete aushebeln. Die Freistellung der Rechtsanwendung von gerichtlicher Kontrolle bedarf stets eines hinreichend gewichtigen, am Grundsatz eines wirksamen Rechtsschutzes ausgerichteten Sachgrunds.
Offen bleiben kann, ob gerichtlich nur eingeschränkt nachprüfbare Entscheidungsspielräume der Verwaltung ausnahmsweise auch ohne gesetzliche Grundlage von Verfassungs wegen dann zulässig sind, wenn eine weitergehende gerichtliche Kontrolle zweifelsfrei an die Funktionsgrenzen der Rechtsprechung stieße38. Eine solche Konstellation liegt hier offensichtlich nicht vor.
Bindungswirkung der Klassifikation[↑]
Der Bundesfinanzhof sieht sich bei der Zuordnung des Unternehmens der Beschwerdeführerin zum verarbeitenden Gewerbe grundsätzlich an die Klassifikation der Wirtschaftszweige gebunden, die weder Gesetz noch Verordnung ist, sondern allein für statistische Zwecke durch eine Verwaltungsbehörde geschaffen wurde. Dies führt jedoch nicht zu einer Verletzung der Rechtsschutzgarantie. Es beeinträchtigt weder die Gesetzesbindung der Gerichte noch den Anspruch des Einzelnen auf wirksame gerichtliche Kontrolle, wenn die Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe durch gesetzliche Verweisung auf bestimmte Verwaltungsvorschriften oder sonstige untergesetzliche Regelwerke erfolgt oder wenn die konkretisierende Heranziehung solcher Vorschriften oder Regelwerke in vergleichbarer Weise auf einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage beruht.
So verhält es sich hier. Die Anerkennung der prinzipiellen Verbindlichkeit der Klassifikation der Wirtschaftszweige für die Zuordnung eines Betriebs zum verarbeitenden Gewerbe kann sich bezogen auf die Investitionszulagengewährung auf eine tragfähige gesetzliche Grundlage stützen. Denn in den Gesetzesmaterialien zum Investitionszulagengesetz 1999 wie auch zu den Vorgängerregelungen finden sich eindeutige Belege dafür, dass der Gesetzgeber bei Erlass des jeweiligen Investitionszulagengesetzes von der verbindlichen Anwendung der Klassifikation der Wirtschaftszweige bei der Entscheidung über die Gewährung einer Investitionszulage im Rahmen der Zuordnung eines Betriebs zum verarbeitenden Gewerbe ausging. Die Anknüpfung an das Statistikrecht ist auch nicht grundsätzlich sachwidrig. Die Klassifikationen des Statistikrechts gewährleisten allen am Investitionszulageverfahren Beteiligten ein weitaus höheres Maß an Rechtssicherheit und Rechtsklarheit als es ein vom Statistikrecht abgelöstes, eigenes Verständnis des Gesetzesbegriffs „verarbeitendes Gewerbe“ vermöchte. Zudem bleibt nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs die Einteilung der betrieblichen Tätigkeiten nach der Klassifikation der Wirtschaftszweige einer Evidenzprüfung daraufhin unterworfen, ob sie in Blick auf das Investitionszulagenrecht zu einem offensichtlich falschen Ergebnis führt.
Das Urteil des Bundesfinanzhofs verletzt daher nicht Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, soweit es die Klassifikation der Wirtschaftszweige als grundsätzlich maßgeblich dafür ansieht, ob das Unternehmen der Beschwerdeführerin dem verarbeitenden Gewerbe zuzuordnen ist. Die Anerkennung der prinzipiellen Verbindlichkeit der Klassifikation der Wirtschaftszweige für die Zuordnung eines Betriebs zum verarbeitenden Gewerbe kann sich bezogen auf die Investitionszulagengewährung auf eine tragfähige gesetzliche Grundlage stützen.
Der Bundesfinanzhof entscheidet die Frage, ob die Investitionen der Beschwerdeführerin in einem Betrieb des verarbeitenden Gewerbes getätigt worden sind, nicht unmittelbar durch eine eigene Bestimmung des Begriffs „verarbeitendes Gewerbe“ in § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 1999. Vielmehr zieht er für diese Auslegung die vom Statistischen Bundesamt herausgegebene Klassifikation der Wirtschaftszweige in der für den Ausgangsfall maßgeblichen Fassung heran. Dabei sieht er in dem Regelwerk der Klassifikation keine gutachterliche Äußerung überlegenen Sachverstands oder das Ergebnis zwingender Gesetzesauslegung, der er sich aus eigener Überzeugung mit Rücksicht auf die darin zum Ausdruck kommende sachliche und fachliche Expertise anschließt. Die Übernahme auch allgemeiner, also nicht zu einem konkreten Verfahren eingeholter sachverständiger Stellungnahmen und sachkundiger Äußerungen steht einem Gericht im Rahmen seiner Überzeugungsbildung stets offen, ohne dass dies in Konflikt zu den Verfassungsprinzipien der Gesetzesbindung der Gerichte und der Rechtsschutzgarantie geriete39. Der Bundesfinanzhof hält sich – so auch hier – bei der Zuordnung eines Betriebs zum verarbeitenden Gewerbe im Rahmen der Anwendung des Investitionszulagengesetzes jedoch im Grundsatz für gebunden an die Klassifikation der Wirtschaftszweige mit der Folge, dass er sie weitgehend gleich einem Gesetz auslegt und auf den konkreten Fall anwendet.
Die Klassifikation der Wirtschaftszweige ist weder Gesetz noch Verordnung, die als solche Geltung für den Bereich der Investitionszulage beanspruchen könnten.
Es handelt sich um eine statistische Klassifikation. Sie knüpft an die von der Statistischen Kommission der Vereinten Nationen vorgeschlagene, auf Wirtschaftszweigklassifikationen abstellende ISIC an, die im Jahre 2002 in Abstimmung mit der Europäischen Union einer Revision zur „ISIC Rev.03.1“ unterzogen wurde. Mit einer tieferen Gliederung wurde diese Klassifikation mit Wirkung zum 01.01.2003 auf europäischer Ebene unter der Bezeichnung Nomenclature générale des activités économiques dans les Communautés Européennes „NACE Rev.01.1“ in der Rechtsform einer Verordnung40 eingeführt18. Die derzeit letzte Änderung der NACE41 wurde – erneut im Gleichklang mit einer Überarbeitung der durch die Vereinten Nationen aufgestellten ISIC – durch Verordnung vom 20.12. 2006 in Kraft gesetzt und ist seit 01.01.2008 anzuwenden42.
Die vom Statistischen Bundesamt herausgegebene deutsche Fassung der Klassifikation ist demgegenüber weder dem Verfahren noch der Form nach als Gesetz oder als Rechtsverordnung ergangen. Sie erschöpft sich in der für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Ausgabe 2003 auch nicht in einer bloßen Wiederholung des Inhalts der Verordnung „NACE Rev.01.1“, berücksichtigt vielmehr durch das Hinzufügen einer weiteren Gliederungsebene nationale Bedürfnisse43. Damit hat die Klassifikation der Wirtschaftszweige nicht Teil am normativen Charakter der Verordnung. Sie erfüllt vielmehr im Ausgangspunkt eine rein statistische Ordnungsfunktion. Zudem weist sie weder nach ihrem Inhalt noch nach ihrer normativen Einbindung einen Bezug zur Förderwürdigkeit von Investitionen auf.
Anders als nunmehr § 3 Abs. 1 Satz 2 InvZulG 2010, der vorsieht, dass die Zuordnung eines Betriebs zum verarbeitenden Gewerbe nach der vom Statistischen Bundesamt herausgegebenen Klassifikation der Wirtschaftszweige, Ausgabe 2008, vorzunehmen ist, verweist § 2 InvZulG 1999 nicht ausdrücklich auf die Klassifikation der Wirtschaftszweige. Ein begrenzter Bindungswille des Gesetzgebers lässt sich jedoch durch Auslegung ermitteln.
In den Gesetzesmaterialien zum Investitionszulagengesetz 1999 wie auch zu den Vorgängerregelungen finden sich eindeutige Belege dafür, dass der Gesetzgeber bei Erlass des jeweiligen Investitionszulagengesetzes von der verbindlichen Anwendung der Klassifikation der Wirtschaftszweige oder – zuvor – des Systematischen Verzeichnisses der Wirtschaftszweige bei der Entscheidung über die Gewährung einer Investitionszulage im Rahmen der Zuordnung eines Betriebs zum verarbeitenden Gewerbe ausging, wie sie durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs geprägt war.
So hebt die Begründung des Gesetzentwurfs zum Investitionszulagengesetz 1999 hervor, dass die Abgrenzung der – neu eingeführten – produktionsnahen Dienstleistungen wie die bisher vorgenommene Abgrenzung des verarbeitenden Gewerbes entsprechend der Klassifikation der Wirtschaftszweige vorgenommen werden soll44.
Bereits die Gesetzesmaterialien zu den Vorgängerregelungen enthielten entsprechende Hinweise auf die Maßgeblichkeit der statistischen Klassifikation. So ging der Änderung des Investitionszulagengesetzes 1991 durch das Verbrauchsteuer-Binnenmarktgesetz vom 21. Dezember 199245 eine Beschlussempfehlung mit Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags vom 30. November 1992 voraus, in der eine Erhöhung des Zulagensatzes für Investitionen in Betriebe des verarbeitenden Gewerbes vorgeschlagen wurde. Der Ausschuss stellte fest, dass die Zuordnung eines Betriebs zum Handwerk grundsätzlich einfach gehandhabt werden könne. Abgrenzungsschwierigkeiten könnten jedoch bei der Frage nach der Zugehörigkeit eines Betriebs zum verarbeitenden Gewerbe auftreten. Hier sei die Verwaltungspraxis zu Grunde zu legen, die bei dem Berlinförderungsgesetz entstanden sei46. In diesem Zusammenhang verwies der Ausschuss auf eine Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums der Finanzen zur „Gewährung von Investitionszulagen nach dem Investitionszulagengesetz und nach § 19 des Berlinförderungsgesetzes“ vom 31. Dezember 198647.
Die in Bezug genommene Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums der Finanzen wies die Finanzverwaltung an, die Abgrenzung des verarbeitenden Gewerbes „in engster Anlehnung an das vom Statistischen Bundesamt herausgegebene Systematische Verzeichnis der Wirtschaftszweige durchzuführen“. Sie verwies hierzu auf Entscheidungen des Bundesfinanzhofs aus den Jahren 1975, 1976 und 198048.
Schließlich findet sich bereits in der Begründung des Gesetzentwurfs zur Änderung des Berlinhilfegesetzes vom 18.06.1968, die zu einer erhöhten Investitionszulage für Investitionen in Berliner Betrieben des verarbeitenden Gewerbes nach § 19 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Berlinhilfegesetz49 führte, der Hinweis, dass die Abgrenzung des verarbeitenden Gewerbes sich aus dem Systematischen Verzeichnis der Wirtschaftszweige des Statistischen Bundesamts ergebe50.
Nach allem steht außer Frage, dass der Gesetzgeber, auch wenn dies in dem für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Gesetzestext selbst keinen ausdrücklichen Niederschlag gefunden hat, seit Jahrzehnten davon ausging, dass die Zuordnung eines Betriebs zum verarbeitenden Gewerbe im Investitionszulagenrecht nach Maßgabe der statistischen Nomenklatur zunächst im Systematischen Verzeichnis, später in der Klassifikation der Wirtschaftszweige erfolgen solle.
Die Auslegung des Bundesfinanzhofs, nach der die Zuordnung eines Betriebs zum verarbeitenden Gewerbe im Investitionszulagenrecht nach Maßgabe der statistischen Nomenklatur zunächst im Systematischen Verzeichnis, später in der Klassifikation der Wirtschaftszweige erfolgen solle, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Dass die Anknüpfung an das Statistikrecht grundsätzlich sachwidrig und damit mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist, ist nicht ersichtlich. Die Klassifikationen des Statistikrechts gewährleisten allen am Investitionszulageverfahren Beteiligten, Behörden wie Antragstellern, ein weitaus höheres Maß an Rechtssicherheit und Rechtsklarheit51 als es ein vom Statistikrecht abgelöstes, eigenes Verständnis des Gesetzesbegriffs „verarbeitendes Gewerbe“ in § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 1999 vermöchte. Zwar wohnt der vom Gesetzgeber intendierten Bindung eine gewisse Dynamik inne, weil die statistischen Klassifikationen vor und nach Erlass des Investitionszulagengesetzes 1999 wiederholt überarbeitet wurden. Der Gesetzgeber hat, dies sehend, offenbar eine Bindung an den jeweils aktuellen Stand angestrebt. Dieser Rückgriff auf die Klassifikationen ist jedoch verfassungsrechtlich ausreichend, weil es sich um Subventionen handelt. Hinzu kommt, dass die Zuordnung eines Betriebs zum verarbeitenden Gewerbe auch bei der nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs hierbei gebotenen Bindung an die Klassifikation der Wirtschaftszweige keineswegs völlig der gerichtlichen Kontrolle entzogen wird. Die Einteilung der betrieblichen Tätigkeiten nach der Klassifikation der Wirtschaftszweige selbst bleibt einer Evidenzprüfung daraufhin unterworfen, ob sie in Blick auf das Investitionszulagenrecht zu einem offensichtlich falschen Ergebnis führt52. Die Kontrolle, ob die Behörde bei ihrer Zuordnungsentscheidung von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist, bleibt den Gerichten im Übrigen ohnehin unbenommen.
Vor diesem Hintergrund begründet die erkennbare Anknüpfung des Gesetzgebers im Gesetzgebungsverfahren zum Investitionszulagengesetz 1999 an die schon bisher praktizierte Bindungswirkung der Klassifikation der Wirtschaftszweige nach Maßgabe der finanzgerichtlichen Rechtsprechung eine ausreichend gesetzlich fundierte Verbindlichkeit des untergesetzlichen Regelwerks, von der im Grundsatz auch die Gerichte auszugehen haben, ohne dass damit eine nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG unzulässige Einschränkung des gerichtlichen Prüfungsumfangs verbunden wäre.
Keine bloße Offensichtlichkeitskontrolle[↑]
Das Urteil des Bundesfinanzhofs verletzt jedoch die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz, soweit es zum anderen die Stellungnahme des Statistischen Bundesamts, wonach die Tätigkeit der Beschwerdeführerin nicht zu dem verarbeitenden Gewerbe zählt, als grundsätzlich verbindlich erachtet und nur auf offensichtliche Fehler prüft. Dies schmälert den individuellen Rechtsschutz, weil die gebotene vollständige Prüfung der Verwaltungsentscheidung, hier der Entscheidung des Finanzamts, unterbleibt und stattdessen nur noch eine bloße Offensichtlichkeitskontrolle erfolgt. Damit wird dem Statistischen Bundesamt ein partielles behördliches Letztentscheidungsrecht eingeräumt.
Von Gerichten nicht oder nur eingeschränkt überprüfbare Letztentscheidungsbefugnisse über Rechte des Einzelnen dürfen der vollziehenden Gewalt nur aufgrund eines Gesetzes eingeräumt werden. Dabei hat auch der Gesetzgeber, wenn er die gerichtliche Kontrolle zurücknehmen will, zu berücksichtigen, dass die letztverbindliche Normauslegung und die Kontrolle der Rechtsanwendung im Einzelfall grundsätzlich den Gerichten vorbehalten ist. Deren durch Art. 19 Abs. 4 garantierte Effektivität darf auch der Gesetzgeber nicht durch zu zahlreiche oder weitgreifende Beurteilungsspielräume für ganze Sachbereiche oder gar Rechtsgebiete aushebeln. Die Freistellung der Rechtsanwendung von gerichtlicher Kontrolle bedarf stets eines hinreichend gewichtigen, am Grundsatz eines wirksamen Rechtsschutzes ausgerichteten Sachgrunds.
Die auf eine Offensichtlichkeitskontrolle beschränkte Prüfung des Bundesfinanzhofs ist mit der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nicht vereinbar, weil es bereits an der erforderlichen gesetzlichen Grundlage für diese Beschränkung fehlt. Weder im Investitionszulagengesetz 1999 noch in den Gesetzesmaterialien finden sich tragfähige Hinweise auf eine Finanzbehörden und Finanzgerichte bindende Einbeziehung der Statistikbehörden in die Investitionszulagenentscheidung oder auch nur auf ein insoweit dem Finanzamt selbst einzuräumendes Letztentscheidungsrecht. Die unzureichende gerichtliche Prüfung der Zuordnungsentscheidung des Statistischen Bundesamts und nachfolgend des Finanzamts durch den Bundesfinanzhof wird auch nicht durch Rechtsschutzmöglichkeiten gegen die Stellungnahme des Statistischen Bundesamts selbst kompensiert. Durch die Garantie effektiven Rechtsschutzes werden zwar Verfahrensstufungen mit gespaltener Rechtsschutzgewährung nicht ausgeschlossen. Die Stellungnahme des Statistischen Bundesamts ist jedoch weder ein selbständig angreifbarer Grundlagenbescheid in einem gestuften Verfahren noch musste sich die Beschwerdeführerin auf einen möglicherweise dagegen eröffneten verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz verweisen lassen, weil die fachliche Stellungnahme der Statistikbehörde nicht gesetzlich in das Verfahren über die Gewährung einer Investitionszulage einbezogen ist.
Das Urteil des Bundesfinanzhofs verletzt daher Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, soweit es die Zuordnungsentscheidung des Statistischen Bundesamts einer nur eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterzieht. Die unzureichende gerichtliche Überprüfung dieser Entscheidung wird nicht durch anderweitige Rechtsschutzmöglichkeiten kompensiert.
Indem der Bundesfinanzhof im Ausgangsverfahren die Stellungnahme des Statistischen Bundesamts, derzufolge die vom Betrieb der Beschwerdeführerin ausgeübte Tätigkeit nicht zum verarbeitenden Gewerbe zählt, für die Entscheidungen des Finanzamts und nachfolgend des Finanzgerichts über die Gewährung der Investitionszulage als grundsätzlich verbindlich erklärt und nur darauf überprüft, ob sie zu einem offensichtlich falschen Ergebnis führt53, bleibt er hinter der nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG im Regelfall gebotenen vollständigen Prüfung des angegriffenen Hoheitsakts zurück und beschränkt sich stattdessen auf eine bloße Offensichtlichkeitskontrolle. Anders als bei der Einbindung der Klassifikation der Wirtschaftszweige in die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs „verarbeitendes Gewerbe“ als ersten konkretisierenden Schritt der Rechtsanwendung auf den Einzelfall geht es hier um den zweiten Schritt, die konkrete Subsumtion unter den so präzisierten Gesetzesbegriff.
Mit dieser Rechtsprechung räumt der Bundesfinanzhof dem Statistischen Bundesamt und den Statistischen Landesämtern im Ergebnis ein partielles behördliches Letztentscheidungsrecht ein. Dieses schmälert den individuellen Rechtsschutz, weil es die bei Ablehnung der begehrten Investitionszulage zu verklagenden Finanzbehörden nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs in gleicher Weise wie die Finanzgerichte gegenüber den Statistikbehörden auf die Prüfung beschränkt, ob deren Einstufungsentscheidung zu einem offensichtlich falschen Ergebnis führt oder von einem falschen Sachverhalt ausgeht54.
Die mit dem Rückzug auf eine Offensichtlichkeitskontrolle verbundene Einschränkung des Rechtsschutzes ist nicht mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG vereinbar.
Für eine solche Beschränkung der richterlichen Kontrolle fehlt es bereits an der erforderlichen gesetzlichen Grundlage.
Weder § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 1999 noch sonst eine Bestimmung des Investitionszulagengesetzes enthalten ausdrücklich oder sinngemäß einen Anhaltspunkt dafür, dass die Zuordnungsentscheidung der Finanzbehörde – von der Statistikbehörde ist im Investitionszulagengesetz ohnehin nicht die Rede – über den eine Zulage begehrenden Betrieb zum verarbeitenden Gewerbe einer nur eingeschränkten gerichtlichen Prüfung zugänglich sein soll. Auch der Bundesfinanzhof begründet seine diesbezügliche Rechtsprechung nicht unter Rückgriff auf das Investitionszulagengesetz.
Anders als bei der Bezugnahme auf die Klassifikation der Wirtschaftszweige finden sich auch in den Gesetzesmaterialien keine tragfähigen Hinweise auf eine Finanzbehörden und Finanzgerichte bindende Einbeziehung der Statistikbehörden in die Investitionszulagenentscheidung oder auch nur auf ein insoweit dem Finanzamt selbst einzuräumendes Letztentscheidungsrecht. Einen entfernten Anhalt für die Bedeutung einer Stellungnahme des Statistischen Bundesamts oder eines Statistischen Landesamts im Rahmen des Investitionszulagenverfahrens bietet lediglich die Entstehungsgeschichte zur Änderung des Investitionszulagengesetzes 1991 durch das Verbrauchsteuer-Binnenmarktgesetz vom 21.12. 199245. Dort hat der Finanzausschuss des Deutschen Bundestags, wie bereits im Zusammenhang mit der Klassifikation der Wirtschaftszweige ausgeführt, im Hinblick auf befürchtete Abgrenzungsschwierigkeiten bei der Frage nach der Zugehörigkeit eines Betriebs zum verarbeitenden Gewerbe vorgeschlagen, die Verwaltungspraxis zu Grunde zu legen, die sich zum Berlinförderungsgesetz entwickelt hatte46. Nach der schon erwähnten Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums der Finanzen zur „Gewährung von Investitionszulagen nach dem Investitionszulagengesetz und nach § 19 des Berlinförderungsgesetzes“47, auf die der Ausschuss hierzu verwies, sollte für die Zugehörigkeit eines Betriebs zum verarbeitenden Gewerbe grundsätzlich dessen Eingruppierung in „Abteilung 2 des Systematischen Verzeichnisses der Wirtschaftszweige durch das Statistische Landesamt“ maßgebend sein. Aus einer solchen Eingruppierung könne allerdings kein Rechtsanspruch auf Gewährung einer erhöhten Investitionszulage abgeleitet werden. Die endgültige Entscheidung, ob ein Betrieb dem verarbeitenden Gewerbe zugerechnet werden könne, werde vom Finanzamt getroffen46.
Mit dieser Andeutung in einem früheren Gesetzgebungsverfahren lässt sich nicht begründen, dass der Gesetzgeber des Investitionszulagengesetzes 1999 der Statistikbehörde ein im Rahmen des Angriffs gegen die Investitionszulagenentscheidung des Finanzamts nicht oder nur begrenzt überprüfbares Letztentscheidungsrecht einräumen wollte. Mangels einer ausreichenden Gesetzesgrundlage war der Bundesfinanzhof mithin nicht befugt, sich im Hinblick auf die Eingruppierungsentscheidung des Statistischen Bundesamts auf eine Offensichtlichkeitskontrolle zurückzuziehen. Er verletzt damit den Anspruch der Beschwerdeführerin aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG auf eine vollständige Überprüfung der Zuordnungsentscheidung durch das Finanzgericht.
Es fehlt im Übrigen auch, ohne dass es darauf mangels der erforderlichen gesetzlichen Regelung noch entscheidend ankäme, an einem tragfähigen Sachgrund für das hier beanspruchte behördliche Letztentscheidungsrecht. Jedenfalls gelangt die Rechtsprechung bei der Überprüfung einer behördlichen Zuordnungsentscheidung zur Klassifikation der Wirtschaftszweige nicht an die Grenzen ihrer Funktionsfähigkeit55. Dafür spricht im Übrigen auch, dass der Bundesfinanzhof uneingeschränkten Rechtsschutz bei der insoweit gleich gelagerten Frage der Zugehörigkeit eines Betriebs zu dem produzierenden Gewerbe nach Maßgabe der Klassifikation der Wirtschaftszweige bei Anwendung des § 2 Nr. 3 StromStG gewährt56 ebenso wie neuerdings die Verwaltungsgerichte unmittelbar gegen die Zuordnungsentscheidungen der Statistikbehörden57.
Die unzureichende Prüfung der Zuordnungsentscheidung des Statistischen Bundesamts und nachfolgend des Finanzamts durch den Bundesfinanzhof ist auch nicht mit Rücksicht auf anderweitige ausreichende Rechtsschutzmöglichkeiten gegen die Stellungnahme des Statistischen Bundesamts mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG vereinbar. Verfahrensstufungen mit gespaltener Rechtsschutzgewährung werden durch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG zwar nicht ausgeschlossen. Die Stellungnahme des Statistischen Bundesamts ist jedoch weder ein selbständig angreifbarer Grundlagenbescheid in einem gestuften Verfahren, noch musste sich die Beschwerdeführerin auf einen möglicherweise dagegen eröffneten verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz verweisen lassen.
Die Garantie effektiven Rechtsschutzes steht der Aufspaltung behördlicher Entscheidungsfindung in mehrere Verfahrensstufen mit einer Abschichtung des Entscheidungsstoffs in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht und einer entsprechenden Bindung der nachfolgenden Entscheidungsebene an die Ergebnisse der vorangegangenen nicht grundsätzlich entgegen58. Eine solche Verfahrensstufung kann den individuellen Rechtsschutz mit Rücksicht auf seine Frühzeitigkeit sowie die Reduktion komplexer Streitstoffe fördern.
Mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG vereinbar sind Verfahrensstufungen in Form bindender Vorentscheidungen, die durch den Angriff gegen die Endentscheidung nicht mehr oder nur eingeschränkt einer gerichtlichen Überprüfung zugeführt werden können, allerdings nur, sofern
- die Bindung einer Behörde an vorangehende Feststellungen oder Entscheidungen einer anderen Behörde sich hinreichend klar aus einer gesetzlichen Bestimmung ergibt,
- gegen die mit Bindungswirkung ausgestattete Teil- oder Vorentscheidung ihrerseits effektiver Rechtsschutz zur Verfügung steht59 und
- die Aufspaltung des Rechtsschutzes mit einer etwaigen Anfechtungslast gegenüber der Vorentscheidung für den Bürger klar erkennbar60 und nicht mit unzumutbaren Risiken und Lasten verbunden ist61.
Eine diesen Anforderungen genügende Verfahrensstufung zwischen der Einordnungsentscheidung des Statistischen Bundesamts und der Entscheidung des Finanzamts über die Investitionszulagengewährung besteht nicht. Weder das Investitionszulagengesetz 1999 noch sonstige gesetzliche Regelungen sehen eine förmliche Beteiligung der Statistikbehörden im Verfahren über die Gewährung einer Investitionszulage vor; dass der gleichwohl bei einem Statistikamt eingeholten Stellungnahme in keinem Gesetz Bindungswirkung gegenüber dem Finanzamt zugesprochen wird, wurde bereits festgestellt. Der Bundesfinanzhof selbst betont im Übrigen, dass die Eingruppierungsentscheidung des Statistischen Bundesamts oder eines Statistischen Landesamts nicht die Funktion eines Grundlagenbescheids hat62. So bleibt es der freien Verfahrensgestaltung des Finanzamts oder – wie hier – der Anfrage des Unternehmers in Eigeninitiative überlassen, ob wegen der Einordnung eines Betriebs in die Klassifikation der Wirtschaftszweige die Auskunft eines Statistischen Landesamts oder des Statistischen Bundesamts eingeholt wird. Damit existiert keine rechtsstaatlichen Anforderungen entsprechende Verfahrensstufung zwischen Statistik- und Finanzbehörde, die eine Vorverlagerung des Rechtsschutzes auf die Entscheidung der Statistikbehörde tragen könnte.
Nach neuerer verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung ist die Entscheidung der Statistikbehörden über die Eingruppierung eines Betriebs in die Klassifikation der Wirtschaftszweige allerdings einer umfassenden Überprüfung durch die Verwaltungsgerichte zugänglich63. Die eingeschränkte gerichtliche Überprüfung der Investitionszulagenentscheidung durch die Finanzbehörde kann gleichwohl nicht mit dieser Rechtsschutzmöglichkeit gegen die Statistikbehörde gerechtfertigt werden. Da die fachliche Stellungnahme der Statistikbehörde nicht gesetzlich in das Verfahren über die Gewährung einer Investitionszulage einbezogen und damit auch keine Bindung für die Finanzbehörde nach Inhalt und Umfang festgelegt ist, muss sich der betroffene Unternehmer nicht auf eine isolierte Klage gegen die Stellungnahme der Statistikbehörde verweisen lassen. Er kann darauf vertrauen, uneingeschränkten Rechtsschutz gegen die Versagung der Investitionszulage durch das Finanzamt zu erhalten. Für die Beschwerdeführerin gilt dies umso mehr, da zur Zeit der Stellungnahme des Statistischen Bundesamts in ihrem Verfahren noch keine verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zu den isolierten Rechtsschutzmöglichkeiten hiergegen vorlag.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom vom 31. Mai 2011 – 1 BvR 857/07
- vgl. den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP zur Änderung des Berlinhilfegesetzes vom 18.06.1968, BT-Drucks. V/3019, S. 7, 9[↩]
- vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags vom 30.11.1992 zu dem Entwurf des InvZulG 1991, BT-Drucks. 12/3893, S. 154[↩]
- vgl. BMF, Schreiben vom 31.12.1986, BStBl I 1987, S. 51, 75, Rn. 191 bis 194[↩]
- vgl. Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP für das InvZulG 1999 vom 03.06.1997, BT-Drucks. 13/7792, S. 1 f., 12[↩]
- vom 07.12.2008, BGBl I S. 2350[↩]
- vgl. BT-Drucks. 16/10291, S. 16[↩]
- vgl. BFHE 100, 573, 574 ff.; 111, 392, 394 f.[↩]
- vgl. BFHE 118, 516, 520; 119, 334, 336; 121, 120, 121; 188, 169, 172[↩]
- vgl. BFHE 187, 124, 134; 201, 571, 573 f.[↩]
- vgl. BFHE 229, 562, 565[↩]
- vgl. BFHE 209, 186, 190 ff.[↩]
- vgl. BFHE 229, 562, 565, bestätigt durch BFH, Beschluss vom 30.08.2010 – III B 2/09, BFH/NV 2010, S. 2306[↩]
- vgl. BFHE 209, 186, 189; BFH, Beschluss vom 30.08.2010 – III B 2/09, BFH/NV 2010, S. 2306[↩]
- vgl. BFHE 229, 562, 566; BFH, Beschluss vom 30.08.2010 – III B 2/09, BFH/NV 2010, S. 2306[↩]
- vgl. BFHE 187, 124, 134; 198, 169, 172; BFH, Urteile vom 29.01.1991 – III R 55/89, BFH/NV 1991, S. 559, 560; vom 11.04.1995 – III R 77/91, BFH/NV 1995, S. 1090, 1091; Beschlüsse vom 26.02.1998 – III B 5/97, BFH/NV 1998, S. 1260, 1261; vom 24.02.1999 – III B 194/96, BFH/NV 1999, S. 1123, 1124; Urteil vom 10.05.2007 – III R 54/04, BFH/NV 2007, S. 2146, 2147 f.[↩]
- vgl. Statistisches Bundesamt, Klassifikation der Wirtschaftszweige mit Erläuterungen, Ausgabe 2008, Vorbemerkungen S. 7[↩]
- vgl. Statistisches Bundesamt, Klassifikation der Wirtschaftszweige mit Erläuterungen, Ausgabe 2008, Vorbemerkungen S. 8, 45 f.[↩]
- vgl. Statistisches Bundesamt, Klassifikation der Wirtschaftszweige mit Erläuterungen, Ausgabe 2008, Vorbemerkungen S. 12[↩][↩]
- ABl EG Nr. L 293 vom 24.10.1990, S. 1[↩]
- ABl EG Nr. L 6 vom 10.01.2002, S. 3[↩]
- vgl. Statistisches Bundesamt, Klassifikation der Wirtschaftszweige mit Erläuterungen, Ausgabe 2008, Vorbemerkungen S. 15[↩]
- Zwischenurteil vom 06.07.2006 – 3 K 797/05[↩]
- BFH, Urteil vom 25.01.2007 – III R 69/06[↩]
- BFHE 209, 186[↩]
- BFHE 115, 86[↩]
- so die Bestätigung der ständigen Rechtsprechung in BFHE 229, 562, 565[↩]
- auch insoweit unter Verweisung auf BFH, Urteil vom 23.03.2005, BFHE 209, 186, 189 m.w.N.[↩]
- vgl. auch insoweit die Bestätigung der ständigen Rechtsprechung des BFH in BFHE 229, 562, 566[↩]
- vgl. BVerfGE 40, 272, 275; 113, 273, 310[↩]
- vgl. BVerfGE 31, 33, 39 f.; 46, 166, 177 ff.; 60, 253, 297 f.; 79, 69, 74; 116, 1, 11 f.[↩]
- vgl. BVerfGE 15, 275, 282; 61, 82, 110 f.; 84, 34, 49; 84, 59, 77; 101, 106, 123; 103, 142, 156[↩]
- vgl. BVerfGE 61, 82, 110; 78, 214, 226; 83, 182, 194 f.; 84, 34, 49; stRspr[↩]
- vgl. BVerfGE 78, 214, 226; 83, 182, 195; 113, 273, 310; 116, 1, 11 f.[↩]
- vgl. BVerfGE 7, 129, 154; 64, 261, 279; 84, 34, 49 f.[↩]
- vgl. BVerfGE 78, 214, 227[↩]
- vgl. BVerfGE 15, 275, 282; 61, 82, 111; 84, 34, 50 ff.; 88, 40, 56; 103, 142, 157; 113, 273, 310[↩]
- vgl. BVerfGE 88, 40, 61; 103, 142, 156 f.; 116, 1, 18[↩]
- so offenbar in den Prüfungsfällen vgl. BVerfGE 84, 34, 50; 84, 59, 77 f.[↩]
- vgl. BVerfGE 78, 214, 229 f.[↩]
- Verordnung [EG] Nr. 29/2002 der Kommission vom 19.12.2001 zur Änderung der Verordnung [EWG] Nr. 3037/90 des Rates betreffend die statistische Systematik der Wirtschaftszweige in der Europäischen Gemeinschaft, ABl EG Nr. L 6 vom 10.01.2002, S. 3[↩]
- „NACE Rev. 2“[↩]
- Verordnung [EG] Nr. 1893/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.12. 2006 zur Aufstellung der statistischen Systematik der Wirtschaftszweige NACE Revision 2 und zur Änderung der Verordnung [EWG] Nr. 3037/90 des Rates sowie einiger Verordnungen der EG über bestimmte Bereiche der Statistik, ABl EU Nr. L 393 vom 30.12.2006, S. 1[↩]
- vgl. Statistisches Bundesamt, Klassifikation der Wirtschaftszweige mit Erläuterungen, Ausgabe 2003, Vorbemerkungen S. 12[↩]
- vgl. BT-Drucks. 13/7792, S. 12[↩]
- BGBl I S. 2150[↩][↩]
- vgl. BT-Drucks. 12/3893, S. 154[↩][↩][↩]
- vgl. BStBl I 1987, S. 51, 75[↩][↩]
- vgl. BMF, Schreiben vom 31.12.1986, a.a.O., Rn. 191 unter Bezugnahme auf BFHE 115, 86; 118, 516; 119, 334; 121, 120; 131, 261[↩]
- BGBl I S. 1049, 1058[↩]
- vgl. BT-Drucks. V/3019, S. 9[↩]
- hierauf weisen ausdrücklich hin BFHE 118, 516, 519 f.; 209, 186, 189[↩]
- vgl. BFHE 201, 571, 573 f.; 229, 562, 565; BFH, Beschluss vom 30.08.2010 – III B 2/09, BFH/NV 2010, S. 2306; stRspr[↩]
- vgl. auch BFHE 209, 186, 189[↩]
- neben dem angegriffenen Urteil vgl. nur BFHE 209, 186, 189; 229, 562, 565 m.w.N.[↩]
- zu diesem Kriterium vgl. BVerfGE 54, 173, 197; 83, 130, 148; 84, 34, 50; 88, 40, 56; 103, 142, 156 f. sowie BVerfG, Beschluss vom 10.12.2009 – 1 BvR 3151/07, Rn. 52 ff. m.w.N.[↩]
- vgl. BFHE 223, 287, 291; und BFH, Urteil vom 27.05.2009 – VII R 5/09[↩]
- vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 17.09.2009 – 2 L 228/08; nachgehend BVerwG, Beschluss vom 08.06.2010 – 8 B 114.09[↩]
- vgl. BVerfGE 61, 82, 111; 83, 182, 198[↩]
- vgl. BVerfGE 73, 339, 373[↩]
- vgl. BVerfGE 49, 148, 164; 87, 48, 65; 107, 395, 416[↩]
- vgl. BVerfGE 93, 99, 108; 107, 395, 416 f.[↩]
- vgl. BFHE 209, 186, 189[↩]
- vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 17.09. 2009 – 2 L 228/08; nachgehend BVerwG, Beschluss vom 08.06.2010 – 8 B 114.09[↩]