Die Angabe der Vergabestelle als Antragsgegnerin im Nachprüfungsverfahren und im Verfahren der sofortigen Beschwerde ist regelmäßig dahingehend auszulegen, dass Antragsgegner die hinter der Vergabestelle stehende juristische Person ist, für die die Vergabestelle gehandelt hat.

Zur Wahl eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb.
Dass ein dringender Grund für die Wahl eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb fehlt, ist nicht deshalb i.S.d. § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, 3 GWB erkennbar, weil die Dringlichkeit nicht näher begründet ist.
Einer Bieterin droht aufgrund der fehlerhaften Wahl des Verhandlungsverfahrens ein Schaden i.S.d. § 107 Abs. 2 Satz 2 GWB unabhängig davon, ob ihr bisher abgegebenes Angebot zuschlagsfähig war und ob der Auftraggeber tatsächlich Verhandlungen mit anderen Bietern geführt hat.
Parteifähig ist entsprechend § 50 Abs. 1 ZPO, wer rechtsfähig ist. Zwar ist als Antragsgegner sowohl in dem Nachprüfungsantrag als auch in der Beschwerdeschrift das L. N. bezeichnet, das als bloße Behörde nicht selbst rechtsfähig und damit nicht parteifähig ist [1]. Diese Bezeichnung ist jedoch auslegungsfähig. Sie ist dahingehend auszulegen, dass Antrags- und Beschwerdegegner das Land Niedersachsen ist.
Die Anforderungen an einen Nachprüfungsantrag, der unter hohem Zeitdruck gestellt werden muss, dürfen nicht überspannt werden. Ungewissheiten hinsichtlich des Auftraggebers sind von Amts wegen aufzuklären und gehen nicht zu Lasten des Bieters. Es ist deshalb anerkannt und entspricht gängiger Übung, dass sich der Bieter im Nachprüfungsantrag darauf beschränken kann, die Vergabestelle als Antragsgegner zu nennen. Selbst bei anwaltlich vertretenen Bietern steht dies der Zulässigkeit des Verfahrens nicht entgegen, sofern sich aus der Antragsschrift bzw. den Anlagen zweifelsfrei ergibt, welcher konkrete Beschaffungsvorgang bzw. welche Ausschreibung zur Überprüfung gestellt wird. Die Vergabekammer oder das Oberlandesgericht berichtigen dann von Amts wegen das Rubrum [2].
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist hier das Rubrum – wie geschehen – zu berichtigen. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die richtige Bezeichnung des Auftraggebers auch dadurch erschwert war, dass der tatsächliche Auftraggeber in den Ausschreibungsunterlagen nicht ausdrücklich bezeichnet war. Im Gegenteil ist er auf Seiten 2 f. des Aufforderungsschreibens zur Angebotsabgabe vom 11.04.2014 mit derjenigen Stelle gleichgesetzt, bei der die Angebote einzureichen waren. Dies war das L. N. Auch bei der Zuschlagserteilung mit Schreiben vom 15.05.2014 hat dieses nicht ausdrücklich klargestellt, für eine dritte Person zu handeln. Gleiches gilt für die Bestellung vom 23.05.2014 (deren Briefkopf allerdings in den Vergabeakten nicht abgedruckt ist). Als Rechnungsempfänger war dort ebenfalls das L. N. angegeben.
Diese Auslegung widerspricht nicht den Grundsätzen, die das Oberlandesgericht Celle in seiner Entscheidung vom 08.11.2012 [3] zu Grunde gelegt hat. Dort hat sich die Antragstellerin gerade nicht darauf beschränkt, als Antragsgegner die die Vergabestelle zu nennen, sondern hat aufgrund einer eigenen rechtlichen Bewertung ausdrücklich einen von zwei in Betracht kommenden öffentlichen Auftraggebern als Antragsgegner bezeichnet. Diese rechtliche Wertung war dort nach der Auffassung des Oberlandesgerichts unzutreffend. Eine Auslegung, nach der der Nachprüfungsantrag gegen den anderen in Betracht kommenden öffentlichen Auftraggeber gerichtet sein sollte, schied aus.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass vorliegend bereits die Vergabekammer die Bezeichnung des Auftraggebers und Antragsgegners in dem Nachprüfungsantrag ausgelegt und nur eine ausdrückliche Rubrumsberichtigung unterlassen hat. In den Gründen des angefochtenen Beschlusses hat sie als Antragsgegner und öffentlichen Auftraggeber das Land Niedersachsen bezeichnet.
Oberlandesgericht Celle, Beschluss vom 24. September 2014 – 13 Verg 9/14
- vgl. OLG Celle, Beschluss vom 08.11.2012 – 13 Verg 7/12 25[↩]
- OLG München, Beschluss vom 31.05.2012 – Verg 4/12 15; Möllenkamp in: Kulartz/Kus/Portz, GWB-Vergaberecht, 3. Aufl., § 108 Rdnr.20 f.; Summa in: jurisPK-Vergaberecht, 4. Aufl., § 108 Rdnr. 30 f.; noch weitergehender, wenn auch bezogen auf den Sonderfall mehrerer Auftraggeber: OLG Naumburg, Beschluss vom 23.02.2012 – 2 Verg 15/11 29[↩]
- OLG Celle, Beschluss vom 08.11.2012 – 13 Verg 7/12[↩]